AAAKöbler, Gerhard, Fürst in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, 2016
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Abs. 4 Als normales Product unsres staatlichen Unterrichts verließ ich Ostern 1832 die Schule als Pantheist, und wenn nicht als Republikaner, doch mit der Ueberzeugung, daß die Republik die vernünftigste Staatsform sei, und mit Nachdenken über die Ursachen, welche Millionen von Menschen bestimmen könnten, Einem dauernd zu gehorchen, während ich von Erwachsenen manche bittre oder geringschätzige Kritik über die Herrscher hören konnte. Dazu hatte ich von der turnerischen Vorschule mit Jahn'schen Traditionen (Plamann), in der ich vom sechsten bis zum zwölften Jahre gelebt, deutsch-nationale Eindrücke mitgebracht. Diese blieben im Stadium theoretischer Betrachtungen und waren nicht stark genug, um angeborne preußisch-monarchische Gefühle auszutilgen. Meine geschichtlichen Sympathien blieben auf Seiten der Autorität. Harmodius und Aristogiton sowohl wie Brutus waren für mein kindliches Rechtsgefühl Verbrecher und Tell ein Rebell und Mörder. Jeder deutsche Fürst, der vor dem 30jährigen Kriege dem Kaiser widerstrebte, ärgerte mich, vom Großen Kurfürsten an aber war ich parteiisch genug, antikaiserlich zu urtheilen und natürlich zu finden, daß der siebenjährige Krieg sich vorbereitete. Doch blieb mein deutsches Nationalgefühl so stark, daß ich im Anfang der Universitätszeit zunächst zur Burschenschaft in Beziehung gerieth, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 7 [1-3] der bürokratischen Laufbahn nach Jahrzehnten dahin führen konnte, an den höhern Stellen bemerkt und herangezogen zu werden. Als mustergültige Vordermänner auf diesem Wege wurden mir im Familienkreise damals Männer wie Pommer-Esche und Delbrück vorgehalten, und als einzuschlagende Richtung die Arbeit an und in dem Zollvereine empfohlen. Ich hatte, so lange ich in dem damaligen Alter an eine Beamtenlaufbahn ernstlich dachte, die diplomatische im Auge, auch nachdem ich von Seiten des Ministers Ancillon bei meiner Meldung dazu wenig Ermuthigung gefunden hatte. Derselbe bezeichnete nicht mir, aber hohen Kreisen gegenüber als Musterbild dessen, was unsrer Diplomatie fehle, den Fürsten Felix Lichnowski, obschon man hätte vermuthen sollen, daß diese Persönlichkeit, wie sie sich damals in Berlin zur Anschauung brachte, der anerkennenden Würdigung eines der evangelischen Geistlichkeit entstammenden Ministers nicht grade nahe stände. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 13 [1-6] Die Personen und Einrichtungen unsrer Justiz, in der ich zunächst beschäftigt war, gaben meiner jugendlichen Auffassung mehr Stoff zur Kritik als zur Anerkennung. Die praktische Ausbildung des Auscultators begann damit, daß man auf dem Criminalgericht das Protokoll zu führen hatte, wozu ich von dem Rathe, dem ich zugewiesen war, Herrn von Brauchitsch, über die Gebühr herangezogen wurde, weil ich damals über den Durchschnitt schnell und lesbar schrieb. Von den "Untersuchungen", wie die Criminalprozesse bei dem damals geltenden Inquisitionsverfahren genannt wurden, hat mir eine den nachhaltigsten Eindruck hinterlassen, welche eine in Berlin weit verzweigte Verbindung zum Zweck der unnatürlichen Laster betraf. Die Klubeinrichtungen der Betheiligten, die Stammbücher, die gleichmachende Wirkung des gemeinschaftlichen Betreibens des Verbotenen durch alle Stände hindurch - alles das bewies schon 1835 eine Demoralisation, welche hinter den Ergebnissen des Prozesses gegen die Heinze'schen Eheleute (October 1891) nicht zurückstand. Die Verzweigungen dieser Gesellschaft reichten bis in hohe Kreise hinauf. Es wurde dem Einflusse des Fürsten Wittgenstein zugeschrieben, daß die Akten von dem Justizministerium eingefordert und, wenigstens während meiner Thätigkeit an dem Criminalgerichte, nicht zurückgegeben wurden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 65 Die Bürgerwache im Schlosse fragte mich, was ich dort wolle. Auf meine Antwort, ich hätte einen Brief des Prinzen Karl an den König abzugeben, sagte der Posten, mich mit mißtrauischen Blicken betrachtend, das könne nicht sein; der Prinz befinde sich eben beim Könige. Erstrer mußte also noch vor mir von Potsdam abgereist sein. Die Wache verlangte den Brief zu sehn, den ich hätte; ich zeigte ihn, da er offen und der Inhalt unverfänglich war, und man ließ mich gehn, aber nicht in's Schloß. Im Gasthof Meinhard, parterre, lag ein mir bekannter Arzt im Fenster, zu dem ich eintrat. Dort schrieb ich dem Könige, was ich ihm zu sagen beabsichtigt hatte. Ich ging mit dem Briefe zum Fürsten Boguslaw Radziwill, der freien Verkehr hatte und ihn dem Könige übergeben konnte. Es stand darin u. A., die Revolution beschränke sich auf die großen Städte, und der König sei Herr im Lande, sobald er Berlin verlasse. Der König antwortete nicht, hat mir aber später gesagt, er habe den auf schlechtem Papier schlecht geschriebenen Brief als das erste Zeichen von Sympathie, das er damals erhalten, sorgfältig aufbewahrt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 89 Ueber den Fürsten Lichnowski wurde mir erzählt, daß er abwechselnd oben im Schlosse einschüchternde Nachrichten über Schwäche der Truppen, Mangel an Lebensmitteln und Munition verbreitet und unten auf dem Platze den Aufständischen deutsch und polnisch zugeredet habe auszuhalten, oben habe man den Muth verloren. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 159 Was Du hier thatest, Fürst, wird Dich gereu'n, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 164 Die Frage der deutschen Einheit war in den letzten beiden Jahrzehnten unter Friedrich Wilhelm III. nur in Gestalt der burschenschaftlichen Strebungen und deren strafrechtlicher Repression in die äußere Erscheinung getreten. Friedrich Wilhelms IV. deutsches oder, wie er schrieb, "teutsches" Nationalgefühl war gemüthlich lebhafter wie das seines Vaters, aber durch mittelalterliche Verbrämung und durch Abneigung gegen klare und feste Entschlüsse in der praktischen Bethätigung gehemmt. Daher versäumte er die Gelegenheit, die im März 1848 günstig war; und es sollte das nicht die einzige versäumte bleiben. In den Tagen zwischen den süddeutschen Revolutionen, einschließlich der Wiener, und dem 18. März, so lange es vor Augen lag, daß von allen deutschen Staaten, Oestreich inbegriffen, Preußen der einzige feststehende geblieben war, waren die deutschen Fürsten bereit, nach Berlin zu kommen und Schutz zu suchen unter Bedingungen, die in unitarischer Richtung über das hinausgingen, was heut verwirklicht ist; auch das bairische Selbstbewußtsein war erschüttert. Wenn es zu dem, nach (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 165 [1-41] einer Erklärung der preußischen und der östreichischen Regirung vom 10. März auf den 20. März nach Dresden berufenen Fürstencongreß gekommen wäre, so wäre nach der Stimmung der betheiligten Höfe eine Opferwilligkeit auf dem Altar des Vaterlandes wie die französische vom 4. August 1789 zu erwarten gewesen. Diese Auffassung entsprach den thatsächlichen Verhältnissen; das militärische Preußen war stark und intact genug, um die revolutionäre Welle zum Stehn zu bringen und den übrigen deutschen Staaten für Gesetz und Ordnung in Zukunft Garantien zu bieten, welche den andern Dynastien damals annehmbar erschienen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 169 [1-42] am 21. März war am wenigsten geeignet, das wieder einzubringen, was im Innern und nach Außen verloren war. Die Situation wurde dadurch dergestalt umgedreht, daß der König nun an der Spitze nicht mehr seiner Truppen, sondern der Barrikadenkämpfer, derselben unlenkbaren Massen, stand, vor deren Bedrohung die Fürsten einige Tage zuvor bei ihm Schutz gesucht hatten. Der Gedanke, eine Verlegung des geplanten Fürstencongresses von Dresden nach Potsdam als einziges Ergebniß der Märztage zu behandeln, verlor durch den würdelosen Umzug jede Haltbarkeit. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 170 Die Weichlichkeit, mit der Friedrich Wilhelm IV. unter dem Drucke unberufener, vielleicht verrätherischer Rathgeber, gedrängt durch weibliche Thränen, das blutige Ergebniß in Berlin, nachdem es siegreich durchgeführt war, dadurch abschließen wollte, daß er seinen Truppen befahl, auf den gewonnenen Sieg zu verzichten, hat für die weitere Entwicklung unsrer Politik zunächst den Schaden einer versäumten Gelegenheit gebracht. Ob der Fortschritt ein dauernder gewesen sein würde, wenn der König den Sieg seiner Truppen festgehalten und ausgenutzt hätte, ist eine andre Frage. Der König würde dann allerdings nicht in der gebrochenen Stimmung gewesen sein, in der ich ihn während des Zweiten Vereinigten Landtags gefunden habe, sondern in dem durch den Sieg gestärkten Schwunge der Beredsamkeit, die er bei Gelegenheit der Huldigung 1840, in Köln 1842 und sonst entwickelt hatte. Ich wage keine Vermuthung darüber, welche Einwirkung auf die Haltung des Königs, die Romantik mittelalterlicher Reichserinnerungen Oestreich und den Fürsten gegenüber und das vorher und später so starke fürstliche Selbstgefühl im Inlande das Bewußtsein geübt haben würde, den Aufruhr definitiv niedergeschlagen zu haben, der ihm gegenüber allein siegreich blieb im außerrussischen Continent. Eine auf dem Straßenpflaster erkämpfte Errungenschaft wäre von andrer Art und von minderer Tragweite gewesen als die später auf dem Schlachtfeld gewonnene. Es ist vielleicht für unsre Zukunft besser gewesen, daß wir die Irrwege in der Wüste innerer Kämpfe von (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 182 Verlasse Dich auf Fürsten nicht, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 187 [1-48] er an das Gefolge eines altgermanischen Fürsten, das freiwillig mit ihm stirbt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 205 Diese Hoffnung oder Erwartung, die bis in die "Neue Aera" hinein in Phrasen von dem deutschen Berufe Preußens und von moralischen Eroberungen einen schüchternen Ausdruck fand, beruhte auf dem doppelten Irrthum, der vom März 1848 bis zum Frühjahr des folgenden Jahres in Sanssouci wie in der Paulskirche bestimmend war: einer Unterschätzung der Lebenskraft der deutschen Dynastien und ihrer Staaten, und einer Ueberschätzung der Kräfte, die man unter dem Wort Barrikade zusammenfassen kann, so daß darunter alle die Barrikade vorbereitenden Momente, Agitation und Drohung mit dem Straßenkampfe, begriffen sind. Nicht in diesem selbst lag die Gefahr des Umsturzes, sondern in der Furcht davor. Die mehr oder weniger phäakischen Regirungen waren im März, ehe sie den Degen gezogen hatten, geschlagen, theils durch die Furcht vor dem Feinde, theils durch die innere Sympathie ihrer Beamten mit demselben. Immerhin wäre es für den König von Preußen an der Spitze der Fürsten leichter gewesen, durch Ausnutzung des Sieges der Truppen in Berlin ein deutsches Einheitsgebilde herzustellen, als es nachher der Paulskirche geworden ist; ob die Eigenthümlichkeit des Königs nicht eine solche Herstellung auch bei Festhalten dieses Sieges gehindert oder das hergestellte, wie Bodelschwingh im März fürchtete, wieder unsicher gemacht haben würde, ist allerdings schwer zu beurtheilen. In den Stimmungen seiner letzten Lebensjahre, wie sie auch aus den Aufzeichnungen Leopolds v. Gerlach und aus andern Quellen ersichtlich sind, steht die ursprüngliche Abneigung gegen constitutionelle Einrichtungen, die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit eines größern Maßes freier Bewegung der Königlichen Gewalt, als das in der preußischen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 207 Die Frankfurter Versammlung, in demselben doppelten Irrthum befangen, behandelte die dynastischen Fragen als überwundenen Standpunkt, und mit der theoretischen Energie, welche dem Deutschen eigen ist, auch in Betreff Preußens und Oestreichs. Diejenigen Abgeordneten, welche in Frankfurt über die Stimmung der preußischen Provinzen und der deutsch-östreichischen Länder kundige Auskunft geben konnten, waren zum Theil interessirt bei der Verschweigung der Wahrheit; die Versammlung täuschte sich, ehrlich oder unehrlich, über die Thatsache, daß im Falle eines Widerspruchs zwischen einem Frankfurter Reichstagsbeschluß und einem preußischen Königsbefehl der erstere bei sieben Achtel der preußischen Bevölkerung leichter oder garnicht in's Gewicht fiel. Wer damals in unsern Ostprovinzen gelebt hat, wird heut noch die Erinnerung haben, daß die Frankfurter Verhandlungen bei allen den Elementen, in deren Hand die materielle Macht lag, bei allen denen, welche in Conflictsfällen Waffen zu führen oder zu befehlen hatten, nicht so ernsthaft aufgefaßt wurden, wie es nach der Würde der wissenschaftlichen und parlamentarischen Größen, die dort versammelt waren, hätte erwartet werden können. Und nicht nur in Preußen, sondern auch in den großen Mittelstaaten hätte damals ein monarchischer Befehl, der die Masse