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AAAKöbler, Gerhard, Berlin in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, 2016

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Abs. 6 In mein erstes Semester fiel die Hambacher Feier (27. Mai 1832), deren Festgesang mir in der Erinnerung geblieben ist, in mein drittes der Frankfurter Putsch (3. April 1833). Diese Erscheinungen stießen mich ab, meiner preußischen Schulung widerstrebten tumultuarische Eingriffe in die staatliche Ordnung; ich kam nach Berlin mit weniger liberaler Gesinnung zurück, als ich es verlassen hatte, eine Reaction, die sich wieder abschwächte, nachdem ich mit dem staatlichen Räderwerke in unmittelbare Beziehung getreten war. Was ich etwa über auswärtige Politik dachte, mit der das Publikum sich damals wenig beschäftigte, war im Sinne der Freiheitskriege, vom preußischen Offizierstandpunkt gesehn. Beim Blick auf die Landkarte ärgerte mich der französische Besitz von Straßburg, und der Besuch von Heidelberg, Speier und der Pfalz stimmte mich rachsüchtig und kriegslustig. In der Zeit vor 1848 war für einen KammergerichtsAuscultator und Regirungs-Referendar, dem jede Beziehung zu ministeriellen und höhern amtlichen Kreisen fehlte, kaum eine Aussicht zu einer Betheiligung an der preußischen Politik vorhanden, so lange er nicht den einförmigen Weg zurückgelegt hatte, der durch die Stufen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 7 [1-3] der bürokratischen Laufbahn nach Jahrzehnten dahin führen konnte, an den höhern Stellen bemerkt und herangezogen zu werden. Als mustergültige Vordermänner auf diesem Wege wurden mir im Familienkreise damals Männer wie Pommer-Esche und Delbrück vorgehalten, und als einzuschlagende Richtung die Arbeit an und in dem Zollvereine empfohlen. Ich hatte, so lange ich in dem damaligen Alter an eine Beamtenlaufbahn ernstlich dachte, die diplomatische im Auge, auch nachdem ich von Seiten des Ministers Ancillon bei meiner Meldung dazu wenig Ermuthigung gefunden hatte. Derselbe bezeichnete nicht mir, aber hohen Kreisen gegenüber als Musterbild dessen, was unsrer Diplomatie fehle, den Fürsten Felix Lichnowski, obschon man hätte vermuthen sollen, daß diese Persönlichkeit, wie sie sich damals in Berlin zur Anschauung brachte, der anerkennenden Würdigung eines der evangelischen Geistlichkeit entstammenden Ministers nicht grade nahe stände. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 10 Außerdem kann ich Ancillon nicht Unrecht geben, wenn er von den meisten Aspiranten aus unserm Landadel den Eindruck hatte, daß sie sich aus dem engen Gesichtskreise ihrer damaligen Berliner, man könnte sagen provinziellen Anschauungen schwer loslösen ließen, und daß es ihnen nicht leicht gelingen würde, den specifisch preußischen Bürokraten in der Diplomatie mit dem Firniß des europäischen zu übertünchen. Die Wirkung dieser Wahrnehmungen zeigt sich deutlich, wenn man die Rangliste unsrer Diplomaten aus damaliger Zeit durchgeht; man wird erstaunt sein, so wenig geborne Preußen darin zu finden. Die Eigenschaft, der Sohn eines in Berlin accreditirten fremden Gesandten zu sein, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 13 [1-6] Die Personen und Einrichtungen unsrer Justiz, in der ich zunächst beschäftigt war, gaben meiner jugendlichen Auffassung mehr Stoff zur Kritik als zur Anerkennung. Die praktische Ausbildung des Auscultators begann damit, daß man auf dem Criminalgericht das Protokoll zu führen hatte, wozu ich von dem Rathe, dem ich zugewiesen war, Herrn von Brauchitsch, über die Gebühr herangezogen wurde, weil ich damals über den Durchschnitt schnell und lesbar schrieb. Von den "Untersuchungen", wie die Criminalprozesse bei dem damals geltenden Inquisitionsverfahren genannt wurden, hat mir eine den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen, welche eine in Berlin weit verzweigte Verbindung zum Zweck der unnatürlichen Laster betraf. Die Klubeinrichtungen der Betheiligten, die Stammbücher, die gleichmachende Wirkung des gemeinschaftlichen Betreibens des Verbotenen durch alle Stände hindurch - alles das bewies schon 1835 eine Demoralisation, welche hinter den Ergebnissen des Prozesses gegen die Heinze'schen Eheleute (October 1891) nicht zurückstand. Die Verzweigungen dieser Gesellschaft reichten bis in hohe Kreise hinauf. Es wurde dem Einflusse des Fürsten Wittgenstein zugeschrieben, daß die Akten von dem Justizministerium eingefordert und, wenigstens während meiner Thätigkeit an dem Criminalgerichte, nicht zurückgegeben wurden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 50 Die erste Kunde von den Ereignissen des 18. und 19. März 1848 erhielt ich im Hause meines Gutsnachbarn, des Grafen von Wartensleben auf Karow, zu dem sich Berliner Damen geflüchtet hatten. Für die politische Tragweite der Vorgänge war ich im ersten Augenblick nicht so empfänglich wie für die Erbitterung über die Ermordung unsrer Soldaten in den Straßen. Politisch, dachte ich, würde der König bald Herr der Sache werden, wenn er nur frei wäre; ich sah die nächste Aufgabe in der Befreiung des Königs, der in der Gewalt der Aufständischen sein sollte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 53 Dann fuhr ich mit meiner Frau auf umliegende Dörfer und fand die Bauern eifrig bereit, dem Könige nach Berlin zu Hülfe zu ziehn, besonders begeistert einen alten Deichschulzen Krause in Neuermark, der in meines Vaters Regiment "Carabiniers" Wachtmeister gewesen war. Nur mein nächster Nachbar sympathisirte mit der Berliner Bewegung, warf mir vor, eine Brandfackel in das Land zu schleudern, und erklärte, wenn die Bauern sich wirklich zum Abmarsch anschicken sollten, so werde er auftreten und abwiegeln. Ich erwiderte: "Sie kennen mich als einen ruhigen Mann, aber wenn Sie das thun, so schieße ich Sie nieder." - "Das werden Sie nicht," meinte er. - "Ich gebe mein Ehrenwort darauf," versetzte ich, "und Sie wissen, daß ich das halte, also lassen Sie das." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 55 [1-22] und besuchte im "Deutschen Hause" den General von Möllendorf, noch steif von den Mißhandlungen, die er erlitten, als er mit den Aufständischen unterhandelte, und General von Prittwitz, der in Berlin commandirt hatte. Ich schilderte ihnen die Stimmung des Landvolks; sie gaben mir dagegen Einzelheiten über die Vorgänge bis zum 19. Morgens. Was sie zu berichten hatten und was an spätern Nachrichten aus Berlin hergelangt war, konnte mich nur in dem Glauben bestärken, daß der König nicht frei sei. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 56 Prittwitz, der älter als ich war und ruhiger urtheilte, sagte: "Schicken Sie uns keine Bauern, wir brauchen sie nicht, haben Soldaten genug; schicken Sie uns lieber Kartoffeln und Korn, vielleicht auch Geld, denn ich weiß nicht, ob für die Verpflegung und Löhnung der Truppen ausreichend gesorgt werden wird. Wenn Zuzug käme, würde ich aus Berlin den Befehl erhalten und ausführen müssen, denselben zurückzuschlagen." - "So holen Sie den König heraus!" sagte ich. Er erwiderte: "Das würde keine große Schwierigkeit haben; ich bin stark genug, Berlin zu nehmen, aber dann haben wir wieder Gefecht; was können wir thun, nachdem der König uns befohlen hat, die Rolle des Besiegten anzunehmen? Ohne Befehl kann ich nicht angreifen." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 60 Ueberbringer - mir wohlbekannt - hat den Auftrag, sich bei Sr. Majestät meinem Allergnädigsten Bruder persönlich nach Höchstdessen Gesundheit zu erkundigen und mir Nachricht zu bringen, aus welchem Grunde mir seit 30 Stunden auf meine wiederholten eigenh. Anfragen "ob ich nicht nach Berlin kommen dürfe" keine Antwort ward. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 63 Ich fuhr nach Berlin. Vom Vereinigten Landtage her vielen Leuten von Ansehn bekannt, hatte ich für rathsam gehalten, meinen Bart abzuscheeren und einen breiten Hut mit bunter Kokarde aufzusetzen. Wegen der gehofften Audienz war ich im Frack. Am Ausgange des Bahnhofes war eine Schüssel mit einer Aufforderung zu Spenden für die Barrikadenkämpfer aufgestellt, daneben ein baumlanger Bürgerwehrmann mit der Muskete auf der Schulter. Ein Vetter von mir, mit dem ich beim Aussteigen zusammengetroffen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 65 Die Bürgerwache im Schlosse fragte mich, was ich dort wolle. Auf meine Antwort, ich hätte einen Brief des Prinzen Karl an den König abzugeben, sagte der Posten, mich mit mißtrauischen Blicken betrachtend, das könne nicht sein; der Prinz befinde sich eben beim Könige. Erstrer mußte also noch vor mir von Potsdam abgereist sein. Die Wache verlangte den Brief zu sehn, den ich hätte; ich zeigte ihn, da er offen und der Inhalt unverfänglich war, und man ließ mich gehn, aber nicht in's Schloß. Im Gasthof Meinhard, parterre, lag ein mir bekannter Arzt im Fenster, zu dem ich eintrat. Dort schrieb ich dem Könige, was ich ihm zu sagen beabsichtigt hatte. Ich ging mit dem Briefe zum Fürsten Boguslaw Radziwill, der freien Verkehr hatte und ihn dem Könige übergeben konnte. Es stand darin u. A., die Revolution beschränke sich auf die großen Städte, und der König sei Herr im Lande, sobald er Berlin verlasse. Der König antwortete nicht, hat mir aber später gesagt, er habe den auf schlechtem Papier schlecht geschriebenen Brief als das erste Zeichen von Sympathie, das er damals erhalten, sorgfältig aufbewahrt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 68 Nicht wegen der Warnung, sondern weil ich in Berlin keinen Boden für eine Thätigkeit fand, kehrte ich an demselben Tage nach Potsdam zurück und besprach mit den beiden Generalen Möllendorf und Prittwitz noch einmal die Möglichkeit eines selbständigen Handelns. "Wie sollen wir das anfangen?" sagte Prittwitz. Ich klimperte auf dem geöffneten Klavier, neben dem ich saß, den Infanteriemarsch zum Angriff. Möllendorf fiel mir in Thränen und vor Wundschmerzen steif um den Hals und rief: "Wenn Sie uns das besorgen könnten!" "Kann ich nicht," erwiderte ich; "aber wenn Sie es ohne Befehl thun, was kann Ihnen denn geschehn? Das Land wird Ihnen danken und der König schließlich auch." Prittwitz: "Können Sie mir Gewißheit schaffen, ob Wrangel und Hedemann mitgehn werden? wir können zur Insubordination nicht noch Zwist in die Armee bringen." Ich versprach das zu ermitteln, selbst nach Magdeburg zu gehn und einen Vertrauten nach Stettin zu schicken, um die beiden commandirenden Generale zu sondiren. Von Stettin kam der Bescheid des Generals von Wrangel: "Was Prittwitz thut, thue ich auch." Ich selbst war in Magdeburg weniger glücklich. Ich gelangte zunächst nur an den Adjutanten des Generals von Hedemann, einen jungen Major, dem ich mich eröffnete und der mir seine Sympathie ausdrückte. Nach kurzer Zeit aber kam er zu mir in den Gasthof und bat mich, sofort abzureisen, um mir eine Unannehmlichkeit und dem alten General eine Lächerlichkeit zu ersparen; derselbe beabsichtige, mich als Hochverräther festnehmen zu lassen. Der damalige Oberpräsident von Bonin, die höchste (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 69 [1-26] politische Autorität der Provinz, hatte eine Proclamation erlassen des Inhalts: "In Berlin ist eine Revolution ausgebrochen; ich werde eine Stellung über den Parteien nehmen." Diese "Stütze des Thrones" war später Minister und Inhaber hoher und einflußreicher Aemter. General Hedemann gehörte dem Humboldtschen Kreise an. Nach Schönhausen zurückgekehrt, suchte ich den Bauern begreiflich zu machen, daß der bewaffnete Zug nach Berlin nicht thunlich sei, gerieth aber dadurch in den Verdacht, in Berlin von dem revolutionären Schwindel angesteckt zu sein. Ich machte ihnen daher den Vorschlag, der angenommen wurde, daß Deputirte aus Schönhausen und andern Dörfern mit mir nach Potsdam reisen sollten, um selbst zu sehn, und den General von Prittwitz, vielleicht den Prinzen von Preußen zu sprechen. Als wir am 25. den Bahnhof von Potsdam erreichten, war der König eben dort eingetroffen und von einer großen Menschenmenge in wohlwollender Stimmung empfangen worden. Ich sagte meinen bäuerlichen Begleitern: "Da ist der König, ich werde Euch ihm vorstellen, sprecht mit ihm." Das lehnten sie aber ängstlich ab und verzogen sich schnell in die hintersten Reihen. Ich begrüßte den König ehrfurchtsvoll, er dankte, ohne mich zu erkennen, und fuhr nach dem Schlosse. Ich folgte ihm und hörte dort die Anrede, welche er im Marmorsaale an die Offiziere des Gardecorps richtete *). Bei den Worten: "Ich bin niemals freier und sichrer gewesen als unter dem Schutze meiner Bürger" erhob sich ein Murren und Aufstoßen von Säbelscheiden, wie es ein König von Preußen in Mitten seiner Offiziere nie gehört haben wird und hoffentlich nie wieder hören wird 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 70 *) Die meiner Erinnerung und sich unter einander widersprechenden Berichte der Allgemeinen Preußischen, der Vossischen und der Schlesischen Zeitung liegen mir vor. (Wolff, Berliner Revolutions-Chronik Band I 424.) (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 73 "Jeder, dem ein preußisches Herz in der Brust schlägt, hat gewiß gleich uns Unterzeichneten mit Entrüstung die Angriffe der Presse gelesen, welchen in den ersten Wochen nach dem 19. März die Königlichen Truppen zum Lohn dafür ausgesetzt waren, daß sie ihre Pflicht im Kampfe treu erfüllt und auf ihrem befohlenen Rückzuge ein unübertroffenes Beispiel militärischer Disciplin und Selbstverleugnung gegeben hatten. Wenn die Presse seit einiger Zeit eine schicklichere Haltung beobachtet, so liegt der Grund davon bei der dieselbe beherrschenden Partei weniger in einer ihr seither gewordenen richtigen Erkenntniß des Sachverhältnisses, als darin, daß die schnelle Bewegung der neuern Ereignisse den Eindruck der ältern in den Hintergrund drängt, und man sich das Ansehn giebt, den Truppen wegen ihrer neuesten Thaten *)die frühern verzeihn zu wollen. Sogar bei dem Landvolk, welches die ersten Nachrichten von den Berliner Ereignissen mit kaum zu zügelnder Erbitterung aufnahm, fangen die Entstellungen an Consistenz zu gewinnen, welche von allen Seiten und ohne irgend erheblichen Widerspruch, theils durch die Presse, theils durch die bei Gelegenheit der Wahlen das Volk bearbeitenden Emissäre verbreitet worden sind, so daß die wohlgesinnten Leute unter dem Landvolk bereits glauben, es könne doch nicht ohne allen Grund sein, daß der Berliner Straßenkampf von den Truppen, mit oder ohne Wissen und Willen des vielverleumdeten Thronerben, vorbedachter Weise herbeigeführt sei, um dem Volke die Concessionen, welche der König gemacht hatte, zu entreißen. An eine Vorbereitung auf der andern Seite, an eine systematische Bearbeitung des Volkes, will kaum (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 76 Es würde unsrer Meinung nach von dem erheblichsten Einfluß auf die politischen Ansichten der Bevölkerung sein, wenn sie über die unlautere Quelle der Berliner Bewegung einigermaßen aufgeklärt werden könnte, sowie darüber, daß der Kampf der Märzhelden zur Erreichung des vorgeschützten Zweckes, nämlich der Vertheidigung der von Sr. Majestät versprochenen constitutionellen Institutionen, ein unnöthiger war. Ew. Excellenz als Befehlshaber der ruhmwürdigen Truppen, welche bei jenen Ereignissen thätig waren, sind unsres Erachtens vorzugsweise berufen und im Stande, die Wahrheit über dieselben auf überzeugende Weise ans Licht zu bringen. Die Ueberzeugung, wie wichtig dies für unser Vaterland sein und wie sehr der Ruhm der Armee dabei gewinnen würde, muß uns zur Entschuldigung dienen, wenn wir Ew. Excellenz so dringend als ehrerbietig bitten, eine, insoweit die dienstlichen Rücksichten es gestatten, genaue und mit Beweisstücken versehene Darstellung der Berliner Ereignisse vom militärischen Standpunkt so bald als möglich der Oeffentlichkeit übergeben zu lassen 1)." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 80 Als Beitrag zu der Geschichte der Märztage seien hier Gespräche aufgezeichnet, welche ich einige Wochen danach mit Personen hatte, die mich, den sie als Vertrauensmann der Conservativen betrachteten, aufsuchten, die einen, um sich über ihr Verhalten vor und an dem 18. März rechtfertigend auszusprechen, die andern, um mir die gemachten Wahrnehmungen mitzutheilen. Der Polizeipräsident von Minutoli beklagte sich dabei, daß ihm der Vorwurf gemacht werde, er habe den Aufstand vorausgesehn und nichts zur Verhinderung desselben gethan, und bestritt, daß irgend welche auffallende Symptome zu seiner Kenntniß gekommen wären. Auf meine Entgegnung, mir sei in Genthin von Augenzeugen gesagt worden, daß während der Tage vor dem 18. März fremdländisch aussehende Männer, meistens polnisch sprechend, einige offen Waffen mit sich führend, die andern mit schweren Gepäckstücken, in der Richtung nach Berlin passirt wären, erzählte Minutoli, der Minister von Bodelschwingh habe ihn Mitte März kommen lassen und Besorgniß über die herrschende Gährung geäußert; darauf habe er denselben in eine Versammlung vor den Zelten geführt. Nachdem Bodelschwingh die dort gehaltenen Reden angehört, habe er gesagt: "Die Leute sprechen ja ganz verständig, ich danke Ihnen, Sie haben mich vor einer Thorheit bewahrt." Bedenklich für die Beurtheilung Minutoli's war seine Popularität in den nächsten Tagen nach dem Straßenkampfe. Sie war für einen Polizeipräsidenten als Ergebniß eines Aufruhrs unnatürlich. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 81 Auch der General von Prittwitz, der die Truppen um das Schloß befehligt hatte, suchte mich auf und erzählte mir, mit ihrem Abzuge sei es so zugegangen: Nachdem ihm die Proclamation "An meine lieben Berliner" bekannt geworden, habe er das Gefecht abgebrochen, aber den Schloßplatz, das Zeughaus und die einmündenden Straßen zum Schutze des Schlosses besetzt gehalten. Da sei Bodelschwingh an ihn mit der Forderung (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 100 [1-33] habe ebenfalls in der vorigen Woche den mir benachbarten Gemeinden erklärt, daß ich den König in Berlin nicht für frei hielte, und dieselben zur Absendung einer Deputation an die geeignete Stelle aufgefordert, ohne daß ich mir deshalb die selbstsüchtigen Motive, welche Ihr Correspondent anführt, unterschieben lassen möchte. Es ist 1) sehr erklärlich, daß jemand, dem alle mit der Person des Königs nach dem Abzug der Truppen vorgegangenen Ereignisse bekannt waren, die Meinung fassen konnte, der König sei nicht Herr, zu thun und zu lassen, was er wollte; 2) halte ich jeden Bürger eines freien Staates für berechtigt, seine Meinung gegen seine Mitbürger selbst dann zu äußern, wenn sie der augenblicklichen öffentlichen Meinung widerspricht: ja nach den neusten Vorgängen möchte es schwer sein, jemand das Recht zu bestreiten, seine politischen Ansichten durch Volksaufregung zu unterstützen; 3) wenn alle Handlungen Sr. Majestät in den letzten 14 Tagen durchaus freiwillig gewesen sind, was weder Ihr Correspondent noch ich mit Sicherheit wissen können, was hätten dann die Berliner erkämpft? Dann wäre der Kampf am 18. und 19. mindestens ein überflüssiger und zweckloser gewesen und alles Blutvergießen ohne Veranlassung und ohne Erfolg; 4) glaube ich die Gesinnung der großen Mehrzahl der Ritterschaft dahin aussprechen zu können, daß in einer Zeit, wo es sich um das sociale und politische Fortbestehn Preußens handelt, wo Deutschland von Spaltungen in mehr als einer Richtung bedroht ist, wir weder Zeit noch Neigung haben, unsre Kräfte an reactionäre Versuche, oder an Vertheidigung der unbedeutenden uns bisher verbliebenen gutsherrlichen Rechte zu vergeuden, sondern gern bereit sind, diese auf Würdigere zu übertragen, indem wir dieses als untergeordnete Frage, die Herstellung rechtlicher Ordnung in Deutschland, die Erhaltung der Ehre und Unverletzlichkeit unsres Vaterlandes aber als die für jetzt alleinige Aufgabe eines jeden betrachten, dessen Blick auf unsre politische Lage nicht durch Parteiansichten getrübt ist. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 120 Bald nach der Begegnung in Genthin lud er mich nach Babelsberg ein. Ich erzählte ihm mancherlei aus den Märztagen, was ich theils erlebt, theils von Offizieren gehört hatte, namentlich über die Stimmung, in der die Truppen den Rückzug aus Berlin angetreten und die sich in sehr bittern, auf dem Marsch gesungenen Versen Luft gemacht hatte. Ich war hart genug, ihm das Gedicht vorzulesen, welches für die Stimmung der Truppen auf dem befohlenen Rückzuge aus Berlin historisch bezeichnend ist: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 164 Die Frage der deutschen Einheit war in den letzten beiden Jahrzehnten unter Friedrich Wilhelm III. nur in Gestalt der burschenschaftlichen Strebungen und deren strafrechtlicher Repression in die äußere Erscheinung getreten. Friedrich Wilhelms IV. deutsches oder, wie er schrieb, "teutsches" Nationalgefühl war gemüthlich lebhafter wie das seines Vaters, aber durch mittelalterliche Verbrämung und durch Abneigung gegen klare und feste Entschlüsse in der praktischen Bethätigung gehemmt. Daher versäumte er die Gelegenheit, die im März 1848 günstig war; und es sollte das nicht die einzige versäumte bleiben. In den Tagen zwischen den süddeutschen Revolutionen, einschließlich der Wiener, und dem 18. März, so lange es vor Augen lag, daß von allen deutschen Staaten, Oestreich inbegriffen, Preußen der einzige feststehende geblieben war, waren die deutschen Fürsten bereit, nach Berlin zu kommen und Schutz zu suchen unter Bedingungen, die in unitarischer Richtung über das hinausgingen, was heut verwirklicht ist; auch das bairische Selbstbewußtsein war erschüttert. Wenn es zu dem, nach (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 166 Der 18. März war ein Beispiel, wie schädlich das Eingreifen roher Kräfte auch den Zwecken werden kann, die dadurch erreicht werden sollen. Indessen war am 19. Morgens noch nichts verloren. Der Aufstand war niedergeschlagen. Führer desselben, darunter der mir von der Universität her bekannte Assessor Rudolf Schramm, hatten sich nach Dessau geflüchtet, hielten die erste Nachricht von dem Rückzuge der Truppen für eine polizeiliche Falle und kehrten erst nach Berlin zurück, nachdem sie die Zeitungen erhalten hatten. Ich glaube, daß mit fester und kluger Ausnutzung des Sieges; des einzigen, der damals von einer Regirung in Europa gegen Aufstände erfochten war, die deutsche Einheit in strengerer Form zu erreichen war, als zur Zeit meiner Betheiligung an der Regirung schließlich geschehn ist. Ob das nützlicher und dauerhafter gewesen wäre, lasse ich dahingestellt sein. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 167 Wenn der König im März die Empörung in Berlin definitiv niederwarf und auch nachher nicht wieder aufkommen ließ, so würden wir von dem Kaiser Nicolaus nach dem Zusammenbruch Oestreichs keine Schwierigkeiten in der Neubildung einer haltbaren Organisation Deutschlands erfahren haben. Seine Sympathien waren ursprünglich mehr nach Berlin als nach Wien gerichtet, wenn auch Friedrich Wilhelm IV. persönlich diese nicht besaß und bei der Verschiedenheit der Charaktere nicht besitzen konnte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 170 Die Weichlichkeit, mit der Friedrich Wilhelm IV. unter dem Drucke unberufener, vielleicht verrätherischer Rathgeber, gedrängt durch weibliche Thränen, das blutige Ergebniß in Berlin, nachdem es siegreich durchgeführt war, dadurch abschließen wollte, daß er seinen Truppen befahl, auf den gewonnenen Sieg zu verzichten, hat für die weitere Entwicklung unsrer Politik zunächst den Schaden einer versäumten Gelegenheit gebracht. Ob der Fortschritt ein dauernder gewesen sein würde, wenn der König den Sieg seiner Truppen festgehalten und ausgenutzt hätte, ist eine andre Frage. Der König würde dann allerdings nicht in der gebrochenen Stimmung gewesen sein, in der ich ihn während des Zweiten Vereinigten Landtags gefunden habe, sondern in dem durch den Sieg gestärkten Schwunge der Beredsamkeit, die er bei Gelegenheit der Huldigung 1840, in Köln 1842 und sonst entwickelt hatte. Ich wage keine Vermuthung darüber, welche Einwirkung auf die Haltung des Königs, die Romantik mittelalterlicher Reichserinnerungen Oestreich und den Fürsten gegenüber und das vorher und später so starke fürstliche Selbstgefühl im Inlande das Bewußtsein geübt haben würde, den Aufruhr definitiv niedergeschlagen zu haben, der ihm gegenüber allein siegreich blieb im außerrussischen Continent. Eine auf dem Straßenpflaster erkämpfte Errungenschaft wäre von andrer Art und von minderer Tragweite gewesen als die später auf dem Schlachtfeld gewonnene. Es ist vielleicht für unsre Zukunft besser gewesen, daß wir die Irrwege in der Wüste innerer Kämpfe von (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 173 [1-44] erinnerlich ist: "Die Stimmung war sehr gut, aber seit die Revolution uns von den königlichen Behörden unter königlichem Stempel eingeimpft worden, ist sie schlecht geworden. Das Vertrauen zu dem Beistande des Königs fehlt." In dem Augenblicke trat die Königin hinter einem Gebüsche hervor und sagte: "Wie können Sie so zu dem Könige sprechen?" - "Laß mich nur, Elise," versetzte der König, "ich werde schon mit ihm fertig werden;" und dann zu mir gewandt: "Was werfen Sie mir denn eigentlich vor?" - "Die Räumung Berlins." - "Die habe ich nicht gewollt," erwiderte der König. Und die Königin, die noch in Gehörsweite geblieben war, setzte hinzu: "Daran ist der König ganz unschuldig, er hatte seit drei Tagen nicht geschlafen." - "Ein König muß schlafen können," versetzte ich. Unbeirrt durch diese schroffe Aeußerung sagte der König: "Man ist immer klüger, wenn man von dem Rathhause kommt; was wäre denn damit gewonnen, daß ich zugäbe, ,wie ein Esel' gehandelt zu haben? Vorwürfe sind nicht das Mittel, einen umgestürzten Thron wieder aufzurichten, dazu bedarf ich des Beistandes und thätiger Hingebung, nicht der Kritik." Die Güte, mit der er dies und Aehnliches sagte, überwältigte mich. Ich war gekommen in der Stimmung eines Frondeurs, dem es ganz recht sein würde, ungnädig weggeschickt zu werden, und ging, vollständig entwaffnet und gewonnen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 174 Auf meine Vorstellungen, daß er Herr im Lande sei und die Macht besitze, die bedrohte Ordnung überall herzustellen, sagte er, er müsse sich hüten, den Weg des formellen Rechtes zu verlassen; wenn er mit der Berliner Versammlung, dem Tagelöhnerparlamente, wie man sie damals in gewissen Kreisen nannte, brechen wolle, so müsse er dazu das formelle Recht auf seiner Seite haben, sonst stehe seine Sache auf schwachen Füßen, und die ganze Monarchie laufe Gefahr, nicht blos von innern Bewegungen, sondern auch von außen her. Vielleicht hat er dabei an einen französischen Krieg unter Betheiligung deutscher Aufstände gedacht. Wahrscheinlicher aber ist mir, daß er grade mir die Besorgniß, seine deutschen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 178 [1-46] die Frage des Gehorsams gegen militärische Befehle nicht berührt haben würde. Auch das Einrücken größerer Truppenmassen in Berlin nach dem Zeughaussturme und ähnlichen Vorgängen würde nicht blos von den Soldaten, sondern auch von der Mehrheit der Bevölkerung als dankenswerthe Ausübung eines zweifellosen königlichen Rechts aufgefaßt worden sein, wenn auch nicht von der Minderheit, welche die Leitung übte; und auch wenn die Bürgerwehr sich hätte widersetzen wollen, so würde sie bei den Truppen nur den berechtigten Kampfeszorn gesteigert haben. Ich kann mir kaum denken, daß der König im Sommer an seiner materiellen Macht, der Revolution in Berlin ein Ende zu machen, Zweifel gehabt haben sollte, vermuthe vielmehr, daß Hintergedanken rege waren, ob nicht die Berliner Versammlung und der Friede mit ihr und ihrem Rechtsboden unter irgend welchen Constellationen direct oder indirect nützlich werden könne, sei es in Combinationen mit dem Frankfurter Parlamente oder gegen dasselbe, sei es, um nach andern Seiten hin in der deutschen Frage einen Druck auszuüben, und ob der formale Bruch mit der preußischen Volksvertretung die deutschen Aussichten compromittiren könne. Den Umzug in den deutschen Farben setze ich allerdings nicht auf Rechnung solcher Neigungen des Königs; er war damals körperlich und geistig so angegriffen, daß er Zumuthungen, die ihm mit Entschiedenheit gemacht wurden, wenig Widerstand entgegensetzte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 188 Neben Gerlach und vielleicht in höherem Grade war Rauch seit 1848 von Einfluß auf den König. Sehr begabt, der fleischgewordene gesunde Menschenverstand, tapfer und ehrlich, ohne Schulbildung, mit den Tendenzen eines preußischen Generals von der besten Sorte, war er wiederholt als Militärbevollmächtigter in Petersburg in der Diplomatie thätig gewesen. Einmal war Rauch von Berlin in Sanssouci erschienen mit dem mündlichen Auftrage des Ministerpräsidenten Grafen Brandenburg, von dem Könige die Entscheidung über eine Frage von Wichtigkeit zu erbitten. Als der König, dem die Entscheidung schwer wurde, nicht zum Entschluß kommen konnte, zog endlich Rauch die Uhr aus der Tasche und sagte mit einem Blick auf das Zifferblatt: "Jetzt sind noch zwanzig Minuten, bis mein Zug abgeht; da werden Ew. Majestät doch nun befehlen müssen, ob ich dem Grafen Brandenburg Ja sagen soll oder Nee, oder ob ich ihm melden soll, daß Ew. Majestät nich Ja und nich Nee sagen wollen." Diese Aeußerung kam heraus in dem Tone der Gereiztheit, gedämpft durch die militärische Disciplin, als Ausdruck der Verstimmung, die bei dem klaren, entschiedenen und durch die lange fruchtlose Discussion ermüdeten General erklärlich war. Der König sagte: "Na, denn meinetwegen Ja", worauf Rauch sich sofort entfernte, um in beschleunigter Gangart durch die Stadt zum Bahnhof zu fahren. Nachdem der König eine Weile schweigend dagestanden hatte, wie wenn er die Folgen der widerwillig getroffenen Entscheidung noch erwöge, wandte er sich gegen Gerlach und mich und sagte: "Dieser Rauch! Er kann nicht richtig Deutsch sprechen, aber er hat mehr gesunden Menschenverstand als wir Alle," und darauf gegen Gerlach gewandt und das Zimmer verlassend: "Klüger wie Sie ist er immer schon gewesen." Ob der König darin Recht hatte, lasse ich dahingestellt; geistreicher war Gerlach, praktischer Rauch. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 190 Die Entwicklung der Dinge bot keine Gelegenheit, die Berliner Versammlung für die deutsche Sache nutzbar zu machen, während ihre Uebergriffe wuchsen; es reifte daher der Gedanke, sie nach einem andern Orte zu verlegen, um ihre Mitglieder dem Drucke der Einschüchterung zu entziehn, eventuell sie aufzulösen. Damit steigerte sich die Schwierigkeit, ein Ministerium zu Stande zu bringen, welches diese Maßregel durchzuführen übernehmen würde. Schon seit der Eröffnung der Versammlung war es dem Könige nicht leicht geworden, überhaupt Minister zu finden, besonders aber solche, welche auf seine sich nicht immer gleichbleibenden Ansichten gefügig eingingen, und deren furchtlose Festigkeit zugleich die Bürgschaft gewährte, daß sie bei einer entscheidenden Wendung nicht versagen würden. Es sind mir aus dem Frühjahre mehre verfehlte Versuche erinnerlich: Georg von Vincke antwortete auf meine Sondirung, er sei ein Mann der rothen Erde, zu Kritik und Opposition und nicht zu einer Ministerrolle veranlagt. Beckerath wollte die Bildung eines Ministeriums nur übernehmen, wenn die äußerste Rechte sich ihm unbedingt hingebe und ihm den König sicher mache. Männer, welche in der Nationalversammlung Einfluß hatten, wollten sich die Aussicht nicht verderben, künftig, nach Herstellung geordneter Zustände, constitutionelle Majoritätsminister zu werden und zu bleiben. Ich begegnete unter anderm bei Harkort, der als Handelsminister in das Auge gefaßt war, der Meinung, daß die Herstellung der Ordnung durch ein Fachministerium von Beamten und Militärs bewirkt werden müsse, ehe verfassungstreue Minister die Geschäfte übernehmen könnten; später sei man bereit. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 193 Als der Graf Brandenburg, gleichgültig gegen solche Besorgnisse, sich bereit erklärt hatte, das Präsidium zu übernehmen, kam es darauf an, ihm geeignete und genehme Collegen zu gewinnen. In einer Liste, welche dem Könige vorgelegt wurde, fand sich auch mein Name; wie mir der General Gerlach erzählte, hatte der König dazu an den Rand geschrieben: "Nur zu gebrauchen, wenn das Bayonett schrankenlos waltet" *). Der Graf Brandenburg selbst sagte mir in Potsdam: "Ich habe die Sache übernommen, habe aber kaum die Zeitungen gelesen, bin mit staatsrechtlichen Fragen unbekannt und kann nichts weiter thun, als meinen Kopf zu Markte tragen. Ich brauche einen ‚Kornak', einen Mann, dem ich traue und der mir sagt, was ich thun kann. Ich gehe in die Sache wie ein Kind in's Dunkel, und weiß Niemanden, als Otto Manteuffel (Director im Ministerium des Innern), der die Vorbildung und zugleich mein persönliches Vertrauen besitzt, der aber noch Bedenken hat. Wenn er will, so gehe ich morgen in die Versammlung; wenn er nicht will, so müssen wir warten und einen Andern finden. Fahren Sie nach Berlin hinüber und bewegen Sie Manteuffel." Dies gelang, nachdem ich von 9 Uhr bis Mitternacht in ihn eingeredet und es übernommen hatte, seine Frau in Potsdam zu benachrichtigen, und die für die persönliche Sicherheit der Minister im Schauspielhause und in dessen Umgebung getroffenen Maßregeln dargelegt hatte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 195 *) Gerlach ist zuverlässiger als die Quelle, aus welcher der Graf Vitzthum von Eckstädt geschöpft haben muß, wenn er - "Berlin und Wien" S. 247 - die Randbemerkung so giebt: "Rother Reactionär, riecht nach Blut, später zu gebrauchen." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 199 Als Wrangel an der Spitze der Truppen eingezogen war (10. November), verhandelte er mit der Bürgerwehr und bewog sie zum freiwilligen Abzuge. Ich hielt das für einen politischen Fehler; wenn es zum kleinsten Gefecht gekommen wäre, so wäre Berlin nicht durch Capitulation, sondern gewaltsam eingenommen, und dann wäre die politische Stellung der Regirung eine andre gewesen. Daß der König die Nationalversammlung nicht gleich auflöste, sondern auf einige Zeit vertagte und nach Brandenburg verlegte und den Versuch machte, ob sich dort eine Majorität finden würde, mit der ein befriedigender Abschluß zu erreichen war, beweist, daß in der politischen Entwicklung, die dem Könige vorschweben mochte, die Rolle der Versammlung auch damals noch nicht ausgespielt war. Daß diese Rolle auf dem Gebiete der deutschen Frage gedacht war, dafür sind mir einige Symptome erinnerlich. In Privatgesprächen der maßgebenden Politiker während der Vertagung der Versammlung (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 205 Diese Hoffnung oder Erwartung, die bis in die "Neue Aera" hinein in Phrasen von dem deutschen Berufe Preußens und von moralischen Eroberungen einen schüchternen Ausdruck fand, beruhte auf dem doppelten Irrthum, der vom März 1848 bis zum Frühjahr des folgenden Jahres in Sanssouci wie in der Paulskirche bestimmend war: einer Unterschätzung der Lebenskraft der deutschen Dynastien und ihrer Staaten, und einer Ueberschätzung der Kräfte, die man unter dem Wort Barrikade zusammenfassen kann, so daß darunter alle die Barrikade vorbereitenden Momente, Agitation und Drohung mit dem Straßenkampfe, begriffen sind. Nicht in diesem selbst lag die Gefahr des Umsturzes, sondern in der Furcht davor. Die mehr oder weniger phäakischen Regirungen waren im März, ehe sie den Degen gezogen hatten, geschlagen, theils durch die Furcht vor dem Feinde, theils durch die innere Sympathie ihrer Beamten mit demselben. Immerhin wäre es für den König von Preußen an der Spitze der Fürsten leichter gewesen, durch Ausnutzung des Sieges der Truppen in Berlin ein deutsches Einheitsgebilde herzustellen, als es nachher der Paulskirche geworden ist; ob die Eigenthümlichkeit des Königs nicht eine solche Herstellung auch bei Festhalten dieses Sieges gehindert oder das hergestellte, wie Bodelschwingh im März fürchtete, wieder unsicher gemacht haben würde, ist allerdings schwer zu beurtheilen. In den Stimmungen seiner letzten Lebensjahre, wie sie auch aus den Aufzeichnungen Leopolds v. Gerlach und aus andern Quellen ersichtlich sind, steht die ursprüngliche Abneigung gegen constitutionelle Einrichtungen, die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit eines größern Maßes freier Bewegung der Königlichen Gewalt, als das in der preußischen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 213 Die günstige Situation, welche für Preußen in der kurzen Zeit von der Niederlage des Fürsten Metternich in Wien bis zum Rückzuge der Truppen aus Berlin bestanden hatte, erneuerte sich, wenn auch in schwächern Umrissen, dank der Wahrnehmung, daß der König und sein Heer nach allen Mißgriffen noch stark genug waren, den Aufstand in Dresden niederzuwerfen und das Drei-Königsbündniß zu Stande zu bringen. Eine schnelle Ausnutzung der Lage im nationalen Sinne war vielleicht möglich, setzte aber klare und praktische Ziele und entschlossenes Handeln voraus. Beides fehlte. Die günstige Zeit ging verloren mit Erwägungen von (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 215 Mir schien es damals nützlicher, anstatt der theoretischen Erörterungen über Verfassungsparagraphen die vorhandene lebenskräftige preußische Militärmacht in den Vordergrund zu stellen, wie es gegen den Aufstand in Dresden geschehn war und in den übrigen außerpreußischen Staaten hätte geschehn können. Die Dresdner Vorgänge hatten gezeigt, daß in der sächsischen Truppe Disciplin und Treue unerschüttert waren, sobald die preußische Verstärkung die militärische Lage haltbar machte. Ebenso erwiesen sich bei den Kämpfen in Frankfurt die hessische, in Baden die mecklenburgische Truppe zuverlässig, sobald sie überzeugt waren, daß eine bewußte Leitung stattfand und einheitliche Befehle gegeben wurden, und sobald man ihnen nicht zumuthete, sich angreifen zu lassen und sich nicht zu wehren. Hätte man damals von Berlin aus die eigne Armee rechtzeitig und hinreichend verstärkt und mit ihr die Führung auf (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 238 Im November 1850 wurde ich gleichzeitig als LandwehrOffizier zu meinem Regimente und als Abgeordneter zu der bevorstehenden Kammersession einberufen 2). Auf dem Wege über Berlin zu dem Marschquartier des Regiments meldete ich mich bei dem Kriegsminister von Stockhausen, der mir persönlich befreundet und für kleine persönliche Dienste dankbar war. Nachdem ich den Widerstand des alten Portiers überwunden und vorgelassen war, gab ich meiner durch die Einberufung und den Ton der Oestreicher etwas erregten kriegerischen Stimmung Ausdruck. Der Minister, ein alter, schneidiger Soldat, dessen moralischer und physischer Tapferkeit ich sicher war, sagte mir in der Hauptsache Folgendes: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 239 "Wir müssen für den Augenblick den Bruch nach Möglichkeit vermeiden Wir haben keine Macht, welche hinreichte, die Oestreicher, auch wenn sie ohne sächsische Unterstützung bei uns einbrechen, aufzuhalten. Wir müssen ihnen Berlin preisgeben und (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 241 2) Nach einer Randbemerkung im Manuskripte beabsichtigte Fürst Bismarck an dieser Stelle ein Erlebniß einzuschalten, dessen er wiederholt in seinen Tischgesprächen gedacht hat. Ich gebe die Erzählung, wie sie mir im Gedächtniß haftet. Als Bismarck sich mit der Einberufungsordre in der Tasche auf dem Wege nach Berlin befand, stieg ein pommerscher Schulze, des Namens Stranzke, zu ihm in den Postwagen. Das Gespräch lenkte sich selbstverständlich bald auf die politischen Ereignisse. Als Stranzke von der Einberufungsordre hörte, fragte er ganz naiv: "Wo steiht de Franzos?" und war sichtlich enttäuscht, als ihm Herr v. Bismarck mittheilte, daß es diesmal nicht gegen die Franzosen, sondern gegen die Oestreicher gehn werde. "Das sollte mir doch leid thun, wenn wir auf die ,weißen Collets' schießen sollten," meinte er, "und nicht auf die Hundsfötter von Franzosen." So lebendig lebte in ihm die Erinnerung an die Leidenszeit Preußens nach der Niederlage von Jena und an die preußisch-östreichische Waffenbrüderschaft von 1813/14. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 242 [1-69] in zwei Centren außerhalb der Hauptstadt, etwa in Danzig und in Westfalen, mobilisiren; vorwärts Berlin können wir erst in 14 Tagen etwa 70000 Mann haben, und auch die würden nicht reichen gegen die Streitkräfte, die Oestreich jetzt schon gegen uns in Bereitschaft hat." Es sei, fuhr er fort, vor Allem nöthig, wenn wir schlagen wollten, Zeit zu gewinnen, und deshalb zu wünschen, daß die bevorstehenden Verhandlungen im Abgeordnetenhause nicht den Bruch beschleunigten durch Erörterungen und Beschlüsse, wie man sich deren nach den herrschenden Stimmen in der Presse versehn müsse. Er bäte mich daher, in Berlin zu bleiben und auf die bereits anwesenden und nächstens eintreffenden befreundeten Abgeordneten vertraulich im Sinne der Mäßigung einzuwirken. Er klagte über die Verzettelung der Stämme, die in ihrer Friedensformation ausgerückt und verwendet wären und sich nun fern von ihren Ersatzbezirken und Zeughäusern befänden, theils im Inlande, zum großen Theil aber im Südwesten Deutschlands, also in Oertlichkeiten, wo eine schleunige Mobilmachung auf Kriegsfuß sich schwer ausführen lasse 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 246 Die Erwägungen eines sachkundigen und ehrliebenden Generals, wie Stockhausen, konnte ich einer Kritik nicht unterziehn und vermag das auch heut noch nicht. Die Schuld an unsrer militärischen Gebundenheit, die er mir schilderte, lag nicht an ihm, sondern an der Planlosigkeit, mit der unsre Politik auf militärischem Gebiete sowohl wie auf diplomatischem in und seit den Märztagen mit einer Mischung von Leichtfertigkeit und Knauserei geleitet worden war. Auf militärischem namentlich war sie von der Art, daß man nach den getroffenen Maßregeln voraussetzen muß, daß eine kriegerische oder auch nur militärische Lösung der schwebenden Fragen in letzter Instanz in Berlin überhaupt nicht in Erwägung gezogen wurde. Man war zu sehr mit öffentlicher Meinung, Reden, Zeitungen und Verfassungsmacherei präoccupirt, um auf dem Gebiete der auswärtigen, selbst nur der außerpreußischen deutschen Politik zu festen Absichten und praktischen Zielen gelangen zu können. Stockhausen war nicht im Stande, die Unterlassungssünden und die Planlosigkeit unsrer Politik durch plötzliche militärische Leistungen wieder gut zu machen, und gerieth so in eine Situation, die selbst der politische Leiter des Ministeriums, Graf Brandenburg, nicht für möglich gehalten hatte. Denn derselbe erlag der Enttäuschung, welche sein hohes patriotisches Ehrgefühl in den letzten Tagen seines Lebens erlitten hatte 1). Es ist Unrecht, Stockhausen der Kleinmüthigkeit anzuklagen, und ich habe Grund zu glauben, daß auch König Wilhelm I. zu der Zeit, da ich sein Minister wurde, meine Auffassung bezüglich der militärischen Situation im November 1850 theilte. Wie dem auch sei, nur fehlte damals jede Unterlage zu einer Kritik, die ich als conservativer Abgeordneter einem Minister auf militärischem Gebiete, als Landwehr-Lieutenant dem General gegenüber hätte ausüben können. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 248 [1-71] Stockhausen übernahm es, mein in der Lausitz liegendes Regiment zu benachrichtigen, daß er dem Lieutenant von Bismarck befohlen habe, in Berlin zu bleiben. Ich begab mich zunächst zu meinem Landtagscollegen Justizrath Geppert, der damals an der Spitze zwar nicht meiner Fraction, aber doch derjenigen Zahlreichen stand, welche man das rechte Centrum hätte nennen können, und die zur Unterstützung der Regirung geneigt waren, aber die energische Wahrnehmung der nationalen Aufgabe Preußens nicht nur prinzipiell, sondern auch durch sofortige militärische Bethätigung für angezeigt hielten. Ich stieß bei ihm in erster Linie auf parlamentarische Ansichten, die mit dem Programme des Kriegsministers nicht übereinstimmten, mußte mich also bemühn, ihn von einer Auffassung abzubringen, die ich selbst vor meiner Unterredung mit Stockhausen in der Hauptsache getheilt hatte, und die man als natürliches Erzeugniß eines verletzten nationalen oder preußischmilitärischen Ehrgefühls bezeichnen kann. Ich erinnere mich, daß unsre Besprechungen von langer Dauer waren und wiederholt werden mußten. Ihre Wirkung auf die Fractionen der Rechten läßt sich aus der Adreßdebatte entnehmen. Ich selbst habe am 3. December meine damalige Ueberzeugung in einer Rede ausgesprochen, der die nachstehenden Sätze entnommen sind 1): (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 252 [1-72] Regirung auslaufen. Ein kurzer Aufenthalt in Berlin, ein flüchtiger Blick in das hiesige Treiben hat mir gezeigt, daß ich mich geirrt habe. Der Adreßentwurf nennt diese Zeit eine große; ich habe hier nichts Großes gefunden als persönliche Ehrsucht, nichts Großes als Mißtrauen, nichts Großes als Parteihaß. Das sind drei Größen, die in meinem Urtheile diese Zeit zu einer kleinlichen stempeln und dem Vaterlandsfreunde einen trüben Blick in unsre Zukunft gewähren. Der Mangel an Einigkeit in den Kreisen, die ich andeutete, wird in dem Adreßentwurfe locker verdeckt durch große Worte, bei denen sich Jeder das Seine denkt. Von dem Vertrauen, das das Land beseelt, von dem hingebenden Vertrauen, gegründet auf die Anhänglichkeit an Seine Majestät den König, gegründet auf die Erfahrung, daß das Land mit dem Ministerium, welches ihm zwei Jahre lang vorsteht, gut gefahren ist, habe ich in der Adresse und in ihren Amendements nichts gespürt. Ich hätte dies um so nöthiger gefunden, als es mir Bedürfniß schien, daß der Eindruck, den die einmüthige Erhebung des Landes in Europa gemacht hat, gehoben und gekräftigt werde durch die Einheit derer, die nicht der Wehrkraft angehören, in dem Augenblicke, wo uns unsre Nachbarn in Waffen gegenüberstehn, wo wir in Waffen nach unsern Grenzen eilen, in einem Augenblicke, wo ein Geist des Vertrauens selbst in solchen herrscht, denen er sonst nicht angebracht schien; in einem Augenblicke, wo jede Frage der Adresse, welche die auswärtige Politik berührt, Krieg oder Frieden in ihrem Schoße birgt; und, meine Herrn, welchen Krieg? Keinen Feldzug einzelner Regimenter nach Schleswig oder Baden, keine militärische Promenade durch unruhige Provinzen, sondern einen Krieg in großem Maßstabe gegen zwei unter den drei großen Continentalmächten, während die dritte beutelustig an unsern Grenzen rüstet und sehr wohl weiß, daß im Dome zu Köln das Kleinod zu finden ist, welches geeignet wäre, die französische Revolution zu schließen und die dortigen Machthaber zu befestigen, nämlich die französische Kaiserkrone. ... (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 260 [1-75] in Petersburg beunruhigte und als eine militärische Gefahr im Kriegsfalle aufgefaßt wurde. Im März 1848 erschien den Russen die Entwicklung der Revolution in Deutschland und Polen noch als etwas Unberechenbares und Gefährliches. Der erste russische Diplomat, der in Petersburg durch seine Berichte eine andre Ansicht vertrat, war der damalige Geschäftsträger in Frankfurt am Main, spätre Gesandte in Berlin, Baron von Budberg. Seine Berichte über die Verhandlungen und die Bedeutung der Paulskirche waren von Hause aus satirisch gefärbt, und die Geringschätzung, mit welcher dieser junge Diplomat von den Reden der deutschen Professoren und von der Machtstellung der Nationalversammlung in seinen Berichten sprach, hatte den Kaiser Nicolaus dergestalt befriedigt, daß Budberg's Carrière dadurch gemacht und er sehr schnell zum Gesandten und Botschafter befördert wurde. Er hatte in ihnen vom antideutschen Standpunkte eine analoge politische Schätzung zum Ausdruck gebracht, wie sie in den altpreußischen Kreisen in Berlin, in denen er früher gelebt hatte, in landsmannschaftlicher und besorgter Weise herrschend war, und man kann sagen, daß die Auffassung, als deren erster Erfinder er in Petersburg Carrière machte, dem Berliner "Casino" entsprungen war. Seitdem hatte man in Rußland nicht nur die militärische Stellung an der Weichsel wesentlich verstärkt, sondern auch einen geringern Eindruck von der damaligen militärischen Leistungsfähigkeit der Revolution sowohl wie der deutschen Regirungen gewonnen, und die Sprache, welche ich im November 1850 bei dem mir befreundeten russischen Gesandten Baron Meyendorff und seinen Landsleuten hörte, war eine im russischen Sinne vollkommen zuversichtliche, von einer persönlich wohlwollenden, aber für mich verletzenden Theilnahme für die Zukunft des befreundeten Preußens durchsetzt. Sie machte mir den Eindruck, daß man Oestreich für den stärkern und zuverlässigern Theil und Rußland selbst für stark genug hielt, um die Entscheidung zwischen beiden in die Hand zu nehmen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 268 1) S. Motley's Brief vom 27. Juli 1855, Briefwechsel von J. L. Motley, übersetzt von Eltze (Berlin 1890) I 175. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 270 Am 11. Mai 1851 traf ich in Frankfurt ein. Herr von Rochow mit weniger Ehrgeiz als Liebe zum Behagen, des Klimas und des anstrengenden Hoflebens in Petersburg müde, hätte lieber den Frankfurter Posten, in dem er alle seine Wünsche befriedigt fand, dauernd behalten, arbeitete in Berlin dafür, daß ich zum Gesandten in Darmstadt mit gleichzeitiger Accreditirung bei dem Herzog von Nassau und der Stadt Frankfurt ernannt werde, und wäre vielleicht auch nicht abgeneigt gewesen, mir den Petersburger Posten im Tausch zu überlassen. Er liebte das Leben am Rhein und den Verkehr mit den deutschen Höfen. Seine Bemühungen hatten indessen keinen Erfolg. Unter dem 11. Juli schrieb mir Herr von Manteuffel, daß der König meine Ernennung zum Bundestagsgesandten genehmigt habe. "Es versteht sich dabei von selbst," schrieb der Minister, "daß man Herrn von Rochow nicht brusquement wegschicken kann; ich beabsichtige daher, ihm heut noch einige Worte darüber zu schreiben, und glaube Ihres Einverständnisses gewiß zu sein, wenn ich in dieser Sache mit aller Rücksicht auf Herrn von Rochow's Wünsche verfahre, dem ich es in der That nur Dank wissen kann, daß er die schwierige und undankbare Mission angenommen hat im Gegensatz zu manchen andern Leuten, die immer mit der Kritik bei der Hand sind, wenn es aber auf das Handeln ankommt, sich zurückziehn. Daß ich Sie damit nicht meine, brauche ich nicht zu versichern, denn Sie sind ja auch mit uns in die Bresche getreten und werden sie, so denke ich, auch allein vertheidigen." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 272 Ich fand in Frankfurt zwei preußische Commissarien aus der Zeit des Interim, den Oberpräsidenten von Boetticher, dessen Sohn später als Staatssekretär und Minister mein Beistand sein sollte, und den General von Peucker, der mir Gelegenheit zu meinen ersten Studien über das Ordenswesen gab. Er war ein gescheidter, tapferer Offizier von hoher wissenschaftlicher Bildung, die er später als Generalinspecteur des Militär-Erziehungs- und Bildungswesens verwerthen konnte. Im Jahre 1812 in dem York'schen Corps dienend, hatte er durch Diebstahl seinen Mantel eingebüßt, den Rückzug in der knappen Uniform machen müssen, sich die Zehen erfroren und durch die Kälte anderweitige Schäden erlitten. Trotz seiner äußerlichen Unschönheit gewann dieser kluge und tapfere Offizier die Hand einer hübschen Gräfin Schulenburg, durch welche später das reiche Erbe des Hauses Schenck von Flechtingen in der Altmark an seinen Sohn gelangte. In merkwürdigem Contrast mit seiner geistigen Bedeutung stand seine Schwäche für Aeußerlichkeiten, die den Berliner Jargon um einen Ausdruck bereicherte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 273 1) Preußen im Bundestage 1851-1859. Documente der K. Preuß. Bundestags-Gesandtschaft. Herausgegeben von Dr. Ritter v. Poschinger. 4 Bde. Lpz. 1882-1884. - Bismarck's Briefe an den General Leopold v. Gerlach. Herausgegeben von H. Kohl. Berlin 1896. - Bismarckbriefe. Herausgegeben von H. Kohl. 7. Auflage. Bielefeld 1898 S. 106 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 279 [1-83] Marquis de Tallenay, und ich fand mich leicht in diese Gewohnheit, obschon es mir am Bunde nicht an Zeit zum Gehn und Reiten fehlte. Auch in Berlin, als ich Minister geworden war, versagte ich mich nicht, wenn ich von befreundeten Damen aufgefordert oder von Prinzessinnen zu einem Tanze befohlen wurde, bekam aber stets sarkastische Bemerkungen des Königs darüber zu hören, der mir zum Beispiel sagte: "Man macht es mir zum Vorwurf, einen leichtsinnigen Minister gewählt zu haben. Sie sollten den Eindruck nicht dadurch verstärken, daß Sie tanzen." Den Prinzessinnen wurde dann untersagt, mich zum Tänzer zu wählen. Auch die andauernde Tanzfähigkeit des Herrn von Keudell hat mir, wenn es sich um seine Beförderung handelte, bei Seiner Majestät Schwierigkeit gemacht. Es entsprach das der bescheidenen Natur des Kaisers, der seine Würde auch durch Vermeiden unnöthiger Aeußerlichkeiten, welche die Kritik herausfordern könnten, zu wahren gewöhnt war. Ein tanzender Staatsmann fand in seinen Vorstellungen nur in fürstlichen Ehrenquadrillen Platz; im raschen Walzer verlor er bei ihm an Vertrauen auf die Weisheit seiner Rathschläge. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 286 Unser einziger Legationssekretär in Wien empfing mich mit Verstimmung darüber, daß er nicht Geschäftsträger wurde, und suchte in Berlin Urlaub nach. Derselbe wurde von dem Minister verweigert, von mir aber demnächst bewilligt. So kam es, daß ich mich auf den mir von früher her befreundeten hanöverschen Gesandten Graf Adolf Platen behufs der Vorstellung bei den Ministern und der Einführung in die diplomatische Gesellschaft angewiesen fand. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 288 [1-87] in Templin bei Potsdam Obstbäume zu pfropfen 1). Dieses scherzende Gespräch war von Platen nach Hanover berichtet worden und dort zur Kenntniß des General-Steuerdirectors Klentze gekommen, der mit Manteuffel über Zollsachen verhandelte und in mir den Junker im Sinne der liberalen Bürokraten haßte. Er hatte nichts Eiligeres zu thun, als entstellte Angaben aus Platen's Bericht an Manteuffel mitzutheilen in dem Sinne, als ob ich an dessen Sturze arbeitete. Bei meiner Rückkehr von Wien nach Berlin (8. Juli) hatte ich an Aeußerlichem die Wirkung dieser Einbläserei wahrzunehmen. Sie bestand in einer Abkühlung meiner Beziehungen zu meinem Chef, und ich wurde nicht mehr wie bis dahin gebeten, bei ihm zu wohnen, wenn ich nach Berlin kam. Verdacht wurden mir dabei auch meine freundschaftlichen Beziehungen zu dem General von Gerlach. Die Genesung des Grafen Arnim gestattete mir, meinem Wiener Aufenthalte ein Ende zu machen, und vereitelte einstweilen die Absicht des Königs, mich zum Nachfolger Arnim's zu ernennen. Aber auch wenn diese Genesung nicht eingetreten wäre, würde ich den dortigen Posten nicht gern übernommen haben, weil ich schon damals das Gefühl hatte, durch mein Auftreten in Frankfurt persona ingrata in Wien geworden zu sein. Ich hatte die Befürchtung, daß man dort fortfahren würde, mich als gegnerisches Element zu behandeln, mir den Dienst zu erschweren und mich am Berliner Hofe zu discreditiren, was durch Hofcorrespondenz, wenn ich in Wien fungirte, noch leichter gewesen wäre als über Frankfurt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 298 Die Erwähnung meinen damaligen Aufenthalts in Hanover erinnert mich an einen Vorgang, der mir nie klar geworden ist. Dem preußischen Commissarius, der in Hanover über die schwebenden Zollangelegenheiten zu verhandeln hatte, war von Berlin aus ein Consul Spiegelthal zur Aushülfe beigeordnet worden. Als ich desselben als eines preußischen Beamten im Gespräche mit dem mir (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 299 [1-91] befreundeten Minister von Schele erwähnte, gab dieser lachend sein Erstaunen zu erkennen: "Er hätte den Mann nach seiner Thätigkeit für einen östreichischen Agenten gehalten." Ich telegraphirte chiffrirt an den Minister von Manteuffel und rieth, das Gepäck des Spiegelthal, der in den nächsten Tagen nach Berlin zurückreisen wollte, bei der Zollrevision an der Grenze untersuchen und seine Papiere in Beschlag nehmen zu lassen. Meine Erwartung, in den folgenden Tagen davon zu lesen oder zu hören, erfüllte sich nicht. Während ich die letzten Octobertage in Berlin und Potsdam zubrachte, erzählte der General von Gerlach mir u. A.: "Manteuffel habe zuweilen ganz sonderbare Einfälle; so habe er vor Kurzem verlangt, daß der Consul Spiegelthal zur königlichen Tafel gezogen werde, und unter Stellung der Cabinetsfrage sein Verlangen durchgesetzt." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 304 Die später nach Bethmann-Hollweg benannte Partei, richtiger Coterie, stützte sich ursprünglich auf den Grafen Robert von der Goltz, einen Mann von ungewöhnlicher Befähigung und Thätigkeit. Herr von Manteuffel hatte das Ungeschick gehabt, diese strebsame Capacität schlecht zu behandeln; der dadurch stellungslos gewordene Graf wurde der Impresario für die Truppe, welche zuerst als höfische Fraction und später als Ministerium des Regenten auf der Bühne erschien. Sie begann in der Presse, besonders durch das von ihr gegründete "Preußische Wochenblatt", und durch persönliche Werbungen in politischen und Hofkreisen sich Geltung zu schaffen. Die "Finanzirung", wie die Börse sich ausdrückt, wurde durch die großen Vermögen Bethmann-Hollweg's und der Grafen Fürstenberg-Stammheim und Albert Pourtalès, und die politische Aufgabe, als deren Ziel zunächst der Sturz Manteuffel's gestellt war, von den geschickten Händen der Grafen Goltz und Pourtalès besorgt. Beide schrieben ein elegantes Französisch in geschickter Diction, während Herr von Manteuffel in der Herstellung diplomatischer Aktenstücke hauptsächlich auf die hausbackne Tradition seiner Beamten von der französischen Kolonie in Berlin angewiesen war. Auch Graf Pourtalès war von dem Ministerpräsidenten im Dienste verstimmt und von dem Könige als Rival Manteuffel's ermuthigt worden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 325 [1-99] östreichisch-französischen Allianz und Vergewaltigung der zwischenliegenden Mittelstaaten. Während des Krimkrieges sagte mir der alte König Wilhelm von Würtemberg in vertraulicher Audienz am Kamin in Stuttgart: "Wir deutschen Südstaaten können nicht gleichzeitig die Feindschaft Oestreichs und Frankreichs auf uns nehmen, wir sind zu nahe unter der Ausfallpforte Straßburg und vom Westen her occupirt, bevor uns von Berlin Hülfe kommen kann. Würtemberg wird überfallen, und wenn ich ehrlich mich in das preußische Lager zurückziehe, so werden die Klagen meiner vom Feinde bedrückten Unterthanen mich zurückrufen; das würtembergische Hemd ist mir näher als der Rock des Bundes" 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 326 Die nicht unbegründete Hoffnungslosigkeit, welche in dieser Aeußerung den gescheidten alten Herrn lag, und die mehr oder weniger zornige Empfindung in andern Bundesstaaten - nur nicht in Darmstadt, wo Herr von Dalwigk-Coehorn sicher auf Frankreich baute - diese Stimmungen würden sich wohl geändert haben, wenn ein nachdrückliches Auftreten Preußens in Oberschlesien den Beweis lieferte, daß weder Oestreich noch Frankreich uns damals überlegnen Widerstand zu leisten vermochten, wenn wir ihre entblößte und gefährdete Situation entschlossen benutzten. Der König war nicht unempfänglich für die überzeugte Stimmung, in welcher ich ihm die Sachlage und die Eventualitäten darstellte; er lächelte wohlgefällig und sagte im Berliner Dialekt: "Liebeken, das is sehr schöne, aber es is mich zu theuer. Solche Gewaltstreiche kann ein Mann von der Sorte Napoleon wohl machen, ich aber nicht." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 331 "Berlin, den 24. April 1854. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 338 [1-102] Rheinbundes ist und den französischen Einfluß bis unter die Thore von Berlin bringt. Jetzt haben die Bamberger es versucht, sich unter dem Protectorate von Rußland als Trias zu constituiren, wohl wissend, daß es ein leichtes ist, ein Protectorat zu wechseln, um so mehr, da die russisch-französische Allianz doch das Ende vom Liede ist, wenn England nicht bald die Augen aufgehen über die Thorheit des Krieges und des Bündnisses mit Frankreich 1). ... (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 367 Berlin, den 23. Januar 1855. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 382 Während Goltz und seine Berliner Genossen ihre Sache mit einem gewissen Geschick betrieben, von welchem der erwähnte Artikel eine Probe ist, war Bunsen, Gesandter in London, so unvorsichtig, im April 1854 dem Minister Manteuffel eine lange Denkschrift einzusenden, welche die Herstellung Polens, die Ausdehnung Oestreichs bis in die Krim, die Versetzung der Ernestinischen Linie auf den sächsischen Königsthron und dergleichen mehr forderte und die Mitwirkung Preußens für dieses Programm empfahl. Gleichzeitig hatte er nach Berlin gemeldet, die englische Regirung würde mit der Erwerbung der Elbherzogthümer durch Preußen einverstanden sein, wenn letztres sich den Westmächten anschließen wolle, und in London hatte er zu verstehn gegeben, daß die preußische Regirung dazu unter der bezeichneten Gegenleistung bereit sei 1). Zu beiden Erklärungen war er nicht ermächtigt. Das war denn doch dem Könige, als er dahinter kam, zu viel, so sehr er Bunsen liebte. Er ließ ihn durch Manteuffel anweisen, einen langen Urlaub zu nehmen, der dann in den Ruhestand überging. In der von der Familie herausgegebenen Biographie Bunsen's ist jene Denkschrift, mit Weglassung der ärgsten Stellen, aber ohne Andeutung von Lücken, abgedruckt und die amtliche Correspondenz, die mit der Beurlaubung endigte, in einseitiger Färbung wiedergegeben. Ein im Jahre 1882 in die Presse gelangter Brief des Prinzen Albert an den Freiherrn von Stockmar (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 385 In die Pläne der Ausschlachtung Rußlands hatte man den Prinzen von Preußen nicht eingeweiht. Wie es gelungen, ihn für eine Wendung gegen Rußland zu gewinnen, ihn, der vor 1848 seine Bedenken gegen die liberale und nationale Politik des Königs nur in den Schranken brüderlicher Rücksicht und Unterordnung geltend gemacht hatte, zu einer ziemlich activen Opposition gegen die Regirungspolitik zu bewegen, trat in einer Unterredung hervor, die ich mit ihm in einer der Krisen hatte, in welchen mich der König zum Beistande gegen Manteuffel nach Berlin berufen hatte. Ich wurde gleich nach meiner Ankunft zu dem Prinzen befohlen, der mir in einer durch seine Umgebung erzeugten Gemüthserregung den Wunsch aussprach, ich solle dem Könige im westmächtlichen und antirussischen Sinne zureden. Er sagte: "Sie sehn sich hier zwei streitenden Systemen gegenüber, von denen das eine durch Manteuffel, das andre, russenfreundliche, durch Gerlach und den Grafen Münster in Petersburg vertreten ist. Sie kommen frisch hierher, sind von dem Könige gewissermaßen als Schiedsmann berufen. Ihre Meinung wird daher den Ausschlag geben, und ich beschwöre Sie, sprechen Sie sich so aus, wie es nicht nur die europäische Situation, sondern auch ein richtiges Freundesinteresse für Rußland erfordert. Rußland ruft ganz Europa gegen sich auf und wird schließlich unterliegen. Alle diese prächtigen Truppen," - es war dies nach den für die Russen nachtheiligen Schlachten vor Sebastopol - "alle unsre Freunde, die dort geblieben sind," - er nannte mehre - "würden noch leben, wenn wir richtig eingegriffen und Rußland zum Frieden gezwungen hätten." Es würde damit enden, daß Rußland, unser alter Freund und Bundesgenosse, vernichtet oder in gefährlicher Weise geschädigt würde. Unsre, von Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 8 (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 391 Während des Krimkrieges und, wenn ich mich recht erinnere, aus Anlaß desselben wurde ein lange betriebener Depeschendiebstahl ruchbar. Ein verarmter Polizeiagent 1), der vor Jahren seine Geschicklichkeit dadurch bewiesen hatte, daß er, während der Graf Bresson französischer Gesandter in Berlin war, Nachts durch die Spree geschwommen, in die Villa des Grafen in Moabit eingebrochen war und seine Papiere abgeschrieben hatte, wurde von dem Minister Manteuffel dazu angestellt, sich durch bestochne Diener Zugang zu den Mappen zu verschaffen, in denen die eingegangnen Depeschen und die durch deren Lesung veranlaßte Correspondenz zwischen dem Könige, Gerlach und Niebuhr hin und her ging, und von dem Inhalte derselben Abschrift zu nehmen. Von Manteuffel mit preußischer Sparsamkeit bezahlt, suchte er nach weitrer Verwerthung seiner Bemühungen und fand eine solche durch Vermittlung des Agenten Hassenkrug zunächst bei dem französischen Gesandten Moustier, dann auch bei andern Leuten 2). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 422 [1-124] befreundeten Höfen gehalten, jedes verstimmende Detail nach Hause zu melden; namentlich als ich in Petersburg mit einem Vertrauen beehrt wurde, welches ich fremden Diplomaten in Berlin zu gewähren für bedenklich gehalten haben würde. Jede zur Erregung von Verstimmung zwischen uns und Rußland geeignete Meldung würde bei der damals und in der Regel antirussischen Politik der Königin zur Lockerung unsrer russischen Beziehungen ausgenutzt worden sein, sei es aus Abneigung gegen Rußland und aus vorübergehenden Popularitätsrücksichten, sei es aus Wohlwollen für England und in der Voraussetzung, daß Wohlwollen für England und selbst für Frankreich einen höhern Grad von Civilisation und Bildung anzeige als Wohlwollen für Rußland. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 434 Unterwegs zwischen Frankfurt und Berlin. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 435 Die Entfremdung die zwischen dem Minister Manteuffel und mir nach meiner Wiener Mission und infolge der Zuträgerei von Klentze und Andern entstanden war, hatte die Folge, daß der König mich immer häufiger zur "Territion" kommen ließ, wenn der Minister ihm nicht zu Willen sein wollte. Ich habe auf den Reisen zwischen Frankfurt und Berlin über Guntershausen in einem Jahre 2000 Meilen gemacht, damals stets die neue Cigarre an der vorhergehenden entzündend oder gut schlafend. Der König erforderte nicht nur meine Ansicht über Fragen der deutschen und der auswärtigen Politik, sondern beauftragte mich auch gelegentlich, wenn ihm Entwürfe des Auswärtigen Amtes vorlagen, mit der Ausarbeitung von Gegenprojecten. Ich besprach diese Aufträge und meine entsprechenden Redactionen dann mit Manteuffel, der es in der Regel ablehnte, Aenderungen daran vorzunehmen, wenn auch unsre politischen Ansichten auseinander gingen. Er hatte mehr Entgegenkommen für die Westmächte und die östreichischen Wünsche, während ich, ohne russische Politik zu vertreten, keinen Grund sah, unsern langjährigen Frieden mit Rußland für andre als preußische Interessen in Frage zu stellen, und ein etwaiges Eintreten Preußens gegen Rußland für Interessen, die uns fern lagen, als das Ergebniß unsrer Furcht vor den Westmächten und unsres bescheidenen Respects vor (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 436 [1-129] England betrachtete. Manteuffel vermied es, durch schärferes Vertreten seiner Auffassung den König noch mehr zu verstimmen oder durch Eintreten für meine angeblich russische Auffassung die Westmächte und Oestreich zu reizen, er effacirte sich lieber. Marquis Moustier kannte diese Stellung, und mein Chef überließ ihm gelegentlich die Aufgabe, mich zur westmächtlichen Politik und zur Vertretung derselben beim Könige zu bekehren. Bei einem Besuche, den ich Moustier machte, riß ihn die Lebhaftigkeit seines Temperaments zu der bedrohlichen Aeußerung hin: "La politique que vous faites, va vous conduire à Jéna." Worauf ich antwortete: "Pourquoi pas à Leipzig ou à Rossbach?" Moustier war eine so unabhängige Sprache in Berlin nicht gewohnt und wurde stumm und bleich vor Zorn. Nach einigem Schweigen setzte ich hinzu: "Enfin toute nation a perdu et gagné des batailles. Je ne suis pas venu pour faire avec vous un cours d'histoire." Die Unterhaltung kam nicht wieder in Fluß. Moustier beschwerte sich über mich bei Manteuffel, der die Beschwerde an den König brachte. Dieser aber lobte mich Manteuffel gegenüber, später auch direct, wegen der richtigen Antwort, die ich dem Franzosen gegeben hatte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 439 Ich suchte mich der Rolle, welche der König mich spielen ließ, in schicklicher Weise zu entziehn und die Verständigung zwischen ihm und Manteuffel nach Möglichkeit anzubahnen; so in den ernsten Zerwürfnissen, welche über Rhino Quehl entstanden. Nachdem durch Wiederherstellung des Bundestages nationale Sonderbestrebungen Preußens einstweilen behindert waren, ging man in Berlin an eine Restauration der innern Zustände, mit welcher der König gezögert hatte, so lange er darauf bedacht war, sich die Liberalen in den übrigen deutschen Staaten nicht zu entfremden. Ueber das Ziel und die Gangart der Restauration zeigte sich aber sofort zwischen dem Minister Manteuffel und der "kleinen aber mächtigen Partei" eine Meinungsverschiedenheit, die sich merkwürdigerweise in einen Streit über Halten oder Fallenlassen einer verhältnißmäßig untergeordneten Persönlichkeit zuspitzte und zu einem scharfen, öffentlichen Ausbruch führte. In demselben Briefe vom 11. Juli 1851, durch welchen er mich von meiner Ernennung zum Bundestagsgesandten benachrichtigte, schrieb Manteuffel: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 479 [1-138] auf der Rückkehr mich in Frankfurt aufzusuchen, was geschah. Ich benutzte die Pläne des Königs mit Alvensleben, um Quehl zu überzeugen, daß er, wenn er nicht abginge, Schuld an dem Sturze seines Gönners sein werde, und empfahl ihm, die Macht desselben, so lange es noch Zeit sei, zu benutzen. Ich sagte ihm: "Schneiden Sie Ihre Pfeifen, wo Sie noch im Rohr sitzen, es dauert nicht lange mehr", und ich brachte ihn dahin, seine Wünsche zu präcisiren: das Generalconsulat in Kopenhagen mit einer starken Gehaltserhöhung. Ich benachrichtigte Manteuffel, und die Sache schien erledigt, zog sich aber bis zur endlichen Lösung noch einige Zeit hin, weil man in Berlin so ungeschickt gewesen war, die Sicherung der Stellung Manteuffel's früher zu verlautbaren als das Ausscheiden Quehl's. Letztrer hatte in Berlin seine und Manteuffel's Stellung nicht so unsicher gefunden, wie ich sie geschildert hatte, und machte dann einige Schwierigkeiten, die verbessernd auf seine Stellung in Kopenhagen wirkten 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 484 Meine Berufungen nach Berlin wurden nicht immer durch die äußere Politik veranlaßt, mitunter auch durch Vorgänge im Landtage, in den ich bei der durch meine Ernennung zum Gesandten nothwendig gewordenen Neuwahl am 13 October 1851 wiedergewählt worden war. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 490 Ich schrieb dem General Gerlach 1), ich sei eins der jüngsten Mitglieder unter diesen Leuten. Wenn ich die Wünsche Sr. Majestät früher gekannt hätte, hätte ich vielleicht einen Einfluß gewinnen können; aber der Befehl des Königs, von mir in Berlin ausgeführt und in der conservativen Partei beider Häuser vertreten, würde meine parlamentarische Stellung, die für den König und seine Regirung in andern Fragen von Nutzen sein könnte, zerstören, wenn ich rein als königlicher Beauftragter, ohne eigne Gedanken zu vertreten, meinen Einfluß in der kurzen Frist von zwei Tagen verwerthen sollte. Ich fragte daher an, ob ich nicht den vom Könige erhaltenen Auftrag, mit dem Prinzen von Augustenburg zu verhandeln, als Grund für mein Wegbleiben von dem Landtage geltend machen dürfte. Ich erhielt durch den Telegraphen die Antwort, mich auf das Augustenburger Geschäft nicht zu berufen, sondern sofort nach Berlin zu kommen, reiste also am 26. April ab. Inzwischen war in Berlin auf Betrieb der conservativen Partei ein Beschluß gefaßt worden, der (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 492 [1-141] den Absichten des Königs zuwiderlief, und der von Sr. Majestät unternommne Feldzug schien damit verloren zu sein. Als ich mich am 27. bei dem General von Gerlach in dem Flügel des Charlottenburger Schlosses neben der Wache meldete, vernahm ich, daß der König ungehalten über mich sei, weil ich nicht sofort abgereist sei; wenn ich gleich erschienen wäre, so würde ich den Beschluß haben verhindern können 1). Gerlach ging, um mich zu melden, zum Könige und kam nach ziemlich langer Zeit zurück mit der Antwort: Se. Majestät wolle mich nicht sehn, ich solle aber warten. Dieser in sich widersprechende Bescheid ist charakteristisch für den König; er zürnte mir und wollte das durch Versagung der Audienz zu erkennen geben, aber doch auch zugleich die Wiederannahme zu Gnaden in kurzer Frist sicher stellen. Es war das eine Art von Erziehungsmethode, wie man in der Schule gelegentlich aus der Klasse gewiesen, aber wieder hineingelassen wurde. Ich war gewissermaßen im Charlottenburger Schlosse internirt, ein Zustand, der mir durch ein gutes und elegant servirtes Frühstück erleichtert wurde. Die Einrichtung des Königlichen Haushalts außerhalb Berlins, vorzugsweise in Potsdam und Charlottenburg, war die eines Grand Seigneur auf dem Lande. Man wurde bei jeder Anwesenheit zu den üblichen Zeiten nach Bedarf verpflegt, und wenn man zwischen diesen Zeiten einen Wunsch hatte, auch dann. Die Wirthschaftsführung war allerdings nicht auf russischem Fuße, aber doch durchaus vornehm und reichlich nach unsern Begriffen, ohne in Verschwendung auszuarten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 505 Im Winter 1853 zu 1854 ließ mich der König wiederholt kommen und hielt mich oft lang fest; ich verfiel dadurch äußerlich in die Kategorie der Streber, die am Sturze Manteuffel's arbeiteten, den Prinzen von Preußen gegen seinen Bruder einzunehmen, für sich Stellen oder wenigstens Aufträge herauszuschlagen suchten und dann und wann von dem Könige als Rivalen Manteuffels cum spe succedendi behandelt wurden. Nachdem ich mehrmals von dem Könige gegen Manteuffel in der Weise ausgespielt worden war, daß ich Gegenentwürfe von Depeschen zu machen hatte, bat ich Gerlach, den ich in einem kleinen Vorzimmer neben dem Cabinet des Königs in dem längs der Spree hinlaufenden Flügel des Schlosses fand, mir die Erlaubniß zur Rückkehr nach Frankfurt zu erwirken. Gerlach trat in das Cabinet und sprach, der König rief: "Er soll in des Teufels Namen warten, bis ich ihm befehle abzureisen!" Als Gerlach herauskam, sagte ich lachend, ich hätte den Bescheid schon. Ich blieb also noch eine Zeit lang in Berlin. Als es endlich zur Abreise kam, hinterließ ich den Entwurf eines eigenhändigen, von dem Könige an den Kaiser Franz Joseph zu richtenden Schreibens, den ich auf Befehl Seiner Majestät ausgearbeitet und den Manteuffel dem Könige vorzulegen übernommen hatte, nachdem er sich mit mir über den Inhalt verständigt haben würde. Der Schwerpunkt lag in dem Schlußsatze, aber auch ohne diesen bildete der Entwurf ein abgerundetes Aktenstück, freilich von wesentlich modificirter Tragweite. Ich bat den Flügeladjutanten vom Dienst unter Mittheilung einer Abschrift des Concepts, den König darauf aufmerksam zu machen, daß der Schlußsatz das entscheidende Stück des Erlasses sei. Diese Vorsichtsmaßregel war im Auswärtigen Amte nicht bekannt; (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 507 Um eine ernstere, in den Verlauf der Dinge eingreifende Frage der Redaction handelte es sich im August 1854. Der König befand sich in Rügen; ich war auf dem Wege von Frankfurt nach Reinfeld, wo meine Frau krank lag, als am 29. August in Stettin ein höherer Postbeamter, der angewiesen war, auf mich zu fahnden, mir eine Einladung des Königs nach Putbus ausrichtete. Ich hätte mich gern gedrückt, der Postbeamte aber begriff nicht, wie ein Mann von altem preußischen Schlage sich einer solchen Aufforderung entziehn wolle. Ich ging nach Rügen, nicht ohne Sorge vor neuen Zumuthungen, Minister zu werden und dadurch in unhaltbare Beziehungen zum Könige zu gerathen. Der König empfing mich am 30. August gnädig und setzte mich von einer vorliegenden Meinungsverschiedenheit über die durch den Rückzug der Russen aus den Donaufürstenthümern entstandene Situation in Kenntniß. Es handelte sich um die Depesche des Grafen Buol vom 10. August und einen von Manteuffel vorgelegten Entwurf einer Antwort, den der König zu östreichisch fand. Auf Befehl machte ich einen andern Entwurf, der von Sr. Majestät genehmigt und nach Berlin geschickt wurde, um im Widerspruch mit dem leitenden Minister zunächst an den Grafen Arnim in Wien gesandt und dann den deutschen Regirungen mitgetheilt zu werden 1). Die durch Annahme meines Entwurfs bekundete Stimmung des Königs zeigte sich auch in dem Empfang des Grafen Benckendorf, der mit Briefen und mündlichen Aufträgen in Putbus eintraf, und den ich mit der Nachricht hatte empfangen können, daß die Engländer und Franzosen in der Krim (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 522 Bei dem Souper war mir im Vergleich mit Berlin die Einrichtung merkwürdig, daß die Gesellschaft in drei Klassen mit Abstufungen in dem Menu speiste und denjenigen Gästen, die überhaupt speisen sollten, die Zusicherung durch Ueberreichung einer Karte mit der Nummer beim Eintreten gegeben wurde. Die Karten (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 524 [1-153] was in Berlin bei ähnlichen Massenfesten geleistet wird; nur die Bedienung war ausreichend und prompt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 525 Am auffallendsten war mir der Unterschied in den Anordnungen für die Circulation. Das Versailler Schloß bietet dafür eine viel größere Leichtigkeit, als das Berliner vermöge der größern Zahl und, abgesehn von dem Weißen Saale, der größern Ausdehnung der Räume. Hier war den Soupirenden Nro. 1 für ihren Rückzug derselbe Weg angewiesen, wie den Hungrigen Nro. 2, deren stürmischer Anmarsch schon eine weniger höfische gesellschaftliche Gewöhnung verrieth. Es kamen körperliche Zusammenstöße der gestickten und bebänderten Herrn und reich eleganten Damen vor, die in Handgreiflichkeiten und Verbalinjurien übergingen, wie sie bei uns im Schlosse unmöglich wären. Ich zog mich mit dem befriedigenden Eindruck zurück, daß trotz alles Glanzes des kaiserlichen Hofes der Hofdienst, die Erziehung und die Manieren der Hofgesellschaft bei uns, wie in Petersburg und Wien höher standen als in Paris, und daß die Zeiten hinter uns lagen, da man in Frankreich und am Pariser Hofe eine Schule der Höflichkeit und des guten Benehmens durchmachen konnte. Selbst die, namentlich im Vergleich mit Petersburg, veraltete Etikette kleiner deutscher Höfe war würdevoller als die imperialistische Praxis. Freilich habe ich diesen Eindruck schon unter Louis Philipp gehabt, während dessen Regirung es in Frankreich gradezu Mode wurde, sich in der Richtung übertriebener Ungenirtheit und des Verzichtes auf Höflichkeit besonders gegen Damen hervorzuthun. War es nun auch in dieser Beziehung während des zweiten Kaiserreichs besser geworden, so blieben doch der Ton in der amtlichen und höfischen Gesellschaft und die Haltung des Hofes selbst gegen die drei östlichen großen Höfe zurück. Nur in den der amtlichen Welt fremden legitimistischen Kreisen war es zur Zeit Louis Philipp's sowohl, wie Louis Napoleon's anders, der Ton tadellos, höflich und gastlich, mit gelegentlichen Ausnahmen der jüngern, mehr verpariserten Herrn, die ihre Gewohnheiten nicht der Familie, sondern dem Club entnahmen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 526 [1-154] Der Kaiser, den ich bei meiner damaligen Anwesenheit in Paris zum ersten Male sah, hat mir bei verschiedenen Besprechungen damals nur in allgemeinen Worten seinen Wunsch und seine Absicht im Sinne einer französisch-preußischen Intimität zu erkennen gegeben. Er sprach davon, daß diese beiden benachbarten Staaten, die vermöge ihrer Bildung und ihrer Einrichtungen an der Spitze der Civilisation ständen, auf einander angewiesen seien. Eine Neigung, Beschwerden, die durch unsre Verweigerung des Anschlusses an die Westmächte hervorgerufen wären, mir gegenüber zum Ausdruck zu bringen, stand nicht im Vordergrunde. Ich hatte das Gefühl, daß der Druck, den England und Oestreich in Berlin und Frankfurt ausübten, um uns zu Kriegsdiensten im westmächtlichen Lager zu nöthigen, sehr viel stärker, man könnte sagen, leidenschaftlicher und gröber war, als die in wohlwollender Form mir kund gegebenen Wünsche und Versprechungen, mit denen der Kaiser unsre Verständigung speciell mit Frankreich befürwortete. Er war für unsre Sünden gegen die westmächtliche Politik viel nachsichtiger, als England und Oestreich. Er sprach nie Deutsch mit mir, auch später nicht. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 548 [1-162] glauben, Frankreichs seien sie gegen uns immer sicher und wir jeder Zeit hülfsbedürftig gegen Frankreich, so ist das für Friedensdiplomatie ein großer Gewinn; wenn wir diese Hülfsmittel verschmähn, sogar das Gegentheil thun, so weiß ich nicht, warum wir nicht lieber die Kosten der Diplomatie sparen oder reduciren, denn diese Kaste vermag mit allen Arbeiten nicht zu Wege zu bringen, was der König mit geringer Mühe kann, nämlich Preußen eine angesehne Stellung im Frieden durch den Anschein von freundlichen Beziehungen und möglichen Verbindungen wiederzugeben. Nicht minder vermag Se. Majestät durch ein [Zur]schautragen kühler Verhältnisse leicht alle Arbeit der Diplomaten zu lähmen; denn was soll ich hier oder einer unsrer andern Gesandten durchsetzen, wenn wir den Eindruck machen, ohne Freunde zu sein oder auf Oestreichs Freundschaft zu rechnen. Man muß nach Berlin kommen, um nicht ausgelacht zu werden, wenn man von Oestreichs Unterstützung in irgend einer für uns erheblichen Frage sprechen will. Und selbst in Berlin kenne ich doch nachgrade nur einen sehr kleinen Kreis, bei dem das Gefühl der Bitterkeit nicht durchbräche, sobald von unsrer auswärtigen Politik die Rede ist. Unser Recept für alle Uebel ist, uns an die Brust des Grafen Buol zu werfen und ihm unser brüderliches Herz auszuschütten. Ich erlebte in Paris, daß ein Graf So und So gegen seine Frau auf Scheidung klagte, nachdem er sie, eine ehemalige Kunstreiterin, zum 24. Male im flagranten Ehebruch betroffen hatte; er wurde als ein Muster von galantem und nachsichtigem Ehemann von seinem Advocaten vor Gericht gerühmt, aber gegen unsern Edelmuth mit Oestreich kann er sich doch nicht messen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 550 [1-163] vieles zu Gute und lassen uns viel gefallen dafür, selbst im Beutel. Aber wenn wir uns für's Innre sagen müssen, daß wir mehr durch unsre guten Säfte die Krankheiten ausstoßen, welche unsre ministeriellen Aerzte uns einimpfen, als daß wir von ihnen geheilt und zu gesunder Diät angeleitet würden, so sucht man im Auswärtigen vergebens nach einem Trost dafür. Sie sind doch, verehrtester Freund, au fait von unsrer Politik; können Sie mir nun ein Ziel nennen, welches dieselbe sich etwa vorgesteckt hat, auch nur einen Plan auf einige Monate hinaus; grade rebus sic stantibus weiß man da, was man eigentlich will? weiß das irgend Jemand in Berlin und glauben Sie, daß bei den Leitern eines andern Staates dieselbe Leere an positiven Zwecken und Ideen vorhanden ist? Können Sie mir ferner einen Verbündeten nennen, auf welchen Preußen zählen könnte, wenn es heut grade zum Kriege käme, oder der für uns spräche bei einem Anliegen, wie etwa das Neuenburger, oder der für uns irgend etwas thäte, weil er auf unsern Beistand rechnet oder unsre Feindschaft fürchtet? Wir sind die gutmüthigsten, ungefährlichsten Politiker, und doch traut uns eigentlich niemand; wir gelten wie unsichre Genossen und ungefährliche Feinde, ganz als hätten wir uns im Aeußern so betragen und wären im Innern so krank wie Oestreich. Ich spreche nicht von der Gegenwart; aber können Sie mir einen positiven Plan (abwehrende genug) oder eine Absicht nennen, die wir seit dem Radowitzischen Dreikönigsbündniß in auswärtiger Politik gehabt haben? Doch, den Jahdebusen; der bleibt aber bisher ein todtes Wasserloch, und den Zollverein werden wir uns von Oestreich ganz freundlich ausziehn lassen, weil wir nicht den Entschluß haben, einfach Nein zu sagen. Ich wundre mich, wenn es bei uns noch Diplomaten gibt, denen der Muth, einen Gedanken zu haben, denen die sachliche Ambition, etwas leisten zu wollen, nicht schon erstorben ist, und ich werde mich ebenso gut wie meine Collegen darin finden, einfältig meine Instruction zu vollziehn, den Sitzungen beizuwohnen und mich der Theilnahme für den allgemeinen Gang unsrer Politik (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 556 "Berlin, 6. Mai 1857. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 564 Sie haben sich aber gewiß bei meiner weitläufigen Deduction schon gelangweilt, ich will daher der neuesten Zeit entgegengehen. Finden Sie es denn eine glückliche Lage der Dinge, daß jetzt, wo Preußen und Oesterreich sich feindlich entgegenstehen, Bonaparte bis Dessau hin regiert und Nichts in Deutschland geschieht ohne bei ihm anzufragen? Kann uns ein Bündniß mit Frankreich den Zustand der Dinge ersetzen, welcher von 1815-1848 bestanden hat, wo sich keine fremde Macht in die deutschen Angelegenheiten mischte? Daß Oesterreich und die deutschen Mittelstaaten nichts für uns thun werden, davon bin ich wie Sie überzeugt. Ich glaube nur außerdem noch, daß Frankreich, das heißt Bonaparte, auch nichts für uns thun wird. Daß man unfreundlich und unhöflich gegen ihn ist, billige ich so wenig als Sie; daß man Frankreich aus den politischen Combinationen ausschließt, ist Wahnsinn. Daraus folgt aber noch nicht, daß man Bonapartes Ursprung vergißt, ihn nach Berlin einladet und dadurch im In- und Auslande alle Begriffe verwirrt. In der Neuschâteler Sache hat er sich insofern gut benommen, daß er den Krieg verhindert und offen gesagt hat, daß er nicht mehr thun würde. Ob es aber nicht besser um diese Angelegenheit stände, wenn wir uns nicht von einer ‚Gefühlspolitik' hätten leiten lassen, sondern die Sache an die europäischen Mächte, die das Londoner Protokoll unterzeichnet, gebracht hätten, ohne uns vorher unter die Flügel Bonapartes geduckt zu haben, das ist doch noch sehr fraglich, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 573 "... Berliner Nachrichten sagen mir, daß man mich am Hofe als Bonapartisten bezeichnet. Man thut mir Unrecht damit. Im Jahre 50 wurde ich von unsern Gegnern verrätherischer Hinneigung zu Oestreich angeklagt, und man nannte uns die Wiener in Berlin; später fand man, daß wir nach Juchten rochen, und nannte uns Spreekosaken. Ich habe damals auf die Frage, ob ich russisch oder westmächtlich sei, stets geantwortet, ich bin Preußisch, und mein Ideal für auswärtige Politiker ist die Vorurtheilsfreiheit, die Unabhängigkeit der Entschließungen von den Eindrücken der Abneigung oder Vorliebe für fremde Staaten und deren Regenten. Ich habe, was das Ausland anbelangt, in meinem Leben nur für England und seine Bewohner Sympathie gehabt und bin stundenweis noch nicht frei davon; aber die Leute wollen sich ja von uns nicht lieben lassen, und ich würde, sobald man mir nachweist, daß es im Interesse einer gesunden und wohldurchdachten preußischen Politik liegt, unsre Truppen mit derselben Genugthuung auf die französischen, russischen, englischen oder östreichischen feuern sehen. In Friedenszeiten halte ich es für muthwillige Selbstschwächung, sich Verstimmungen zuzuziehn oder solche zu unterhalten, ohne daß man einen praktischen politischen Zweck damit verbindet, und die Freiheit seiner künftigen Entschließungen und Verbindungen vagen und unerwiderten Sympathien zu opfern, Concessionen, wie sie Oestreich jetzt in Betreff Rastatts von uns (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 596 [1-177] prätendirten, unsern Vorfahren für durchaus koscher, und den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben wir schon in dem Haager Vertrage von 1785 ihren revolutionären Ursprung verziehn. Der jetzige König von Portugal hat uns in Berlin besucht, und mit dem Hause Bernadotte hätten wir uns verschwägert, wenn nicht zufällige Hindernisse eintraten. Wann und nach welchen Kennzeichen haben alle diese Mächte aufgehört, revolutionär zu sein? Es scheint, daß man ihnen die illegitime Geburt verzeiht, sobald wir keine Gefahr von ihnen besorgen, und daß man sich alsdann auch nicht prinzipiell daran stößt, wenn sie fortfahren, ohne Buße, ja mit Rühmen sich zu ihrer Wurzel im Unrecht zu bekennen. Ich sehe nicht, daß vor der französischen Revolution ein Staatsmann, sei er auch der christlichste und gewissenhafteste, auf den Gedanken gekommen wäre, sein gesammtes politisches Streben, sein Verhalten zur äußern wie zur innern Politik dem Prinzipe des ,Kampfes gegen die Revolution' unterzuordnen und die Beziehungen seines Landes zu andern lediglich an diesem Probirstein zu prüfen; und doch waren die Grundsätze der amerikanischen Revolution und der englischen Revolution, abgesehn von dem Maße des Blutvergießens und dem nach dem Nationalcharakter sich verschieden gestaltenden Unfug mit der Religion, ziemlich dieselben, wie diejenigen, welche in Frankreich die Unterbrechung der Continuität des Rechtes herbeiführten. Ich kann nicht annehmen, daß es vor 1789 nicht einige ebenso christliche und conservative Politiker, ebenso richtige Erkenner des Bösen gegeben hätte, wie wir sind, und daß die Wahrheit eines von uns als Grundlage aller Politik hinzustellenden Prinzips ihnen entgangen sein sollte. Ich finde auch nicht, daß wir auf alle revolutionäre Erscheinungen nach 1789 das Prinzip ebenso rigoros anwenden wie auf Frankreich. Die analogen Rechtszustände in Oestreich, das Prosperiren der Revolution in Portugal, Spanien, Belgien und in dem durch und durch revolutionären heutigen Dänemark, das offne Bekennen und Propagiren der revolutionären Grundideen von Seiten der englischen Regirung und das (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 633 Im März 1857 waren in Paris die Conferenzen zur Schlichtung des zwischen Preußen und der Schweiz ausgebrochenen Streites eröffnet worden. Der Kaiser, über die Vorgänge in Berliner Hofund Regirungskreisen stets wohl unterrichtet, wußte offenbar, daß der König mit mir auf vertrauterem Fuße stand, als mit andern Gesandten und mich wiederholt als Ministercandidaten in's Auge gefaßt hatte. Nachdem er in den Händeln mit der Schweiz eine für Preußen äußerlich, und namentlich im Vergleich mit der Oestreichs, wohlwollende Haltung beobachtet hatte, schien er vorauszusetzen, daß er dafür auf ein Entgegenkommen Preußens in andern Dingen zu rechnen habe; er setzte mir auseinander, daß es ungerecht sei, ihn zu beschuldigen, daß er nach der Rheingrenze strebe. Das linksrheinische deutsche Ufer mit etwa 3 Millionen Einwohnern würde für Frankreich Europa gegenüber eine unhaltbare Grenze sein; die Natur der Dinge würde Frankreich dann dahin treiben, auch Luxemburg, Belgien und Holland zu erwerben oder doch in eine sichre Abhängigkeit zu bringen. Das Unternehmen hinsichtlich der Rheingrenze würde daher Frankreich früher oder später zu einer Vermehrung von 10 bis 11 Millionen thätiger, wohlhabender Einwohner führen. Eine solche Verstärkung der französischen Macht würde von Europa unerträglich befunden werden, - "devrait engendrer la coalition", würde schwerer zu behalten, als zu nehmen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 646 [1-196] Felskante und erlitt eine ernste Verletzung des Schienbeins, die ich leider vernachlässigte, um nach Kurland auf die Elchjagd zu gehn. Auf der Rückreise von Kopenhagen traf ich am 26. August in Berlin ein, machte am 3. September eine große Revue mit, auf der ich zum ersten Male die eben eingeführte weiße Uniform des damaligen "schweren Reiter"-Regiments trug, und reiste dann nach Kurland *). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 658 "Berlin, den 20. Juli 1858. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 662 "Berlin, den 12. October 1858. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 676 Darauf ich: "Sobald Ew. Königliche Hoheit mir dieses Zeugniß geben, so muß ich natürlich schweigen, kann aber doch bei der Freiheit des Wortes, die Ew. Königliche Hoheit mir jederzeit gestattet haben, nicht umhin, meine Sorge über die heimische Situation und ihren Einfluß auf die deutsche Frage auszusprechen. Usedom ist ein brouillon, kein Geschäftsmann. Seine Instruction wird er von Berlin erhalten; wenn Graf Schlieffen Decernent für deutsche Sachen bleibt, so werden die Instructionen gut sein; an ihre gewissenhafte Ausführung glaube ich bei Usedom nicht." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 683 "Berlin, den 23. Februar 1869.Seit ich Sie gestern Abend verließ, mein verehrter Freund, bin ich unausgesetzt mit Ihnen und Ihrer Entschließung beschäftigt. Es läßt mir keine Ruhe. Ich muß Ihnen nochmals zurufen, fassen Sie Ihr Schreiben so, daß ein Einlenken möglich bleibt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 690 "Berlin, den 26. Februar 1869. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 715 Ich wurde am 29. Januar 1859 zum Gesandten in Petersburg ernannt, verließ Frankfurt aber erst am 6. März und verweilte bis zum 23. desselben Monats in Berlin. Während dieser Zeit hatte ich Gelegenheit, von der Verwendung der östreichischen geheimen Fonds, der ich bis dahin nur in der Presse begegnet war, einen praktischen Eindruck zu gewinnen. Der Bankier Levinstein, welcher seit Jahrzehnten bei meinen Vorgesetzten und in deren vertraulichen Aufträgen in Wien und Paris mit den Leitern der auswärtigen Politik und mit dem Kaiser Napoleon in Person verkehrt hatte, richtete am Morgen des Tages, auf den meine Abreise festgesetzt war, das nachstehende Schreiben an mich: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 739 Die zweite Generation, die mit dem Kaiser Nicolaus gleichaltrig war oder doch seinen Stempel trug, pflegte sich in der Unterhaltung auf Hofangelegenheiten, Theater, Avancement und militärische Erlebnisse zu beschränken. Unter ihnen sind als der ältern Kategorie geistig näher stehende Ausnahmen zu nennen der alte Fürst Orlow, hervorragend an Charakter, Höflichkeit und Zuverlässigkeit für uns; der Graf Adlerberg Vater und sein Sohn, der nachherige Hofmeister, mit Peter Schuwalow der einsichtigste Kopf, mit dem ich dort in Beziehungen gekommen bin und dem nur Arbeitsamkeit fehlte, um eine leitende Rolle zu spielen; der Fürst Suworow, der wohlwollendste für uns Deutsche, bei dem der russische General nicolaitischer Tradition stark, aber nicht unangenehm, mit burschikosen Reminiscenzen deutscher Universitäten versetzt war; mit ihm dauernd im Streit und doch in gewisser Freundschaft Tschewkin, der Eisenbahn-General, von einer Schärfe und Feinheit des Verständnisses, wie sie bei Verwachsenen mit der ihnen eigenthümlichen klugen Kopfbildung nicht selten gefunden wird; endlich der Baron Peter von Meyendorff, für mich die sympathischste Erscheinung unter den ältern Politikern, früher Gesandter in Berlin, der nach seiner Bildung und der Feinheit seiner Formen mehr dem (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 740 [1-220] alexandrinischen Zeitalter angehörte und in ihm durch Intelligenz und Tapferkeit sich aus der Stellung eines jungen Offiziers in einem Linienregimente, in dem er die französischen Kriege mitgemacht, zu einem Staatsmanne emporgearbeitet hatte, dessen Wort bei dem Kaiser Nicolaus erheblich in's Gewicht fiel. Die Annehmlichkeit seines gastfreien Hauses in Berlin wie in Petersburg wurde wesentlich erhöht durch seine Gemalin, eine männlich kluge, vornehme, ehrliche und liebenswürdige Frau, die in noch höherm Grade als ihre Schwester, Frau von Vrints in Frankfurt, den Beweis lieferte, daß in der gräflich Buol'schen Familie der erbliche Verstand ein Kunkellehn war. Ihr Bruder, der östreichische Minister Graf Vuol, hatte daran nicht den Antheil geerbt, der zur Leitung der Politik einer großen Monarchie unentbehrlich ist. Die beiden Geschwister standen einander persönlich nicht näher als die russische und die östreichische Politik. Als ich 1852 in besondrer Mission in Wien beglaubigt war, war das Verhältniß zwischen ihnen noch derart, daß Frau von Meyendorff geneigt war, mir das Gelingen meiner für Oestreich freundlichen Mission zu erleichtern, wofür ohne Zweifel die Instructionen ihres Gemals maßgebend waren. Der Kaiser Nicolaus wünschte damals unsre Verständigung mit Oestreich. Als ein oder zwei Jahre später, zur Zeit des Krimkriegs, von meiner Ernennung nach Wien die Rede war, fand das Verhältniß zwischen ihr und ihrem Bruder in den Worten Ausdruck: sie hoffe, daß ich nach Wien kommen und "dem Karl ein Gallenfieber anärgern würde". Frau von Meyendorff war als Frau ihres Gemals patriotische Russin und würde auch ohnedies schon nach ihrem persönlichen Gefühl die feindselige und undankbare Politik nicht gebilligt haben, zu welcher Graf Buol Oestreich bewogen hatte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 760 [1-228] auf die Entschließungen in Berlin einwirken zu können, ohne mir klar zu machen, daß die übermäßigen Anstrengungen, die ich mir zu diesem Zwecke in meiner Berichterstattung auferlegte, ganz fruchtlos sein mußten, weil meine Immediatberichte und meine in Form eigenhändiger Briefe gefaßten Mittheilungen entweder garnicht zur Kenntniß des Regenten gelangten oder mit Commentaren, die jeden Eindruck hinderten. Meine Ausarbeitungen hatten außer einer Complicirung der Krankheit, in welche ich durch ärztliche Vergiftung gefallen war, nur die Folge, daß die Genauigkeit meiner Berichte über die Stimmungen des Kaisers verdächtigt wurde, und um mich zu controlliren, der Graf Münster, früher Militärbevollmächtigter in Petersburg, dorthin geschickt wurde. Ich war im Stande, dem mir befreundeten Inspicienten zu beweisen, daß meine Meldungen auf der Einsicht eigenhändiger Bemerkungen des Kaisers am Rande der Berichte russischer Diplomaten beruhten, die Gortschakow mir vorgelegt hatte, und daneben auf mündlichen Mittheilungen persönlicher Freunde, die ich in dem Cabinet und am Hofe besaß. Die eigenhändigen Marginalien des Kaisers waren mir vielleicht mit berechneter Indiscretion vorgelegt worden, damit ihr Inhalt auf diesem weniger verstimmenden Wege nach Berlin gelangen sollte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 761 Diese und andre Formen, in denen ich von besonders wichtigen Mittheilungen Kenntniß erhielt, sind charakteristisch für die damaligen politischen Schachzüge. Ein Herr, welcher mir gelegentlich eine solche vertraute, wandte sich beim Abschiede in der Thür um und sagte: "Meine erste Indiscretion nöthigt mich zu einer zweiten. Sie werden die Sache natürlich nach Berlin melden, benutzen Sie aber dazu nicht Ihren Chiffre Nr. so und so, den besitzen wir seit Jahren, und nach Lage der Dinge würde man bei uns auf mich als Quelle schließen. Außerdem werden Sie mir den Gefallen thun, den compromittirten Chiffre nicht plötzlich fallen zu lassen, sondern ihn noch einige Monate lang zu unverfänglichen Telegrammen zu benutzen." Damals glaubte ich zu meiner Beruhigung (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 767 Als ich 1852 die Gesandschaft in Wien zu leiten hatte, stieß ich dort auf die Gewohnheit, wenn der Gesandte eine Mittheilung zu machen hatte, die Instruction, durch die er von Berlin aus dazu beauftragt war, dem östreichischen Minister des Auswärtigen im Original einzureichen. Diese für den Dienst ohne Zweifel nachtheilige Gewohnheit, bei der eigentlich die vermittelnde Amtsthätigkeit des Gesandten als überflüssig erschien, war dergestalt tief eingerissen, daß der damalige, seit Jahrzehnten in Wien einheimische Kanzleivorstand der Gesandschaft aus Anlaß des von mir ergangenen Verbots mich aufsuchte, um mir vorzustellen, wie groß das Mißtrauen der kaiserlichen Staatskanzlei sein werde, wenn wir plötzlich in der langjährigen Gepflogenheit eine Aenderung eintreten ließen; man würde namentlich mir gegenüber zweifelhaft werden, ob meine Einwirkung auf den Grafen Buol wirklich dem Text meiner Instructionen und also den Intentionen der Berliner Politik entspräche. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 770 Vom Ersäufen war auch die Rede in einer scherzenden Unterhaltung, die ich 1853 oder 1854 mit dem russischen Gesandten in Berlin, Baron von Budberg, hatte. Ich erwähnte, daß ich einen Beamten im Verdacht hätte, bei den ihm aufgetragnen Geschäften das Interesse eines andern Staates zu vertreten. Budberg sagte: "Wenn der Mann Ihnen unbequem ist, so schicken Sie ihn nur einmal bis an das Aegäische Meer, dort haben wir Mittel, ihn verschwinden zu lassen" - und fuhr auf meine etwas ängstliche Frage: "Sie wollen ihn doch nicht ersäufen?" lachend fort: "Nein, er würde im Innern Rußlands verschwinden, und da er anstellig zu sein scheint, später als zufriedner russischer Beamter wieder zum Vorschein kommen." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 781 Je serais bien ingrat, si après toutes les bontés dont vous m'avez comblé à Moscou, j'avais laissé quatre semaines sans des raisons majeures s'écouler avant de répondre à la lettre dont V. E. m'a honoré. J'ai été saisi après mon rétour d'une maladie grave, une espèce de goutte, qui par de fortes douleurs rhumatismales m'a tenu à l'état de perclus depuis près d'un mois avec des intervalles minimes et absorbés par les affaires courantes restées en arrière. Encore aujourd'hui je me trouve hors d'état de marcher, mais mieux portant du reste, de sorte que je tâcherai d'obéir à un ordre de mon gouvernement qui m'appelle à Berlin. Pardonnez ces détails, mon Prince, mais ils sont nécessaires pour expliquer mon silence. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 782 J'avais espéré que par ce retard de ma réponse je serais mis à même d'y joindre celle que j'attends de Berlin à l'envoi dont vous avez bien voulu me charger à destination de Sa Majesté le Roi. Je ne la tiens pas encore, mais je ne puis partir, mon Prince, sans vous dire, combien je suis touché de la manière digne et aimable à la fois dont vous faites les honneurs du département que vous dirigez, et de la capitale que vous habitez, en montrant à l'étranger un noble modèle de l'hospitalité nationale. Le magnifique ouvrage que vous avez bien voulu me donner, restera toujours un ornament précieux de ma bibliothèque et un objet auquel se rattache le (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 791 Um bei deutschen Aerzten Hülfe zu suchen, reiste ich im Juli auf dem Seewege über Stettin nach Berlin; heftige Schmerzen veranlaßten mich, den berühmten Chirurgen Pirogow, der mit an Bord war, zu fragen; er wollte mir das Bein amputiren, und auf meine Frage, ob über oder unter dem Kniee, bezeichnete er (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 792 [1-236] eine Stelle hoch darüber. Ich lehnte ab und wurde, nachdem in Berlin verschiedne Behandlungen erfolglos versucht waren, durch die Bäder von Nauheim unter Leitung des Professors Benecke aus Marburg so weit wiederhergestellt, daß ich gehn, auch reiten und im October den Prinzregenten nach Warschau zur Zusammenkunft mit dem Zaren begleiten konnte. Während ich auf der Rückreise nach Petersburg Herrn von Below in Hohendorf im November einen Besuch machte, riß sich nach ärztlicher Meinung der Trombus los, der sich in der zerstörten Vene gebildet und festgesetzt hatte, gerieth in den Blutumlauf und verursachte eine Lungenentzündung, die von den Aerzten für tödtlich gehalten, aber in einem Monate langen Siechthum überwunden wurde. Merkwürdig sind mir heut die Eindrücke, die damals ein sterbender Preuße über Vormundschaft hatte. Mein erstes Bedürfniß nach meiner ärztlichen Verurtheilung war die Niederschrift einer letztwilligen Verfügung, durch welche jede gerichtliche Einmischung in die eingesetzte Vormundschaft ausgeschlossen wurde. Hierüber beruhigt sah ich meinem Ende mit der Bereitwilligkeit entgegen, die unerträgliche Schmerzen gewähren. Zu Anfang des März 1860 war ich so weit, nach Berlin reisen zu können, wo ich, meine Genesung abwartend, an den Sitzungen des Herrenhauses Theil nahm und bis in den Mai verweilte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 804 Der Fürst von Hohenzollern, der sich überzeugte, daß die Prinzessin und Schleinitz durch sie stärker waren als er, zog sich bald nachher von den Geschäften thatsächlich zurück, wenn er auch dem Namen nach bis zum September 1862 Ministerpräsident blieb. Die Leitung ging damit auch äußerlich auf Auerswald über, mit dem ich während der Zeit, die ich noch in Berlin zubrachte, in freundlichem Verkehr blieb. Er war von besonders liebenswürdigen Formen und hervorragender politischer Begabung; und nachdem ich zwei Jahr später Ministerpräsident geworden war, leistete er mir einen wohlwollenden Beistand, namentlich dadurch, daß er bei dem Kronprinzen die Bedenken und Besorgnisse über die Zukunft unsres Landes bekämpfte, die ihm von England aus gegen mich als Russenfreund beigebracht worden waren und die später zu dem Danziger Pronunciamiento führten. Auf seinem Sterbebette 1)ließ er den Kronprinzen zu sich bitten, warnte eindringlich vor den Gefahren, welche seine Opposition der Monarchie bereiten könnte, und bat den Prinzen, an mir festzuhalten 2). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 806 "Berlin, den 27. Juni 1861. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 821 Ich kann mich schriftlich über eine Situation, die ich nur ungenügend kenne, nicht erschöpfend aussprechen, mag auch Manches nicht zu Papier bringen, was ich sagen möchte. Nachdem der Urlaub heut bewilligt, reise ich Sonnabend zu Wasser, und hoffe Dienstag früh in Lübeck zu sein, Abend in Berlin. Früher kann ich nicht, weil der Kaiser mich noch sehn will. Diese Zeilen nimmt der englische Courier wieder mit. Mündlich also Näheres. Bitte mich der Frau Gemalin herzlich zu empfehlen. In treuer Freundschaft der Ihrige (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 823 Ich hatte fünf Tage lang keine Zeitungen gesehn, als ich am 9. Juli in Lübeck um fünf Uhr Morgens eintraf und aus der im Bahnhofe allein vorhandnen schwedischen Ystädter Zeitung ersah, daß der König und die Minister Berlin verlassen hatten, die Krisis also beigelegt sein mußte. Am 3. Juli hatte der König das Manifest erlassen, daß er das Herkommen der Erbhuldigung festhalte, aber in Betracht der Veränderungen, welche in der Verfassung der Monarchie unter der Regirung seines Bruders eingetreten, beschlossen habe, anstatt der Erbhuldigung die feierliche Krönung zu erneuern, durch welche die erbliche Königswürde begründet sei. Ueber den Verlauf der Krisis schrieb mir Roon am 24. Juli von Brunnen (Kanton Schwyz) 2): (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 841 Ich kam damals noch nicht in die Lage, seinen Wunsch erfüllen zu können, hatte auch keinen Drang dazu. Schon als ich von Petersburg nach Berlin berufen wurde, hatte ich nach den Windungen unsrer parlamentarischen Politik annehmen können, daß diese Frage an mich herantreten würde. Ich kann nicht sagen, daß mich diese Aussicht angesprochen, thatenfreudig gestimmt hätte, mir fehlte der Glaube an dauernde Festigkeit Sr. Majestät häuslichen Einflüssen gegenüber; ich erinnere mich, daß ich in Eydtkuhnen den Schlagbaum der heimathlichen Grenze nicht mit dem freudigen Gefühl passirte, wie bis dahin bei jedem ähnlichen Vorkommniß. Ich war bedrückt von der Sorge, schwierigen und verantwortlichen Geschäften entgegen zu gehn und auf die angenehme und nicht (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 843 [1-251] nothwendig verantwortliche Stellung eines einflußreichen Gesandten zu verzichten. Dabei konnte ich mir keine sichre Berechnung machen von dem Gewicht und der Richtung des Beistandes, den ich im Kampfe mit der steigenden Fluth der Parlamentsherrschaft bei dem Könige und seiner Gemalin, bei den Collegen und im Lande finden werde. Meine Lage, in Berlin im Gasthofe wie einer der intriguirenden Gesandten aus der Manteuffel'schen Zeit im Lichte eines Bewerbers vor Anker zu liegen, widerstrebte meinem Selbstgefühl. Ich bat den Grafen Bernstorff, mir entweder ein Amt oder meine Entlassung zu verschaffen. Er hatte die Hoffnung, bleiben zu können, noch nicht aufgegeben, er beantragte und erhielt in wenig Stunden meine Ernennung nach Paris. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 845 "Ich bin glücklich angekommen, wohne hier wie eine Ratte in der leeren Scheune und bin von kühlem Regenwetter eingesperrt. Gestern hatte ich feierliche Audienz, mit Auffahrt in kaiserlichen Wagen, Ceremonie, aufmarschirten Würdenträgern. Sonst kurz und erbaulich, ohne Politik, die auf un de ces jours und Privataudienz verschoben wurde. Die Kaiserin sieht sehr gut aus, wie immer. Gestern Abend kam der Feldjäger, brachte mir aber nichts aus Berlin, als einige lederne Dinger von Depeschen über Dänemark. Ich hatte mich auf einen Brief von Ihnen gespitzt. Aus einem Schreiben, welches Bernstorff an Reuß gerichtet hat, ersehe ich, daß der Schreiber auf meinen dauernden Aufenthalt hier und den seinigen in Berlin mit Bestimmtheit rechnet, und daß der König irrt, wenn er annimmt, daß jener je eher, je lieber nach London zurück verlange. Ich begreife ihn nicht, warum er nicht ganz ehrlich sagt, ich wünsche zu bleiben oder ich wünsche zu gehn, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 850 Unter dem 4. Juni schrieb mir Roon von Berlin 1): (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 853 [1-253] sollte, zuckte er die Achseln, und als ich hinzusetzte, es bliebe dann nichts übrig, als daß er sich selbst erbarmte, schlüpfte er darüber hinweg, nicht abwehrend, nicht zustimmend. Daß mich dies beunruhigt, kann Sie nicht wundern. Ich nahm daher gestern Gelegenheit, an maßgebender Stelle die Ministerpräsidenten-Frage auf die Bahn zu bringen, und fand die alte Hinneigung zu Ihnen neben der alten Unentschlossenheit. Wer kann da helfen? Und wie soll dies enden? - - Keine regierungsfähige Partei! Die Demokraten sind selbstverständlich ausgeschlossen, aber die große Majorität besteht aus Demokraten und solchen, die es werden wollen, wenngleich ihr Adreßentwurf von Loyalitätsversicherungen trieft. Daneben die Constitutionellen, d. h. die Eigentlichen, ein Häuflein von wenig mehr als 20 Köpfen, Vincke an der Spitze, circa 15 Conservative, 30 Katholiken, einige 20 Polen. Wo also findet eine mögliche Regierung die nöthige Unterstützung? Welche Parthei kann bei dieser Gruppirung regieren außer den Demokraten, und diese können es, dürfen es erst recht nicht. Unter diesen Umständen, so sagt meine Logik, muß die jetzige Regierung im Amte bleiben, so schwierig es auch sein mag. Und eben deshalb muß sie sich mit Nothwendigkeit verstärken und zwar je eher, je lieber. - - Daß Graf Bernstorff immer zwei große Posten in Beschlag habe, scheint mir nun nicht eben durch Preußens Interesse geboten zu sein. Ich werde mich daher sehr freuen, wenn Sie nächstens zum Ministerpräsidenten ernannt werden, obgleich ich überzeugt bin, daß B. dann binnen Kurzem aus seiner Doppelstellung treten und nicht länger den Koloß, 1 Fuß in Berlin, 1 in London, spielen wird. Ich schiebe es Ihnen in's Gewissen, keinen Gegenzug zu thun, da er schließlich dahin führen könnte und würde, den König in die offenen Arme der Demokraten zu treiben. - - Zum 11. ds. M. ist Hohenlohes Urlaub um. Er wird nicht wiederkommen, sondern nur sein Entlassungsgesuch. Und dann, ja dann hoffe ich, wird der Telegraph Sie herrufen. Alle Patrioten ersehnen dies. Wie könnten Sie da zaudern und manövriren?" (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 857 Ich habe Ihren Brief durch Stein (damals Militär-Bevollmächtigter) richtig erhalten, offenbar unerbrochen, denn ich konnte ihn ohne theilweise Zerstörung nicht öffnen. Sie können versichert sein, daß ich durchaus keine Gegenzüge und Manövers mache; wenn ich nicht aus allen Anzeichen ersähe, daß Bernstorff garnicht daran denkt auszuscheiden, so würde ich mit Gewißheit erwarten, daß ich in wenig Tagen Paris verließe, um über London nach Berlin zu gehn, und ich würde keinen Finger rühren, um dem entgegenzuarbeiten. Ich rühre auch so keinen; aber ich kann doch auch nicht den König mahnen, mir Bernstorffs Stelle zu geben, und wenn ich ohne Portefeuille einträte, so hätten wir, Schleinitz eingerechnet, drei auswärtige Minister, von denen jeder Verantwortung gegenüber der eine sich stündlich in's Hausministerium, der andre nach London zurückzuziehn bereit ist. Mit Ihnen weiß ich mich einig, mit Jagow glaube ich es werden zu können, die Fachministerien würden mir nicht Anstoß geben; über auswärtige Dinge aber habe ich ziemlich bestimmte Ansichten; Bernstorff vielleicht auch, aber ich kenne sie nicht, und vermag mich in seine Methode und seine Formen nicht einzuleben, ich habe auch kein Vertrauen zu seinem richtigen Augenmaß für die politischen Dinge, er also vermuthlich zu dem meinigen auch nicht. So sehr lange kann die Ungewißheit übrigens nicht mehr dauern; ich warte bis nach dem 11., ob der König bei der Auffassung vom 26. v. M. 2)bleibt oder sich anderweit versorgt. Geschieht bis dahin nichts, so schreibe ich Sr. M. in der Voraussetzung, daß mein hiesiges Verhältniß definitiv wird, und ich meine häuslichen Einrichtungen danach treffe, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 862 Ich schicke diesen Brief morgen mit dem Feldjäger, der dann in Aachen bleibt, bis er wieder etwas aus Berlin herzubringen bekommt. Meine Empfehlungen an Ihre Damen; den Meinigen geht es gut. In alter Treue (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 876 [1-259] eigentliche Geschäfte beruhigt die Nerven nicht. Ich ging meiner Ansicht nach auf 10 bis 14 Tage her, und bin nun 7 Wochen hier, ohne je zu wissen, ob ich in 24 Stunden noch hier wohne. Ich will mich dem Könige nicht aufdrängen, indem ich in Berlin vor Anker liege, und gehe nicht nach Hause, weil ich fürchte, auf der Durchreise durch Berlin im Gasthof auf unbestimmte Zeit angenagelt zu werden. Aus Bernstorffs Brief 1)ersehe ich, daß es dem Könige vor der Hand nicht gefällt, mir das Auswärtige zu übertragen, und daß Se. Majestät sich noch nicht über die Frage schlüssig gemacht hat, ob ich an Hohenlohes Stelle treten soll, diese Frage aber auch nicht durch Ertheilung eines Urlaubs auf 6 Wochen negativ präjudiciren will. Der König ist, wie mir Bernstorff schreibt, zweifelhaft, ob ich während der gegenwärtigen Session nützlich sein könne und ob nicht meine Berufung, wenn sie überhaupt erfolgt, zum Winter aufzuschieben sei. Unter diesen Umständen wiederhole ich heut mein Gesuch um 6 Wochen Urlaub 2), was ich mir wie folgt motivire. Einmal bin ich wirklich einer körperlichen Stärkung durch Berg- und Seeluft bedürftig; wenn ich in die Galeere eintreten soll, so muß ich etwas Gesundheitsvorrath sammeln, und Paris ist mir bis jetzt schlecht bekommen mit dem Hunde-Bummel-Leben als Garçon. Zweitens muß der König Zeit haben, sich ruhig aus eigner Bewegung zu entschließen, sonst macht Se. Majestät für die Folgen die verantwortlich, die ihn drängen. Drittens will Bernstorff jetzt nicht abgehn, der König hat ihn wiederholt aufgefordert zu bleiben, und erklärt, daß er mit mir wegen des Auswärtigen garnicht gesprochen habe; die Stellung als Minister ohne Portefeuille finde ich aber nicht haltbar. Viertens kann mein Eintritt, der jetzt zwecklos und beiläufig erscheinen würde, in einem spätern Moment als eindrucksvolles Manöver verwerthet werden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 883 Vielleicht ist dieß Alles Rechnung ohne den Wirth, vielleicht entschließt sich Se. Majestät niemals dazu, mich zu ernennen, denn ich sehe nicht ein, warum es überhaupt geschehn sollte, nachdem es seit 6 Wochen nicht geschehn ist. Daß ich aber hier den heißen Staub von Paris schlucken, in Cafés und Theatern gähnen, oder mich in Berlin wieder als politischer Dilettant in's Hôtel Royal einlagern soll, dazu fehlt aller Grund, die Zeit ist besser im Bade zu verwenden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 892 [1-263] in der bisherigen Unvollständigkeit und Unzulänglichkeit eintreten sollten, halte ich für ganz widersinnig und unmöglich, und zu dieser Meinung habe ich mehr als eine allerhöchste Zustimmung. Gefochten muß und gefochten wird werden. An Concessionen und Compromisse ist gar nicht zu denken; am wenigsten ist der König dazu geneigt. Gefährliche Katastrophen sind daher mit Sicherheit vorauszusehen, auch ganz abgesehen von den Verwickelungen in unserer äußeren Politik, die schon jetzt einige recht interessante Verhedderungen aufzuweisen hat. - Ich kann mir denken, daß Sie, mein alter Freund, sehr disgustirt sind; ich kann an meinem eigenen Ekel den Ihrigen ermessen. Aber ich hoffe noch immer, daß Sie um deswillen nicht boudiren, sondern sich vielmehr der altritterlichen Pflicht erinnern werden, den König herauszuhauen, auch wenn er, wie geschehen, sich muthwillig in Gefahr begab. Aber Sie sind ein Mensch, und was mehr ist, ein Gatte und Familienvater. Sie wollen, neben aller Arbeit, auch eine Häuslichkeit und ein Familienleben. Sie haben ein Recht darauf, c'est convenu! Sie müssen also wissen, bald wissen, wo Ihr Bett und Ihr Schreibtisch aufgestellt werden soll, ob in Paris oder Berlin. Und das Wort des Königs, daß Sie sich in Berlin nicht etabliren sollen, ist bis jetzt, soviel ich weiß, noch nicht zurückgenommen. Sie müssen Gewißheit haben. Ich will das Meinige - und zwar nicht blos aus Selbstsucht, sondern aus patriotischem Interesse - dazu beitragen, daß Ihnen diese Gewißheit baldigst werde. Ich fingire daher, und zwar so lange, bis Sie es mir untersagen, von Ihnen zur Herbeiführung dieser Gewißheit privatim beauftragt zu sein. Nach den letzten Unterredungen mit Serenissimo über Sie habe ich ohnehin mein spezielles persönliches Interesse für Sie bereits verwerthen müssen. Ich kann daher auch von Ihrer unerträglichen Situation sprechen, die besonders darin begründet ist, daß Sie ausdrücklich verhindert werden, Sich in Paris zu etabliren. Dergleichen Motive werden verstanden, wirken daher vielleicht mehr als politische Erwägungen. Ich fingire daher Ihr (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 896 Meine Kreuz- und Querzüge in den Pyrenäen haben gemacht, daß ich Ihren Brief vom 31. [August] erst heut hier vorfinde. Ich hatte auch auf einen von Bernstorff gehofft, der mir vor vier Wochen schrieb, daß sich im September die Frage wegen des Personalwechsels jedenfalls entscheiden müsse. Ihre Zeilen lassen mich leider vermuthen, daß die Ungewißheit um Weihnachten noch dieselbe sein wird wie jetzt. Meine Sachen liegen noch in Petersburg und werden dort einfrieren, meine Wagen sind in Stettin, meine Pferde bei Berlin auf dem Lande, meine Familie in Pommern, ich selbst auf der Landstraße. Ich gehe jetzt nach Paris zurück, obschon ich dort weniger wie je zu thun habe, mein Urlaub ist aber um. Mein Plan ist nun, Bernstorff vorzuschlagen, daß ich nach Berlin komme, um das Weitre mündlich zu besprechen 2). Ich habe das Bedürfniß, einige Tage in Reinfeld zu sein, nachdem ich die Meinigen seit (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 904 Berlin, le 18 Septembre. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 907 Am 20. September Morgens in Berlin angelangt, wurde ich zu dem Kronprinzen beschieden. Auf seine Frage, wie ich die Situation ansähe, konnte ich nur sehr zurückhaltend antworten, weil ich während der letzten Wochen keine deutschen Zeitungen gelesen und in einer Art von dépit mich über heimische Angelegenheiten nicht informirt hatte. Meine Verstimmung hatte ihren Grund darin, daß der König mir in Aussicht gestellt hatte, mir in spätestens sechs Wochen Gewißheit über meine Zukunft, d. h. darüber zu geben, ob ich in Berlin, Paris oder London mein Domizil haben sollte, daß darüber aber schon ein Vierteljahr verflossen war, und ich im (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 925 Der Fehler in Situationen der Art hat gewöhnlich in der Ziellosigkeit und Unentschlossenheit gelegen, womit an die Benutzung und Ausbeutung herangetreten wurde. Der Große Kurfürst und Friedrich der Große hatten klare Vorstellungen von der Schädlichkeit halber Maßregeln in Fällen, wo es sich um Parteinahme oder um ihre Androhung handelte. So lange Preußen nicht zu einem der deutschen Nationalität annähernd entsprechenden Staatsgebilde gelangt war, so lange es nicht nach dem Ausdruck, dessen sich der Fürst Metternich mir gegenüber bediente, zu den "saturirten" Staaten gehörte, mußte es seine Politik mit dem angeführten Worte Friedrichs des Großen en vedette einrichten. Nun hat aber eine vedette eine Existenzberechtigung nur mit einer schlagfertigen Truppe hinter sich; ohne eine solche und ohne den Entschluß, sie activ zu verwenden, sei es für, sei es gegen eine der streitenden Parteien, konnte die preußische Politik von dem Einwerfen ihres europäischen Gewichtes bei Gelegenheiten wie der von Reichenbach keinen materiellen Vortheil, weder in Polen, noch in Deutschland, sondern nur die Verstimmung und das Mißtrauen seiner beiden Nachbarn erzielen. Noch heut erkennt man in geschichtlichen Urtheilen chauvinistischer Landsleute die Genugthuung, mit welcher die schiedsrichterliche Rolle, die von Berlin aus auf den Streit im Orient ausgeübt werden konnte, das preußische Selbstgefühl erfüllte; die Reichenbacher Convention gilt ihnen als ein Höhepunkt auf dem Niveau Friedericianischer Politik, von welchem an der Abstieg und das Sinken durch die Pillnitzer Verhandlungen, den Basler Frieden bis nach Tilsit erfolgte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 930 [1-274] weniger Veranlassung vor, als die unfreundlichen Machenschaften, die kurz vorher zwischen dem Kaiser Nicolaus und König Karl X. stattgefunden hatten, dem Berliner Cabinete nicht unbekannt waren. Die Gemüthlichkeit der fürstlichen Familienbeziehungen war bei uns in der Regel stark genug, um russische Sünden zu decken, es fehlte aber die Gegenseitigkeit. Im Jahre 1813 hatte Rußland ohne Zweifel einen Anspruch auf preußische Dankbarkeit erworben; Alexander I. war im Februar 1813 und bis zum Wiener Congreß seiner Zusage, Preußen in dem status quo ante wiederherzustellen, im Großen und Ganzen treu geblieben, gewiß ohne die russischen Interessen zu vergessen, aber doch so, daß dankbare Erinnerungen Friedrich Wilhelms III. für ihn natürlich blieben. - Solche Erinnerungen waren in meinen Knabenjahren bis zum Tode Alexanders, 1825, auch in unserm Publikum noch sehr lebhaft; russische Großfürsten, Generale und gelegentlich in Berlin erscheinende SoldatenAbtheilungen genossen noch ein Erbtheil der Popularität, mit der 1813 die ersten Kosacken bei uns empfangen worden waren. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 935 [1-276]  nach der Juli-Revolution mehr als ein Jahr, um den Verfall seiner Heereseinrichtungen so weit auszubessern, daß es eben nur seine italienischen Interessen zu schützen im Stande war. Die östreichische Politik war unter Metternich geschickt genug, um jede Entschließung der drei östlichen Großmächte so lange zu verschleppen, bis Oestreich sich hinlänglich gerüstet fühlte, um mitzureden. Nur in Preußen functionirte die militärische Maschine, so schwerfällig sie war, mit voller Genauigkeit, und hätte die preußische Politik eigne Entschlüsse zu fassen vermocht, so würde sie Kraft genug gefunden haben, die Lage von 1830 in Deutschland und den Niederlanden nach ihrem Ermessen zu präjudiciren. Aber eine selbständige preußische Politik hat in der Zeit von 1806 bis in die vierziger Jahre überhaupt nicht bestanden; unsre Politik wurde abwechselnd in Wien und in Petersburg gemacht. So weit sie in Berlin von 1786 bis 1806 und 1842 bis 1862 selbständig ihre Wege suchte, wird sie vor der Kritik vom Standpunkte eines strebsamen Preußen kaum Anerkennung finden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 937 [1-277]Selbstbewußtsein angesehn, daß wir nach allen uns widerfahrenen Geringschätzungen von Seiten Oestreichs und der Westmächte überhaupt das Bedürfniß empfanden, auf dem Congresse zugelassen zu werden und seinen Beschlüssen unsre Unterschrift hinzuzufügen. Unsre Stellung 1870 in den Londoner Besprechungen über das Schwarze Meer würde die Nichtigkeit dieser Ansicht bezeugt haben, wenn Preußen sich nicht in den Pariser Congreß in würdeloser Weise eingedrängt hätte. Als Manteuffel aus Paris zurückkehrte und am 20. und 21. April in Frankfurt mein Gast war, habe ich mir erlaubt, ihm mein Bedauern darüber auszusprechen, daß er nicht das victa Catoni zur Richtschnur genommen und uns die richtige unabhängige Stellung für die Eventualität der nach Lage der Dinge vorauszusehenden russisch-französischen gegenseitigen Annäherung angebahnt habe. Daß der Kaiser Napoleon damals die russische Freundschaft schon in Aussicht nahm, daß für maßgebende Kreise in England der Friedensschluß verfrüht erschien, konnte in dem Auswärtigen Amte in Berlin nicht zweifelhaft sein. Wie würdig und unabhängig wäre unsre Stellung gewesen, wenn wir uns nicht in den Pariser Congreß in einer demüthigenden Weise eingedrängt, sondern bei mangelnder rechtzeitiger Einladung unsre Betheiligung versagt hätten. Bei angemessener Zurückhaltung würden wir in der neuen Gruppirung umworben worden sein, und schon äußerlich wäre unsre Stellung eine würdigere gewesen, wenn wir unsre Einschätzung als europäische Großmacht nicht von diplomatischen Gegnern abhängig gemacht, sondern lediglich auf unser Selbstbewußtsein basirt hätten, indem wir uns des Anspruchs auf Betheiligung an europäischen Abmachungen enthielten, welche für Preußen kein Interesse hatten, als höchstens nach Analogie der Reichenbacher Convention das der Eitelkeit des Prestige und des Mitredens in Dingen, die unsre Interessen nicht berührten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 962 [1-286] Coupé, daß er die ihm nach der Situation zufallende Rolle mehr vom Standpunkte des Offiziers auffaßte. Er fühlte sich bei dem Porte-épée gefaßt und in der Lage eines Offiziers, der die Aufgabe hat, einen bestimmten Posten auf Tod und Leben zu behaupten, gleichviel, ob er darauf umkommt oder nicht. Damit war er auf einen seinem ganzen Gedankengange vertrauten Weg gestellt und fand in wenigen Minuten die Sicherheit wieder, um die er in Baden gebracht worden war, und selbst seine Heiterkeit. Das Leben für König und Vaterland einzusetzen, war die Pflicht des preußischen Offiziers, um so mehr die des Königs, als des ersten Offiziers im Lande. Sobald er seine Stellung unter dem Gesichtspunkte der Offiziersehre betrachtete, hatte sie für ihn ebenso wenig Bedenkliches, wie für jeden normalen preußischen Offizier die instructionsmäßige Vertheidigung eines vielleicht verlornen Postens. Er war der Sorge vor der "Manöverkritik", welche von der öffentlichen Meinung, der Geschichte und der Gemalin an seinem politischen Manöver geübt werden könnte, überhoben. Er fühlte sich ganz in der Aufgabe des ersten Offiziers der Preußischen Monarchie, für den der Untergang im Dienste ein ehrenvoller Abschluß der ihm gestellten Aufgabe ist. Der Beweis der Richtigkeit meiner Beurtheilung ergab sich daraus, daß der König, den ich in Jüterbogk matt, niedergeschlagen und entmuthigt gefunden hatte, schon vor der Ankunft in Berlin in eine heitere, man kann sagen, fröhliche und kampflustige Stimmung gerieth, die sich den empfangenden Ministern und Beamten gegenüber auf das Unzweideutigste erkennbar machte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 981 [1-296] Altmärker bei Salzwedel von dem kurbraunschweigischen Niedersachsen bei Lüchow, in Moor und Haide dem Auge unerkennbar, trennt, doch den zu beiden Seiten plattdeutsch redenden Niedersachsen an zwei verschiedene, einander unter Umständen feindliche völkerrechtliche Gebilde verweisen will, deren eines von Berlin, und das andre früher von London, später von Hanover regirt wurde, das eine Augen rechts nach Osten, das andre Augen links nach Westen bereit stand, und daß friedliche und gleichartige, im Connubium verkehrende Bauern dieser Gegend, der eine für welfisch-habsburgische, der andre für hohenzollernsche Interessen auf einander schießen sollten. Daß dieß überhaupt möglich war, beweist die Tiefe und Gewalt des Einflusses dynastischer Anhänglichkeit auf den Deutschen. Daß die Dynastien jederzeit stärker geblieben sind als Presse und Parlamente, hat sich durch die Thatsache bestätigt, daß 1866 Bundesländer, deren Dynastien im Bereich des östreichischen Einflusses lagen, ohne Rücksicht auf nationale Bestrebungen mit Oestreich, und nur solche, welche "unter den preußischen Kanonen" lagen, mit Preußen gingen. Von den letztern machten allerdings Hanover, Hessen und Nassau Ausnahmen, weil sie Oestreich für stark genug hielten, um alle Zumuthungen Preußens siegreich abweisen zu können. Sie haben infolge dessen die Zeche bezahlt, da es nicht gelang, dem Könige Wilhelm die Vorstellung annehmbar zu machen, daß Preußen, an der Spitze des Norddeutschen Bundes, einer Vergrößerung seines Gebietes kaum bedürfen würde. Gewiß aber ist, daß auch 1866 die materielle Macht der Bundesstaaten den Dynastien und nicht den Parlamenten folgte, und daß sächsisches, hanöversches und hessisches Blut nicht für die deutsche Einheit, sondern dagegen vergossen ist. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 989 [1-299] er ausgeschieden und in die Stelle des Oberpräsidenten in Potsdam eingerückt war. In wichtigen Angelegenheiten der Stadt Berlin schwebten Verhandlungen, in denen er das ressortmäßige Mittelglied zwischen der Regirung und den Gemeindebehörden war. Die Dringlichkeit der Sache brachte es mit sich, daß das Staatsministerium den Oberbürgermeister ersuchte, sich nach Potsdam zu begeben und über einen entscheidenden Punkt die Anträge des Oberpräsidenten mündlich einzuholen und darüber in einer zu dem Zweck angesagten Abendsitzung des Ministeriums zu berichten. Der Oberbürgermeister hatte eine zweistündige Audienz; aber zur Berichterstattung darüber in der Sitzung erscheinend, erklärte er, eine solche nicht machen zu können, weil er während der zwei Stunden, die zwischen den beiden Zügen lagen, dem Herrn Oberpräsidenten gegenüber nicht zu Worte gekommen sei. Er habe es wiederholt und bis zur Unhöflichkeit versucht, seine Frage zu stellen, sei aber von dem Vorgesetzten stets und mit steigender Energie mit den Worten zur Ruhe verwiesen worden: "Erlauben Sie, ich bin noch nicht fertig, bitte mich ausreden zu lassen." Dieser Bericht des Oberbürgermeisters erzeugte einen geschäftlichen Verdruß, rief aber doch in der Erinnerung an eigne frühere Erlebnisse einige Heiterkeit hervor. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1033 Die Militärconvention, welche durch den General Gustav von Alvensleben im Februar 1863 in Petersburg abgeschlossen wurde, hatte für die preußische Politik mehr einen diplomatischen als einen militärischen Zweck 1). Sie repräsentirte einen im Cabinet des russischen Kaisers erfochtenen Sieg der preußischen Politik über die polnische, die vertreten war durch Gortschakow, Großfürst Constantin, Wielopolski und andre einflußreiche Personen. Das Ergebniß beruhte auf directer Kaiserlicher Entschließung im Gegensatz zu ministeriellen Bestrebungen. Ein Abkommen politisch-militärischer Natur, welches Rußland mit dem germanischen Gegner des Panslavismus gegen den polnischen "Bruderstamm" schloß, war ein entscheidender Schlag auf die Aussichten der polonisirenden Partei am russischen Hofe; und in diesem Sinne hat das militärisch ziemlich anodyne Abkommen seinen Zweck reichlich erfüllt. Ein militärisches Bedürfniß war dafür an Ort und Stelle nicht vorhanden; die russischen Truppen waren stark genug, und die Erfolge der Insurgenten existirten zum großen Theil nur in den von Paris bestellten, in Myslowitz fabrizirten, bald von der Grenze, bald vom Kriegsschauplatze, bald aus Warschau datirten, zuweilen recht märchenhaften Berichten, die zuerst in einem Berliner Blatte erschienen und dann ihre Runde durch die europäische Presse machten. Die Convention war ein gelungener Schachzug, der die Partie entschied, die innerhalb des russischen Cabinets der antipolnische monarchische und der polonisirende panslavistische Einfluß gegen einander spielten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1040 *) R. Haym, Das Leben Max Dunckers (Berlin 1891) S. 292 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1043 Exemplare der "Danziger Zeitung" mit einem Berichte über den Vorgang wurden an die Redactionen Berliner und andrer Zeitungen versandt, die das genannte Blatt bei seinem wesentlich localen Charakter nicht zu halten pflegten. Die Worte des Kronprinzen erhielten daher sofort eine weite Verbreitung und erregten im In- und Auslande ein begreifliches Aufsehn. Aus Graudenz übersandte er mir einen förmlichen Protest gegen die Preßverordnung und verlangte Mittheilung desselben an das (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1057 Im September, nachdem der König mit mir über Baden, der Kronprinz direct von Gastein nach Berlin zurückgekehrt war, gewannen die Einflüsse und Befürchtungen wieder die Oberhand, die ihn zu dem Auftreten im Juni bewogen hatten. Den Tag, nachdem die Auflösung des Abgeordnetenhauses beschlossen worden, schrieb er mir: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1058 "Berlin, 3/9. 63. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1063 *) Tod meiner Schwiegermutter. Ich war vom 6. bis zum 11. von Berlin abwesend. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1109 Das Ansehn Deutschlands nach außen hing in beiden Gestaltungen, der dualistischen und der östreichischen, von dem Grade fester Einigkeit ab, den die eine und die andre der Gesammtnation gewährt haben würde. Daß Oestreich und Preußen, sobald sie einig, eine Macht in Europa darstellen, welche leichtfertig anzugreifen keine der andern Mächte geneigt war, hat der ganze Verlauf der dänischen Verwicklungen gezeigt. So lange Preußen allein, wenn auch in Verbindung mit dem stärksten Ausdruck der öffentlichen Meinung des deutschen Volkes, einschließlich der Mittelstaaten, die Sache in der Hand hatte, kam sie nicht vorwärts und führte zu Abschlüssen, wie der Waffenstillstand von Malmö und die Olmützer Convention. Sobald es gelungen war, Oestreich unter Rechberg für eine mit Preußen übereinstimmende Action zu gewinnen, wurde das Schwergewicht der beiden deutschen Großstaaten stark genug, um die Einmischungsgelüste, welche andre Mächte haben konnten, zurückzuhalten. England hat im Laufe der neuern Geschichte jederzeit das Bedürfniß der Verbindung mit einer der continentalen Militärmächte gehabt und die Befriedigung desselben, je nach dem Standpunkt der englischen Interessen, bald in Wien, bald in Berlin gesucht, ohne, bei plötzlichem Uebergang von einer Anlehnung an die andre, wie im siebenjährigen Kriege, scrupulöse Bedenken gegen den Vorwurf des Imstichlassens alter Freunde zu hegen. Wenn aber die beiden Höfe einig und (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1116 Friedrich Wilhelm IV. hätte sich zu Mobilmachungen wohl ebenso leicht entschlossen wie 1850 und wie sein Nachfolger 1859, aber schwer zur Kriegführung. Unter ihm lag die Gefahr vor, daß ähnliche Tergiversationen wie unter Haugwitz 1805 uns in falsche Lagen gebracht haben würden; auch nach wirklichem Bruch würde man in Oestreich über unsre Unklarheiten und Vermittlungsversuche mit Entschlossenheit zur Tagesordnung übergegangen sein. Bei dem König Wilhelm war die Abneigung, mit den väterlichen Traditionen und den herkömmlichen Familienbeziehungen zu brechen, ebenso stark wie bei seinem Bruder, aber wenn er einmal unter der Leitung seines Ehrgefühls, dessen Empfindlichkeit ebenso in dem preußischen Porte-épée als im monarchischen Bewußtsein lag, zu Entschlüssen, die seinem Herzen schwer wurden, sich gezwungen gefühlt hatte, so war man sicher, wenn man ihm folgte, in keiner Gefahr von ihm im Stiche gelassen zu werden. Mit diesem Wechsel in dem Charakter der obersten Leitung wurde in Wien zu wenig gerechnet und zu viel mit dem Einfluß, den man durch die angebliche öffentliche Meinung, wie sie durch Preß-Agenten und Subsidien erzeugt wurde, auf Berliner Entschließungen früher hatte ausüben können, und durch Vermittlung fürstlicher Verwandten und Correspondenzen des königlichen Hauses auch ferner auszuüben bereit und im Stande war. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1118 [1-337] in den fortschrittlichen Blättern*) bis zu den offnen Kundgebungen großer communaler Körperschaften und dem Ausfall der Wahlen, bezeugen. Aber in unsre Regimenter und deren Feuergefecht auf den Schlachtfeldern reichten diese Strömungen nicht hinein, und auf den Schlachtfeldern lag schließlich die Entscheidung. Auch die symptomatische Thatsache, daß in Berlin durch Vermittlung des frühern auswärtigen und damaligen Hausministers von Schleinitz noch während der ersten Gefechte in Böhmen diplomatische Zettelungen mit höfischer Beziehung stattfanden, blieb auf die militärische Seite der Kriegführung ohne jeden Einfluß. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1119 Wenn das östreichische Cabinet die vertrauliche Eröffnung, die ich dem Grafen Karolyi 1862 gemacht hatte, ohne irrthümliche Schätzung der Realitäten richtig gewürdigt und seine Politik dahin modificirt hätte, die Verständigung mit Preußen anstatt dessen Vergewaltigung durch Majoritäten und andre Einflüsse zu suchen, so hätten wir wahrscheinlich eine Periode dualistischer Politik in Deutschland erlebt oder doch versucht. Es ist freilich zweifelhaft, ob eine solche ohne die klärende Wirkung der Erfahrungen von 1866 und 1870 sich in einem für das deutsche Nationalgefühl annehmbaren Sinne friedlich, unter dauernder Verhütung des innern Zwiespalts, hätte entwickeln können. Der Glaube an die militärische Ueberlegenheit Oestreichs war in Wien und an den mittelstaatlichen Höfen zu stark für einen modus vivendi auf dem Fuße der Gleichheit mit Preußen. Der Beweis für Wien lag in den Proclamationen, die in den Tornistern der östreichischen Soldaten neben den neuen, zum Einzuge in Berlin bestimmten Uniformen gefunden wurden und deren Inhalt die Sicherheit verrieth, mit der man auf siegreiche Occupation der preußischen Provinzen gerechnet hatte. Auch die Ablehnung der letzten durch den Bruder des (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1120 *) In den Berliner Bilderläden hing eine Lithographie aus, in der das Attentat so dargestellt war, daß der Teufel die für mich bestimmten Kugeln auffing mit den Worten: Der gehört mir! (Vgl. Politische Reden X 123, Rede vom 9. Mai 1884). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1128 Er fühlte zunächst nicht die Unterschätzung, welche in dieser Ueberrumpelung lag, in dieser Einladung, man könnte sagen Ladung, à courte échéance. Der östreichische Vorschlag gefiel ihm vielleicht wegen des darin liegenden Elementes fürstlicher Solidarität in dem Kampfe gegen den parlamentarischen Liberalismus, durch den er selbst damals in Berlin bedrängt wurde. Auch die Königin Elisabeth, die wir auf der Reise von Gastein nach Baden in Wildbad (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1129 [1-340] trafen, drang in mich, nach Frankfurt zu gehn. Ich erwiderte: "Wenn der König sich nicht anders entschließt, so werde ich hingehn und dort seine Geschäfte machen, aber nicht als Minister nach Berlin zurückkehren." Die Königin schien über diese Aussicht beunruhigt und hörte auf, meine Auffassung beim Könige zu bekämpfen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1133 Nachdem der König auf der Rückreise von Baden-Baden (31. August) nach Berlin so nahe an Frankfurt vorüber gefahren war, daß der entschlossene Wille, sich nicht zu betheiligen, zu Tage lag, wurde die Mehrheit oder wurden wenigstens die mächtigsten Fürsten von einem Unbehagen erfaßt bei dem Gedanken an den Reformentwurf, der sie, wenn Preußen fern blieb, mit Oestreich allein in einem Verbande ließ, in dem sie nicht durch die Rivalität der beiden Großmächte gedeckt waren. Das Wiener Cabinet muß an die Möglichkeit geglaubt haben, daß die übrigen Bundesfürsten auf die dem Congreß am 17. August gemachte Vorlage auch dann eingehn würden, wenn sie in dem reformirten Bundesverhältniß schließlich mit Oestreich allein geblieben wären. Man würde sonst nicht den in Frankfurt verbliebenen Fürsten die Zumuthung gemacht haben, die östreichische Vorlage auch ohne Preußens Zustimmung anzunehmen und in die Praxis überzuführen. Die Mittelstaaten wollten aber in Frankfurt weder eine einseitig preußische, noch eine einseitig östreichische Leitung, sondern für sich ein möglichst einflußreiches Schiedsamt im Sinne der Trias, welches jede der beiden Großmächte auf das Bewerben um die Stimmen der Mittelstaaten anwies. Die östreichische Zumuthung, auch ohne Preußen abzuschließen, wurde beantwortet durch den Hinweis auf die Nothwendigkeit neuer Verhandlungen mit Preußen und die Kundgebung der eignen Neigung zu solchen. Die Form der Beantwortung der östreichischen Wünsche war nicht glatt genug, um in Wien keine Empfindlichkeit zu erregen. Die Wirkung auf den Grafen Rechberg, vorbereitet durch die guten Beziehungen, in denen unsre Frankfurter Collegenschaft abgeschlossen hatte, war, daß er sagte, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1135 [1-342] der Weg nach Berlin sei für Oestreich nicht weiter und nicht schwieriger als für die Mittelstaaten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1158 Zwei Tage später, am 12. October, berichtete mir Abeken, der sich bei dem Könige in Baden-Baden befand, es sei ihm nicht gelungen, denselben für den Artikel 25 zu gewinnen; Se. Majestät scheue "das Geschrei", welches sich über eine solche Concession an Oestreich erheben würde, und habe u. A. gesagt: "Die Ministerkrisis in Wien würden wir vielleicht vermeiden, aber dadurch in Berlin eine solche hervorrufen; Bodelschwingh und Delbrück würden wahrscheinlich ihre Entlassung beantragen, wenn wir den Artikel 25 zuließen." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 1240 [1-363] Zu meiner wahren Freude ist es nicht eingetreten, und ich wünsche von ganzem Herzen, daß Ihre Weisheit und Thatkraft dem Reiche und dem reichstreuen Bayern noch recht lange erhalten bleiben möge! Haben Sie, mein lieber Fürst, meinen innigsten Dank auch für die Mittheilung erfreulicher Friedensaussichten und für die Zusicherung, daß mein für Berlin bestimmter Gesandter v. Rudhart bei Ihnen wohlwollende und vertrauensvolle Aufnahme finden werde. In Ihrer Stellung zu der immer wieder auftauchenden Frage verantwortlicher Reichsministerien erscheinen Sie als der starke Hort der Rechte der Bundesfürsten, und mit wahrhafter Beruhigung nehme ich von Ihnen, mein lieber Fürst, das Wort entgegen, daß das Heil der deutschen Zukunft nicht in der Centralisirung zu suchen ist, welche mit der Schaffung solcher Ministerien eintreten würde. Seien Sie überzeugt, daß ich es an nichts fehlen lassen werde, um Ihnen in dem Kampfe für Aufrechterhaltung der Grundlagen der Reichsverfassung die offene und vollste Unterstützung meiner Vertreter im Bundesrathe, welchen sich gewiß auch die Bevollmächtigten der andern Fürsten anschließen werden, für alle Zukunft zu sichern *). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 2 „Berlin, den 24. December 1863. ... Was die dänische Sache betrifft, so ist es nicht möglich, daß der König zwei auswärtige Minister habe, d. h. daß der (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 6 [2-3] Deutschland und in Europa gekostet, und wir werden sie dadurch nicht wieder gewinnen, daß wir uns vom Strome treiben lassen in der Meinung, ihn zu lenken, sondern nur dadurch, daß wir fest auf eignen Füßen stehn und zuerst Großmacht, dann Bundesstaat sind. Das hat Oestreich zu unserm Schaden stets als richtig für sich anerkannt, und es wird sich von der Komödie, die es mit deutschen Sympathien spielt, nicht aus seinen europäischen Allianzen, wenn es überhaupt solche hat, herausreißen lassen. Gehn wir ihm zu weit, so wird es scheinbar noch eine Weile mitgehn, namentlich mitschreiben, aber die 20 Procent Deutsche, die es in seiner Bevölkerung hat, sind kein in letzter Instanz zwingendes Element, sich von uns wider eignes Interesse fortreißen zu lassen. Es wird im geeigneten Momente hinter uns zurückbleiben und seine Richtung in die europäische Stellung zu finden wissen, sobald wir dieselbe aufgeben. Die Schmerlingsche Politik, deren Seitenstück Ihnen als Ideal für Preußen vorschwebt, hat ihr Fiasco gemacht. Unsre von Ihnen im Frühjahr sehr lebhaft bekämpfte Politik hat sich in der polnischen Sache bewährt, die Schmerlingsche bittre Früchte für Oestreich getragen. Ist es denn nicht der vollständigste Sieg, den wir erringen konnten, daß Oestreich zwei Monate nach dem Reformversuch froh ist, wenn von demselben nicht mehr gesprochen wird, und mit uns identische Noten an seine frühern Freunde schreibt, mit uns seinem Schooßkinde, der Bundestags-Majorität, drohend erklärt, es werde sich nicht majorisiren lassen? Wir haben diesen Sommer erreicht, wonach wir 12 Jahre lang vergebens strebten, die Sprengung der Bregenzer Coalition, Oestreich hat unser Programm adoptirt, was es im October v. J. öffentlich verhöhnte; es hat die preußische Allianz statt der Würzburger gesucht, empfängt seine Beihülfe von uns, und wenn wir ihm heut den Rücken kehren, so stürzen wir das Ministerium. Es ist noch nicht dagewesen, daß die Wiener Politik in diesem Maße en gros et en détail von Berlin aus geleitet wurde. Dabei sind wir von Frankreich gesucht, Fleury bietet mehr als der König mag; unsre (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 57 „Berlin, den 15. September 1865. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 63 IV. Die Verhandlungen zwischen Berlin und Wien, zwischen Preußen und den übrigen deutschen Staaten, welche die Zeit von dem Gasteiner Vertrage bis zum Ausbruch des Krieges ausfüllten, sind actenmäßig bekannt. In Süddeutschland tritt Streit und Kampf mit Preußen zum Theil hinter deutsch-patriotische Gefühle zurück; in Schleswig-Holstein beginnen diejenigen, deren Wünsche nicht in Erfüllung gingen, sich mit der neuen Ordnung der Dinge auszusöhnen; nur die Welfen werden des Federkrieges über die Ereignisse von 1866 nicht müde. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 64 Die unvortheilhafte Gestaltung, die Preußen auf dem Wiener Congreß als Lohn seiner Anstrengungen und Leistungen davon getragen hatte, war nur haltbar, wenn wir mit den zwischen beide Theile der Monarchie eingeschobenen Staaten des alten Bündnisses aus dem siebenjährigen Kriege sicher waren. Ich bin lebhaft bemüht gewesen, Hanover und den mir befreundeten Grafen Platen dafür zu gewinnen, und es war alle Aussicht vorhanden, daß wenigstens ein Neutralitätsvertrag zu Stande kommen werde, als am 21. Januar 1866 Graf Platen in Berlin mit mir über die Verheirathung der hanöverschen Prinzessin Friederike mit unserm jungen Prinzen Albrecht verhandelte, und wir das Einverständniß beider Höfe so weit zu Stande brachten, daß nur noch eine persönliche Begegnung der jungen Herrschaften vorbehalten wurde, um deren gegenseitigen Eindruck festzustellen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 66 Mit dem Thronfolger in Kur-Hessen, Prinzen Friedrich Wilhelm, hatte ich in Berlin noch am 14. Juni eine Besprechung 2), in der ich ihm empfahl, mit einem Extrazuge nach Kassel zu fahren und die Neutralität Kurhessens oder doch der dortigen Truppen sicher zu stellen, sei es durch Beeinflussung des Kurfürsten, sei es unabhängig von diesem. Der Prinz weigerte sich früher als mit dem fahrplanmäßigen Zuge zu reisen. Ich stellte ihm vor, er würde dann zu spät kommen, um den Krieg zwischen Preußen und Hessen zu hindern und den Fortbestand des Kurstaats zu sichern. Wenn die Oestreicher siegten, so würde er immer vis major geltend machen können, seine neutrale Haltung ihm sogar vielleicht preußische Landestheile einbringen; wenn wir aber siegten, nachdem er sich geweigert, neutral zu bleiben, so würde der Kurstaat nicht fortbestehn; der hessische Thron sei immer einen Extrazug werth. Der Prinz machte der Unterredung ein Ende mit den Worten: „Wir sehn uns wohl noch einmal in diesem Leben wieder, und 800 000 gute östreichische Truppen haben auch noch ein Wort (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 70 Auch der Erbprinz von Augustenburg hatte durch Ablehnung der sogenannten Februarbedingungen den günstigen Moment versäumt. Von welfischer Seite 1) ist neuerdings folgende Version verbreitet worden: Der Verfasser behauptet, von dem Prinzen erfahren zu haben, daß derselbe sich in einer Audienz bei dem Könige Wilhelm zu den geforderten Zugeständnissen verpflichtet, der König ihm die Einsetzung als Herzog zugesichert und die formelle Erledigung durch den Ministerpräsidenten auf den nächsten Tag zugesagt habe. Ich hätte mich am folgenden Tage bei dem Prinzen eingestellt, ihm aber gesagt, mein Wagen hielte vor der Thüre, ich müsse in diesem Augenblicke nach Biarritz zum Kaiser Napoleon reisen, der Prinz sei aufgefordert worden, einen Bevollmächtigten in Berlin zurückzulassen, und nicht wenig erstaunt gewesen, am nächsten Tage in den Berliner Zeitungen zu lesen, daß er die preußischen Vorschläge abgelehnt habe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 75 „Ew. Excellenz wollen mir erlauben, daß ich mich in einigen Zeilen an Sie wende, die veranlaßt sind durch einen Artikel, den No. 282 der Kreuzzeitung [2-vom 3. December] bringt, und von welchem ich erst nachträglich Kenntniß erhalten habe. In diesem Artikel wird u. A. von mir berichtet, ich habe einem Deputirten gegenüber die Aeußerung gethan, ‚Herr von Bismarck sei mein Freund nicht‘. Den Wortlaut dessen, was ich bei jener Gelegenheit gesagt habe, vermag ich nicht anzugeben, da es sich hier um eine in der Conversation gefallene Aeußerung handelt. Es ist recht wohl möglich, daß ich mein Bedauern darüber ausgesprochen habe, daß Ew. Excellenz politische Anschauungen über die gegenwärtige Lage der schleswig-holsteinschen Angelegenheit nicht mit den meinigen übereinstimmen, wie ich keinen Anstand genommen habe, dies Ihnen selbst gegenüber bei meiner letzten Anwesenheit in Berlin offen auszusprechen. Ich bin mir jedoch vollkommen bewußt, daß ich die in der Zeitung referirte Aeußerung nicht gethan habe, da ich mir stets zur festen Regel gemacht habe, das Politische von dem Persönlichen zu trennen. Ich bedauere daher aufrichtig, daß eine solche Nachricht ihren Weg in die Zeitungen gefunden hat. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 76 Ich habe mich umsomehr verpflichtet gefühlt, mit dieser Erklärung nicht zurückzuhalten, je mehr ich die loyale Weise anerkennen muß, in welcher Ew. Excellenz mir in Berlin offen sagten, daß Sie zwar persönlich von meinem Rechte überzeugt seien und es billigten, wenn ich suchte meinem Rechte Geltung zu verschaffen, daß Sie jedoch in Berücksichtigung der von Preußen eingegangenen Verbindlichkeiten, sowie der allgemeinen Weltlage mir keine Versprechungen zu machen vermöchten. Mit etc. etc. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 100 [2-30] Sommer benützbar und von zweifelhaftem militärischen Werthe sein; für 40 bis 50 Millionen Thaler, die er kosten werde, baue man besser eine zweite Flotte. Die Gründe, die mir in der Bewerbung um die königliche Entscheidung entgegen gesetzt wurden, hatten ihr Gewicht mehr in dem großen Ansehn, das die militärischen Kreise bei Sr. Majestät genossen, als in ihrem materiellen Inhalt; sie gipfelten in dem Argument, daß ein so kostspieliges Werk wie der Canal zu seinem Schutze im Kriege eine Truppenmasse erfordern würde, die wir der Landarmee nicht ohne Schaden entziehn könnten. Es wurde die Ziffer von 60000 Mann angegeben, die im Falle eines dänischen Anschlusses an feindliche Landungen zum Schutze des Canals verfügbar gehalten werden müßten. Ich wandte dagegen ein, daß wir Kiel mit seinen Anlagen, Hamburg und den Weg von dort nach Berlin immer würden decken müssen, auch wenn kein Canal vorhanden sei. Unter der Last des Uebermaßes andrer Geschäfte und den mannichfachen Kämpfen der siebziger Jahre konnte ich nicht die Kraft und Zeit aufwenden, um den Widerstand der genannten Behörde vor dem Kaiser zu überwinden; die Sache blieb in den Acten liegen. Ich schreibe den Widerstand mehr der militärischen Eifersucht zu, mit der ich 1866, 1870 und später Kämpfe zu bestehn hatte, die meinem Gemüthe peinlicher gewesen sind als die meisten andern. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 113 [2-35] anstatt der frühern, schüchternen und zwiespältigen entgegengetreten, der wir vorwärts Berlin keine gleichwerthigen Streitkräfte gegenüberzustellen hatten, ohne Wien gegenüber zu schwach zu werden. Mainz war von Bundestruppen unter dem Befehl des bairischen Generals Grafen Rechberg besetzt; wären die Franzosen einmal darin gewesen, so würde es harte Arbeit gekostet haben, sie daraus zu entfernen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 148 [2-45] sollte an die Stelle Europas gesetzt werden, welche der östreichische Staat von Tyrol bis zur Bukowina bisher ausfüllt? Neue Bildungen auf dieser Fläche könnten nur dauernd revolutionärer Natur sein. Deutsch-Oestreich könnten wir weder ganz, noch theilweise brauchen, eine Stärkung des preußischen Staates durch Erwerbung von Provinzen wie Oestreichisch-Schlesien und Stücken von Böhmen nicht gewinnen, eine Verschmelzung des deutschen Oestreichs mit Preußen würde nicht erfolgen, Wien als ein Zubehör von Berlin aus nicht zu regiren sein. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 152 Auf die deutschen Staaten übergehend, sprach er von verschiedenen Erwerbungen durch Beschneidung der Länder aller Gegner. Ich wiederholte, daß wir nicht vergeltende Gerechtigkeit zu üben, sondern Politik zu treiben hätten, daß ich vermeiden wolle, in dem künftigen deutschen Bundesverhältniß verstümmelte Besitze zu sehn, in denen bei Dynastie und Bevölkerung der Wunsch nach Wiedererlangung des frühern Besitzes mit fremder Hülfe nach menschlicher Schwäche leicht lebendig werden könnte; es würden das unzuverlässige Bundesgenossen werden. Dasselbe würde der Fall sein, wenn man zur Entschädigung Sachsens etwa Würzburg oder Nürnberg von Baiern verlangen wollte, ein Plan, der außerdem mit der dynastischen Vorliebe Sr. Majestät für Ansbach in Concurrenz treten würde. Ebenso hatte ich Pläne zu bekämpfen, die auf eine Vergrößerung des Großherzogthums Baden hinausliefen, Annexion der bairischen Pfalz, und eine Ausdehnung in der untern Maingegend. Das Aschaffenburger Gebiet Baierns wurde dabei als geeignet angesehn, um Hessen-Darmstadt für den durch die Maingrenze gebotenen Verlust von Oberhessen zu entschädigen. Später in Berlin stand von diesen Plänen nur noch zur Verhandlung die Abtretung des auf dem rechten Mainufer gelegenen bairischen Gebiets einschließlich der Stadt Bayreuth an Preußen, wobei die Frage zur Erörterung kam, ob die Grenze auf dem nördlichen rothen oder südlichen weißen Main gehn sollte. Vorwiegend schien mir bei Sr. Majestät die von militärischer Seite gepflegte Abneigung gegen die Unterbrechung des Siegeslaufes der Armee. Der Widerstand, den ich den Absichten Sr. Majestät in Betreff der Ausnutzung der militärischen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 160 [2-50] Bruder des Commandirenden unsers Gardecorps, und die uns sehr wohlwollende Großfürstin Helene vermittelt hatten, verlief politisch fruchtlos. Erst später in Berlin habe ich mit Herrn von Varnbüler verhandelt; und seine bewegliche Empfänglichkeit für die politischen Eindrücke jeder Situation bethätigte sich dort darin, daß er der erste unter den süddeutschen Ministern war, mit dem ich einen Bündniß-Vertrag der bekannten Art abschließen konnte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 164 In Berlin war ich äußerlich mit dem Verhältniß Preußens zu den neuerworbenen Provinzen und den übrigen norddeutschen Staaten, innerlich mit der Stimmung der auswärtigen Mächte und Erwägung ihres wahrscheinlichen Verhaltens beschäftigt. Unsre innere Lage hatte für mich und vielleicht für Jeden den Charakter des Provisoriums und der Unreife. Die Rückwirkung der Vergrößerung Preußens, der bevorstehenden Verhandlungen über den Norddeutschen Bund und seine Verfassung ließen unsre innere Entwicklung ebenso sehr im Fluß begriffen erscheinen wie unsre Beziehungen zum deutschen und außerdeutschen Auslande es waren vermöge der europäischen Situation, in der der Krieg abgebrochen wurde. Ich nahm als sicher an, daß der Krieg mit Frankreich auf dem Wege zu unsrer weitern nationalen Entwicklung, sowohl der intensiven als der über den Main hinaus extensiven, nothwendig werde geführt werden müssen, und daß wir diese Eventualität bei allen unsern Verhältnissen im Innern wie nach Außen im Auge zu behalten hätten. Louis Napoleon sah in einiger Vergrößerung Preußens in Norddeutschland nicht nur keine Gefahr für Frankreich, sondern ein Mittel gegen die Einigung und nationale Entwicklung Deutschlands; er glaubte, daß dessen außerpreußische (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 167 Die Haltung Italiens war nach der Fügsamkeit gegen Napoleon, die wir 1866 kennen gelernt hatten, unberechenbar, sobald französischer Druck stattfand. Der General Govone war, als ich in Berlin im Frühjahr 1866 mit ihm verhandelte, erschrocken, als ich den Wunsch äußerte, er möge zu Haus anfragen, ob wir auch gegen Napoleonische Verstimmungen auf Italiens Vertragstreue rechnen dürften. Er sagte, daß eine solche Rückfrage an demselben Tage nach Paris telegraphirt werden würde, mit der Anfrage, „was man antworten solle?“ In der öffentlichen Meinung Italiens konnte ich auf sichern Anhalt nicht rechnen, nach der Haltung der italienischen Politik während des Krieges, nicht blos (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 191 Die Eröffnung des Landtags stand unmittelbar nach unsrer Ankunft in Berlin bevor, und die Thronrede kam in Prag zur Berathung. Dort trafen Abgeordnete der conservativen Fraction ein, die während des Conflicts zeitweise bis auf elf Mitglieder herabgegangen war und durch die Wahlen am 3. Juli unter dem Eindruck der ersten Siege vor Königgrätz sich auf mehr als (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 209 Dies waren ungefähr die Gedanken und Argumente, mit denen ich während der viele Stunden langen Fahrt von Prag nach Berlin (4. August) die Schwierigkeiten zu bekämpfen suchte, die die eignen Ansichten, noch mehr aber andre Einflüsse, namentlich auch der Einfluß der conservativen Deputation, in dem Könige hinterlassen hatten. Es kam dazu eine staatsrechtliche Auffassung Sr. Majestät, die ihm ein Verlangen nach Indemnität als ein Eingeständniß begangenen Unrechts erscheinen ließ *). Ich suchte vergeblich diesen sprachlichen und rechtlichen Irrthum zu entkräften, indem ich geltend machte, daß in Gewährung der Indemnität nichts weiter liege als die Anerkennung der Thatsache, daß die Regirung und ihr königlicher Chef rebus sic stantibus richtig gehandelt hätten; die Forderung der Indemnität sei ein Verlangen nach dieser Anerkennung. In jedem constitutionellen Leben, in dem Spielraum, den es den Regirungen gestatte, liege es, daß der Regirung nicht für jede Situation eine Zwangsroute in der Verfassung angewiesen sein könne. Der König blieb bei seiner Abneigung gegen Indemnität, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 246 Ich entschloß mich, am 12. Juli von Varzin nach Ems aufzubrechen, um bei Sr. Majestät die Berufung des Reichstags behufs der Mobilmachung zu befürworten. Als ich durch Wussow fuhr, stand mein Freund, der alte Prediger Mulert, vor der Thür des Pfarrhofes und grüßte mich freundlich; meine Antwort im offnen Wagen war ein Lufthieb in Quart und Terz, und er verstand, daß ich glaubte in den Krieg zu gehn. In den Hof meiner Berliner Wohnung einfahrend und bevor ich den Wagen verlassen hatte, empfing ich Telegramme, aus denen hervorging, daß der König nach den französischen Bedrohungen und Beleidigungen im Parlament und in der Presse mit Benedetti zu verhandeln fortfuhr, ohne ihn in kühler Zurückhaltung an seine Minister zu verweisen. Während des Essens, an dem Moltke und Roon Theil nahmen, traf von der Botschaft in Paris die Meldung ein, daß der Prinz von Hohenzollern der Candidatur entsagt habe, um den Krieg abzuwenden, mit dem uns Frankreich bedrohte. Mein erster Gedanke war, aus dem Dienste zu scheiden, weil ich nach allen beleidigenden Provocationen, die vorhergegangen waren, in diesem erpreßten Nachgeben (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 248 [2-86] das eigentlich schon dadurch geworden, daß der König den französischen Botschafter unter dem Drucke von Drohungen während seiner Badecur vier Tage hintereinander in Audienz empfangen und seine monarchische Person der unverschämten Bearbeitung durch diesen fremden Agenten ohne geschäftlichen Beistand exponirt habe. Durch diese Neigung, die Staatsgeschäfte persönlich und allein auf sich zu nehmen, war der König in eine Lage gedrängt worden, die ich nicht vertreten konnte; meines Erachtens hätte Se. Majestät in Ems jede geschäftliche Zumuthung des ihm nicht gleichstehenden französischen Unterhändlers ablehnen und ihn nach Berlin an die amtliche Stelle verweisen müssen, die dann durch Vortrag in Ems oder, wenn man dilatorische Behandlung nützlich gefunden, durch schriftlichen Bericht die Entscheidung des Königs einzuholen gehabt haben wurde. Aber bei dem hohen Herrn, so correct er in der Regel die Ressortverhältnisse respectirte, war die Neigung, wichtige Fragen persönlich zwar nicht zu entscheiden, aber doch zu verhandeln, zu stark, um ihm eine richtige Benutzung der Deckung zu ermöglichen, mit der die Majestät gegen Zudringlichkeiten, unbequeme Fragestellung und Zumuthung zweckmäßiger Weise umgeben ist. Daß der König sich nicht mit dem ihm in so großem Maße eignen Gefühle seiner hoheitvollen Würde der Benedettischen Aufdringlichkeit von Hause aus entzogen hatte, davon lag die Schuld zum großen Theile in dem Einflusse, den die Königin von dem benachbarten Coblenz her auf ihn ausübte. Er war 73 Jahr alt, friedliebend und abgeneigt, die Lorbeeren von 1866 in einem neuen Kampfe auf das Spiel zu setzen; aber wenn er vom weiblichen Einflusse frei war, so blieb das Ehrgefühl des Erben Friedrichs des Großen und des preußischen Offiziers in ihm stets leitend. Gegen die Concurrenz, welche seine Gemalin mit ihrer weiblich berechtigten Furchtsamkeit und ihrem Mangel an Nationalgefühl machte, wurde die Widerstandsfähigkeit des Königs abgeschwächt durch sein ritterliches Gefühl der Frau und durch sein monarchisches Gefühl einer Königin und besonders der seinigen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 249 [2-87] gegenüber. Man hat mir erzählt, daß die Königin Augusta ihren Gemal vor seiner Abreise von Ems nach Berlin in Thränen beschworen habe, den Krieg zu verhüten im Andenken an Jena und Tilsit. Ich halte die Angabe für glaubwürdig bis auf die Thränen. Zum Rücktritt entschlossen trotz der Vorwürfe, die mir Roon darüber machte, lud ich ihn und Moltke zum 13. ein, mit mir zu Drei zu speisen, und theilte ihnen bei Tische meine An- und Absichten mit. Beide waren sehr niedergeschlagen und machten mir indirect Vorwürfe, daß ich die im Vergleiche mit ihnen größere Leichtigkeit des Rückzuges aus dem Dienste egoistisch benutzte. Ich vertrat die Meinung, daß ich mein Ehrgefühl nicht der Politik opfern könne, daß sie Beide als Berufssoldaten wegen der Unfreiheit ihrer Entschließung nicht dieselben Gesichtspunkte zu nehmen brauchten wie ein verantwortlicher auswärtiger Minister. Während der Unterhaltung wurde mir gemeldet, daß ein Ziffertelegramm, wenn ich mich recht erinnere, von ungefähr 200 Gruppen, aus Ems, von dem Geheimrath Abeken unterzeichnet, in der Uebersetzung begriffen sei. Nachdem mir die Entzifferung überbracht war, welche ergab, daß Abeken das Telegramm auf Befehl Sr. Majestät redigirt und unterzeichnet hatte, las ich dasselbe meinen Gästen vor 1), deren (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 250 1) Die am 13. Juli 1870 3h 50m Nachm. in Ems aufgegebene, 6h 9m in Berlin eingetroffene Depesche lautete in der Entzifferung: (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 261 [2-91] Hohenzollern auf ihre Candidatur wieder zurückkommen sollten. Seine Majestät der König hat es darauf abgelehnt, den französischen Botschafter nochmals zu empfangen, und demselben durch den Adjutanten vom Dienst sagen lassen, daß Seine Majestät dem Botschafter nichts weiter mitzutheilen habe.“ Der Unterschied in der Wirkung des gekürzten Textes der Emser Depesche im Vergleich mit der, welche das Original hervorgerufen hätte, war kein Ergebniß stärkerer Worte, sondern der Form, welche diese Kundgebung als eine abschließende erscheinen ließ, während die Redaction Abekens nur als ein Bruchstück einer schwebenden und in Berlin fortzusetzenden Verhandlung erschienen sein würde. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 277 [2-97] erforderlich, die dem Militär nicht geläufig zu sein brauchen, Informationen, die ihm nicht zugänglich sein können. Die Verhandlungen in Nikolsburg 1866 beweisen, daß die Frage von Krieg und Frieden auch im Kriege stets zur Competenz des verantwortlichen politischen Ministers gehört und nicht von der technischen Armeeleitung entschieden werden kann; der competente Minister aber kann dem Könige nur dann sachkundigen Rath ertheilen, wenn er Kenntniß von der jeweiligen Lage und den Intentionen der Kriegführung hat. Im fünften Kapitel ist der Plan zur Zerstückelung Rußlands erwähnt, den die Wochenblattspartei hegte und Bunsen in einer dem Minister von Manteuffel eingereichten Denkschrift in aller kindlichen Nacktheit entwickelt hatte 1). Den damals unmöglichen Fall angenommen, daß der König für diese Utopie gewonnen wurde, angenommen ferner, daß die preußischen Heere und ihre etwaigen Verbündeten in siegreichem Vorschreiten waren, so würde sich doch eine artige Reihe von Fragen aufgedrängt haben: ob uns der weitre Erwerb polnischer Landstriche und Bevölkerungen wünschenswerth sei, ob es nothwendig, die vorspringende Grenze Congreßpolens, den Ausgangspunkt russischer Heere weiter nach Osten, weiter ab von Berlin zu rücken, analog dem Bedürfnisse, im Westen den Druck zu beseitigen, den Straßburg und die Weißenburger Linien auf Süddeutschland ausübten, ob Warschau in polnischen Händen für uns unbequemer werden könnte als in russischen. Das alles sind rein politische Fragen, und wer wird leugnen wollen, daß ihre Entscheidung einen vollberechtigten Einfluß auf die Richtung, die Art, den Umfang der Kriegführung hätte fordern, daß zwischen Diplomatie und Strategie eine Wechselwirkung in Berathung des Monarchen hätte bestehn müssen? (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 285 Graf Beust hat selbst es sich angelegen sein lassen, nachzuweisen, wie „redlich, wenn auch erfolglos“ er sich bemüht habe, eine „collective Mediation der Neutralen“ zu Stande zu bringen *). Er erinnert daran, daß er schon unter dem 28. September nach London und unter dem 12. October nach Petersburg an die östreichischen Botschafter die Weisung gegeben hat, die Auffassung zu vertreten, ein collectiver Schritt allein werde Aussicht auf Erfolg haben; daß er zwei Monate später dem Fürsten Gortschakow sagen ließ: „Le moment d'intervenir est peut-être venu.“ Er reproducirt eine am 13. October, in der für uns kritischen Zeit 14 Tage vor der Capitulation von Metz, von ihm an den Grafen Wimpffen in Berlin gerichtete und von diesem dort verlesene Depesche **). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 300 Fürst Gortschakow ist auf die Initiative, mit der ich ihn in dieser Richtung sondirte, nur widerstrebend eingegangen. Sein persönliches Uebelwollen war stärker als sein russisches Pflichtgefühl. Er wollte keine Gefälligkeit von uns, sondern Entfremdung gegen Deutschland und Dank bei Frankreich. Um unser Anerbieten in Petersburg wirksam zu machen, habe ich der durchaus ehrlichen und stets wohlwollenden Mitwirkung des damaligen russischen Militärbevollmächtigten Grafen Kutusoff bedurft. Ich werde dem Fürsten Gortschakow kaum Unrecht thun, wenn ich nach meinen mehre Jahrzehnte dauernden Beziehungen zu ihm annehme, daß die persönliche Rivalität mit mir bei ihm schwerer wog, als die Interessen Rußlands: seine Eitelkeit, seine Eifersucht gegen mich waren größer als sein Patriotismus.Bezeichnend für die krankhafte Eitelkeit Gortschakows waren einige gelegentliche Aeußerungen mir gegenüber, gelegentlich seiner Berliner Anwesenheit im Mai 1876. Er sprach von seiner Ermüdung und seiner Neigung, abzuscheiden, und sagte dabei: „Je ne puis cependant me présenter devant Saint-Pierre au ciel sans avoir présidé la moindre chose en Europe.“ Ich bat ihn in Folge dessen, das Präsidium in der damaligen Diplomatenconferenz, die aber nur eine officiöse war, zu übernehmen, was er that. In der Muße des Zuhörens bei seiner längeren Präsidialrede schrieb ich mit Bleistift: pompons, pompo, pomp, pom, po. Mein Nachbar, Lord Odo Russell, entriß mir das Blatt und behielt es. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 301 Eine andre Aeußerung bei dieser Gelegenheit lautete dahin: „Si je me retire, je ne veux pas m'éteindre comme une lampe qui file, je veux me coucher comme un astre.“ Es ist nach diesen Auffassungen nicht verwunderlich, daß ihm sein letztes Auftreten im Berliner Congreß 1878 nicht genügte, zu dem der (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 305 [2-107] damaligen russischen Kaiserin, den Prinzen von Battenberg, in unsichre Hände gab, war eine Entwicklung, die auf dem Berliner Congresse nicht vorausgesehn werden konnte. Der Prinz von Battenberg war der russische Candidat für Bulgarien, und bei seiner nahen Verwandschaft mit dem Kaiserhause war auch anzunehmen, daß diese Beziehungen dauerhaft und haltbar sein würden. Der Kaiser Alexander III. erklärte sich den Abfall seines Vetters einfach mit dessen polnischer Abstammung: „Polskaja mat“ war sein erster Ausruf bei der Enttäuschung über das Verhalten seines Vetters. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 306 Die russische Entrüstung über das Ergebniß des Berliner Congresses war eine der Erscheinungen, die bei einer dem Volk so wenig verständlichen Presse, wie es die russische in auswärtigen Beziehungen ist, und bei dem Zwange, der auf sie mit Leichtigkeit geübt wird, sich im Widerspruche mit aller Wahrheit und Vernunft ermöglichen ließ. Die ganzen Gortschakowschen Einflüsse, die er, angespornt durch Aerger und Neid über seinen frühern Mitarbeiter, den deutschen Reichskanzler, in Rußland übte, unterstützt von französischen Gesinnungsgenossen und ihren französischen Verschwägerungen (Wannowski, Obrutschew) waren stark genug, um in der Presse, die Moskauer Wedomosti an der Spitze, einen Schein von Entrüstung herzustellen über die Schädigung, welche Rußland auf dem Berliner Congresse durch deutsche Untreue erlitten hätte. Nun ist auf dem Berliner Congresse kein russischer Wunsch ausgesprochen worden, den Deutschland nicht zur Annahme gebracht hätte, unter Umständen durch energisches Auftreten bei dem englischen Premierminister, obschon letztrer krank und bettlägerig war. Anstatt hierfür dankbar zu sein, fand man es der russischen Politik entsprechend, unter Führung des lebensmüden, aber immer noch krankhaft eitlen Fürsten Gortschakow und der Moskauer Blätter, an der weitern Entfremdung zwischen Rußland und Deutschland fortzuarbeiten, für die weder im Interesse des einen noch des andern dieser großen Nachbarreiche das mindeste Bedürfniß vorliegt. Wir beneiden uns nichts und haben nichts von einander zu gewinnen, was wir brauchen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 310 [2-109] werde dich zur Infanterie versetzen,“ nahm er seinen Abschied und trat erst im Krimkriege in geringer Stellung wieder ein, blieb unter Alexander II. in der Armee und wurde endlich Militärbevollmächtigter in Berlin, wo seine ehrliche Bonhomie ihm viele Freunde erwarb. Er begleitete uns als russischer Flügeladjutant des preußischen Königs im französischen Kriege, und es war vielleicht ein Effect der ungerechten Beurtheilung seiner Reitfähigkeit, die ihm vom Kaiser Nicolaus zu Theil geworden war, daß er alle Marschetappen, auf denen der König und sein Gefolge gefahren wurden, nicht selten 50 bis 70 Werst im Tage, zu Pferde zurücklegte. Für seine Bonhomie und die Tonart auf den Jagden in Wusterhausen ist es bezeichnend, daß er gelegentlich vor dem Könige erzählte, seine Familie stamme aus Preußisch-Litthauen und sei unter dem Namen Kutu nach Rußland gekommen, worauf Graf Fritz Eulenburg in seiner witzigen Art bemerkte: „Den schließlichen ,Soff‘ haben Sie also erst in Rußland sich angeeignet“ — allgemeine Heiterkeit, in welche Kutusoff herzlich einstimmte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 321 Wenn man sich fragt, was andre Generale bestimmt haben kann, die Ansicht Roons zu bekämpfen, so wird es schwer, sachliche Gründe für die Verzögerung der gegen die Jahreswende ergriffenen Maßregeln aufzufinden. Von dem militärischen wie von dem politischen Standpunkte erscheint das zögernde Vorgehn widersinnig und gefährlich, und daß die Gründe nicht in der Unentschlossenheit unsrer Heeresleitung zu suchen waren, darf man aus der raschen und entschlossenen Führung des Krieges bis vor Paris schließen. Die Vorstellung, daß Paris, obwohl es befestigt und das stärkste Bollwerk der Gegner war, nicht wie jede andre Festung angegriffen werden dürfe, war aus England auf dem Umwege über Berlin in unser Lager gekommen, mit der Redensart von dem „Mekka der Civilisation“ und andern in dem cant der öffentlichen Meinung in England üblichen und wirksamen Wendungen der Humanitätsgefühle, deren Bethätigung England von allen andern Mächten erwartet, aber seinen eignen Gegnern nicht immer zu Gute kommen läßt. Von London wurde bei unsern maßgebenden Kreisen der Gedanke vertreten, daß die Uebergabe von Paris nicht durch Geschütze, sondern nur durch Hunger herbeigeführt werden dürfe. Ob der letztre Weg der menschlichere war, darüber kann man streiten, auch darüber, ob die Greuel der Commune zum Ausbruch gekommen sein würden, wenn nicht die Hungerzeit das Freiwerden der anarchischen Wildheit vorbereitet hätte. Es mag dahingestellt bleiben, ob bei der englischen Einwirkung zu Gunsten der (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 322 [2-114] Humanität des Aushungerns nur Empfindsamkeit und nicht auch politische Berechnung im Spiele war. England hatte kein praktisches Bedürfniß, weder uns noch Frankreich vor Schädigung und Schwächung durch den Krieg zu behüten, weder wirthschaftlich noch politisch. Jedenfalls vermehrte die Verschleppung der Ueberwältigung von Paris und des Abschlusses der kriegerischen Vorgänge für uns die Gefahr, daß die Früchte unsrer Siege uns verkümmert werden könnten. Vertrauliche Nachrichten aus Berlin ließen erkennen, daß in den sachkundigen Kreisen der Stillstand unsrer Thätigkeit Besorgniß und Unzufriedenheit erregte, und daß man der Königin Augusta einen brieflichen Einfluß auf ihren hohen Gemal im Sinne der Humanität zuschrieb. Eine Andeutung, die ich dem Könige über Nachrichten derart machte, hatte einen lebhaften Zornesausbruch zur Folge, nicht in dem Sinne, daß die Gerüchte unbegründet seien, sondern in einer scharfen Bedrohung jeder Aeußerung einer derartigen Verstimmung gegen die Königin. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 326 [2-115] Erörterung geworden. Alle gegen die Darstellung Roons gerichteten Ausführungen umgehn die Berliner Einflüsse und die englischen, auch die Thatsache, daß 800, nach Andern 1500 Axen mit Lebensmitteln für die Pariser wochenlang festlagen; und alle, mit Ausnahme eines anonymen Zeitungsartikels, umgehn ebenso die Frage, ob die Heeresleitung rechtzeitig für die Herbeischaffung von Belagerungsgeschütz Sorge getragen habe. Ich habe keinen Anlaß gefunden, an meinen vorstehenden, vor dem Erscheinen der betreffenden Nummern der „Deutschen Revue“ gemachten Aufzeichnungen irgend etwas zu ändern. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 344 Diese Sachlage veranlaßte mich, am folgenden Morgen, vor der Feierlichkeit im Spiegelsaale, den Großherzog von Baden aufzusuchen, als den ersten der anwesenden Fürsten, der voraussichtlich nach Verlesung der Proclamation das Wort nehmen würde, und ihn zu fragen, wie er den neuen Kaiser zu bezeichnen denke. Der Großherzog antwortete: „Als Kaiser von Deutschland, nach Befehl Sr. Majestät.“ Unter den Argumenten, die ich dem Großherzoge dafür geltend machte, daß das abschließende Hoch auf den Kaiser nicht in dieser Form ausgebracht werden könne, war das durchschlagendste meine Berufung auf die Thatsache, daß der künftige Text der Reichsverfassung bereits durch einen Beschluß des Reichstags in Berlin präjudicirt sei. Die in seinen constitutionellen Gedankenkreis fallende Hinweisung auf den Reichstagsbeschluß bewog ihn, den König noch einmal aufzusuchen. Die Unterredung der beiden Herrn blieb mir unbekannt, und ich war bei Verlesung der Proclamation in Spannung. Der Großherzog wich dadurch aus, daß er ein Hoch weder auf den Deutschen Kaiser, noch auf den (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 357 [2-128] Rede das Wort ergriff 1). In Posen und Westpreußen waren nach Ausweis amtlicher Berichte Tausende von Deutschen und ganze Ortschaften, die in der vorigen Generation amtlich deutsch waren, durch die Einwirkung der katholischen Abtheilung polnisch erzogen und amtlich „Polen“ genannt worden. Nach der Competenz, welche der Abtheilung verliehn worden war, ließ sich ohne Aushebung derselben hierin nicht abhelfen. Diese Aufhebung war also nach meiner Ueberzeugung als nächstes Ziel zu erstreben. Dagegen war natürlich der Radziwill'sche Einfluß am Hof, nicht natürlich mein Cultus-College, dessen Frau und Ihre Majestät die Königin. Der Chef der katholischen Abtheilung war damals Krätzig, der früher Radziwill'scher Privatbeamter gewesen und dies im Staatsdienst auch wohl geblieben war. Der Träger des Radziwill'schen Einflusses war der jüngere beider Brüder Fürst Boguslav, auch Stadtverordneter von Einfluß in Berlin. Der ältere, Wilhelm, und sein Sohn Anton, waren zu ehrliche Soldaten, um sich auf polnische Intrigen gegen den König und dessen Staat einzulassen. Die katholische Abtheilung des Cultusministeriums, ursprünglich gedacht als eine Einrichtung, vermöge deren katholische Preußen die Rechte ihres Staates in den Beziehungen zu Rom vertreten sollten, war durch den Wechsel der Mitglieder nach und nach zu einer Behörde geworden, die inmitten der preußischen Bürokratie die römischen und polnischen Interessen gegen Preußen vertrat. Ich habe mehr als einmal dem Könige auseinander gesetzt, daß diese Abtheilung schlimmer sei als ein Nuntius in Berlin. Sie handle nach Anweisungen, die sie aus Rom empfinge, vielleicht nicht immer vom Papste, und sei neuerdings hauptsächlich polnischen Einflüssen zugänglich geworden. In dem Radziwill'schen Hause seien die Damen deutschfreundlich, der ältere Bruder Wilhelm durch das Ehrgefühl des preußischen Offiziers in derselben (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 360 Wenn es mir auch nicht gelang, die übrigens mehr äußerliche und formelle Abneigung des Kaisers gegen einen Nuntius in Berlin zu überwinden, so überzeugte er sich doch von der Gefährlichkeit der katholischen Abtheilung und gab seine Genehmigung zu ihrer Abschaffung trotz des Widerstandes seiner Gemalin. Unter ehelichem Einfluß wehrte sich Mühler gegen die Abschaffung, über die alle übrigen Minister einverstanden waren. Zur decorativen Platirung seines Abganges wurde eine Differenz über eine die Verwaltung der Museen betreffende Personalfrage benutzt; in der That fiel er über Krätzig und den Polonismus, trotz des Rückhaltes, den er und seine Frau durch Damenverbindungen am Hofe hatten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 377 In die Hitze des Culturkampfes fiel ein Besuch des Königs Victor Emanuel in Berlin, (22.–26.) September 1873. Ich hatte durch Herrn von Keudell erfahren, daß der König eine Dose mit Brillanten, deren Werth auf 50–60000 Franken, ungefähr auf das sechs- bis achtfache des bei solchen Gelegenheiten üblichen, angegeben wurde, hatte anfertigen und dem Grafen Launay zur Ueberreichung an mich zustellen lassen. Gleichzeitig kam es zu meiner Kenntniß, daß Launay die Dose mit Angabe des Werthes seinem Hausnachbarn, dem bairischen Gesandten Baron Pergler von Perglas, gezeigt hatte, der unsern Gegnern in dem Culturkampfe persönlich nahe stand. Der hohe Werth des mir zugedachten Geschenkes konnte also Anlaß geben, es in Verbindung zu bringen mit der Anlehnung, die der König von Italien bei dem Deutschen Reiche damals erstrebte und erlangte. Als ich dem Kaiser meine Bedenken gegen die Annahme des Geschenkes vortrug, hatte er zunächst den Eindruck, als ob ich es überhaupt unter meiner Würde fände, eine Portraitdose anzunehmen, und sah darin eine Verschiebung der Traditionen, an die er gewöhnt war. Ich sagte: „Gegenüber einem solchen Geschenke von durchschnittlichem Werthe würde ich auf den Gedanken der Ablehnung nicht gekommen sein. In diesem Falle aber hätte nicht das fürstliche Bildniß, sondern hätten die verkäuflichen Diamanten das für die Beurtheilung des Vorgangs entscheidende Gewicht; mit Rücksicht auf die Lage des Culturkampfes müßte ich Anknüpfungspunkte für Verdächtigungen vermeiden, nachdem der den Umständen nach übertriebene Werth der Dose durch die nachbarlichen Beziehungen von Perglas constatirt und in der Gesellschaft hervorgehoben worden sei.“ Der Kaiser wurde schließlich meiner Auseinandersetzung zugänglich und schloß den Vortrag mit den Worten: „Sie haben Recht, nehmen Sie die Dose nicht (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 379 Al Principe Bismarck. Berlino 26. Settembre 1873. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 389 Daß ich den Widerstand des Kaisers Wilhelm gegen die Civilehe gebrochen hätte, ist eine der Erfindungen des demokratischen Jesuitismus, den die „Germania“ 3) vertritt. Die Abneigung des Kaisers wurde überwunden durch den Druck, den die Majorität der ohne mich und unter Roons formalem Präsidium in Berlin anwesenden Minister auf Se. Majestät ausübte, und der so weit ging, daß der Kaiser zwischen Annahme des Gesetzentwurfs und Neubildung des Ministeriums zu wählen hatte. In meinem damaligen Gesundheitszustande wäre ich der Aufgabe nicht gewachsen gewesen, aus den mir und sich unter einander feindlichen Fractionen ein neues Cabinet behufs Fortsetzung der Kämpfe nach allen Seiten hin zu recrutiren. Wenn der Kaiser in dem Briefe vom 8. Mai 1874 retrospectiv sagt, daß er trotz seiner Hinfälligkeit noch zwei Mal dagegen geschrieben habe, so waren diese (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 393 [2-141] Schreiben nicht an mich, sondern an das Ministerium in Berlin gerichtet, und ich habe ihm nur gerathen, zwischen der obligatorischen Civilehe und einem Ministerwechsel für erstre zu optiren. Unzweifelhaft war seine Abneigung gegen die Civilehe noch größer als die meinige; ich hielt mit Luther die Eheschließung für eine bürgerliche Angelegenheit, und mein Widerstand gegen Anerkennung dieses Grundsatzes beruhte mehr auf Achtung vor der bestehenden Sitte und der Ueberzeugung der Massen als auf eignen christlichen Bedenken. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 430 [2-152] abgetreten hatte, von Neujahr bis November 1873, fanden bei ihm in kleinen und größern Kreisen abendliche Begegnungen mir feindlicher Politiker der rechten Seite statt. An diesen nahm Graf Harry Arnim, der Herrngesellschaften ohne politischen Zweck nicht zu besuchen pflegte, wenn er sich auf Urlaub in Berlin befand, in der Rolle Theil, daß er auf die Anwesenden den Eindruck machte, den mir Roon selbst mit den Worten wiedergab: „In dem steckt doch ein tüchtiger Junker!“ Die gesprächliche Verbindung, in welcher dieses Urtheil ausgesprochen wurde, und die öftere scharf accentuirte Wiederholung desselben im Munde meines Freundes und Collegen hatte die Tragweite eines Vorwurfs für mich wegen Mangels gleicher Eigenschaften, und einer Andeutung, als ob Arnim die innere Politik schneidiger und conservativer behandeln würde, wenn er an meiner Stelle wäre. In den Unterredungen, in denen dieses Thema des Arnimschen Junkerthums breit entwickelt wurde, gewann ich den Eindruck, daß auch mein alter Freund Roon unter der Einwirkung der bei ihm stattfindenden Conventikel in dem Vertrauen zu meiner Politik einigermaßen erschüttert war. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 433 [2-153] Eintritts ins Amt, 1862, civilistisch bekämpft, kritisirt und stiefmütterlich verkürzt wurde, und wie sie unter meiner Amtsführung aus der Alltäglichkeit des Garnisonlebens über Düppel, Sadowa und Sedan von 1864–1871 dreimal zum Einzuge in Berlin gelangte. Ich darf ohne Ueberhebung annehmen, daß König Wilhelm 1862 abdicirt hätte, daß die Politik, die den Ruhm der Armee gründete, vielleicht nicht oder nicht so, wie geschah, in's Leben getreten wäre, wenn ich ihre Leitung nicht übernommen hätte. Würde die Armee zu ihren Heldenthaten und Graf Moltke auch nur den Degen zu ziehn Gelegenheit erhalten haben, wenn König Wilhelm I. anders und durch Andre berathen worden wäre? Wohl sicher nicht, wenn er 1862 abdicirt hätte, weil er niemand fand, der die Gefahren seiner Stellung zu theilen und zu bestehn bereit war. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 465 Nachdem Arnim sich 1873 in Berlin überzeugt hatte, daß seine Aussichten, an meine Stelle zu treten, noch nicht so reif waren, wie er angenommen hatte, versuchte er einstweilen das frühere gute Verhältniß herzustellen, suchte mich auf, bedauerte, daß wir durch Mißverständnisse und Intrigen Andrer auseinander gekommen wären, und erinnerte an Beziehungen, die er einst mit mir gehabt und gesucht hatte. Zu gut von seinem Treiben und von dem Ernst seines Angriffes auf mich unterrichtet, um mich täuschen zu lassen, sprach ich ganz offen mit ihm, hielt ihm vor, daß er mit allen mir feindlichen Elementen in Verbindung getreten sei, um meine politische Stellung zu erschüttern, in der irrigen Annahme, er werde mein Nachfolger werden, und daß ich an seine versöhnliche Gesinnung nicht glaube. Er verließ mich, indem er mit der ihm eignen Leichtigkeit des Weinens eine Thräne im Auge zerdrückte. Ich kannte ihn von seiner Kindheit an. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 478 Meiner Ueberzeugung nach hat die römische Curie den Krieg zwischen Frankreich und Deutschland ebenso wie die meisten Politiker seit 1866 als wahrscheinlich betrachtet, als ebenso wahrscheinlich auch, daß Preußen unterliegen würde. Den Krieg vorausgesetzt, mußte der damalige Papst darauf rechnen, daß der Sieg Frankreichs über das evangelische Preußen die Möglichkeit bieten werde, den Vorstoß, den er selbst mit dem Concil und der Unfehlbarkeit gegen die akatholische Welt und gegen nervenschwache Katholiken gemacht hatte, zu weitern Consequenzen zu treiben. Wie das kaiserliche Frankreich und besonders die Kaiserin Eugenie damals zu dem Papste standen, ließ sich ohne zu gewagte Berechnung annehmen, daß Frankreich, wenn seine Heere siegreich in Berlin ständen, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 483 *) Derselbe, wahrscheinlich von Gontaut an Ihre Majestät empfohlen, unterhielt einen lebhaften Briefwechsel mit Gambetta, der nach des Letztern Tode in die Hände von Madame Adám gerieth und als hauptsächliches Material für die Schrift La Société de Berlin gedient hat. Nach Paris zurückgekehrt, wurde Gérard eine Zeit lang Leiter der officiösen Presse, dann Legationssekretär in Madrid, Geschäftsträger in Rom und 1890 Gesandter in Montenegro. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 486 Diese Verhältnisse und Stimmungen haben sich geändert in dem halben Jahrhundert, in dem die politische und wirthschaftliche Entwicklung alle Varietäten der Bevölkerung nicht blos Europas mit einander in nähere Berührung gebracht hat. Heut zu Tage kann man durch die Kundgebung, katholisch zu sein, in keinem Berliner (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 488 Daß die Kaiserin in der Person Gérards einen französischen geheimen Agenten zu ihrem Vorleser nahm, ist eine Abnormität, deren Möglichkeit ohne das Vertrauen, welches Gontaut durch seine Geschicklichkeit und durch die Mitwirkung eines Theils der katholischen Umgebung Ihrer Majestät genoß, nicht verständlich ist. Für die französische Politik und die Stellung des französischen Botschafters in Berlin war es natürlich ein erheblicher Vortheil, einen Mann wie Gérard in dem kaiserlichen Haushalte zu sehn. Derselbe war gewandt bis auf die Unfähigkeit, seine Eitelkeit im Aeußern zu unterdrücken. Er liebte es, als Muster der neusten Pariser Mode zu erscheinen, in einer für Berlin auffälligen Uebertreibung, ein Mißgriff, durch welchen er sich indessen in dem Palais nicht schadete. Das Interesse für exotische und besonders Pariser Typen war mächtiger als der Sinn für einfachen Geschmack. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 489 Gontauts Thätigkeit im Dienste Frankreichs beschränkte sich nicht auf das Berliner Terrain. Er reiste 1875 nach Petersburg, um dort mit dem Fürsten Gortschakow den Theatercoup einzuleiten, welcher bei dem bevorstehenden Besuche des Kaisers Alexander in Berlin die Welt glauben machen sollte, daß er allein das wehrlose Frankreich vor einem deutschen Ueberfall bewahrt habe, indem er uns mit einem Quos ego! in den Arm gegriffen und zu dem Zweck den Kaiser nach Berlin begleitet habe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 490 [2-173] Von wem der Gedanke ausgegangen ist, weiß ich nicht; wenn von Gontaut, so wird er bei Gortschakow einen empfänglichen Boden gefunden haben bei dessen eitler Natur, seiner Eifersucht auf mich und dem Widerstande, den ich seinen Ansprüchen auf Präpotenz zu leisten gehabt hatte. Ich hatte ihm in vertraulichem Gespräch sagen müssen: „Sie behandeln uns nicht wie eine befreundete Macht, sondern comme un domestique, qui ne monte pas assez vite, quand on a sonné.“ Gortschakow beutete es aus, daß er dem Gesandten Grafen Redern und den auf ihn folgenden Geschäftsträgern an Autorität überlegen war, und benutzte mit Vorliebe zu Verhandlungen den Weg der Mittheilung seinerseits an unsre Vertretung in Petersburg unter Vermeidung der Instruirung des russischen Botschafters in Berlin behufs Besprechung mit mir. Ich halte es für Verleumdung, was Russen mir gesagt haben, das Motiv dieses Verfahrens sei gewesen, daß in dem Etat des auswärtigen Ministers ein Pauschquantum für Telegramme ausgeworfen sei und Gortschakow deshalb seine Mittheilungen lieber auf deutsche Kosten durch unsern Geschäftsträger als auf russische besorgt habe. Ich suche, obschon er sicher geizig war, das Motiv auf politischem Gebiete. Gortschakow war ein geistreicher und glänzender Redner und liebte es, sich als solchen namentlich den fremden, in Petersburg beglaubigten Diplomaten gegenüber zu zeigen. Er sprach französisch und deutsch mit gleicher Beredsamkeit, und ich habe seinen docirenden Vorträgen oft stundenlang gern zugehört als Gesandter und später als College. Mit Vorliebe hatte er als Zuhörer fremde Diplomaten und namentlich jüngere Geschäftsträger von Intelligenz, denen gegenüber die vornehme Stellung des auswärtigen Ministers, bei dem sie beglaubigt waren, dem oratorischen Eindrucke zu Hülfe kam. Auf diesem Wege gingen mir die Gortschakowschen Willensmeinungen in Formen zu, die an das Roma locuta est erinnerten. Ich beschwerte mich in Privatbriefen bei ihm direct über diese Form des Geschäftsbetriebes und über die Tonart seiner Eröffnungen und bat ihn, in mir nicht mehr den diplomatischen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 493 Die Rolle des Friedensengels, sehr geeignet, Gortschakows Selbstgefühl durch den ihm über alles theuern Eindruck in Paris zu befriedigen, war von Gontaut in Berlin vorbereitet worden; es läßt sich annehmen, daß seine Gespräche mit dem Grafen Moltke und mit Radowitz, die später als Beweismittel für unsre kriegerischen Absichten angeführt wurden, von ihm mit Geschick herbeigeführt waren, um vor Europa das Bild eines von uns bedrohten, von Rußland beschützten Frankreich zur Anschauung zu bringen. In Berlin am 10. Mai 1875 angekommen, erließ Gortschakow unter dem Datum dieses Ortes ein zur Mittheilung bestimmtes telegraphisches Circular, welches mit den Worten anfing: „Maintenant, also unter russischem Druck, la paix est assurée,“ als ob das vorher nicht der Fall gewesen wäre. Einer der dadurch avisirten außerdeutschen Monarchen hat mir gelegentlich den Text gezeigt. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 495 [2-175] Schaden gereichten. Wenn ihm daran liege, in Paris gerühmt zu werden, so brauchte er deshalb unsre russischen Beziehungen noch nicht zu verderben, ich sei gern bereit, ihm beizustehn und in Berlin Fünffrankenstücke schlagen zu lassen mit der Umschrift: Gortchakoff protège la France; wir könnten auch in der deutschen Botschaft ein Theater herstellen, wo er der französischen Gesellschaft mit derselben Umschrift als Schutzengel im weißen Kleide und mit Flügeln in bengalischem Feuer vorgeführt würde. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 510 [2-181] machen; er aber faßte die Sache so auf, als ob es sich um einen durch die politische Situation gegebenen Systemwechsel handelte, um die Uebernahme der Leitung durch die nationalliberale Partei. Das Streben nach dem Mitbesitz des Regiments hatte sich schon erkennbar gemacht in dem Eifer, mit dem die Partei das Stellvertretungsgesetz betrieben hatte in der Meinung, auf diesem Wege ein collegialisches Reichsministerium anzubahnen, in dem anstatt des allein verantwortlichen Reichskanzlers selbständige Ressorts mit collegialischer Abstimmung wie in Preußen die Entscheidung hätten. Bennigsen wollte daher nicht einfach Eulenburgs Nachfolger werden, sondern verlangte, daß mit ihm wenigstens Forckenbeck und Stauffenberg einträten. Der Erstre sei der geeignete Mann für das Innere und werde dort dieselbe Geschicklichkeit und Thatkraft wie in der Verwaltung der Stadt Berlin bewähren; er selbst würde das Finanzministerium wählen; Stauffenberg müsse an die Spitze des Reichsschatzamts treten, um mit ihm zusammen zu wirken. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 515 [2-184] Correspondenz fand in den letzten Tagen des Jahres 1877 statt, und meine neue Erkrankung fiel grade in die Neujahrsnacht. Der Kaiser antwortete mir auf das Schreiben Roons, er sei über das Sachverhältniß getäuscht worden und wünsche, daß ich seinen vorhergehenden Brief als nicht geschrieben betrachte. Jede weitre Verhandlung mit Bennigsen verbot sich durch diesen Vorgang von selbst, ich hielt es aber in unserm politischen Interesse nicht für zweckmäßig, Letztern von der Beurtheilung in Kenntniß zu setzen, die seine Person und Candidatur bei dem Kaiser gefunden hatte. Ich ließ die für mich definitiv abgeschlossene Unterhandlung äußerlich in suspenso; als ich dann wieder in Berlin war, ergriff Bennigsen die Initiative, um die seiner Meinung nach noch schwebende Angelegenheit in freundschaftlicher Form zum negativen Abschluß zu bringen. Er fragte mich im Reichstagsgebäude, ob es wahr sei, daß ich das Tabakmonopol einzuführen strebe, und erklärte auf meine bejahende Antwort, daß er dann die Mitwirkung als Minister ablehnen müsse. Ich verschwieg ihm auch dann noch, daß mir jede Möglichkeit, mit ihm zu verhandeln, durch den Kaiser schon seit Neujahr abgeschnitten war. Vielleicht hatte er sich auf anderm Wege überzeugt, daß sein Plan einer grundsätzlichen Modification der Regirungspolitik im Sinne der nationalliberalen Anschauungen bei dem Kaiser auf unüberwindliche Hindernisse stoßen würde, namentlich seit einer von Stauffenberg gehaltenen Rede über die Nothwendigkeit der Abschaffung des Art. 109 der preußischen Verfassung (Forterhebung der Steuern). Wenn die nationalliberalen Führer ihre Politik geschickt betrieben hätten, so hätten sie längst wissen müssen, daß bei dem Kaiser, dessen Unterschrift sie zu ihrer Ernennung bedurften und begehrten, es keinen empfindlicheren politischen Punkt gab als diesen Artikel, und daß sie sich den hohen Herrn nicht sichrer entfremden konnten als durch den Versuch, ihm dieses Palladium zu entreißen. Als ich Sr. Majestät vertraulich den Verlauf meiner Verhandlungen mit Bennigsen erzählte und dessen Wunsch in Betreff Stauffenbergs (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 522 Ich habe unter meinen Argumenten für Auflösung besonders geltend gemacht, daß dem Reichstage ohne Verletzung seines Ansehns die Zurücknahme seines Beschlusses nur durch vorgängige Auflösung möglich gemacht werden könne. Ob hervorragende Nationalliberale damals die Absicht hatten, nur meine Collegen oder meine Nachfolger zu werden, kann unentschieden bleiben, da erstres immer den Uebergang zu der andern Alternative bilden konnte; den zweifelsfreien Eindruck aber hatte ich, daß zwischen einigen meiner Collegen, einigen Nationalliberalen und einigen Leuten von Einfluß am Hofe und im Centrum über die Theilung meiner politischen Erbschaft die Verhandlungen bis zur Verständigung oder nahezu so weit gediehn waren. Diese Verständigung bedingte ein ähnliches Aggregat wie in dem Ministerium Gladstone zwischen Liberalismus und Katholicismus. Der Letztre reichte durch die nächsten Umgebungen der Kaiserin Augusta, einschließlich des Einflusses der „Reichsglocke“, des Hausministers von Schleinitz bis in das Palais des alten Kaisers; und bei ihm fand der Gesammtangriff gegen mich einen thätigen Bundesgenossen in dem General von Stosch. Derselbe hatte auch am kronprinzlichen Hofe eine gute Stellung, theils direct durch eignes Talent, theils mit Hülfe des Herrn von Normann und seiner Frau, mit denen er schon von Magdeburg her vertraut war und deren Uebersiedlung nach Berlin er vermittelt hatte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 526 Meine Beziehungen zu ihm wurden zuerst geschädigt durch einen Ausbruch der Empfindlichkeit, die bei ihm äußerlich durch die volle Höflichkeit guter Erziehung verdeckt wurde, aber doch von einer für den geläufigen und vertraulichen Geschäftsverkehr störenden Schärfe war. Mein damaliger Beistand für vertrauliche Geschäfte, der Geheim-Rath Tiedemann, veranlaßte durch die Form, in der er einen Auftrag während meiner Abwesenheit von Berlin bei dem Grafen ausrichtete, diesen zu einer mir unerwarteten brieflichen Explosion. Da mein Auftrag an Tiedemann ein sachliches und noch lebendiges Interesse hat, so lasse ich die Correspondenz folgen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 531 Ferner bedarf das Gesetz meines Erachtens eines Zusatzes in Betreff der Beamten dahingehend, daß Betheiligung an socialistischer Politik die Entlassung ohne Pension nach sich zieht. Die Mehrzahl der schlecht bezahlten Subalternbeamten in Berlin, und dann der Bahnwärter, Weichensteller und ähnlicher Kategorien sind Socialisten, eine Thatsache, deren Gefährlichkeit bei Aufständen und Truppentransporten einleuchtet. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 537 „Berlin, den 18. August 1878. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 547 „Berlin, den 18. December 1881. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 555 „Berlin, den 18. December 1881. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 560 [2-195] Die Beschwerde des Grafen Eulenburg über Tiedemann und die darin sofort gestellte Cabinetsfrage waren mir in ihrer Form um so mehr auf die Nerven gefallen, als ich an den Folgen einer schweren Erkrankung litt, die durch die Einwirkung der auf den Kaiser gemachten Attentate und den gleichzeitigen Zwang zur Arbeit in dem Präsidium des Berliner Congresses hervorgerufen, zwar aus amtlichem Pflichtgefühle zurückgedrängt, aber durch die Gasteiner Kur mehr verschärft als geheilt war. Diese Kur, der mein Mitarbeiter, der Staatsminister Bernhard von Bülow, am 20. October 1879 erlag, wirkt auf überarbeitete Nerven nicht beruhigend, wenn sie durch Arbeit oder Gemüthsbewegung gestört wird. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 561 Unmittelbar nach meiner Rückkehr nach Berlin hatte ich die Vorlage des Socialistengesetzes im Reichstage zu vertreten und fand dabei die Erfahrung bestätigt, daß die oratorische Leistung auf der Tribüne eine geringere Nervenanstrengung erfordert als die Correctur einer langen schnell gesprochenen Rede, deren Wortlaut an leitender Stelle vertreten werden soll. Während einer solchen Correctur kam bei mir eine seit Monaten vorbereitete Nervenkrisis körperlich zum Ausbruche, glücklicherweise in der leichtern Form der Nesselsucht. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 605 Berliner Congreß. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 609 [2-212] die Sondirung durch eine Anfrage bei dem Vertreter der zu sondirenden Macht seine Bedenken hat, hatte die russische Diplomatie durch die Vorgänge zwischen dem Kaiser Nicolaus und Seymour erfahren. Die Neigung Gortschakows, telegraphische Anfragen bei uns nicht durch den russischen Vertreter in Berlin, sondern durch den deutschen in Petersburg zu bewirken 1), hat mich genöthigt, unsre Missionen in Petersburg häufiger als an andern Höfen darauf aufmerksam zu machen, daß ihre Aufgabe nicht in der Vertretung der Anliegen des russischen Cabinets bei uns, sondern unsrer Wünsche an Rußland liege. Die Versuchung für einen Diplomaten, seine dienstliche und gesellschaftliche Stellung durch Gefälligkeiten für die Regirung, bei der er beglaubigt ist, zu pflegen, ist groß und wird noch gefährlicher, wenn der fremde Minister unsern Agenten für seine Wünsche bearbeiten und gewinnen kann, ehe dieser alle die Gründe kennt, aus denen für seine Regirung die Erfüllung und selbst die Zumuthung inopportun ist. Außerhalb aller aber, selbst der russischen, Gewohnheiten lag es, wenn der deutsche Militärbevollmächtigte am russischen Hofe uns, und während ich nicht in Berlin war, auf Befehl des russischen Kaisers eine politische Frage von großer Tragweite in dem kategorischen Stile eines Telegramms vorlegte. Ich hatte, so unbequem sie mir auch war, nie eine Aenderung in der alten Gewohnheit erlangen können, daß unsre Militärbevollmächtigten in Petersburg nicht, wie andre, durch das Auswärtige Amt, sondern direct in eigenhändigen Briefen an Se. Majestät berichteten, — einer Gewohnheit, die sich davon herschrieb, daß Friedrich Wilhelm III. dem ersten Militärattaché in Petersburg, dem frühern Commandanten von Kolberg, Lucadou, eine besonders intime Stellung zu dem Kaiser gegeben hatte. Freilich meldete der Militärattaché in solchen Briefen Alles, was der russische Kaiser über Politik in dem gewohnheitsmäßigen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 612 Bevor ich die Werdersche Anfrage sachlich beantwortete, versuchte ich es mit dilatorischen Rückäußerungen, bezugnehmend auf die Unmöglichkeit, mich auf eine solche Frage ohne höhere Ermächtigung zu äußern, und empfahl auf wiederholtes Drängen, die Frage auf amtlichem, wenn auch vertraulichem Wege durch den russischen Botschafter in Berlin im Auswärtigen Amte zu stellen. Indessen schnitten wiederholte Interpellationen durch Werdersche Telegramme diesen ausweichenden Weg ab. Inzwischen hatte ich Se. Majestät gebeten, Herrn von Werder, der in Livadia diplomatisch gemißbraucht (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 613 [2-214] werde, ohne sich dessen erwehren zu können, telegraphisch an das kaiserliche Hoflager zu berufen und ihm die Uebernahme von politischen Aufträgen zu untersagen, als eine Leistung, die dem russischen, aber nicht dem deutschen Dienste angehöre. Der Kaiser ging auf meinen Wunsch nicht ein, und da Kaiser Alexander endlich auf Grund unsrer persönlichen Beziehungen die Aussprache meiner eignen Meinung unter Betheiligung der russischen Botschaft in Berlin von mir verlangte, so war es mir nicht länger möglich, der Beantwortung der indiscreten Frage auszuweichen. Ich ersuchte den Botschafter von Schweinitz, der am Ende seines Urlaubs stand, mich vor der Rückkehr nach St. Petersburg in Varzin zu besuchen, um meine Instruction entgegenzunehmen. Vom 11. bis 13. October war Schweinitz mein Gast. Ich beauftragte ihn, sich sobald als möglich über Petersburg an das Hoflager des Kaisers Alexander nach Livadia zu begeben. Der Sinn meiner Instruction für Herrn von Schweinitz war, unser erstes Bedürfniß sei, die Freundschaft zwischen den großen Monarchien zu erhalten, welche der Revolution gegenüber mehr zu verlieren, als im Kampfe unter einander zu gewinnen hätten. Wenn dies zu unserm Schmerze zwischen Rußland und Oestreich nicht möglich sei, so könnten wir zwar ertragen, daß unsre Freunde gegen einander Schlachten verlören oder gewönnen, aber nicht, daß einer von beiden so schwer verwundet und geschädigt werde, daß seine Stellung als unabhängige und in Europa mitredende Großmacht gefährdet würde. Diese unsre Erklärung, welche von uns in zweifelsfreier Deutlichkeit zu erzwingen Gortschakow seinen Herrn bewogen hatte, um ihm den platonischen Charakter unsrer Liebe zu beweisen, hatte zur Folge, daß das russische Gewitter von Ostgalizien sich nach dem Balkan hin verzog, — und daß Rußland anstatt der mit uns abgebrochnen Verhandlungen dergleichen mit Oestreich, so viel ich mich erinnere, zunächst in Pest, im Sinne der Abmachungen von Reichstadt, wo die Kaiser Alexander und Franz Joseph am 8. Juli 1876 zusammengetroffen waren, einleitete unter dem Verlangen, sie vor (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 614 [2-215] uns geheim zu halten. Diese Convention 1), nicht der Berliner Congreß, ist die Grundlage des östreichischen Besitzes an Bosnien und der Herzegowina und hat den Russen während ihres Krieges mit den Türken die Neutralität Oestreichs gesichert. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 616 Daß das russische Cabinet in den Abmachungen von Reichstadt den Oestreichern für ihre Neutralität die Erwerbung Bosniens zugestanden hat, läßt annehmen, daß Herr von Oubril uns nicht die Wahrheit sagte, indem er versicherte, es werde sich in dem Balkankriege nur um eine promenade militaire, um Beschäftigung des trop plein des Heeres und um Roßschweife und Georgenkreuze handeln; dafür wäre Bosnien ein zu hoher Preis gewesen. Wahrscheinlich hatte man in Petersburg darauf gerechnet, daß Bulgarien, wenn von der Türkei losgelöst, dauernd in Abhängigkeit von Rußland bleiben werde. Diese Berechnung würde wahrscheinlich auch dann nicht zugetroffen sein, wenn der Friede von San Stefano ungeschmälert zur Ausführung gekommen wäre. Um nicht vor dem eignen Volke für diesen Irrthum verantwortlich zu sein, hat man sich mit Erfolg bemüht, der deutschen Politik, der „Untreue“ des deutschen Freundes die Schuld für den unbefriedigenden Ausgang des Krieges aufzubürden. Es war das eine unehrliche Fiction; wir hatten niemals etwas Andres in Aussicht gestellt als wohlwollende Neutralität, und wie ehrlich wir es damit gemeint haben, ergibt sich schon daraus, daß wir uns durch die von Rußland verlangte Geheimhaltung der Reichstadter Abmachungen vor uns in unserm Vertrauen und Wohlwollen für Rußland nicht irre machen ließen, sondern bereitwillig dem Wunsche, den der Graf Peter Schuwalow mir nach Friedrichsruh überbrachte, entgegen kamen, einen Congreß nach Berlin zu berufen. Der Wunsch (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 618 [2-216] Achtundzwanzigstes Kapitel: Berliner Congreß. der russischen Regirung, vermittelst eines Congresses zu dem Frieden mit der Türkei zu gelangen, bewies, daß sie sich militärisch nicht stark genug fühlte, es auf Krieg mit England und Oestreich ankommen zu lassen, nachdem die rechtzeitige Besetzung von Constantinopel einmal versäumt war. Für die Mißgriffe der russischen Politik theilt Fürst Gortschakow ohne Zweifel mit jüngern und energischeren Gesinnungsgenossen die Verantwortlichkeit, aber frei davon ist er nicht. Wie stark seine Stellung, nach den russischen Traditionen gemessen, dem Kaiser gegenüber war, zeigt die Thatsache, daß er gegen den ihm bekannten Wunsch seines Herrn an dem Berliner Congresse als Vertreter Rußlands theilnahm. Indem er, gestützt auf seine Eigenschaft als Reichskanzler und auswärtiger Minister, seinen Sitz einnahm, entstand die eigenthümliche Situation, daß der vorgesetzte Reichskanzler und der seinem Ressort unterstellte Botschafter Schuwalow neben einander figurirten, der Träger der russischen Vollmacht aber nicht der Reichskanzler sondern der Botschafter war 1). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 622 Bei den diplomatischen Verhandlungen über Ausführung der Bestimmungen des Berliner Congresses wurde in Petersburg erwartet, daß wir jede russische Auffassung der östreichisch-englischen gegenüber ohne weitres und namentlich ohne vorgängige Verständigung zwischen Berlin und Petersburg unterstützen und durchsetzen würden. Meine angedeutete, endlich ausgesprochene Forderung, die russischen Wünsche uns vertraulich, aber deutlich auszusprechen und darüber zu verhandeln, wurde eludirt, und ich erhielt den Eindruck, daß Fürst Gortschakow von mir, wie eine Dame von ihrem Verehrer, erwartete, daß ich die russischen Wünsche errathen und vertreten würde, ohne daß Rußland selbst sie auszusprechen und dadurch eine Verantwortlichkeit zu übernehmen brauchte. Selbst in Fällen, wo wir annehmen durften, der russischen Interessen und Absichten völlig gewiß zu sein, und glaubten, der russischen Politik einen Beweis unsrer Freundschaft freiwillig geben zu können, ohne (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 624 Irrthümer in der Cabinetspolitik der großen Mächte strafen sich nicht sofort, weder in Petersburg noch in Berlin, aber unschädlich sind sie nie. Die geschichtliche Logik ist noch genauer in ihren Revisionen als unsre Oberrechenkammer. Bei Ausführung der Congreßbeschlüsse erwartete und verlangte Rußland, daß die deutschen Commissarien bei localen Verhandlungen darüber im Orient, bei Divergenzen zwischen russischen und andern Auffassungen, generell der russischen zustimmen sollten 1). Uns konnte in manchen Fragen allerdings die objective Entscheidung ziemlich gleichgültig sein, es kam für uns nur darauf an, die Stipulationen ehrlich auszulegen und unsre Beziehungen auch zu den übrigen Großmächten nicht durch parteiisches Verhalten zu stören in Localfragen, die ein deutsches (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 627 In dieser Situation nun kam ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers Alexander, das trotz aller Verehrung für den bejahrten Freund und Oheim an zwei Stellen bestimmte Kriegsdrohungen enthielt in der Form, die völkerrechtlich üblich ist, etwa des Inhalts: wenn die Weigerung, das deutsche Votum dem russischen anzupassen, festgehalten wird, so kann der Friede zwischen uns nicht dauern. Dieses Thema war in scharfen und unzweideutigen Worten an zwei Stellen variirt. Daß Fürst Gortschakow, der am 6. September 1879 in einem Interview mit dem Correspondenten des orleanistischen „Soleil“, Louis Peyramont, Frankreich eine sehr auffallende Liebeserklärung machte, auch an jenem Schreiben mitgearbeitet hatte, sah ich dem letztern an; durch zwei spätre Wahrnehmungen wurde meine Vermuthung bestätigt. Im October hörte eine Dame der Berliner Gesellschaft, die in dem Hôtel de l'Europe in Baden-Baden Zimmernachbarin Gortschakows war, ihn sagen: „j'aurais voulu faire la guerre, mais la France a d'autres intentions.“ Und am 1. November war der Pariser Correspondent der „Times“ in der Lage, seinem Blatte zu melden, vor der Zusammenkunft in Alexandrowo habe der Zar an Kaiser Wilhelm geschrieben, sich über die Haltung Deutschlands beschwert und sich der Phrase bedient: „Der Kanzler Ew. Majestät hat die Versprechungen von 1870 vergessen“ *). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 631 Betrachtungen analog denen, welche den Versuch widerriethen, die complicirten Schwierigkeiten von 1863 auf dem Wege eines russischen Bündnisses zu lösen 1), standen in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ebenfalls einer stärkern Accentuirung der russischen Freundschaft ohne Oestreich entgegen. Ich weiß nicht, in wie weit Graf Peter Schuwalow vor Beginn des letzten Balkankrieges und während des Congresses ausdrücklich beauftragt war, die Frage eines deutsch-russischen Bündnisses zu besprechen; er war nicht in Berlin beglaubigt, sondern in London, seine persönlichen Beziehungen zu mir gestatteten ihm aber, sowohl bei seinen vorübergehenden Berührungen Berlins auf der Durchreise wie während des Congresses mit mir alle Eventualitäten rückhaltlos zu besprechen. Anfang Februar 1877 hatte ich von ihm ein längeres Schreiben aus London erhalten; meine Antwort und seine Erwiderung darauf lasse ich folgen: (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 632 Berlin, le 15 février 1877. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 645 Eloigné depuis un an de Berlin et de Pétersbourg, le doute s'était emparé de moi. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 652 [2-224] Des affaires particulières me réclament impérieusement en Russie; je compte demander un court congé aussitôt qu'une décision sera prise chez nous dans un sens ou dans l'autre. J'espère, mon cher Prince, que vous me permettrez de vous voir à mon passage par Berlin — j'y tiens énormément. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 659 [2-225] einschränkte und allen übrigen Staaten den russischen Wünschen entsprechend absagte, Rußland gegenüber in eine ungleiche Stellung gerathen könne, weil die geographische Lage und die autokratische Verfassung Rußlands diesem für das Aufgeben des Bündnisses stets mehr Leichtigkeit gewähre, als wir haben würden, und weil das Festhalten an der alten Tradition des preußisch-russischen Bundes doch immer nur auf zwei Augen stehe, d. h. von dem Gemüthsleben des jedesmaligen Kaisers von Rußland abhänge. Unsre Beziehungen zu Rußland beruhten wesentlich auf dem persönlichen Verhältniß beider Monarchen zu einander und auf dessen richtiger Pflege durch höfische und diplomatische Geschicklichkeit, respective Gesinnung der beiderseitigen Vertreter. Wir hätten das Beispiel gehabt, daß bei ziemlich hülflosen preußischen Gesandten in Petersburg durch die Geschicklichkeit von Militärbevollmächtigten, wie der Generale von Rauch und Graf Münster, die gegenseitigen Beziehungen intim geblieben wären, trotz mancher berechtigten Empfindlichkeit auf beiden Seiten. Wir hätten ebenso erlebt, daß jähzornige oder reizbare Vertreter Rußlands, wie Budberg und Oubril, durch ihre Haltung in Berlin und durch ihre Berichterstattung, wenn sie persönlich verstimmt waren, Eindrücke erzeugten, welche auf die gegenseitigen Gesammtbeziehungen zweier Völker von einundeinhalb Hundert Millionen gefährlich zurückwirken konnten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 660 Ich erinnere mich, daß Fürst Gortschakow mir, als ich in Petersburg Gesandter war und seines unbegrenzten Vertrauens mich erfreute, mitunter, wenn er mich warten ließ, noch unerbrochne Berliner Berichte zu lesen gab, bevor er selbst sie durchgesehn hatte. Ich war zuweilen erstaunt, daraus zu entnehmen, mit welchem Uebelwollen mein früherer Freund Budberg seiner Empfindlichkeit über irgend ein Erlebniß in der Gesellschaft oder auch nur dem Bedürfniß, einen witzigen Sarkasmus über Berliner Verhältnisse am Hofe und in dem Ministerium anzubringen, die Aufgabe der Erhaltung der gegenwärtigen Beziehungen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 661 [2-226] unterordnete. Seine Berichte wurden natürlich dem Kaiser vorgelegt und zwar ohne Commentar und ohne Vortrag, und die kaiserlichen Randbemerkungen, von denen Gortschakow mir in der weitern geschäftlichen Correspondenz mitunter Einsicht gestattete, lieferten mir den zweifellosen Beweis, wie der uns wohlgesinnte Kaiser Alexander II. für die verstimmten Berichte von Budberg und Oubril empfänglich war und daraus nicht auf die falsche Darstellung seiner Vertreter, sondern auf den in Berlin herrschenden Mangel an einsichtiger und wohlwollender Politik schloß. Wenn der Fürst Gortschakow mir derartige Dinge unerbrochen zu lesen gab, um mit seinem Vertrauen zu coquettiren, so pflegte er zu sagen: „Vous oublierez ce que vous ne deviez pas lire,“ was ich natürlich, nachdem ich im Nebenzimmer die Depeschen durchgesehn hatte, zusagte und, so lange ich in Petersburg war, auch gehalten habe, da es nicht meine Aufgabe war, die Beziehungen beider Höfe durch Anklagen gegen den Vertreter des russischen in Berlin zu verschlechtern, und da ich ungeschickte Verwerthung meiner Meldungen zu höfischen Intrigen und Verhetzungen befürchtete. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 663 [2-227] Darstellungen eigneten, zu verschweigen, und als ich Minister war, dergleichen allerhöchsten Orts nicht vorzulegen. In der Stellung eines Botschafters am Hofe einer Großmacht findet die Verpflichtung zur mechanischen Berichterstattung über alle am Domicil des Botschafters vorkommenden thörichten Reden und Bosheiten nicht Anwendung. Ein Botschafter nicht nur, sondern auch jeder deutsche Diplomat an einem deutschen Hofe, sollte nicht Berichte schreiben, wie sie Budberg, Oubril aus Berlin, Balabin aus Wien nach Hause sandten in der Berechnung, daß sie als witzig mit Interesse und mit selbstgefälliger Heiterkeit gelesen würden, sondern er sollte sich, so lange die Verhältnisse freundlich sind und bleiben sollen, des Hetzens und Klatschens enthalten. Wer nur das Förmliche des Geschäftsganges im Auge hat, wird es allerdings für das Richtigste halten, daß der Gesandte rückhaltlos meldet, was er hört, und es dem Minister überläßt, über was er hinwegsehn und was er betonen will. Ob das aber sachlich zweckmäßig ist, hängt von der Persönlichkeit des Ministers ab. Da ich mich für ebenso einsichtig hielt wie Herrn von Schleinitz und einen tiefern und gewissenhaftern Antheil an dem Schicksal unsres Landes nahm als er, so habe ich mich für berechtigt und verpflichtet gehalten, manches nicht zu seiner Kenntniß zu bringen, was in seinen Händen Verhetzungen und Intrigen am Hofe im Sinne einer Politik dienen konnte, die nicht die des Königs war. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 670 [2-230] für das Bedürfniß des Zusammenhaltens im Interesse staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung kein Verständniß haben, sondern sich chauvinistischen Regungen ihrer Unterthanen dienstbar machen, so befürchte ich, daß die internationalen revolutionären und socialen Kämpfe, die auszufechten sein werden, um so gefährlicher und für den Sieg der monarchischen Ordnung schwieriger sich gestalten werden. Ich habe die nächstliegende Assecuranz gegen diese Kämpfe seit 1871 in dem Dreikaiserbunde und in dem Bestreben gesucht, dem monarchischen Prinzipe in Italien eine feste Anlehnung an diesen Bund zu gewähren. Ich war nicht ohne Hoffnung auf einen dauernden Erfolg, als im September 1872 die Zusammenkunft der drei Kaiser in Berlin, demnächst die Besuche meines Kaisers in Petersburg im Mai, des Königs von Italien in Berlin im September, des deutschen Kaisers in Wien im October des folgenden Jahres stattfanden. Die erste Trübung dieser Hoffnung wurde 1875 verursacht durch die Hetzereien des Fürsten Gortschakow 1), der die Lüge verbreitete, daß wir Frankreich, bevor es sich von seinen Wunden erholt hätte, zu überfallen beabsichtigten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 697 [2-239] Abschluß des Defensivbundes mit Oestreich. werth wäre. Die russischen Bestrebungen sind unruhig und friedlos geblieben; der Einfluß des panslavistischen Chauvinismus auf die Stimmungen des Kaisers Alexander hat sich gesteigert, und mit der, wie es leider scheint, ernstlichen Ungnade des Grafen Schuwalow hat dessen Werk, der Berliner Congreß, seine Verurtheilung durch den Kaiser erfahren. Der leitende Minister, insoweit es einen solchen in Rußland gegenwärtig giebt, ist der Kriegsminister Milutin. Auf sein Verlangen sind jetzt nach dem Frieden, wo Rußland von niemand bedroht ist, die gewaltigen Rüstungen erfolgt, welche trotz der Finanzopfer des Krieges den Friedensstand des russischen Heeres um 56000, den Stand der mobilen westlichen Kriegsarmee um fast 400000 Mann steigerten. Diese Rüstungen können nur gegen Oestreich oder Deutschland bestimmt sein, und die Truppenaufstellungen im Königreich Polen entsprechen einer solchen Bestimmung. Der Kriegsminister hat auch den technischen Commissionen *) gegenüber rückhaltlos geäußert, daß Rußland sich auf einen Krieg ,mit Europa‘ einrichten müsse. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 699 *) Welche gewisse Bestimmungen des Berliner Vertrages vom 13. Juli 1878 auszuführen hatten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 735 Alle Erwägungen und Argumente, die ich dem in Baden befindlichen Kaiser schriftlich aus Gastein, aus Wien und demnächst aus Berlin unterbreitete, waren ohne die gewünschte Wirkung. Um die Zustimmung des Kaisers zu dem von mir mit Andrassy vereinbarten und von dem Kaiser Franz Joseph unter der Voraussetzung, daß Kaiser Wilhelm dasselbe thun würde, genehmigten Vertragsentwurfe herbeizuführen, war ich genöthigt, zu dem für mich sehr peinlichen Mittel der Cabinetsfrage zu greifen, und es gelang mir, meine Collegen für mein Vorhaben zu gewinnen. Da ich selbst von den Anstrengungen der letzten Wochen und von der Unterbrechung der Gasteiner Cur zu angegriffen war, um die (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 745 Die Gefahren, die für unsre Einigkeit mit Oestreich in den Versuchungen russisch-östreichischer Verständigungen im Sinne der Zeit von Joseph II. und Katharina oder der Reichstadter Convention und ihrer Heimlichkeit liegen, lassen sich, so weit das überhaupt möglich ist, paralysiren, wenn wir zwar fest auf Treue gegen Oestreich, aber auch darauf halten, daß der Weg von Berlin nach (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 756 [2-256] Gesammtmonarchie würde eine katholisch-monarchische Restauration in Frankreich die Beziehungen wieder beleben können, die 1863 und zwischen 1866 und 1870 in gemeinsamer Diplomatie und in mehr oder weniger reifen Vertragsbildungen ihren Ausdruck fanden. Die Bürgschaft, die diesen Möglichkeiten gegenüber in der Person des heutigen Kaisers von Oestreich und Königs von Ungarn liegt, steht, wie gesagt, auf zwei Augen; eine voraussehende Politik soll aber alle Eventualitäten im Auge behalten, die im Reiche der Möglichkeit liegen. Die Möglichkeit eines Wettbewerbes zwischen Wien und Berlin um russische Freundschaft kann ebenso gut wiederkommen, wie sie zur Zeit von Olmütz vorhanden war, und zur Zeit des Reichstadter Vertrages unter dem uns sehr wohlgesinnten Grafen Andrassy Lebenszeichen gab. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 762 [2-258] Spitze abzubrechen, das wiederholt durch fremde und einheimische Entstellungen und gelegentlich durch diesseitige militärische Unterströmungen in ihm erregt wurde. Er hat mir, als ich ihn auf der Danziger Rhede zum ersten Male als Kaiser sah, und bei allen spätern Begegnungen auch trotz der über den Berliner Congreß verbreiteten Lügen und trotz der Kenntniß des östreichischen Vertrags ein Wohlwollen bewiesen, das in Skierniewice und in Berlin zum authentischen Ausdruck kam und darauf beruhte, daß er mir glaubte. Selbst die durch ihre unverschämte Dreistigkeit eindrucksvolle Intrige mit gefälschten Briefen, die ihm in Kopenhagen zugesteckt worden waren, wurde durch meine einfache Versicherung sofort unschädlich gemacht. Ebenso gelang es mir bei der Begegnung im October 1889, die Zweifel, die er wieder aus Kopenhagen mitgebracht hatte, zu zerstreuen bis auf den einen, ob ich Minister bleiben würde. Er war wohl besser unterrichtet als ich, als er die Frage an mich richtete, ob ich meiner Stellung bei dem jungen Kaiser ganz sicher sei. Ich antwortete, was ich damals dachte, daß ich von dem Vertrauen Kaiser Wilhelms II. zu mir überzeugt sei und nicht glaubte, daß ich jemals gegen meinen Willen würde entlassen werden, weil Seine Majestät bei meiner langjährigen Erfahrung im Dienste und bei dem Vertrauen, das ich mir in Deutschland sowohl wie bei den auswärtigen Höfen erworben hätte, in meiner Person einen schwer zu ersetzenden Diener besäße. Der Kaiser gab seiner großen Genugthuung über meine Zuversicht Ausdruck, wenn er sie auch nicht unbedingt zu theilen schien. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 774 Wie auch diese Phase der von mir vorausgesetzten russischen Politik verlaufen mag, so wird aus derselben immer die Situation entstehn, daß Rußland wie im Juli 1853 ein Pfand nimmt und abwartet, ob man und wer es ihm wieder abnehmen werde. Der erste Schritt der russischen Diplomatie nach diesen seit lange vorbereiteten Operationen würde vielleicht eine vorsichtige Sondirung in Berlin sein, bezüglich der Frage, ob Oestreich oder England, wenn sie sich dem russischen Vorgehn kriegerisch widersetzten, auf die Unterstützung Deutschlands rechnen könnten. Diese Frage würde meiner Ueberzeugung nach unbedingt zu verneinen sein. Ich glaube, daß es für Deutschland nützlich sein würde, wenn die Russen auf dem einen oder andern Wege, physisch oder diplomatisch, sich in Konstantinopel festgesetzt und dasselbe zu vertheidigen hätten. Wir würden dann nicht mehr in der Lage sein, von England und gelegentlich auch von Oestreich als Hetzhund gegen russische Bosporus-Gelüste ausgebeutet zu werden, sondern abwarten können, ob Oestreich angegriffen wird und damit unser casus belli eintritt. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 777 Wenn man die Sondirung, ob Rußland, wenn es wegen seines Vorgreifens nach dem Bosporus von andern Mächten angegriffen wird, auf unsre Neutralität rechnen könne, so lange Oestreich nicht gefährdet werde, in Berlin verneinend oder gar bedrohlich beantwortet, so wird Rußland zunächst denselben Weg wie 1876 in Reichstadt einschlagen und wieder versuchen, Oestreichs Genossenschaft zu gewinnen. Das Feld, auf dem Rußland Anerbietungen machen könnte, ist ein sehr weites, nicht nur im Orient auf Kosten der Pforte, sondern auch in Deutschland auf unsre Kosten. Die Zuverlässigkeit unsres Bündnisses mit Oestreich- Ungarn gegenüber solchen Versuchungen wird nicht allein von dem Buchstaben der Verabredung, sondern auch einigermaßen von dem Charakter der Persönlichkeiten und von den politischen und confessionellen Strömungen abhängen, die dann in Oestreich leitend sein werden. Gelingt es der russischen Politik, Oestreich zu gewinnen, so ist die Coalition des siebenjährigen Krieges gegen uns fertig, denn Frankreich wird immer gegen uns zu haben sein, weil seine Interessen am Rheine gewichtiger sind als die im Orient und am Bosporus. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 831 [2-282] Vaters. Der Einfluß seiner Gemalin brachte ihn in reifern Jahren in Opposition gegen das traditionelle Prinzip, und die Unfähigkeit seiner Minister der Neuen Aera und das überstürzende Ungeschick der liberalen Parlamentarier in der Conflictszeit weckte in ihm wiederum den alten Pulsschlag des preußischen Prinzen und Offiziers, zumal er mit der Frage, ob die Bahn, die er einschlug, gefährlich sei, niemals rechnete. Wenn er überzeugt war, daß Pflicht und Ehre, oder eins von beiden, ihm geboten, einen Weg zu betreten, so ging er ihn ohne Rücksicht auf die Gefahren, denen er ausgesetzt sein konnte, in der Politik ebenso wie auf dem Schlachtfelde. Einzuschüchtern war er nicht. Die Königin war es, und das Bedürfniß des häuslichen Friedens mit ihr war ein unberechenbares Gewicht, aber parlamentarische Grobheiten oder Drohungen hatten nur die Wirkung, seine Entschlossenheit im Widerstande zu stärken. Mit dieser Eigenschaft hatten die Minister der Neuen Aera und ihre parlamentarischen Stützen und Gefolgschaften niemals gerechnet. Graf Schwerin war in seinem Mißverstehn dieses furchtlosen Offiziers auf dem Throne so weit gegangen, zu glauben, ihn durch Ueberhebung und Mangel an Höflichkeit einschüchtern zu können 1). In diesen Vorgängen lag der Wendepunkt des Einflusses der Minister der Neuen Aera, der Altliberalen und der Bethmann-Hollwegschen Partei, von dem ab die Bewegung rückläufig wurde, die Leitung in Roons Hände fiel und der Ministerpräsident Fürst Hohenzollern mit seinem Adjuncten Auerswald meinen Eintritt in das Ministerium wünschten. Die Königin und Schleinitz verhinderten ihn einstweilen noch, als ich im Frühjahr 1860 in Berlin war, aber die Aeußerlichkeiten, die zwischen dem Herrn und seinen Ministern vorgekommen waren, hatten in die gegenseitigen Beziehungen doch einen Riß gebracht, der nicht mehr vernarbte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 834 Die Prinzessin Augusta vertrat unter Friedrich Wilhelm IV. in der Regel den Gegensatz zur Regirungspolitik; die Neue Aera der Regentschaft sah sie als ihr Ministerium an, wenigstens bis zum Rücktritt des Herrn von Schleinitz. Es lebte in ihr vorher und später ein Bedürfniß des Widerspruchs gegen die jedesmalige Haltung der Regirung ihres Schwagers und später ihres Gemals. Ihr Einfluß wechselte und zwar so, daß derselbe bis auf die letzten Lebensjahre stets gegen die Minister in's Gewicht fiel. War die Regirungspolitik conservativ, so wurden die liberalen Personen und Bestrebungen in den häuslichen Kreisen der hohen Frau ausgezeichnet und gefördert; befand sich die Regirung des Kaisers in ihrer Arbeit zur Befestigung des neuen Reiches auf liberalen Wegen, so neigte die Gunst mehr nach der Seite der conservativen und namentlich der katholischen Elemente, deren Unterstützung, da sie unter einer evangelischen Dynastie sich häufig und bis zu gewissen Grenzen regelmäßig in der Opposition befanden, überhaupt der Kaiserin nahe lag. In den Perioden, wo unsre auswärtige Politik mit Oestreich Hand in Hand gehn konnte, war die Stimmung gegen Oestreich unfreundlich und fremd; bedingte unsre Politik den Widerstreit gegen Oestreich, so fanden dessen Interessen Vertretung durch die Königin und zwar bis in die Anfänge des Krieges 1866 hinein. Während an der böhmischen Grenze schon gefochten wurde, fanden in Berlin unter dem Patronate Ihrer Majestät durch das Organ von Schleinitz noch Beziehungen und Unterhandlungen bedenklicher Natur statt. Herr von Schleinitz hatte, seit ich Minister des Aeußern und er selbst Minister des königlichen Hauses geworden, das Amt einer Art Gegenministers der Königin, um Ihrer Majestät Material zur Kritik und zur Beeinflussung des Königs zu liefern. Er hatte zu diesem Behufe die Verbindungen benutzt, die er in der Zeit, wo er mein Vorgänger war, im Wege (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 862 „Berlin, den 13. Januar 1870.Leider vergaß ich noch immer, Ihnen die Sieges-Medaille zu übergeben, die eigentlich zuerst in Ihren Händen hätte sein müssen, und so sende ich sie Ihnen hierbei als Siegel Ihrer Welthistorischen Leistungen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 867 „Berlin, den 21. März 1871. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 874 „Berlin, den 2. März 1872. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 890 Es ist Ihnen beschieden gewesen, in Zeit eines Vierteljahres Europa durch Ihre Einsicht, Umsicht und durch Ihren Muth den Frieden theils wiederzugeben, theils zu erhalten, und für Deutschland auf gesetzlichem Wege einem Feinde entgegen zu treten, der für alle Staatlichen Verhältnisse Verderben drohte. Wenn beide Weltgeschichtliche Ereignisse von allen Wohlgesinnten begriffen und Ihnen derselben Anerkennung zu Theil geworden ist, und ich selbst Ihnen diese Anerkennung beweisen konnte für das zuerst genannte Ereigniß des Berliner Congresses, so geziemt es mir nun auch für die Entschiedenheit, mit welcher Sie den Rechtsboden vertheidigt haben, Ihnen diese Anerkennung auch öffentlich darzulegen. Das Gesetz *), welches ich im Sinne habe und welches seine Entstehung einem meinem Herzen und Gemüth schmerzlichen Ereigniß verdankt, soll den deutschen Staaten ihren jetzigen rechtlichen Standpunkt erhalten und sichern, also auch Preußen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 899 „Berlin, den 1. April 1879. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 911 „Berlin, 1. April 1885. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 916 „Berlin zum 23. September 1887. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 930 „Berlin, den 23. Dezember 1887. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 933 [2-301] Briefe Wilhelms I. Im Princip bin ich ganz einverstanden, daß dies geschehe, aber die Ausführung ist eine sehr schwierige — Sie werden ja wissen, daß die an sich sehr natürliche Bestimmung, die ich auf Ihren Rath traf, daß mein Enkel W. in meiner Behinderung die laufenden Erlasse des Civil- und Militär-Cabinets unterschreiben werde unter der Ueberschrift ,auf Allerhöchsten Befehl' — daß diese Bestimmung den Kronprinzen sehr irritirt hat, als denke man in Berlin bereits an seinen Ersatz! Bei ruhigerer Ueberlegung wird sich mein Sohn wohl beruhigt haben. Schwieriger würde diese Ueberlegung sein, wenn er erfährt, daß seinem Sohn nun noch größere Einsicht in die Staatsgeschäfte gestattet wird und selbst ein Civil- Adjutant gegeben wird — wie ich seinerzeit meine vortragenden Räthe bezeichnete. Damals lagen die Dinge jedoch ganz anders, da ein Grund meinen königlichen Vater veranlassen konnte, einen Stellvertreter des damaligen Kronprinzen zu bestellen, obgleich meine Erbschaft an der Krone schon längst vorher zu sehen war und unterblieb meine Einführung bis zu meinem 44. Jahre, als mein Bruder mich sofort zum Mitglied des Staatsministeriums ernannte mit Beilegung des Titels als Prinz von Preußen. Mit dieser Stellung war also Zutheilung eines erfahrenen Geschäftsmannes nothwendig, um mich zur jedesmaligen Staats-Ministerial- Sitzung vorzubereiten. Zugleich erhielt ich täglich die politischen Dépéchen, nachdem dieselben durch 4–5–6 Hände, den Siegeln nach, gegangen waren! Für bloße Conversation, wie Sie es vorschlagen, einen Staatsmann meinem Enkel zuzutheilen, entbehrt also des Grundes einer Vorbereitung, wie bei mir, zu einem bestimmten Zweck u. würde bestimmt meinen Sohn von neuem u. noch mehr irritiren, was durchaus unterbleiben muß. Ich schlage Ihnen daher vor, daß die bisherige Art der Beschäftigung- Erlernung der Behandlung der Staats-Orientirung beibehalten wird d. h. einzelnen Staats-Ministerien zugetheilt werde und vielleicht auf zwei ausgedehnt werde, wie in diesem Winter, wo mein Enkel freiwillig den Besuch des Auswärtigen Amts ferner zu gestatten (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)