Pyta, Wolfram/Havemann, Nils/Braun, Jutta, Porsche – Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke. Siedler, München 2017. 505 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Pyta, Wolfram/Havemann, Nils/Braun, Jutta, Porsche – Vom Konstruktionsbüro zur Weltmarke. Siedler, München 2017. 505 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Ferdinand Porsche wurde in Maffersdorf bei Reichenberg in Nordböhmen an dem 3. September 1875 geboren und begann nach dem Schulabschluss 1893 eine Tätigkeit bei dem Elektrounternehmen Bela Egger & Co. in Wien, wo er auf Grund seiner Einsicht in technische Zusammenhänge schnell von einem Arbeiter zu dem Leiter des Prüfraums aufstieg und 1897 den Radnabenelektromotor erfand. 1898 wechselte er zu der kaiserlichen und königlichen Hofwagenfabrik Jacob Lohner & Co., wo er 1899 das ein Jahr später in Paris vorgestellte Lohner-Porsche-Elektromobil entwickelte. Nach Tätigkeiten bei Austro-Daimler in Neustadt, bei der österreichischen Daimler-Motoren KG Bierenz, Fischer & Co., bei der Daimler-Motoren-Gesellschaft in Stuttgart-Untertürkheim, wo auf Grund seiner Pläne der erste Kompressormotor gebaut wurde und er von der Technischen Hochschule Stuttgart den Titel Dr. ing. h. c. erhielt, und bei der Steyr-Werke AG eröffnete er an dem 25. April 1931 das selbständige Ingenieurbüro Dr. Ing. h. c. F. Porsche GmbH in Stuttgart.
Mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung der Vorgeschichte und der Anfangsjahre des auf dieser Grundlage rasch entstehenden Unternehmens mit Weltrang beschäftigt sich das seit 2014 von der Porsche AG unterstützte unabhängige Forschungsprojekt des Verfassers, der nach der Einleitung zwar Unternehmensmittel zur Finanzierung seiner Mitautoren erhielt, aber unter Wahrung uneingeschränkter inhaltlicher Gestaltung und Gewährung ungehinderten Zugangs zu allen in dem Unternehmensarchiv aufbewahrten Unterlagen etwa neun Zehntel des Textes selbst herstellte. Gegliedert ist das beeindruckende Ergebnis in insgesamt 14 Kapitel. Sie betreffen den wagemutigen, auf den konstruktiven Neigungen statt auf ökonomischen Zielsetzungen beruhenden Schritt in die unternehmerische Selbstständigkeit, das Ende der anfänglichen finanziellen Durststrecke und den Durchbruch, die Erfolgsspur mit Auto Union, die geschäftliche Entwicklung des Konstruktionsbüros von 1933 bis 1939, die Einengung auf ein reines Familienunternehmens durch Hinausdrängen familienexterner Gesellschafter in politisch bestimmter Zeit, die Vereinigung zur Geschwindigkeitsrekordjagd mit Daimler-Benz, Porsches Verhältnis zu dem – bis 1955 mit einer Million verkaufter Exemplare zu dem meist verkauften Personenkraftwagen Europas aufsteigenden - Volkswagen, die strategische Erweiterung zu einem Entwicklungsbetrieb, die ultramobile Entwicklung von Kübelwagen und Schwimmwagen, die untaugliche Panzerkampfwagenkonstruktion, die Entwicklung von Landmaschinen, die Kooperation mit der Politik während des zweiten Weltkriegs, die Chancen und Risiken des Neuanfangs nach 1945 sowie die Emanzipation des Sohnes von dem sich schließlich in Zell am See zur Ruhe setzenden, an dem 20. Januar 1951 mit 75 Jahren versterbenden „Übervater“.
In seinem Resümee und Überblick kann der Verfasser feststellen, dass der vor allem konstruktiv interessierte Ferdinand Porsche, der ab 1934 in dem Auftrag des Reichsverbands der deutschen Automobilindustrie mit dem Kraft-durch-Freude-wagen (Volkswagen) unter umfangreicher Förderung durch die nationalsozialistisch bestimmte Deutsche Arbeitsfront, als politischer, instinktsicher und skrupellos handelnder Konjunkturritter nur durch politische Rückendeckung (Adolf Hitlers und Robert Leys) zu dem Inhaber eines kompletten Entwicklungsunternehmens für Fahrzeuge aufsteigen konnte, der nach dem Ende der nationalsozialistischen Herrschaft immerhin während 22 Monate in Kriegsgefangenschaft Frankreichs geriet und die Lebenslüge des vermeintlichen Nurtechnikers nicht scheute, um als nichtbelastet eingestuft zu werden. Weiter kann der Verfasser zeigen, dass Familienunternehmen bei Bedarf neue Formen finden müssen, um die Familienenteressen (Porsches und seines Wiener Schwiegersohns Piëch) mit den Unternehmensinteressen zu vereinbaren. Schließlich findet der Verfasser der spannend geschriebenen Untersuchung vor allem noch eine bedeutende Ursache des ökonomischen Erfolgs des als ersten 1949/1950 in Eigenregie hergestellten Kraftfahrzeugs (Porsche 356) in dessen kultureller Veredelung durch ein in langen Jahren erworbenes Imaginationspotenzial.
Innsbruck Gerhard Köbler