der Fäuste dem Fürsten zu Hülfe aufrief, falls er erfolgte, eine ausreichende Wirkung gehabt; nicht überall in dem Maße, wie es in Preußen der Fall war, aber doch in einem Maße, welches überall dem Bedürfniß materieller Polizeigewalt genügt haben würde, wenn die Fürsten den Muth gehabt hätten, Minister anzustellen, die ihre Sache fest und offen vertraten. Es war dies im Sommer 1848 in Preußen nicht der Fall gewesen; sobald aber im November der König sich entschloß, Minister zu ernennen, welche bereit waren, die Kronrechte ohne Rücksicht auf Parlamentsbeschlüsse zu vertreten, war der ganze Spuk (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 213 Die günstige Situation, welche für Preußen in der kurzen Zeit von der Niederlage des Fürsten Metternich in Wien bis zum Rückzuge der Truppen aus Berlin bestanden hatte, erneuerte sich, wenn auch in schwächern Umrissen, dank der Wahrnehmung, daß der König und sein Heer nach allen Mißgriffen noch stark genug waren, den Aufstand in Dresden niederzuwerfen und das Drei-Königsbündniß zu Stande zu bringen. Eine schnelle Ausnutzung der Lage im nationalen Sinne war vielleicht möglich, setzte aber klare und praktische Ziele und entschlossenes Handeln voraus. Beides fehlte. Die günstige Zeit ging verloren mit Erwägungen von (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 214 [1-60] Einzelheiten der künftigen Verfassung, unter denen eine der breitesten Stellen die Frage von dem Gesandschaftsrecht der deutschen Fürsten neben dem des Deutschen Reiches einnahm 1). Ich habe damals in den mir zugänglichen Kreisen am Hofe und unter den Abgeordneten die Ansicht vertreten, daß das Gesandschaftsrecht nicht die Wichtigkeit habe, die man ihm beilegte, sondern der Frage von dem Einflusse der einzelnen Bundesfürsten im Reiche oder im Auslande untergeordnet sei. Wäre der Einfluß eines solchen auf die Politik gering, so würden seine Gesandschaften im Auslande den einheitlichen Eindruck des Reiches nicht abschwächen können; bliebe sein Einfluß auf Krieg und Frieden, auf die politische und finanzielle Leitung des Reiches oder auf die Entschließungen fremder Höfe stark genug, so gebe es kein Mittel, zu verhindern, daß fürstliche Correspondenzen oder irgend welche mehr oder weniger distinguirte Privatleute, bis in die Kategorie der internationalen Zahnärzte hinein, die Träger politischer Verhandlungen würden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 217 [1-61] militärischem Gebiete ohne Hintergedanken übernommen, so weiß ich nicht, was zu Zweifeln an einem günstigen Erfolge hätte berechtigen können. Die Situation war nicht so klar in allen Rechtsund Gewissensfragen wie Anfangs März 1848, aber politisch immerhin nicht ungünstig. Wenn ich von Hintergedanken spreche, so meine ich damit den Verzicht auf Beifall und Popularität bei verwandten Fürstenhäusern, bei Parlamenten, Historikern und in der Tagespresse. Als öffentliche Meinung imponirte damals die tägliche Strömung, die in der Presse und den Parlamenten am lautesten rauscht, aber nicht maßgebend ist für die Volksstimmung, von der es abhängt, ob die Masse den auf regelmäßigem Wege von oben ergehenden Anforderungen noch Folge leistet. Die geistige Potenz der obern Zehntausend in der Presse und auf der Tribüne ist von einer zu großen Mannigfaltigkeit sich kreuzender Bestrebungen und Kräfte getragen und geleitet, als daß die Regirungen aus ihr die Richtschnur für ihr Verhalten entnehmen könnten, so lange nicht die Evangelien der Redner und Schriftsteller vermöge des Glaubens, den sie bei den Massen finden, die materiellen Kräfte, die sich "hart im Raume" stoßen, zur Verfügung haben. Ist dies der Fall, so tritt vis major ein, mit der die Politik rechnen muß. So lange diese, in der Regel nicht schnell eintretende Wirkung nicht vorliegt, so lange nur das Geschrei der rerum novarum cupidi in größern Centren, das Emotionsbedürfniß der Presse und des parlamentarischen Lebens den Lärm machen, tritt für den Realpolitiker die Betrachtung Coriolans über populäre Kundgebungen in Kraft, wenn auch in ihr die Druckerschwärze noch keine Erwähnung findet. Die leitenden Kreise in Preußen ließen sich aber damals durch den Lärm der großen und kleinen Parlamente betäuben, ohne deren Gewicht an dem Barometer zu messen, den ihnen die Haltung der Mannschaft in Reih und Glied oder der Einberufung gegenüber an die Hand gab. Zu der Täuschung über die realen Machtverhältnisse, die ich damals bei Hofe und bei dem (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 241 2) Nach einer Randbemerkung im Manuskripte beabsichtigte Fürst Bismarck an dieser Stelle ein Erlebniß einzuschalten, dessen er wiederholt in seinen Tischgesprächen gedacht hat. Ich gebe die Erzählung, wie sie mir im Gedächtniß haftet. Als Bismarck sich mit der Einberufungsordre in der Tasche auf dem Wege nach Berlin befand, stieg ein pommerscher Schulze, des Namens Stranzke, zu ihm in den Postwagen. Das Gespräch lenkte sich selbstverständlich bald auf die politischen Ereignisse. Als Stranzke von der Einberufungsordre hörte, fragte er ganz naiv: "Wo steiht de Franzos?" und war sichtlich enttäuscht, als ihm Herr v. Bismarck mittheilte, daß es diesmal nicht gegen die Franzosen, sondern gegen die Oestreicher gehn werde. "Das sollte mir doch leid thun, wenn wir auf die ,weißen Collets' schießen sollten," meinte er, "und nicht auf die Hundsfötter von Franzosen." So lebendig lebte in ihm die Erinnerung an die Leidenszeit Preußens nach der Niederlage von Jena und an die preußisch-östreichische Waffenbrüderschaft von 1813/14. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 262 Mit den Mitteln und Gewohnheiten des auswärtigen Dienstes noch nicht so vertraut wie später, war ich doch als Laie nicht zweifelhaft, daß der Krieg, wenn er für uns überhaupt geboten oder annehmbar erschien, auch nach Olmütz in den Dresdner Verhandlungen jederzeit gefunden und durch Abbruch derselben herbeigeführt werden konnte. Stockhausen hatte mir gelegentlich sechs Wochen als die Frist bezeichnet, deren er bedürfte, um fechten zu können, und es wäre nach meiner Ansicht nicht schwer gewesen, das Doppelte derselben durch geschickte Leitung der Verhandlungen in Dresden zu gewinnen, wenn bei uns die momentane Unfertigkeit der militärischen Rüstungen der einzige Grund gewesen wäre, uns eine kriegerische Lösung zu versagen. Wenn die Dresdner Verhandlungen nicht dazu benutzt worden sind, im preußischen Sinne entweder ein höheres Resultat oder einen berechtigt erscheinenden Anlaß zum Kriege zu gewinnen, so ist mir niemals klar geworden, ob die auffällige Beschränkung unsrer Ziele in Dresden von dem Könige oder von Herrn von Manteuffel, dem neuen auswärtigen Minister, ausgegangen ist. Ich habe damals nur den Eindruck gehabt, daß letztrer nach seinem Vorleben als Landrath, RegirungsPräsident und Director im Ministerium des Innern sich in der Sicherheit seines Auftretens durch die renommirenden vornehmen Verkehrsformen des Fürsten Schwarzenberg genirt fühlte. Schon die häusliche Erscheinung Beider in Dresden - Fürst Schwarzenberg mit Livreen, Silbergeschirr und Champagner im ersten Stock, der preußische Minister mit Kanzleidienern und Wassergläsern eine Treppe höher - war geeignet, auf das Selbstgefühl der betheiligten Vertreter beider Großmächte und auf ihre Einschätzung durch die übrigen deutschen Vertreter nachtheilig für uns zu wirken. Die alte preußische Einfachheit, die Friedrich der Große seinem Vertreter in London mit der Redensart empfahl: "Sage Er, wenn Er zu Fuß geht, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 304 Die später nach Bethmann-Hollweg benannte Partei, richtiger Coterie, stützte sich ursprünglich auf den Grafen Robert von der Goltz, einen Mann von ungewöhnlicher Befähigung und Thätigkeit. Herr von Manteuffel hatte das Ungeschick gehabt, diese strebsame Capacität schlecht zu behandeln; der dadurch stellungslos gewordene Graf wurde der Impresario für die Truppe, welche zuerst als höfische Fraction und später als Ministerium des Regenten auf der Bühne erschien. Sie begann in der Presse, besonders durch das von ihr gegründete "Preußische Wochenblatt", und durch persönliche Werbungen in politischen und Hofkreisen sich Geltung zu schaffen. Die "Finanzirung", wie die Börse sich ausdrückt, wurde durch die großen Vermögen Bethmann-Hollweg's und der Grafen Fürstenberg-Stammheim und Albert Pourtalès, und die politische Aufgabe, als deren Ziel zunächst der Sturz Manteuffel's gestellt war, von den geschickten Händen der Grafen Goltz und Pourtalès besorgt. Beide schrieben ein elegantes Französisch in geschickter Diction, während Herr von Manteuffel in der Herstellung diplomatischer Aktenstücke hauptsächlich auf die hausbackne Tradition seiner Beamten von der französischen Kolonie in Berlin angewiesen war. Auch Graf Pourtalès war von dem Ministerpräsidenten im Dienste verstimmt und von dem Könige als Rival Manteuffel's ermuthigt worden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 312 Die scharfe Kritik der Politik Olmütz, die in der That nicht so sehr die Schuld des preußischen Unterhändlers als der, um das Wenigste zu sagen, ungeschickten Leitung der preußischen Politik bis zu seiner Zusammenkunft mit dem Fürsten Schwarzenberg war, und die Schilderung ihrer Folgen, das war die erste Waffe, mit welcher Manteuffel von Goltz angegriffen und die Sympathie des Prinzen von Preußen gewonnen wurde. In dem soldatischen Gefühle des Letztern war Olmütz ein wunder Punkt, in Bezug auf welchen nur die militärische und royalistische Disciplin dem Könige gegenüber die Empfindung der Kränkung und des Schmerzes beherrschte. Trotz seiner großen Liebe zu seinen russischen Verwandten, die zuletzt in der innigen Freundschaft mit Alexander II. zum Ausdrucke kam, behielt er das Gefühl einer Demüthigung, die Preußen durch den Kaiser Nicolaus erlitten hatte, und diese Empfindung wurde um so stärker, je mehr seine Mißbilligung der Manteuffel'schen Politik und der östreichischen Einflüsse ihn der ihm früher ferner liegenden deutschen Aufgabe Preußens näher rückte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 316 Der Gegensatz der verschiedenen Elemente, welche die Entschließungen des Königs zu bestimmen suchten, steigerte sich, der Angriff der Bethmann-Hollweg'schen Fraction auf Manteuffel belebte sich während des Krimkrieges. Der Ministerpräsident hat seine Abneigung gegen den Bruch mit Oestreich und gegen eine Politik, wie sie nach den böhmischen Schlachtfeldern führte, am nachdrücklichsten in allen für unsre Freundschaft mit Oestreich kritischen Momenten bethätigt. In der Zeit des Fürsten Schwarzenberg, demnächst des Krimkrieges und der Ausbeutung Preußens für die östreichische Orientpolitik erinnerte unser Verhältniß zu Oestreich an das zwischen Leporello und Don Juan. In Frankfurt, wo zur Zeit des Krimkriegs die übrigen Bundesstaaten außer Oestreich versuchsweise verlangten, daß Preußen sie der östreichisch-westmächtlichen Vergewaltigung gegenüber vertrete, konnte ich als Träger der preußischen Politik mich einer Beschämung und Erbitterung nicht erwehren, wenn ich sah, wie wir gegenüber den nicht einmal in höflichen Formen vorgebrachten Zumuthungen Oestreichs jede eigne Politik und jede selbständige Ansicht opferten, von (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 340 Für die deutsche Diplomatie, in so weit sie jetzt von Preußen ausgeht, öffnet sich ein glänzendes Schlachtfeld, denn leider scheint es, daß Prokesch nicht Unrecht hat, wenn er für seinen Kaiser die Kriegstrompete bläst. Die Wiener Nachrichten sind gar nicht besonders, obschon ich es doch noch nicht aufgebe, daß in der elften Stunde Buol und der Kaiser auseinander gehen werden. ... Es wäre der größeste Fehler, den man machen könnte, wenn man den mir noch nicht ganz verständlichen antifranzösischen Enthusiasmus von Bayern, Würtemberg, Sachsen und Hannover, so ganz ungenutzt vorübergehen ließe. Sobald man mit Oesterreich im Klaren ist, d. h. sowie dessen westmächtliche Sympathien klar hervortreten, müssen die lebhaftesten Verhandlungen mit den deutschen Mächten beginnen, und wir müssen einen Fürstenbund schließen, ganz anders und fester als der von Friedrich II. war 2). ... (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 354 [1-105] z. B. mit einer Restauration von Polen, einem rücksichtslosen Verfahren gegen Rußland u. s. w., sowie es keinem Zweifel unterliegt, daß Frankreich und England ihm auf der andern Seite noch leichter als uns Verlegenheiten bereiten können, sowohl in Ungarn als in Italien. Der Kaiser ist in den Händen seiner Polizei und was das heißt, habe ich in den letzten Jahren gelernt *), hat sich vorlügen lassen, Rußland habe Kossuth aufgehetzt u. s. w. Er hat damit sein Gewissen beschwichtigt, und was die Polizei nicht vermag, das leistet der Ultramontanismus, die Wuth gegen die orthodoxe Kirche und gegen das protéstantische Preußen. Daher ist auch schon jetzt von einem Königreich