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Reichszeichen – Darstellungen und Symbole des Reichs in Reichsstädten. Zweite Tagung des Arbeitskreises „Reichsstadtgeschichtsforschung“ Mühlhausen 3. bis 5. März 2014, hg. v. Wittmann, Helge (= Studien zur Reichsstadtgeschichte Band 2). Michael Imhof Verlag, Petersberg 2015. 288 S., 116 Farbabb., 16 S/W-Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

Reichszeichen – Darstellungen und Symbole des Reichs in Reichsstädten. Zweite Tagung des Arbeitskreises „Reichsstadtgeschichtsforschung“ Mühlhausen 3. bis 5. März 2014, hg. v. Wittmann, Helge (= Studien zur Reichsstadtgeschichte Band 2). Michael Imhof Verlag, Petersberg 2015. 288 S., 116 Farbabb., 16 S/W-Abb. Besprochen von Ulrich-Dieter Oppitz.

 

Auf seiner zweiten Arbeitstagung im März 2014 beschäftigte sich der Arbeitskreis ‚Reichsstadtgeschichtsforschung‘ mit Symbolen und Darstellungen von Königtum und Reich im öffentlichen Raum der Reichsstädte. Die Beiträge beleuchten die große Vielfalt von Reichssymbolen in den Stadtbildern. Obwohl die Verluste und Zerstörungen in den vergangenen Jahrhunderten, besonders im zweiten Weltkrieg und der danach oftmals wenig pfleglichen Wiederaufbauphase, überaus groß sind, bleiben noch zahlreiche ikonographische Darstellungen übrig, die einer systematischen Auswertung wert sind. Eine Kurzdarstellung erlaubt es, den Reichtum der 14 Beiträge zu beschreiben. Michael Diefenbacher (Nürnberg) berichtet über die reichhaltige Ikonografie der Reichsstadt Nürnberg trotz ihrer großen Verluste in seinem Beitrag ‚Das allgegenwärtige Reich - Reichsikonografie und ihre Träger‘ (S. 9-29). Pierre Monnet, der das französische Institut für Geschichte in Frankfurt leitet, zeigt anhand der ‚Königs- und/oder Kaiserbilder – Reichssymbolik im mittelalterlichen Frankfurt‘ (S. 31-53), Symbole, Zeichen und Erinnerungen, die in Frankfurt in einer reichhaltigen Form wie in keiner anderen Reichsstadt überliefert waren. Als Ort von Königswahlen, Reichstagen und Messen kam Frankfurt über Jahrhunderte hinweg eine zentrale Bedeutung zu, die ihre ikonografischen Spuren hinterließ. Daniela Kah (Augsburg) erweist ‚die Sichtbarkeit des Reichs in der „wahrhaft königlichen Stadt“ Augsburg im späten Mittelalter‘ (S. 55-72) als Teil ihrer noch in Arbeit befindlichen Dissertation „In urbe vere regia“ über die Reichsstädte Augsburg, Nürnberg und Lübeck. In den Vordergrund ihrer Studie zur dauerhaften Präsenz des Reiches in der Reichsstadt stellt sie das Rathaus (Perlach); daneben weist sie daraufhin, dass auch die Zünfte bestrebt waren, in ihren Zunftstuben die Reichsikonografie zu verwenden. Thomas Schilp (ehemals Leiter des Stadtarchivs Dortmund) schildert am Beispiel ‚Kirchenbau und –ausstattung als politisches Programm: Zur Reichssymbolik im Hochchor der Dortmunder Reinoldikirche (um 1450)‘ (S. 73-86), wie sich diese Reichsstadt gegenüber den Ansprüchen des Kölner Erzbischofs zur Wehr setzte und dabei die Hauptkirche als Träger der Reichssymbolik nutzte. Die Zerstörungen von 1943/1945 lassen leider nur noch wenig von dem früheren Bauzustand erkennen, so dass die aus den Archivalien gearbeitete Studie Quellenwert hat. Martin Sünder (Mühlhausen) stellt in ‚zwischen irdischem Rat und himmlischer Sphäre – die Königsdarstellungen in der Südquerhausfassade der Mühlhäuser Marienkirche‘ (S. 87-104) die zwischenzeitlich als Museum gewidmete Marienkirche der älteren Divi Blasiikirche, die ebenfalls eine Königskirche war, gegenüber. Sünder zeigt in seinem Beitrag, dass Königtum und Königsherrschaft im Bereich der Marienkirche länger als an anderen Orten präsent war. Klaus - J. Lorenzen-Schmidt (Hamburg) beschreibt ‚das alte Hamburger Rathaus und seine Kaiserfiguren‘ (S. 105-112). Erst im Westfälischen Frieden zur Reichsstadt erhoben, suchte Hamburg die Reichssymbolik am Erweiterungsbau des Rathauses ab 1649 darzustellen. Nach dem großen Stadtbrand von 1842 wurden die Figuren an verschiedenen Stellen im Stadtgebiet gelagert bis sie ab 1922 an der Fassade des Museums für Hamburgische Geschichte ihren Platz fanden. Der Beitrag macht deutlich, dass Hamburg, das nach dem Wiener Kongress als eine der vier Freien Städte übrig blieb, erst überaus kurz zum Kreis der Reichsstädte gehört. Roland Deigendesch (Reutlingen) kann demgegenüber in seinem Beitrag ‚Adler versus Hirschhorn – Zur Geschichte von Siegel und Wappen der Reichsstadt Reutlingen‘ (S.113-136) die Symbolik einer Reichsstadt darlegen, die bereits seit dem 13. Jahrhundert durch die Staufer in Schwaben ihre Freiheit bekam. Die verschiedenen Formen der überlieferten Ratssiegel