Polen unter einem österreichischen Erzherzoge die Rede. ... Aus allem diesem folgt, daß man sehr auf seiner Hut sein und auf alles, selbst auf einen Krieg gegen die mit Oesterreich verbündeten Westmächte gefaßt sein muß, daß den deutschen Fürsten nicht zu trauen ist u. s. w. Der Herr möge uns geben, daß wir nicht schwach befunden werden, aber ich müßte eine Unwahrheit sagen, wenn ich den Leitern unsrer Geschicke fest vertraute. Halten wir daher eng zusammen. Anno 1850 hatte Radowitz uns etwa auf denselben Punkt gebracht wie Buol jetzt passiv von drüben her 1). ... (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 385 In die Pläne der Ausschlachtung Rußlands hatte man den Prinzen von Preußen nicht eingeweiht. Wie es gelungen, ihn für eine Wendung gegen Rußland zu gewinnen, ihn, der vor 1848 seine Bedenken gegen die liberale und nationale Politik des Königs nur in den Schranken brüderlicher Rücksicht und Unterordnung geltend gemacht hatte, zu einer ziemlich activen Opposition gegen die Regirungspolitik zu bewegen, trat in einer Unterredung hervor, die ich mit ihm in einer der Krisen hatte, in welchen mich der König zum Beistande gegen Manteuffel nach Berlin berufen hatte. Ich wurde gleich nach meiner Ankunft zu dem Prinzen befohlen, der mir in einer durch seine Umgebung erzeugten Gemüthserregung den Wunsch aussprach, ich solle dem Könige im westmächtlichen und antirussischen Sinne zureden. Er sagte: "Sie sehn sich hier zwei streitenden Systemen gegenüber, von denen das eine durch Manteuffel, das andre, russenfreundliche, durch Gerlach und den Grafen Münster in Petersburg vertreten ist. Sie kommen frisch hierher, sind von dem Könige gewissermaßen als Schiedsmann berufen. Ihre Meinung wird daher den Ausschlag geben, und ich beschwöre Sie, sprechen Sie sich so aus, wie es nicht nur die europäische Situation, sondern auch ein richtiges Freundesinteresse für Rußland erfordert. Rußland ruft ganz Europa gegen sich auf und wird schließlich unterliegen. Alle diese prächtigen Truppen," - es war dies nach den für die Russen nachtheiligen Schlachten vor Sebastopol - "alle unsre Freunde, die dort geblieben sind," - er nannte mehre - "würden noch leben, wenn wir richtig eingegriffen und Rußland zum Frieden gezwungen hätten." Es würde damit enden, daß Rußland, unser alter Freund und Bundesgenosse, vernichtet oder in gefährlicher Weise geschädigt würde. Unsre, von Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 8 (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 426 Der für den norddeutschen und namentlich für den Gedankenkreis einer kleinen Stadt in Mitten rein protestantischer Bevölkerung fremdartige Katholicismus hatte etwas Anziehendes für eine Fürstin, die überhaupt das Fremde mehr interessirte, als das Näherliegende, Alltägliche, Hausbackne. Ein katholischer Bischof erschien vornehmer als ein General-Superintendent. Ein gewisses Wohlwollen für die katholische Sache, welches ihr schon früher eigen und z. B. in der Wahl ihrer männlichen Umgebung und Dienerschaft erkennbar war, wurde durch ihren Aufenthalt in Coblenz vollends entwickelt. Sie gewöhnte sich daran, die localen Interessen des alten KrummstabLandes und seiner Geistlichkeit als ihrer Fürsorge besonders zugewiesen anzusehn und zu vertreten. Das moderne confessionelle Selbstgefühl auf dem Grunde geschichtlicher Tradition, das in dem Prinzen die protestantische Sympathie nicht selten mit Schärfe hervortreten ließ, war seiner Gemalin fremd. Welchen Erfolg ihr Bemühn um Popularität im Rheinlande gehabt hatte, zeigte sich u. A. darin, daß der Graf v. d. Recke-Volmerstein mir am 9. October 1863 schrieb, wohlgesinnte Leute am Rhein riethen, der König möge nicht zum Dombaufest kommen, sondern lieber I. Majestät schicken, "die mit Enthusiasmus würde empfangen werden". Ein Beispiel der wirksamen Energie, mit der sie die Wünsche der Geistlichkeit vertrat, lieferte die Modification, zu welcher der Bau der sogenannten Metzer Eisenbahn genöthigt wurde, weil die Geistlichkeit sich eines katholischen Kirchhofs, der berührt werden sollte, angenommen hatte und darin von der Kaiserin so erfolgreich unterstützt wurde, daß die Richtung geändert und schwierige Bauten ad hoc hergestellt wurden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 523 [1-152] der ersten Klasse enthielten auch den Namen der an dem betreffenden Tische vorsitzenden Dame. Diese Tische waren auf 15 bis 20 Personen eingerichtet. Ich erhielt beim Eintreten eine solche Karte zu dem Tische der Gräfin Walewska und später im Saale noch zwei von zwei andern Patronesses-Damen der Diplomatie und des Hofes. Es war also kein genauer Plan für die Placirung der Gäste gemacht worden. Ich wählte den Tisch der Gräfin Walewska, zu deren Departement ich als auswärtiger Diplomat gehörte. Auf dem Wege zu dem betreffenden Saale stieß ich auf einen preußischen Offizier in der Uniform eines Garde-Infanterie-Regiments, der eine französische Dame führte und sich in lebhaftem Streit mit einem der kaiserlichen Haushofmeister befand, der beide, weil sie mit Karten nicht versehn waren, nicht passiren lassen wollte. Nachdem mir der Offizier auf mein Befragen die Sachlage erklärt und mir die Dame als eine Herzogin mit italienischem Titel aus dem ersten Empire bezeichnet hatte, sagte ich dem Hofbeamten, ich hätte die Karte des Herrn, und gab ihm eine der meinigen. Der Beamte wollte nun aber die Dame nicht passiren lassen, ich gab daher dem Offizier meine zweite Karte für seine Herzogin. Der Beamte bedeutete mich, "mais vous ne passerez pas sans carte"; als ich ihm die dritte vorgezeigt hatte, machte er ein verwundertes Gesicht und ließ uns alle drei durch. Ich empfahl meinen beiden Schützlingen, sich nicht an die Tische zu setzen, die auf den Karten angegeben waren, sondern zu sehn, wo sie sonst unterkämen, habe auch keine Reclamation über meine Kartenvertheilung zu hören bekommen. Die Unregelmäßigkeit war so groß, daß unser Tisch nicht voll besetzt wurde, was sich aus dem Mangel einer Verabredung der dames patronesses erklärt. Der alte Fürst Pückler hatte entweder keine Karte erhalten oder seinen Tisch nicht finden können; nachdem er sich an mein ihm bekanntes Gesicht gewandt hatte, wurde er von der Gräfin Walewska auf einen der leer gebliebenen Plätze eingeladen. Das Souper war trotz der Dreitheilung weder nach dem Material, noch nach der Zubereitung auf der Höhe dessen, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 560 Jetzt muß ich etwas weit ausholen und zwar bis zu Karl dem Großen, also über 1000 Jahre. Damals war das Princip der europäischen Politik die Ausbreitung der christlichen Kirche. Karl der Große huldigte demselben in seinen Kriegen mit den Sarazenen, Sachsen, Avaren u. s. w., und seine Politik war wahrlich nicht unpraktisch. Seine Nachfolger stritten sich principienlos unter einander, und wieder waren es die großen Fürsten des Mittelalters, welche dem alten Princip treu blieben. Die preußische Macht wurde gegründet durch die Kämpfe der brandenburgischen Markgrafen und des deutschen Ordens gegen diejenigen Völker, welche sich dem Kaiser, dem Vicarius der Kirche, nicht unterwerfen wollten, und das dauerte, bis daß der Verfall der Kirche zu dem Territorialismus, zum Verfall des Reiches, zur Spaltung in der Kirche führte. Seitdem war nicht mehr ein allgemeines Princip in der Christenheit. Von dem ursprünglichen Princip war noch allein der (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 563 [1-168] nach Ihrer eignen Ansicht sind die deutschen Mittelstaaten leider im Wiener Congreß aus Halbheit und Eifersucht octroyirte und geschützte Producte der Revolution und des ihr folgenden Bonapartismus, der Materia peccans, in Deutschland. Hätte man principienmäßig in Wien Belgien an Oesterreich und die fränkischen Fürstenthümer an Preußen zurückgegeben: Deutschland wäre in einer andern Lage als jetzt, besonders wenn man gleichzeitig die Mißgeburten Bayern, Würtemberg, Darmstadt auf ihre natürliche Größe zurückgeführt hätte; damals aber zog man Arrondirung u. s. w., lauter mechanische Interessen dem Principe vor. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 594 [1-176] Wie viele Existenzen giebt es noch in der heutigen politischen Welt, die nicht in revolutionärem Boden wurzeln? Nehmen Sie Spanien, Portugal, Brasilien, alle amerikanischen Republiken, Belgien, Holland, die Schweiz, Griechenland, Schweden, das noch heut mit Bewußtsein in der glorious revolution von 1688 fußende England; selbst für das Terrain, welches die heutigen deutschen Fürsten theils Kaiser und Reich, theils ihren Mitständen, den Standesherrn, theils ihren eignen Landständen abgewonnen haben, läßt sich kein vollständig legitimer Besitztitel nachweisen, und in unserm eignen staatlichen Leben können wir der Benutzung revolutionärer Unterlagen nicht entgehn. Viele der berührten Zustände sind eingealtert, und wir haben uns an sie gewöhnt; es geht uns damit, wie mit allen den Wundern, welche uns täglich 24 Stunden lang umgeben, deßhalb aufhören, uns wunderbar zu erscheinen, und niemand abhalten, den Begriff des ‚Wunders' auf Erscheinungen einzuschränken, welche durchaus nicht wunderbarer sind als die eigne Geburt und das tägliche Leben des Menschen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 595 Wenn ich aber ein Prinzip als oberstes und allgemein durchgreifendes anerkenne, so kann ich das nur insoweit, als es sich unter allen Umständen und zu allen Zeiten bewahrheitet, und der Grundsatz quod ab initio vitiosum, lapsu temporis convalescere nequit bleibt der Doctrin gegenüber richtig. Aber selbst dann, wenn die revolutionären Erscheinungen der Vergangenheit noch nicht den Grad von Verjährung hatten, daß man von ihnen sagen konnte, wie die Hexe im Faust von ihrem Höllentrank: "Hier hab' ich eine Flasche, aus der ich selbst zuweilen nasche, die auch nicht mehr im mind'sten stinkt', hatte man nicht immer die Keuschheit, sich liebender Berührungen zu enthalten; Cromwell wurde von sehr antirevolutionären Potentaten ‚Herr Bruder' genannt und seine Freundschaft gesucht, wenn sie nützlich erschien; mit den Generalstaaten waren sehr ehrbare Fürsten im Bündniß, bevor sie von Spanien anerkannt wurden. Wilhelm von Oranien und seine Nachfolger in England galten, auch während die Stuarts noch (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 627 In Deutschland ist der preußische Einfluß so gering, weil der König sich niemals entschließen kann, den Fürsten seinen Unwillen zu zeigen. Wenn sie sich noch so nichtsnutzig betragen, so sind sie bei Jagden und in Sanssouci gern gesehn. 1806 fing Preußen den Krieg mit Frankreich unter sehr ungünstigen Auspicien an, und doch folgten ihm Sachsen, Kurhessen, Braunschweig, Weimar, während Oesterreich schon 1805 ohne allen Anhang war. ... L. v. G." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 638 Ich antwortete, ich sei doppelt erfreut, daß der Kaiser diese Andeutungen grade mir gemacht habe, erstens, weil ich darin einen Beweis seines Vertrauens sehn dürfe, und zweitens, weil ich vielleicht der einzige preußische Diplomat sei, der es über sich nehmen würde, diese ganze Eröffnung zu Hause und auch seinem Souverän gegenüber zu verschweigen 1). Ich bäte ihn dringend, sich dieser Gedanken zu entschlagen; es läge außer aller Möglichkeit für den König Friedrich Wilhelm IV., auf dergleichen einzugehn; eine ablehnende Antwort sei unzweifelhaft, wenn ihm die Eröffnung gemacht würde. Dabei bleibe im letztern Falle die große Gefahr einer Indiscretion im mündlichen Verkehr der Fürsten, einer Andeutung darüber, welchen Versuchungen der König widerstanden habe. Wenn eine andre deutsche Regirung in die Lage versetzt würde, über dergleichen Indiscretionen nach Paris zu berichten, so werde das für Preußen so werthvolle gute Benehmen mit Frankreich (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 669 Nachdem am 26. October der Prinz von Preußen die Regentschaft übernommen hatte, fragte Manteuffel mich, was er thun solle, um eine unfreiwillige Verabschiedung zu vermeiden, und gab mir auf mein Verlangen seine letzte Correspondenz mit dem Regenten zu lesen. Meine Antwort, es sei ganz klar, daß der Prinz ihm den Abschied geben wolle, hielt er für unaufrichtig, vielleicht für ehrgeizig. Am 6. November wurde er entlassen. Es folgte ihm der Fürst von Hohenzollern mit dem Ministerium der "Neuen Aera". (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 671 Im Januar 1859 machte mir auf einem Balle bei Moustier oder Karolyi der Graf Stillfried scherzhafte Anspielungen, aus denen ich schloß, daß meine schon mehrmals geplante Versetzung von Frankfurt nach Petersburg erfolgen werde, und fügte dazu die wohlwollende Bemerkung: Per aspera ad astra. Die Wissenschaft des Grafen beruhte ohne Zweifel auf seinen intimen Beziehungen zu allen Katholiken im Haushalte der Prinzessin, vom ersten Kammerherrn bis zum Kammerdiener. Meine Beziehungen zu den Jesuiten waren damals noch ungetrübt, und ich besaß noch Stillfrieds Wohlwollen. Ich verstand die durchsichtige Anspielung, begab mich am folgenden Tage (26. Januar) zu dem Regenten und sagte offen, ich hörte, daß ich nach Petersburg versetzt werden sollte, und bat um Erlaubniß, mein Bedauern darüber auszusprechen, in der Hoffnung, daß es noch rückgängig gemacht werden könnte. Die erste Gegenfrage war: "Wer hat Ihnen das gesagt?" Ich erwiderte, ich würde indiscret sein, wenn ich die Person nennen wollte, ich hätte es aus dem Jesuitenlager gehört, mit dem ich alte Fühlung hätte, und ich bedauerte es, weil ich glaubte, in Frankfurt, in diesem Fuchsbau des Bundestages, dessen Ein- und Ausgänge ich bis auf die Nothröhren kennen gelernt hätte, brauchbarere Dienste leisten zu können als irgend einer meiner Nachfolger, der die sehr complicirte Stellung, die auf den Beziehungen zu vielen Höfen und Ministern beruhe, erst wieder kennen lernen müsse, da ich meine achtjährige Erfahrung auf diesem Gebiete, die ich in bewegten Zuständen gemacht, nicht vererben könnte. Mir wäre jeder deutsche Fürst und jeder deutsche Minister und die Höfe der bundesfürstlichen Residenzen persönlich bekannt, und ich erfreute mich, so weit es für Preußen erreichbar sei, eines Einflusses in der Bundesversammlung und an den einzelnen Höfen. Dieses erworbene und erkämpfte Capital der preußischen Diplomatie würde zwecklos zerstört durch (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 739 Die zweite Generation, die mit dem Kaiser Nicolaus gleichaltrig war oder doch seinen Stempel trug, pflegte sich in der Unterhaltung auf Hofangelegenheiten, Theater, Avancement und militärische Erlebnisse zu beschränken. Unter ihnen sind als der ältern Kategorie geistig näher stehende Ausnahmen zu nennen der alte Fürst Orlow, hervorragend an Charakter, Höflichkeit und Zuverlässigkeit für uns; der Graf Adlerberg Vater und sein Sohn, der nachherige Hofmeister, mit Peter Schuwalow der einsichtigste Kopf, mit dem ich dort in Beziehungen gekommen bin und dem nur Arbeitsamkeit fehlte, um eine leitende Rolle zu spielen; der Fürst Suworow, der wohlwollendste für uns Deutsche, bei dem der russische General nicolaitischer Tradition stark, aber nicht unangenehm, mit burschikosen Reminiscenzen deutscher Universitäten versetzt war; mit ihm dauernd im Streit und doch in gewisser Freundschaft Tschewkin, der Eisenbahn-General, von einer Schärfe und Feinheit des Verständnisses, wie sie bei Verwachsenen mit der ihnen eigenthümlichen klugen Kopfbildung nicht selten gefunden wird; endlich der Baron Peter von Meyendorff, für mich die sympathischste Erscheinung unter den ältern Politikern, früher Gesandter in Berlin, der nach seiner Bildung und der Feinheit seiner Formen mehr dem (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 746 Auch in Petersburg würde ich es für zweckmäßig gehalten haben, auf der Straße die Andeutung eines höhern russischen Ordens zu tragen, wenn die großen Entfernungen es nicht mit sich gebracht hätten, daß man sich in den Straßen mehr zu Wagen mit Tressenlivree als zu Fuße zeigte. Schon zu Pferde, wenn in Civil und ohne Reitknecht, lief man Gefahr, von den durch ihr Costüm kenntlichen Kutschern der höhern Würdenträger wörtlich und thätlich angefahren zu werden, wenn man mit ihnen in unvermeidliche Berührung gerieth; und wer hinreichend Herr seines Pferdes war und eine Gerte in der Hand hatte, that wohl, sich bei solchen Conflicten als gleichberechtigt mit dem Insassen des Wagens zu legitimiren. Von den wenigen Reitern in der Umgebung von Petersburg konnte man in der Regel annehmen, daß sie deutsche und englische Kaufleute waren und in dieser ihrer Stellung ärgerliche Berührungen nach Möglichkeit vermieden und lieber ertrugen, als sich bei den Behörden zu beschweren. Offiziere machten nur in ganz geringer Zahl von den guten Reitwegen auf den Inseln und weiter außerhalb der Stadt Gebrauch, und die es thaten, waren in der Regel deutschen Herkommens. Das Bemühn höhern Ortes, den Offizieren mehr Geschmack am Reiten beizubringen, hatte keinen dauernden Erfolg und bewirkte nur, daß nach einer jeden Anregung derart die kaiserlichen Equipagen einige Tage lang mehr Reitern als gewöhnlich begegneten. Eine Merkwürdigkeit war es, daß als die besten Reiter unter den Offizieren die beiden Admiräle anerkannt waren, der Großfürst Constantin und der Fürst Mentschikow. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 749 Die antideutsche Stimmung der jüngern Generation hat sich demnächst mir und Andern auch auf dem Gebiete der politischen Beziehungen zu uns fühlbar gemacht, in verstärktem Maße, seit mein russischer College, Fürst Gortschakow, seine ihn beherrschende Eitelkeit auch mir gegenüber herauskehrte. So lange er das Gefühl hatte, in mir einen jüngern Freund zu sehn, an dessen politischer (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 753 Wenn ich in Petersburg auf einem der kaiserlichen Schlösser Sarskoe oder Peterhof anwesend war, auch nur, um mit dem daselbst in Sommerquartier lebenden Fürsten Gortschakow zu conferiren, so fand ich in der mir angewiesenen Wohnung im Schlosse für mich und einen Begleiter ein Frühstück von mehren Gängen angerichtet, mit drei oder vier Sorten hervorragend guter Weine; andre sind mir in der kaiserlichen Verpflegung überhaupt niemals vorgekommen. Gewiß wurde in dem Haushalte viel gestohlen, aber die Gäste des Kaisers litten darunter nicht; im Gegentheil, ihre Verpflegung war auf reiche Brosamen für den "Dienst" berechnet. Keller und Küche waren absolut einwandsfrei, auch in Vorkommnissen, wo sie uncontrollirt blieben. Vielleicht hatten die Beamten, denen die nicht getrunknen Weine verblieben, durch lange Erfahrung schon einen zu durchgebildeten Geschmack gewonnen, um Unregelmäßigkeiten zu dulden, unter denen die Qualität der Lieferung gelitten hätte. Die Preise der Lieferungen waren nach allem, was ich erfuhr, allerdings gewaltig hoch. Von der Gastfreiheit des Haushalts bekam ich eine Vorstellung, wenn meine Gönnerin, die Kaiserin-Witwe Charlotte, Schwester unsers Königs, mich einlud. Dann waren für die mit mir eingeladnen Herrn der Gesandschaft zwei, und für mich drei Diners der kaiserlichen Küche entnommen. In meinem Quartier wurden für mich und meine Begleiter Frühstücke und Diners angerichtet und berechnet, wahrscheinlich auch gegessen und getrunken, als ob meine und der Meinigen Einladung zu der Kaiserin gar nicht erfolgt sei. Das Couvert für mich wurde einmal in meinem Quartier mit allem Zubehör auf- und abgetragen, das zweite Mal an der Tafel der Kaiserin in Gemeinschaft mit denen meiner Begleiter aufgelegt, und auch dort kam ich mit ihm nicht in Berührung, da ich vor dem Bette der kranken Kaiserin ohne meine Begleiter in kleiner Gesellschaft zu speisen hatte. Bei solchen Gelegenheiten pflegte die (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 763 Zur Zeit des östreichisch-französischen Krieges klagte mir der Kaiser Alexander in vertraulichem Gespräche über den heftigen und verletzenden Ton, in welchem die russische Politik in Correspondenzen deutscher Fürsten an kaiserliche Familienglieder kritisirt werde. Er schloß die Beschwerde über seine Verwandten mit den entrüsteten Worten: "Das Beleidigende für mich in der Sache ist, daß die deutschen Herrn Vettern ihre Grobheiten mit der Post schicken, damit sie sicher zu meiner persönlichen Kenntniß gelangen." Der Kaiser hatte kein Arg bei diesem Eingeständniß und war unbefangen der Meinung, daß es sein monarchisches Recht sei, auch auf diesem Wege von der Correspondenz Kenntniß zu erhalten, deren Trägerin die russische Post war. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 772 In der ersten Hälfte des Juni 1859 machte ich einen kurzen Ausflug nach Moskau. Bei diesem Besuche der alten Hauptstadt, der in die Zeit des italienischen Krieges fiel, war ich Zeuge einer merkwürdigen Probe von dem damaligen Hasse der Russen gegen Oestreich. Während der Gouverneur Fürst Dolgoruki mich in einer Bibliothek umherführte, bemerkte ich auf der Brust eines subalternen Beamten unter vielen militärischen Decorationen auch das eiserne Kreuz. Auf meine Frage nach dem Erwerb desselben nannte er die Schlacht von Kulm, nach welcher Friedrich Wilhelm III. eine Anzahl etwas abweichend gestalteter eiserner Kreuze an russische Soldaten hatte vertheilen lassen, das sogenannte Kulmer Kreuz. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 773 [1-232] Ich beglückwünschte den alten Soldaten, daß er nach 46 Jahren noch so rüstig sei, und erhielt die Antwort, er würde noch jetzt, wenn der Kaiser es erlaubte, den Krieg mitmachen. Ich fragte, mit wem er dann gehn würde, mit Italien oder mit Oestreich, worauf er stramm stehend mit Enthusiasmus erklärte: "Immer gegen Oestreich." Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß Oestreich doch bei Kulm unser und Rußlands Freund und Italien unser Gegner gewesen sei, worauf er, immer in militärisch strammer Haltung und mit der lauten und weit hörbaren Stimme, die der russische Soldat im Gespräch mit Offizieren hat, antwortete: "Ein ehrlicher Feind ist besser als ein falscher Freund." Diese unverfrorene Antwort begeisterte den Fürsten Dolgoruki dergestalt, daß im nächsten Moment General und Unteroffizier in der Umarmung lagen und die herzlichsten Küsse auf beide Wangen austauschten. So war damals bei General und Unteroffizier die russische Stimmung gegen Oestreich. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 774 Eine Erinnerung an den Ausflug nach Moskau ist der nachstehende Briefwechsel mit dem Fürsten Obolenski. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 796 Während dieser Wochen regten der Fürst von Hohenzollern und Rudolf von Auerswald bei dem Regenten meine Ernennung zum Minister des Auswärtigen an. Es fand infolge dessen im Palais eine Art von Conseil statt, das aus dem Fürsten, Auerswald, Schleinitz und mir bestand. Der Regent leitete die Besprechung mit der Aufforderung an mich ein, das Programm zu entwickeln, zu welchem ich riethe. Ich legte dasselbe in der Richtung, die ich später als Minister verfolgt habe, in so weit offen dar, daß ich als die schwächste Seite unsrer Politik ihre Schwäche gegen Oestreich bezeichnete, von der sie seit Olmütz und besonders in den letzten Jahren während der italienischen Krisis beherrscht gewesen sei. Könnten wir unsre deutsche Aufgabe im Einverständniß mit Oestreich lösen, um so besser. Die Möglichkeit würde aber erst vorliegen, wenn man in Wien die Ueberzeugung hätte, daß wir im entgegengesetzten Falle auch den Bruch und den Krieg nicht fürchteten. Die zur Durchführung unsrer Politik wünschenswerthe Fühlung mit Rußland zu bewahren, würde gegen Oestreich leichter sein als mit Oestreich. Unmöglich aber schiene mir das auch im letztern Falle nicht, nach meiner in Petersburg gewonnenen Kenntniß des russischen Hofes und der dort leitenden Einflüsse. Wir hätten dort aus dem Krimkriege und den polnischen Verwicklungen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 801 Die Schnelligkeit, mit welcher er sich entschied, nachdem das letzte Wort des Ministers gefallen war, ließ mich annehmen, daß die ganze mise en scène vorher verabredet war und nach dem Willen der Prinzessin sich entwickelt hatte, um den Ansichten des Fürsten von Hohenzollern und Auerswalds eine äußerliche Berücksichtigung zu gewähren, während sie schon damals sich mit diesen Beiden und deren Neigung, das Cabinet durch meine Zuziehung zu stärken, nicht im Einklang befand. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 804 Der Fürst von Hohenzollern, der sich überzeugte, daß die Prinzessin und Schleinitz durch sie stärker waren als er, zog sich bald nachher von den Geschäften thatsächlich zurück, wenn er auch dem Namen nach bis zum September 1862 Ministerpräsident blieb. Die Leitung ging damit auch äußerlich auf Auerswald über, mit dem ich während der Zeit, die ich noch in Berlin zubrachte, in freundlichem Verkehr blieb. Er war von besonders liebenswürdigen Formen und hervorragender politischer Begabung; und nachdem ich zwei Jahr später Ministerpräsident geworden war, leistete er mir einen wohlwollenden Beistand, namentlich dadurch, daß er bei dem Kronprinzen die Bedenken und Besorgnisse über die Zukunft unsres Landes bekämpfte, die ihm von England aus gegen mich als Russenfreund beigebracht worden waren und die später zu dem Danziger Pronunciamiento führten. Auf seinem Sterbebette 1)ließ er den Kronprinzen zu sich bitten, warnte eindringlich vor den Gefahren, welche seine Opposition der Monarchie bereiten könnte, und bat den Prinzen, an mir festzuhalten 2). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 818 [1-243] gefällt, und wenn man meinem Könige ein Recht bestreitet, welches er ausüben will und kann, so fühle ich mich verpflichtet es zu verfechten, wenn ich auch an sich nicht von der practischen Wichtigkeit seiner Ausübung durchdrungen bin. In diesem Sinne telegraphirte ich an Schlieffen, daß ich den ,Besitztitel', auf dessen Grund ein neues Ministerium sich etabliren soll, für richtig halte, und sehe die Weigerung der andern Partei und die Wichtigkeit, welche sie auf Verhütung des Huldigungsactes legt, als doctrinäre Verbissenheit an. Wenn ich hinzufügte, daß ich die sonstige Vermögenslage nicht kenne, so meinte ich damit nicht die Personen und Fähigkeiten, mit denen wir das Geschäft übernehmen könnten, sondern das Programm, auf dessen Boden wir zu wirthschaften haben würden. Darin wird m. E. die Schwierigkeit liegen. Meinem Eindruck nach lag der Hauptmangel unsrer bisherigen Politik darin, daß wir liberal in Preußen und conservativ im Auslande auftraten, die Rechte unsres Königs wohlfeil, die fremder Fürsten zu hoch hielten. Eine natürliche Folge des Dualismus zwischen der constitutionellen Richtung der Minister und der legitimistischen, welche der persönliche Wille Seiner Majestät unsrer auswärtigen Politik gab. Ich würde mich nicht leicht zu der Erbschaft Schwerins entschließen, schon weil ich mein augenblickliches Gesundheits-Capital dazu nicht ausreichend halte. Aber selbst wenn es der Fall wäre, würde ich auch im Innern das Bedürfniß einer andern Färbung unsrer auswärtigen Politik fühlen. Nur durch eine Schwenkung in unsrer, ‚auswärtigen' Haltung kann, wie ich glaube, die Stellung der Krone im Innern von dem Andrang degagirt werden, dem sie auf die Dauer sonst thatsächlich nicht widerstehn wird, obschon ich an der Zulänglichkeit der Mittel dazu nicht zweifle. Die Pression der Dämpfe im Innern muß ziemlich hoch gespannt sein, sonst ist es garnicht verständlich, wie das öffentliche Leben bei uns von Lappalien wie Stieber, Schwark, Macdonald, Patzke, Twesten u. dergl. so aufgeregt werden konnte, und im Auslande wird man nicht begreifen, wie die Huldigungsfrage das Cabinet sprengen konnte. Man sollte (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 819 [1-244] glauben, daß eine lange und schwere Mißregirung das Volk gegen seine Obrigkeit so erbittert hätte, daß bei jedem Luftzug die Flamme ausschlägt. Politische Unreife hat viel Antheil an diesem Stolpern über Zwirnsfäden; aber seit vierzehn Jahren haben wir der Nation Geschmack an Politik beigebracht, ihr aber den Appetit nicht befriedigt, und sie sucht die Nahrung in den Gossen. Wir sind fast so eitel wie die Franzosen; können wir uns einreden, daß wir auswärts Ansehn haben, so lassen wir uns im Hause viel gefallen; haben wir das Gefühl, daß jeder kleine Würzburger uns hänselt und geringschätzt und daß wir es dulden aus Angst, weil wir hoffen, daß die Reichsarmee uns vor Frankreich schützen wird, so sehn wir innre Schäden an allen Ecken, und jeder Preßbengel, der den Mund gegen die Regirung aufreißt, hat Recht. Von den Fürstenhäusern von Neapel bis Hanover wird uns keins unsre Liebe danken, und wir üben an ihnen recht evangelische Feindesliebe, auf Kosten der Sicherheit des eignen Thrones. Ich bin meinem Fürsten treu bis in die Vendée, aber gegen alle andern fühle ich in keinem Blutstropfen eine Spur von Verbindlichkeit, den Finger für sie aufzuheben. In dieser Denkungsweise fürchte ich von der unsres allergnädigsten Herrn so weit entfernt zu sein, daß er mich schwerlich zum Rathe seiner Krone geeignet finden wird. Deshalb wird er mich, wenn überhaupt, lieber im Innern verwenden. Das bleibt sich aber m. E. ganz gleich, denn ich verspreche mir von der Gesammtregirung keine gedeihlichen Resultate, wenn unsre auswärtige Haltung nicht kräftiger und unabhängiger von dynastischen Sympathien wird, an denen wir aus Mangel an Selbstvertrauen eine Anlehnung suchen, die sie nicht gewähren können und die wir nicht brauchen. Wegen der Wahlen ist es Schade, daß der Bruch sich grade so gestaltet; die gut königliche Masse der Wähler wird den Streit über die Huldigung nicht verstehn, und die Demokratie ihn entstellen. Es wäre besser gewesen, in der Militärfrage stramm zu halten gegen Kühne, mit der Kammer zu brechen, sie aufzulösen und damit der Nation zu zeigen, wie der König zu den Leuten (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 826 [1-246] "Ich habe gelobt, Ihnen am ersten Regentage zu antworten und muß es daher leider schon heute thun und zwar aus einem versiegenden Dintenfaß, welches ich, falls nicht andre Hülfe kommt, auf einige Minuten zum Fenster hinaushalten werde, um seiner Armuth aufzuhelfen. - Daß wir uns immer wieder verfehlten, halte ich kaum für providentiell, lieber für sehr fatal. Die Depesche aus Frankfurt kam, Dank der Dummheit des Dienstpersonals, erst am 17. nach acht Uhr früh in meine Hände und meine sofortige Antwort darauf nach einigen Stunden als unbestellbar zurück. Um so bedenklicher wurde ich wegen meiner Abreise. Aber ich konnte sie nicht verschieben. Schleinitz im Dienste der Königin Augusta hat uns vor der Hand sehr geschadet. Das Geschwür war reif. Schl. selbst, überzeugt von der Unhaltbarkeit des gegenwärtigen Systems, hat vornehmlich deshalb seinen Abtritt genommen, wie die Ratten ein baufälliges Schiff zu verlassen pflegen. Aber er und v. d. Heydt stimmten darin überein, daß man todte abgenutzte Leute nicht durch den galvanischen Strich eines vermeintlichen Märtyrerthums wieder lebendig machen dürfe, und darum gegen mich. Schl., unterstützt von der K. A. und der Großfürstin Helene, haben obgesiegt mit Hülfe der wieder aufgenommenen Krönungsidee, für welche die Mäntel schon im Februar bestellt worden waren. Der schlecht maskirte Rückzug wurde nun angetreten und die fast fertige Ministerliste ad acta gelegt. Uebrigens bin ich zu glauben sehr geneigt, daß Schl., wie die K. A. und selbst der Fürst Hohenzollern an den nahen Untergang des jetzigen Lügensystems glauben und ihn zu befördern geneigt sind. Daß Schl. ausgetreten, ist in jeder Beziehung ein Fortschritt, wiewohl er nicht auf dem doctrinären Boden von Patow, Auerswald und Schwerin steht. Abgesehn von seiner Impotenz im Handeln stützte seine Anwesenheit das Ministerium nach oben. Der Mignon durfte nicht fallen; wohlan! er ist nun im Hafen. Wenn Graf Bernstorff nur halb der Mann ist, für den er von Vielen ausgegeben wird, so ist dieser zweite Keil wirksamer als der erste, oder er bleibt nicht vier Monate im Amte. Daß ich mich in der (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 840 Schon in der Berufung des Prinzen Adolf von HohenloheIngelfingen zum Vertreter des Ministerpräsidenten Fürsten Hohenzollern, März 1862, lag eine Art von ministerieller Wechselreiterei, die auf kurze Verfallzeit berechnet war. Der Prinz war ein kluger Herr, liebenswürdig, dem Könige unbedingt ergeben und hatte sich an unsrer innern Politik, wenn auch mehr dilettantisch, doch lebhafter betheiligt, als die meisten seiner Genossen vom standesherrlichen Adel; aber er war der Stelle eines Ministerpräsidenten in bewegten Zeiten körperlich und vielleicht auch geistig nicht mehr gewachsen und suchte diesen Eindruck, als ich ihn im Mai 1862 sah, mir gegenüber absichtlich zu verstärken, während er mich beschwor, ihn durch schleunige Uebernahme des Ministeriums von seinem Martyrium zu erlösen, unter dem er zusammenbreche. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 867 "Sie können Sich nicht vorstellen, quelles singulières ouvertures m'a fait faire l'Autriche, il y a peu de jours. Es scheint, daß das Zusammentreffen Ihrer Ernennung und der Ankunft des Herrn von Budberg in Paris einen panischen Schrecken in Wien erzeugt hat. Der Fürst Metternich hat mir gesagt, er habe Instructionen erhalten, die so weit gingen, daß er selbst darüber erschrocken sei; er habe unbegrenzte Vollmachten, wie sie je ein Souverain seinem Vertreter anvertraut, in Betreff aller und jeder Frage, die ich anregen würde, sich mit mir um jeden Preis zu verständigen. Ich wurde durch diese Eröffnung in einige Verlegenheit gesetzt, denn abgesehn von der Unverträglichkeit der Interessen beider Staaten habe ich eine fast abergläubische Abneigung dagegen, mich mit den Geschicken Oestreichs zu verflechten" 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 869 1) Man vergleiche damit den fast wörtlich übereinstimmenden Bericht vom 28. Juni 1862 an Bernstorff, der dem Fürsten Bismarck bei der Aufzeichnung seiner Erinnerungen nicht vorgelegen hat. Bismarck-Jahrbuch VI 152 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 916 Der König zerriß das Programm und war im Begriff, die Stücke von der Brücke in die trockne Schlucht im Park zu werfen, als ich daran erinnerte, daß diese Papiere mit der bekannten Handschrift in sehr unrechte Hände gerathen könnten. Er fand, daß ich Recht hätte, steckte die Stücke in die Tasche, um sie dem Feuer zu übergeben, und vollzog an demselben Tage meine Ernennung zum Staatsminister und interimistischen Vorsitzenden des Staatsministeriums, die am 23. veröffentlicht wurde. Meine Ernennung zum Ministerpräsidenten behielt der König vor, bis er mit dem Fürsten von Hohenzollern, der staatsrechtlich diese Stellung noch inne hatte, die desfallsige Correspondenz beendet haben werde 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 917 1) Vgl. Kaiser I. und Fürst Bismarck, Münchener Allg. Zeitung 7. October 1890 M.-A. - Die definitive Ernennung zum Ministerpräsidenten und Minister der Auswärtigen Angelegenheiten erfolgte am 8. October. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 920 Die Königliche Autorität hatte bei uns unter dem Mangel an Selbständigkeit und Energie unsrer auswärtigen und namentlich unsrer deutschen Politik gelitten; in demselben Boden wurzelte die Ungerechtigkeit der bürgerlichen Meinung über die Armee und deren Offiziere und die Abneigung gegen militärische Vorlagen und Ausgaben. In den parlamentarischen Fractionen fand der Ehrgeiz der Führer, Redner und Minister-Candidaten Nahrung und Deckung hinter der nationalen Verstimmung. Klare Ziele hatten unsrer Politik seit dem Tode Friedrichs des Großen entweder gefehlt oder sie waren ungeschickt gewählt oder betrieben; letztres von 1786 bis 1806, wo unsre Politik planlos begann und traurig endete. Man entdeckt in ihr bis zum vollen Ausbruch der französischen Revolution keine Andeutung einer national-deutschen Richtung. Die ersten Spuren einer solchen, die sich im Fürstenbunde in den Ideen von einem preußischen Kaiserthum, in der Demarcationslinie, in der Erwerbung deutscher Landstriche finden, sind Ergebnisse nicht nationaler, sondern preußisch-particularistischer Bestrebungen. Im Jahr 1786 lag das stärkere Interesse noch nicht auf deutsch-nationalem Gebiete, sondern in dem Gedanken polnischer territorialer Erwerbungen, und bis in den Krieg von 1792 hinein war das Mißtrauen zwischen Preußen und Oestreich weniger durch die deutsche als durch die polnische Rivalität beider Mächte genährt. In den Händeln der Thugut-Lehrbach'schen Periode spielte der Streit (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 925 Der Fehler in Situationen der Art hat gewöhnlich in der Ziellosigkeit und Unentschlossenheit gelegen, womit an die Benutzung und Ausbeutung herangetreten wurde. Der Große Kurfürst und Friedrich der Große hatten klare Vorstellungen von der Schädlichkeit halber Maßregeln in Fällen, wo es sich um Parteinahme oder um ihre Androhung handelte. So lange Preußen nicht zu einem der deutschen Nationalität annähernd entsprechenden Staatsgebilde gelangt war, so lange es nicht nach dem Ausdruck, dessen sich der Fürst Metternich mir gegenüber bediente, zu den "saturirten" Staaten gehörte, mußte es seine Politik mit dem angeführten Worte Friedrichs des Großen en vedette einrichten. Nun hat aber eine vedette eine Existenzberechtigung nur mit einer schlagfertigen Truppe hinter sich; ohne eine solche und ohne den Entschluß, sie activ zu verwenden, sei es für, sei es gegen eine der streitenden Parteien, konnte die preußische Politik von dem Einwerfen ihres europäischen Gewichtes bei Gelegenheiten wie der von Reichenbach keinen materiellen Vortheil, weder in Polen, noch in Deutschland, sondern nur die Verstimmung und das Mißtrauen seiner beiden Nachbarn erzielen. Noch heut erkennt man in geschichtlichen Urtheilen chauvinistischer Landsleute die Genugthuung, mit welcher die schiedsrichterliche Rolle, die von Berlin aus auf den Streit im Orient ausgeübt werden konnte, das preußische Selbstgefühl erfüllte; die Reichenbacher Convention gilt ihnen als ein Höhepunkt auf dem Niveau Friedericianischer Politik, von welchem an der Abstieg und das Sinken durch die Pillnitzer Verhandlungen, den Basler Frieden bis nach Tilsit erfolgte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 931 Flagrante Undankbarkeit, wie der Fürst Schwarzenberg sie proclamirte, ist in der Politik wie im Privatleben nicht nur unschön, sondern auch unklug. Wir haben aber unsre Schuld ausgeglichen, nicht nur zur Zeit der Nothlage der Russen bei Adrianopel 1829 und durch unser Verhalten in Polen 1831, sondern in der ganzen Zeit unter Nicolaus I., der der deutschen Romantik und Gemüthlichkeit ferner stand