und Stadtwappen bis zum Überfall Herzog Ulrichs von Württemberg (1519) auf die Stadt lassen eine andere Form als das 1519 aufgezwungene neue Stadtsiegel und Wappen erkennen. Die Heranziehung einer Wappendarstellung auf einem Retabel bringt ein kunstgeschichtliches Objekt für eine wichtige Phase der Stadtgeschichte zur Geltung. Die rechtswidrige Besetzung Reutlingens wurde bereits 1519 wieder beendet und führte mit zur Absetzung Herzog Ulrichs von Württemberg. Als 1802 Reutlingen seine Freiheit verlor, wurden die württembergischen Hirschstangen Teil des Wappens und zeigten die neuen Machtverhältnisse. Als Teil seines Habilitationsprojektes stellt Markus Späth (Gießen) ‚Zeichen bürgerschaftlicher Repräsentation – Reichsstädtsiche Siegel und ihre künstlerischen Kontexte‘ vor (S. 137-166). Zur Illustration dienen ihm Siegel von Mühlhausen, Nordhausen, Breisach, Blankenberg, Speyer und Worms. Die Siegelbilder verfassungsgeschichtlich ähnlicher  Reichsstädte und freier Städte konnten durchaus recht verschiedene sein. Stereotype Bildformate entwickelten sich seiner Beobachtung nach nicht. Gerrit Deutschländer (Halle/Saale) geht in seinem Beitrag ‚Der Adler über dem Tor – Reichsstädtische Tore und ihre Symbolik‘ (S. 166-186) von Abbildungen Mühlhausens aus, bezieht jedoch auch Chur, Frankfurt, Neuss, Nördlingen, Nordhausen, Nürnberg, Schwäbisch Hall und Ulm in seine Betrachtung ein. Für den als rechtmäßigen und frommen Herrscher in seine Stadt einziehenden Kaiser wurde jeweils bei seinen Besuchen an den Toren durch die Stadt die Ehrerbietung entboten. Diesen Besuchen verdankten nicht selten die Tore ihre symbolischen Darstellungen. Ingrid Würth (Halle/Saale) zeigt die Bedeutung der ‚sogenannten falschen Friedriche als Mittel (reichs-)städtischer Politik‘ (S. 187-217). Zu Ende des 13. Jahrhunderts trat in Köln, später in Neuss und schließlich in Wetzlar mit Dietrich Holzschuh ein Mann auf, der sich als wiedergekehrter Kaiser Friedrich II. ausgab. Die Autorin zeigt, wie sich die Bürgerschaft der Stadt Neuss dieser Person bediente, um Ansprüche gegen den Herzog von Brabant und den Grafen von Holland geltend zu machen. Die Probleme um Steuerschulden der Reichsstadt Wetzlar gegenüber König Rudolf waren ein geeigneter Boden für den Auftritt Holzschuhs im Jahre 1285, der jedoch schon bald mit seiner Gefangenschaft und Hinrichtung endete. Erstaunlich ist es, wie Holzschuhs eigenartiger Auftritt den Interessen zweier Städte diente, die letztendlich von ihm profitierten, so dass er die Folgen allein zu tragen hatte. Laurence Buchholzer-Remy (Straßburg) lenkt das Interesse auf ‚Die Burg oder die Rose? Das Schicksal der Reichssymbole in Hagenau‘ (S. 219-244) und zeigt die lange Tradition, in der die Reichsstadt Hagenau mit Bamberg, Schlettstadt und Ulm im Quaternionensystem stand. Hagenau selber war die erste Reichsstadt im Elsass, die dem französischen König Gehorsam und Treue schwor (1662). Die Autorin stellt weitere Forschungen zu der Frage in Aussicht, ob eine besondere soziale oder politische Schicht den Prozess einer Trennung der Reichsstadt vom Reich gefördert hat. Interessant für Forschungen zum Elsass sind Datenbanken zu den Kulturgütern (Service de l’inventaire du Patrimoine) (S. 230 Anm.10), die Hinweise zu Gebäuden, Objekten, Bildern und Fotos enthalten. Thomas Lau (Freiburg in der Schweiz) verweist in ‚Verschränkte Räume – Der langsame Abschied der eidgenössischen Städte von den Symbolen des Reiches‘ (S. 245-254) auf den ‚Weiberbrief‘ des Unüberwindlichen Großen Rates zu Stans (Nidwalden). Wenn auch die damit verbundene Überlieferung der Fasnacht zuzuordnen ist, so eröffnet sie doch durch ihre Verwendung verfremdeter Reichszeichen eine besondere Sicht auf das Ende der Zugehörigkeit zum Reich und das sie ablösende Gefühl einer Zuwendung zur Eidgenossenschaft. In ‚Kaiser Rudolph von Habsburg an Kaiser Franz Josef von Österreich – Zur Nachwirkung der Speyerer Kaisergräber im Haus Habsburg‘ (S. 255-264) schildert Joachim Kemper (Speyer) eine Episode, wie sich das bayerische Königshaus und der Kaiser von Österreich an der Förderung der Freilegung der Kaisergräber im Dom zu Speyer beteiligten. Eine durchaus erfolgreiche Initiative half bei der Neugestaltung der Kaisergrablegen. Michael Rothmann (Hannover) beendet mit ‚Schlußbetrachtungen – Reichsstädte und ihre reichsstädtischen Zeichensysteme‘ (S. 267-273) den überaus gelungenen Band, dem der Herausgeber ein Ortsregister und Personenregister angefügt hat.

 

Neu-Ulm                                                                                            Ulrich-Dieter Oppitz