als Alexander I., wenn er auch mit seinen preußischen Verwandten und mit preußischen Offizieren freundlich verkehrte. Unter seiner Regirung haben wir als russische Vasallen gelebt, 1831, wo Rußland ohne uns kaum mit den Polen fertig geworden wäre, namentlich aber in allen europäischen Constellationen von 1831 bis 1850, wo wir immer russische Wechsel acceptirt und honorirt haben, bis nach 1848 der junge östreichische Kaiser dem russischen besser gefiel als der König von Preußen, wo der russische Schiedsrichter kalt und hart gegen Preußen und deutsche Bestrebungen entschied und sich für die Freundschaftsdienste von (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 946 Die nächste günstige Situation nach dem Krimkriege bot unsrer Politik der italienische Krieg. Ich glaube freilich nicht, daß König Wilhelm schon als Regent 1859 geneigt gewesen sein würde, in plötzlicher Entschließung den Abstand zu überschreiten, der seine damalige Politik von derjenigen trennte, welche später zur Herstellung des Deutschen Reichs geführt hat. Wenn man die damalige Stellung nach dem Maßstabe beurtheilt, den die Haltung des auswärtigen Ministers von Schleinitz in dem demnächstigen Abschluß des Garantievertrages von Teplitz mit Oestreich und in der Weigerung der Anerkennung Italiens bezeichnet, so kann man mit Recht bezweifeln, ob es damals möglich gewesen sein würde, den Regenten zu einer Politik zu bewegen, welche die Verwendung der preußischen Kriegsmacht von Concessionen in der deutschen Bundespolitik abhängig gemacht hätte. Die Situation wurde nicht unter dem Gesichtspunkte einer vorwärts strebenden preußischen Politik betrachtet, sondern in dem gewohnheitsmäßigen Bestreben, sich den Beifall der deutschen Fürsten, des Kaisers von Oestreich und zugleich der deutschen Presse zu erwerben, in dem unklaren Bemühn um einen idealen Tugendpreis für Hingebung an Deutschland, ohne irgend eine klare Ansicht über die Gestalt des Zieles, die Richtung in der, und die Mittel, durch die es zu suchen wäre. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 967 Niemals, auch in Frankfurt nicht, bin ich darüber in Zweifel gewesen, daß der Schlüssel zur deutschen Politik bei den Fürsten und Dynastien lag und nicht bei der Publicistik in Parlament und Presse oder bei der Barrikade. Die Kundgebungen der öffentlichen Meinung der Gebildeten in Parlament und Presse konnten fördernd und aufhaltend auf die Entschließung der Dynastien wirken, aber sie förderten zugleich das Widerstreben der letztern vielleicht häufiger, als daß sie eine Pression in nationaler Richtung ausgeübt hätten. Schwächere Dynastien suchten Schutz in Anlehnung bei der nationalen Sache, Herrscher und Häuser, die sich zum Widerstande fähiger fühlten, mißtrauten der Bewegung, weil mit der Förderung der deutschen Einheit eine Verminderung der Unabhängigkeit zu Gunsten der Centralgewalt oder der Volksvertretung in Aussicht stand. Die preußische Dynastie konnte voraussehn, daß ihr die Hegemonie mit einer Vermehrung von Ansehn und Macht im künftigen Deutschen Reiche schließlich zufallen würde. Ihr kam die von den andern Dynastien befürchtete capitis deminutio voraussichtlich zu Gute, so weit sie nicht durch ein nationales Parlament absorbirt wurde. Seit im Frankfurter Bundestage die dualistische Auffassung Oestreich-Preußen, unter deren Eindruck ich dorthin gekommen war, dem Gefühl der Nothwendigkeit Platz gemacht hatte, unsre Stellung gegen präsidiale Angriffe und Ueberlistungen zu wahren, nachdem ich den Eindruck erhalten hatte, daß die gegenseitige (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 969 Ich erinnere mich eines Wendepunkts, der in meinen Ansichten eintrat, als ich in Frankfurt die mir bis dahin unbekannte Depesche des Fürsten Schwarzenberg vom 7. December 1850 zu lesen bekam, in welcher er die Olmützer Ergebnisse so darstellt, als ob es von ihm abgehangen hätte, Preußen "zu demüthigen" oder großmüthig zu pardonniren. Der mecklenburgische Gesandte, Herr von Oertzen, mein ehrlicher und conservativer Gesinnungsgenosse in dualistischer Politik, mit dem ich darüber sprach, suchte mein durch diese Schwarzenbergische Depesche verletztes preußisches Gefühl zu besänftigen. Trotz der für preußisches Gefühl demüthigenden Inferiorität unsres Auftretens in Olmütz und Dresden war ich noch gut östreichisch nach Frankfurt gekommen; der Einblick in die Schwarzenbergische Politik "avilir, puis démolir", den ich dort actenmäßig gewann, enttäuschte meine jugendlichen Illusionen. Der gordische Knoten deutscher Zustände ließ sich nicht in Liebe dualistisch lösen, nur militärisch zerhauen; es kam darauf an, den König von Preußen, bewußt oder unbewußt, und damit das preußische Heer für den Dienst der nationalen Sache zu gewinnen, mochte man vom borussischen Standpunkte die Führung Preußens oder auf dem nationalen die Einigung Deutschlands als die Hauptsache betrachten; beide Ziele deckten einander. Das war mir klar, und ich deutete es an, als ich in der Budgetcommission (30. September 1862) die vielfach entstellte Aeußerung über Eisen und Blut that (s. o. S. 283). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 972 [1-291] dynastische Beziehungen, auf denen die centrifugalen Elemente ursprünglich beruhn. Es kommt nicht die Anhänglichkeit an schwäbische, niedersächsische, thüringische Eigenthümlichkeit zur Hebung, sondern die durch die Dynastien Braunschweig, Brabant, Wittelsbach zu einem dynastischen Antheil an dem Körper der Nation gesonderten Convolute der Herrschaft einer fürstlichen Familie. Der Zusammenhang des Königreichs Baiern beruht nicht nur auf dem bajuvarischen Stamme, wie er im Süden Baierns und in Oestreich vorhanden ist, sondern der Augsburger Schwabe, der Pfälzer Alemanne und der Mainfranke, sehr verschiedenen Geblüts, nennen sich mit derselben Genugthuung Baiern, wie der Altbaier in München und Landshut, lediglich weil sie mit den letztern durch die gemeinschaftliche Dynastie seit drei Menschenaltern verbunden sind. Die am meisten ausgeprägten Stammeseigenthümlichkeiten, die niederdeutsche, plattdeutsche, sächsische, sind durch dynastische Einflüsse schärfer und tiefer als die übrigen Stämme geschieden. Die deutsche Vaterlandsliebe bedarf eines Fürsten, auf den sich ihre Anhänglichkeit concentrirt. Wenn man den Zustand fingirte, daß sämmtliche deutsche Dynastien plötzlich beseitigt wären, so wäre nicht wahrscheinlich, daß das deutsche Nationalgefühl alle Deutschen in den Frictionen europäischer Politik völkerrechtlich zusammenhalten würde, auch nicht in der Form föderirter Hansestädte und Reichsdörfer. Die Deutschen würden fester geschmiedeten Nationen zur Beute fallen, wenn ihnen das Bindemittel verloren ginge, welches in dem gemeinsamen Standesgefühl der Fürsten liegt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 974 [1-292] preußischen Nationalstaat verbunden, ohne die Dynastie so weiter leben würden? Würde Baiern, isolirt gedacht, geschlossen zusammenhalten, wenn die Wittelsbacher Dynastie spurlos verschwunden wäre? Einige Dynastien haben manche Erinnerungen, die nicht grade geeignet sind, die heterogenen Theile, aus denen diese Staaten geschichtlich gebildet sind, mit Anhänglichkeit zu erfüllen. Das Land Schleswig-Holstein hat garkeine dynastische Erinnerungen, namentlich nicht im anti-gottorpischen Sinne, und doch hat die Aussicht, einen selbständigen kleinen Hof mit Ministern, Hofmarschällen und Orden neu bilden zu können, und auf Kosten der preußischen und östreichischen Bundesleistungen eine kleinstaatliche Existenz zu führen, recht starke particularistische Bewegungen in den Elbherzogthümern hervorgerufen. Das Großherzogthum Baden hat seit dem Markgrafen Ludwig vor Belgrad kaum eine dynastische Erinnerung; das rasche Anwachsen dieses kleinen Fürstenthums unter französischer Protection im Rheinbunde, das Hofleben der letzten Fürsten der alten Linie, die eheliche Verbindung mit dem Hause Beauharnais, die Caspar Hauser-Geschichte, die revolutionären Vorgänge von 1832, die Vertreibung des bürgerfreundlichen Großherzogs Leopold, die Vertreibung des regirenden Hauses 1849 haben den Zwang der dynastischen Fügsamkeit im Lande nicht brechen können, und Baden hat 1866 seinen Krieg gegen Preußen und die deutsche Idee geführt, weil die dynastischen Interessen des regirenden Hauses es unabweislich machten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 980 [1-295] werden. Das deutsche Volk und sein nationales Leben können nicht unter fürstlichen Privatbesitz vertheilt werden. Ich bin mir jeder Zeit klar darüber gewesen, daß diese Erwägung auf die kurbrandenburgische Dynastie dieselbe Anwendung findet, wie auf die bairische, die welfische und andre; ich würde gegen das brandenburgische Fürstenhaus keine Waffen gehabt haben, wenn ich ihm gegenüber mein deutsches Nationalgefühl durch Bruch und Auflehnung hätte bethätigen müssen; die geschichtliche Prädestination lag aber so, daß meine höfischen Talente hinreichten, um den König und damit schließlich sein Heer der deutschen Sache zu gewinnen. Ich habe gegen den preußischen Particularismus vielleicht noch schwierigere Kämpfe durchzuführen gehabt als gegen den der übrigen deutschen Staaten und Dynastien, und mein angebornes Verhältniß zu dem Kaiser Wilhelm I. hat mir diese Kämpfe erschwert. Doch ist es mir schließlich stets gelungen, trotz der starken dynastischen, aber Dank der dynastisch berechtigten und in entscheidenden Momenten immer stärker werdenden nationalen Strebungen des Kaisers seine Zustimmung für die deutsche Seite unsrer Entwicklung zu gewinnen, auch wenn eine mehr dynastische und particularistische von allen andern Seiten geltend gemacht wurde. In der Nikolsburger Situation wurde mir dies nur mit dem Beistande des damaligen Kronprinzen möglich. Die territoriale Souveränetät der einzelnen Fürsten hatte sich im Laufe der deutschen Geschichte zu einer unnatürlichen Höhe entwickelt; die einzelnen Dynastien, Preußen nicht ausgenommen, hatten an sich dem deutschen Volke gegenüber auf Zerstückelung des letztern für ihren Privatbesitz, auf den souveränen Antheil am Leibe des Volkes niemals ein höheres historisches Recht, als unter den Hohenstaufen und unter Karl V. in ihrem Besitz war. Die unbeschränkte Staatssouveränetät der Dynastien, der Reichsritter, der Reichsstädte und Reichsdörfer war eine revolutionäre Errungenschaft auf Kosten der Nation und ihrer Einheit. Ich habe stets den Eindruck des Unnatürlichen von der Thatsache gehabt, daß die Grenze, welche den niedersächsischen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1015 [1-307] Dies war die auch vom Fürsten Gortschakow vertretene Ansicht, dem parlamentarische Einrichtungen ein Feld für europäische Verwerthung seiner Beredsamkeit gewährt haben würden, und den sein Popularitätsbedürfniß widerstandsunfähig gegen liberale Strömungen in der russischen "Gesellschaft" machte. Er war bei der Freisprechung von Wera Sassulitsch (11. April 1878) der Erste, der zum Beifall der Zuhörer das Signal gab. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1026 [1-312] Es ist nicht zu bezweifeln, daß die damalige Intimität mit den beiden Westmächten zu dem Entschlusse des Kaisers Franz Joseph mitgewirkt hat, am 2. August den Vorstoß mit dem Fürstencongreß gegen Preußen zu machen. Freilich hätte er sich dabei in einem Irrthum befunden und nicht gewußt, daß der Kaiser Napoleon der polnischen Sache schon überdrüssig und auf einen anständigen Rückzug bedacht war. Graf Goltz schrieb mir am 31. August 1): "Sie werden aus meiner heutigen Expedition ersehen, daß ich mit Cäsar Ein Herz und Eine Seele bin (in der That war er noch nie, auch zu Anfang meiner Mission nicht, so liebenswürdig und vertraulich wie diesmal), daß Oesterreich uns durch seinen Fürstentag, was unsre Beziehungen zu Frankreich anbetrifft, einen großen Dienst geleistet hat, und daß es nur einer befriedigenden Beilegung der polnischen Differenzen bedarf, um, Dank zugleich der Abwesenheit Metternichs und der heute erfolgten Abreise seiner hohen Freundin 2), in eine politische Lage zurückzugelangen, in welcher wir den kommenden Ereignissen mit Zuversicht entgegensehen können. Ich habe auf die Andeutungen des Kaisers hinsichtlich der polnischen Angelegenheit nicht so weit eingehen können, als ich es gewünscht hätte. Er schien mir ein Mediationsanerbieten zu erwarten; aber die Aeußerungen des Königs hielten mich zurück. Jedenfalls scheint es mir rathsam, das Eisen zu schmieden, so lange es warm ist; der Kaiser hat jetzt bescheidenere Ansprüche als je, und es ist zu besorgen, daß er wieder zu stärkeren Anforderungen zurückkehrt, wenn etwa Oesterreich das Frankfurter Ungeschick durch eine erhöhte Bereitwilligkeit in der polnischen Frage wieder gut zu machen bemüht sein sollte. Er will jetzt nur aus der Sache mit Ehren herauskommen, erkennt die sechs Punkte selbst als schlecht an und wird daher bei ihrer praktischen Durchführung gern ein Auge zudrücken, weshalb es ihm vielleicht sogar ganz recht ist, wenn er (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1034 Der Fürst Gortschakow hatte der polnischen Frage gegenüber zuweilen absolutistische, zuweilen - man kann nicht sagen liberale aber - parlamentarische Anwandlungen. Er hielt sich für einen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1100 Der Frankfurter Fürstentag. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1105 [1-333] Die Versuche zur Zeit des Ministeriums Rechberg würden, wenn erfolgreich, damals zu einer gesammtdeutschen Union auf der Basis des Dualismus haben führen können, zu dem Siebzigmillionenreich in Centraleuropa mit zweiköpfiger Spitze, während die Schwarzenbergische Politik auf etwas Aehnliches ausgegangen war, aber mit einheitlicher Spitze Oestreichs und Hinabdrückung Preußens nach Möglichkeit auf den mittelstaatlichen Stand. Der letzte Anlauf dazu war der Fürstencongreß von 1863. Wenn die Schwarzenbergische Politik in der posthumen Gestalt des Fürstencongresses schließlich Erfolg gehabt hätte, so würde zunächst die Verwendung des Bundestages zur Repression auf dem Gebiete der innern Politik Deutschlands voraussichtlich in den Vordergrund getreten sein, nach Maßgabe der Verfassungsrevisionen, die der Bund schon in Hanover, Hessen, Luxemburg, Lippe, Hamburg u. a. in Angriff genommen hatte. Auch die Preußische Verfassung konnte analog herangezogen werden, wenn der König nicht zu vornehm dazu gedacht hätte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1108 Aber die von Oestreich mit Hülfe des Fürstentags von 1863 erstrebte Bundesreform würde für eine Rivalität zwischen Preußen, Oestreich und dem Parlamentarismus geringen Raum gelassen haben. Die Vorherrschaft Oestreichs in der damals beabsichtigten Bundesreform würde, auf Grund der dynastischen Befürchtungen vor Preußen und vor parlamentarischen Kämpfen, vermittelst einer dauernden und systematisch begründeten Bundesmajorität gesichert gewesen sein. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1123 Das Gesammtergebniß dieser in gleicher Richtung wirkenden Vorstellungen war denn auch das Gegentheil von einem Entgegenkommen des Wiener Cabinets für dualistische Neigungen; Oestreich ging über die preußische Anregung von 1862 zur Tagesordnung über mit der diametral entgegengesetzten Initiative zur Berufung des Frankfurter Fürstentages, durch die Anfangs August in Gastein König Wilhelm und sein Cabinet überrascht wurden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1124 Nach den Mittheilungen von Fröbel *)der sich als den Urheber des Fürstencongresses betrachtet und ohne Zweifel in die Vorbereitungen eingeweiht war, ist den übrigen deutschen Fürsten vor Empfang der vom 31. Juli datirten Einladung der östreichische Plan nicht bekannt gewesen. Es wäre jedoch möglich, daß man den nachmaligen würtembergischen Minister von Varnbüler bis zu einem gewissen Grade in das Geheimniß gezogen hatte. Dieser kluge und strebsame Politiker zeigte im Sommer 1863 Neigung, mit mir die Beziehungen zu erneuern, die früher zwischen uns durch Vermittlung unsres gemeinschaftlichen Freundes von BelowHohendorf entstanden waren. Er veranlaßte mich zu einer Zusammenkunft, die am 12. Juli in einer auf seinen Wunsch geheimnißvollen Form in einem kleinen böhmischen Orte westlich von Karlsbad (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1130 Wenn ich meinen Widerstand gegen das Streben des Königs nach Frankfurt aufgegeben und ihn seinem Wunsche gemäß dorthin begleitet hätte, um in dem Fürstencongreß die preußisch-östreichische Rivalität in eine gemeinsame Bekämpfung der Revolution und des Constitutionalismus zu verwandeln, so wäre Preußen äußerlich geblieben, was es vorher war, hätte freilich unter dem östreichischen Präsidium durch bundestägliche Beschlüsse die Möglichkeit gehabt, seine Verfassung in analoger Weise revidiren zu lassen, wie das mit der hanöverschen, der hessischen und der mecklenburgischen und in Lippe, Hamburg, Luxemburg geschehn war, damit aber den nationaldeutschen Weg geschlossen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1131 Es wurde mir nicht leicht, den König zum Fernbleiben von Frankfurt zu bestimmen. Ich bemühte mich darum auf der Fahrt von Wildbad nach Baden, wo wir im offnen kleinen Wagen, wegen der Leute vor uns auf dem Bock, die deutsche Frage französisch verhandelten. Ich glaubte den Herrn überzeugt zu haben, als wir in Baden anlangten. Dort aber fanden wir den König von Sachsen, der im Auftrage aller Fürsten die Einladung nach Frankfurt erneuerte (19. August). Diesem Schachzug zu widerstehn, wurde meinem Herrn nicht leicht. Er wiederholte mehrmals die Erwägung: "30 regirende Herrn und ein König als Courier!" und er liebte und verehrte den König von Sachsen, der unter den Fürsten für diese Mission auch persönlich der Berufenste war. Erst um Mitternacht gelang es mir, die Unterschrift des Königs zu erhalten für die Absage an den König von Sachsen. Als ich den Herrn verließ, waren wir beide in Folge der nervösen Spannung der Situation krankhaft erschöpft, und meine sofortige (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1133 Nachdem der König auf der Rückreise von Baden-Baden (31. August) nach Berlin so nahe an Frankfurt vorüber gefahren war, daß der entschlossene Wille, sich nicht zu betheiligen, zu Tage lag, wurde die Mehrheit oder wurden wenigstens die mächtigsten Fürsten von einem Unbehagen erfaßt bei dem Gedanken an den Reformentwurf, der sie, wenn Preußen fern blieb, mit Oestreich allein in einem Verbande ließ, in dem sie nicht durch die Rivalität der beiden Großmächte gedeckt waren. Das Wiener Cabinet muß an die Möglichkeit geglaubt haben, daß die übrigen Bundesfürsten auf die dem Congreß am 17. August gemachte Vorlage auch dann eingehn würden, wenn sie in dem reformirten Bundesverhältniß schließlich mit Oestreich allein geblieben wären. Man würde sonst nicht den in Frankfurt verbliebenen Fürsten die Zumuthung gemacht haben, die östreichische Vorlage auch ohne Preußens Zustimmung anzunehmen und in die Praxis überzuführen. Die Mittelstaaten wollten aber in Frankfurt weder eine einseitig preußische, noch eine einseitig östreichische Leitung, sondern für sich ein möglichst einflußreiches Schiedsamt im Sinne der Trias, welches jede der beiden Großmächte auf das Bewerben um die Stimmen der Mittelstaaten anwies. Die östreichische Zumuthung, auch ohne Preußen abzuschließen, wurde beantwortet durch den Hinweis auf die Nothwendigkeit neuer Verhandlungen mit Preußen und die Kundgebung der eignen Neigung zu solchen. Die Form der Beantwortung der östreichischen Wünsche war nicht glatt genug, um in Wien keine Empfindlichkeit zu erregen. Die Wirkung auf den Grafen Rechberg, vorbereitet durch die guten Beziehungen, in denen unsre Frankfurter Collegenschaft abgeschlossen hatte, war, daß er sagte, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1169 Aus meinem Briefwechsel mit dem Könige Ludwig schalte ich einige Stücke ein, die zur richtigen Charakteristik dieses unglücklichen Fürsten beitragen und auch wieder einmal ein actuelles Interesse gewinnen können. Die Curialien sind nur in den ersten Briefen gegeben. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1173 Für die huldreichen Eröffnungen, welche mir Graf Holnstein auf Befehl Eurer Majestät gemacht hat, bitte ich Allerhöchstdieselben den ehrfurchtsvollen Ausdruck meines Dankes entgegennehmen zu wollen. Das Gefühl meiner Dankbarkeit gegen Eure Majestät hat einen tiefern und breitern Grund als den persönlichen in der amtlichen Stellung, in welcher ich die hochherzigen Entschließungen Eurer Majestät zu würdigen berufen bin, durch welche Eure Majestät beim Beginne und bei Beendigung dieses Krieges der Einigkeit und der Macht Deutschlands den Abschluß gegeben haben. Aber es ist nicht meine, sondern die Aufgabe des deutschen Volkes und der Geschichte, dem durchlauchtigen bairischen Hause für Eurer Majestät vaterländische Politik und für den Heldenmuth Ihres Heeres zu danken. Ich kann nur versichern, daß ich Eurer Majestät, so lang ich lebe, in ehrlicher Dankbarkeit anhänglich und ergeben sein und mich jederzeit glücklich schätzen werde, wenn es mir vergönnt wird, Eurer Majestät zu Diensten zu sein. In der deutschen Kaiserfrage habe ich mir erlaubt, dem Grafen Holnstein einen kurzen Entwurf vorzulegen, welchem der Gedankengang zu Grunde liegt, der meinem Gefühl nach die deutschen Stämme bewegt: der deutsche Kaiser ist ihrer aller Landsmann, der König von Preußen ein Nachbar, dem unter diesem Namen Rechte, die ihre Grundlage nur in der freiwilligen Uebertragung durch die deutschen Fürsten und Stämme finden, nicht zustehn. Ich glaube, daß der deutsche Titel für das Präsidium die Zulassung desselben erleichtert, und die Geschichte lehrt, daß die großen Fürstenhäuser Deutschlands, Preußen eingeschlossen, die Existenz des von ihnen gewählten (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1190 Eure Majestät setzen mit Recht voraus, daß auch ich von der Centralisation kein Heil erwarte, sondern grade in der Erhaltung der Rechte, welche die Bundesverfassung den einzelnen Gliedern des Bundes sichert, die dem deutschen Geiste entsprechende Form der Entwicklung und zugleich die sicherste Bürgschaft gegen die Gefahren erblicke, welchen Recht und Ordnung in der freien Bewegung des heutigen politischen Lebens ausgesetzt sein können. Daß die Herstellung der Kaiserwürde durch Initiative Eurer Majestät und der verbündeten Fürsten den monarchisch-conservativen Interessen förderlich ist, beweist die feindliche Stellung, welche die republikanische Partei in ganz Deutschland zu derselben genommen hat. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1194 Mein lieber Fürst! (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1195 Es würde mir nicht nur ein hohes Interesse bieten, sondern zugleich lebhafte Freude bereiten, Sie zu sprechen und meinen Gefühlen besonderer Hochschätzung für Sie, mein lieber Fürst, mündlichen Ausdruck zu geben. Wie ich zu meinem aufrichtigen Bedauern erfahre, hat jener so verabscheuungswürdige Mordanschlag 1), für dessen Mißlingen ich Gott immerdar dankbar sein werde, störend auf Ihre auch mir so theure Gesundheit und auf den Curgebrauch gewirkt, so daß es vermessen von mir wäre, wollte ich Sie ersuchen, Sich demnächst zu mir zu bemühen, der ich jetzt mitten in den Bergen verweile. - Für Ihren letzten Brief, der mich mit aufrichtiger Freude erfüllte, bin ich Ihnen aus ganzer Seele dankbar. Fest vertraue ich auf Sie! und glaube ich, daß Sie, wie Sie meinem Minister v. Pfretzschner gegenüber sich äußerten, Ihren politischen Einfluß dafür einsetzen werden, daß das föderative Princip die Grundlage der neuen Ordnung der Dinge in Deutschland bilde. Möge der Himmel Ihr theures Leben noch viele Jahre uns Allen erhalten! Ihr Tod, sowie der des von mir hochverehrten Kaisers Wilhelm wäre ein großes Unglück für Deutschland und Bayern. - Aus ganzem Herzen meine besten Grüße Ihnen, mein lieber Fürst, zurufend, bleibe ich stets mit besonderer Hochschätzung und tiefgewurzeltem Vertrauen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1215 Möge der allen deutschen Fürsten gemeinsame Wunsch der Erhaltung des Friedens Verwirklichung finden und dadurch Ihnen, mein lieber Fürst, ergiebige Erholung von mühevoller Arbeit und aufregender Sorge gegönnt sein. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1216 Indem ich der Fürstin die Hand küsse und Ihnen, mein (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1217 [1-359] lieber Fürst, die herzlichsten Grüße sende, verbleibe ich mit Ihnen bekannten Gesinnungen jederzeit (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1223 ... Leider läßt mir die Politik nicht ganz die Ruhe, deren man im Bade bedarf: es ist dabei mehr die allgemeine Unruhe und Ungeduld als eine wirkliche Gefährdung des Friedens, für Deutschland wenigstens, wodurch die unfruchtbaren Arbeiten der Diplomaten veranlaßt werden. Unfruchtbar sind sie nothwendig, so lange der Kampf innerhalb der türkischen Grenzen zu keiner Entscheidung gediehen sein wird. Wie die letztre auch ausfallen möge, so wird die Verständigung zwischen Rußland und England bei gegenseitiger Aufrichtigkeit immer möglich sein, da - und so lange - Rußland nicht nach dem Besitze von Constantinopel strebt. Sehr viel schwieriger wird auf die Dauer die Vermittlung zwischen den östreichisch-ungarischen und den russischen Interessen sein; bisher aber sind beide Kaiserhöfe noch einig, und ich bin überzeugt, Eurer Majestät Allerhöchste Billigung zu finden, wenn ich die Erhaltung dieser Einigkeit als eine Hauptaufgabe deutscher Diplomatie ansehe. Es würde eine große Verlegenheit für Deutschland sein, zwischen diesen beiden so eng befreundeten Nachbarn optiren zu sollen; denn ich zweifle nicht daran, im Sinne Eurer Majestät und aller deutscher Fürsten zu handeln, wenn ich in unsrer Politik den Grundsatz vertrete, daß Deutschland nur zur Wahrung zweifelloser deutscher Interessen sich an einem Kriege freiwillig betheiligen sollte. Die türkische Frage, so lange sie sich innerhalb der türkischen Grenzen entwickelt, berührt meines unterthänigsten Dafürhaltens keine kriegswürdigen deutschen Interessen; auch ein Kampf zwischen Rußland und einer der Westmächte oder beiden kann sich entwickeln, ohne (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1227 Durch Ihre so klare Darlegung der politischen Situation haben Sie, mein lieber Fürst, mich ganz besonders verbunden. Der weitsehende, staatsmännische Blick, welcher sich in Ihren Anschauungen über die Stellung Deutschlands zu den gegenwärtigen und etwa noch drohenden Verwicklungen im Auslande kund gibt, hat meine volle Bewunderung, und ich brauche wohl nicht zu versichern, daß Ihre mächtigen Anstrengungen zur Erhaltung des Friedens von meinen wärmsten Sympathien und unbegränztem Vertrauen begleitet sind. - Möge der glückliche Erfolg der deutschen Politik und der Dank der deutschen Fürsten und Stämme Sie, mein lieber Fürst, im Besitze Ihrer vollen Gesundheit und Rüstigkeit finden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1228 Mit diesem innigen Wunsche verbinde ich die herzlichsten Grüße und die Versicherung wahrer Hochachtung und festgewurzelten Vertrauens, womit ich, mein lieber Fürst, stets verbleibe (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1239 ... Es drängt mich bei diesem Anlasse, Ihnen, mein lieber Fürst, zu sagen, mit welcher lebhaften Besorgniß, mich vor einiger Zeit die Nachricht von der Möglichkeit Ihres Rücktrittes erfüllte. Je größer meine persönliche Verehrung für Sie und mein Vertrauen zu der föderativen Grundlage Ihres staatsmännischen Wirkens ist, desto schmerzlicher hätte ich ein solches Ereigniß für mich und mein Land empfunden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1240 [1-363] Zu meiner wahren Freude ist es nicht eingetreten, und ich wünsche von ganzem Herzen, daß Ihre Weisheit und Thatkraft dem Reiche und dem reichstreuen Bayern noch recht lange erhalten bleiben möge! Haben Sie, mein lieber Fürst, meinen innigsten Dank auch für die Mittheilung erfreulicher Friedensaussichten und für die Zusicherung, daß mein für Berlin bestimmter Gesandter v. Rudhart bei Ihnen wohlwollende und vertrauensvolle Aufnahme finden werde. In Ihrer Stellung zu der immer wieder auftauchenden Frage verantwortlicher Reichsministerien erscheinen Sie als der starke Hort der Rechte der Bundesfürsten, und mit wahrhafter Beruhigung nehme ich von Ihnen, mein lieber Fürst, das Wort entgegen, daß das Heil der deutschen Zukunft nicht in der Centralisirung zu suchen ist, welche mit der Schaffung solcher Ministerien eintreten würde. Seien Sie überzeugt, daß ich es an nichts fehlen lassen werde, um Ihnen in dem Kampfe für Aufrechterhaltung der Grundlagen der Reichsverfassung die offene und vollste Unterstützung meiner Vertreter im Bundesrathe, welchen sich gewiß auch die Bevollmächtigten der andern Fürsten anschließen werden, für alle Zukunft zu sichern *). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1248 [1-366] der Unterstützung gegen diese Gefahr von Seiten der Mehrheit des Reichstags, drängt schließlich den deutschen Fürsten, ihren Regirungen und allen Anhängern der staatlichen Ordnung eine Solidarität der Nothwehr auf, welcher die Demagogie der Redner und der Presse nicht gewachsen sein wird, so lange die Regirungen einig und entschlossen bleiben, wie sie es gegenwärtig sind. Der Zweck des Deutschen Reiches ist der Rechtsschutz; die parlamentarische Thätigkeit ist bei Stiftung des bestehenden Bundes der Fürsten und Städte als ein Mittel zur Erreichung des Bundeszweckes, aber nicht als Selbstzweck aufgefaßt worden. Ich hoffe, daß das Verhalten des Reichstags die verbündeten Regirungen der Nothwendigkeit überheben wird, die Consequenzen dieser Rechtslage jemals praktisch zu ziehn. Aber ich bin nicht gewiß, daß die Mehrheit des jetzt gewählten Reichstags schon der richtige Ausdruck der zweifellos loyal und monarchisch gesinnten Mehrheit der deutschen Wähler sein werde. Sollte es nicht der Fall sein, so tritt die Frage einer neuen Auflösung in die Tagesordnung. Ich glaube aber nicht, daß ein richtiger Moment der Entscheidung darüber schon in diesem Herbst eintreten könne. Bei einem neuen Appell an die Wähler wird die wirthschaftliche und finanzielle Reformfrage ein Bundesgenosse für die verbündeten Regirungen sein, sobald sie im Volke richtig verstanden sein wird; dazu aber ist ihre Discussion im Reichstage nöthig, die nicht vor der Wintersession stattfinden kann. Das Bedürfniß höherer Einnahmen durch indirecte Steuern ist in allen Bundesstaaten fühlbar, und von deren Ministern in Heidelberg einstimmig anerkannt worden. Der Widerspruch der parlamentarischen Theoretiker dagegen hat in der productiven Mehrheit der Bevölkerung auf die Dauer keinen Anklang. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1252 Ich ersuche Sie, der Fürstin den Ausdruck meiner besonderen Verehrung zu übermitteln und Ihren Sohn, den Grafen Herbert, recht vielmals von mir grüßen zu wollen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1253 Unter Wiederholung meines herzlichsten Dankes für Ihren mir so hochwillkommenen fesselnden Brief bleibe ich stets, mein lieber Fürst, mit der Versicherung ganz besonderer Hochachtung, Werthschätzung und Vertrauens (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1258 Mein lieber Fürst von Bismarck! Das günstige Resultat, mit welchem die Reichstagsverhandlungen über Ihr großes Finanz-Projekt endeten, gibt mir willkommenen Anlaß, Sie von Herzen zu beglückwünschen. Es bedurfte Ihrer außerordentlichen Kraft und Energie, um den Kampf mit den widerstreitenden Ansichten und den tausend selbstsüchtigen Interessen, welche sich Ihrem Plane entgegenstellten, siegreich zu (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1282 Mein lieber Fürst! (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1283 Für Ihre beiden mir sehr willkommenen Schreiben vom 4. und 7. dieses Monats, in denen Sie mir über den Stand der Parteien und über die Lage der römischen Angelegenheit so interessante Aufschlüsse gaben, sende ich Ihnen meinen wärmsten Dank. - Schon jetzt sind Ihre Unterhandlungen mit Rom erfolgreich gewesen, da das erheblich gebesserte Verhältniß zur Curie entschieden auf die Centrumspartei und durch sie auf das Gelingen Ihres Finanzreformwerkes von Einfluß war. So möge auch im Uebrigen Ihr kräftiges Bestreben, eine große conservative Partei zu schaffen, vom Glück begünstigt sein. Es ist mein inniger Wunsch, daß Ihnen, mein lieber Fürst, Gesundheit und Kraft zur Bewältigung Ihrer großen, hochwichtigen Aufgaben bewahrt bleiben, und habe (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1285 Seien Sie, mein lieber Fürst, der besonderen Werthschätzung, der vollsten Hochachtung und Vertrauens versichert, womit ich immerdar verbleibe (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1290 Mein lieber Fürst! (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1291 Mit wahrer Freude haben mich die Glückwünsche erfüllt, welche Sie mir zu meinem Doppelfeste und zur 700jährigen Jubiläumsfeier meines Hauses darzubringen die Aufmerksamkeit hatten 2). Ich danke Ihnen von ganzem Herzen für die erprobte anhängliche Gesinnung, welche mir und meinem Lande von so hohem Werthe ist und auf welche ich wie bisher, so fürderhin mein aufrichtiges Vertrauen setze. - Bei den innigen Beziehungen, in welchen Sie als der ruhmreiche große Kanzler zu mir stehen, war es für mich von besonderem Interesse zu vernehmen, daß schon meine Vorfahren Anlaß hatten, Ihre Familie hochzuschätzen und auszuzeichnen. - Die günstige Nachricht, welche Sie, mein lieber Fürst, mir von Ihrem Befinden gaben, ist mir hochwillkommen, und ich wiederhole, wie freudig ich es empfinde, daß eine bayerische Heilquelle zur Erhaltung der bewundernswerthen Kraft beiträgt, welche Sie zum Wohle der deutschen Staaten einsetzen. Mit hoher Befriedigung habe ich aus Ihrem Schreiben den Glauben an die Sicherheit des Friedens ersehen, und dankbar bin ich für die Zusicherung eines Berichtes über die politische Lage. Empfangen Sie, mein lieber Fürst, mit den Ihrigen die 1) In der chronologischen Folge würden hier die im 29. Capitel (Bd. II S. 238 ff.) eingefügten Stücke anzuschließen sein. 2) Das Schreiben liegt leider in einer Abschrift nicht vor. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1296 Mein lieber Fürst! (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1297 Der gute Erfolg Ihrer Cur in Kissingen hat meine aufrichtigen Wünsche erfüllt, und ich hoffe, daß die nöthige Ruhe auch die neuralgischen Schmerzen heilen wird, welche, wie Sie mir zu meinem lebhaften Bedauern mittheilen, noch vorhanden sind. - Die Darstellung der äußeren und inneren Lage, welche ich Ihrem, mir so willkommenen hochgeschätzten Schreiben verdanke, war mir im höchsten Grade interessant. Wie Großes Sie nach beiden Seiten hin leisten, ist der Gegenstand meiner Bewunderung. Für die Friedensaussichten bin ich ebenso empfänglich, als für Ihr festes Standhalten gegen die Gelüste nach parlamentarischer Majoritätsregierung, welche gegenwärtig auch in Bayern, wenn auch von anderer Seite her, auftauchen. Ich werde dafür sorgen, daß ihr Ziel, das mit dem monarchischen Princip nicht zu vereinigen ist und nur endlose Unruhe und Unfrieden herbeiführen würde, unerreicht bleibt. - Den bevorstehenden Wahlen sehe ich mit dem größten Interesse entgegen. Wenn sie auch nicht nach Wunsch ausfallen, so glaube ich doch fest daran, daß es Ihrer Beharrlichkeit gelingen wird, die finanziellen und wirthschaftlichen Grundlagen zu schaffen, welche nothwendig sind, um die Wohlfahrt der deutschen Lande und insbesondere die Lage der Arbeiter auf eine befriedigende Stufe zu bringen; der ehrlichen Mitwirkung von Seiten meiner Regierung sind Sie gewiß. - Andererseits bin ich der vertrauensvollen Ueberzeugung, daß Sie, mein lieber Fürst, bei der Durchführung Ihrer großen Ideen von dem föderativen Princip ausgehen, auf welchem das Reich und die Selbstständigkeit der Einzelstaaten bestehen. - (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1298 [1-374] Es hat mich von Herzen gefreut, Sie in Bayerns Gränzen zu wissen. Ich hoffe, daß Sie mein Land noch viele viele Jahre besuchen, und sende Ihnen, mein lieber Fürst, mit meinen innigsten Wünschen für alle Zukunft die Versicherung meines besonderen Vertrauens und vollster Hochschätzung, mit welcher ich stets verbleibe (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1304 Mein lieber Fürst! (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1306 Indem ich Ihnen und den Ihrigen meine besten Grüße sende, verbleibe ich, mein lieber Fürst, mit ganz besonderer Werthschätzung stets (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1311 Mein lieber Fürst! (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1312 Mit lebhafter Freude erfüllte mich der mir so theure Brief, welchen Sie von Kissingen aus an mich zu richten die Aufmerksamkeit hatten. Indem ich Ihnen, mein lieber Fürst, für die darin zu meinem Doppelfeste ausgesprochenen Glückwünsche meinen wärmsten Dank zum Ausdruck bringe, will ich es nicht unterlassen, Ihnen, mein lieber Fürst, zu sagen, mit welch großem Interesse (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1313 [1-375] ich die Ihrem Schreiben beigefügten Darlegungen über die politische Lage verfolgt habe. - Zu meiner großen Genugthuung durfte ich demselben entnehmen, daß zur Zeit keine ernsten Anzeichen vorhanden sind, welche eine nahe Gefahr für den europäischen Frieden befürchten lassen. Wenn gleichwohl die Zustände in Rußland und die ungewöhnlichen Truppenaufstellungen an der russischen Westgränze einige Besorgniß zu erwecken geeignet sind, so gebe ich mich doch der Hoffnung hin, daß es dem so glücklichen Einverständnisse zwischen Deutschland und Oesterreich, das eine machtvolle Bürgschaft des Friedens für den Welttheil bietet, und Ihrer weisen und vorausschauenden Politik gelingen wird, einer kriegerischen Verwicklung vorzubeugen, und daß schließlich doch die erst kürzlich bei dem feierlichen Anlasse der Krönung zu Moskau laut und offen verkündigten friedlichen Absichten des Kaisers von Rußland den Sieg behaupten werden. - Empfangen Sie, mein lieber Fürst, mit meinem wärmsten Danke für Ihre stets so willkommenen Mittheilungen den Ausdruck meiner wahren Freude darüber, daß Ihre, wie ich tief bedauere, seit längerer Zeit angegriffene Gesundheit unter den heilkräftigen Einwirkungen des Kissinger Curgebrauches und Dank einer trefflichen ärztlichen Behandlung sich zu bessern begonnen hat. Möge Ihnen, das ist mein aufrichtigster Wunsch, recht bald die volle Kraft der Gesundheit wieder geschenkt werden, auf daß sich Deutschland noch recht lange des Gefühles der Sicherheit erfreue, welches ihm das Vertrauen auf die Thatkraft und die Umsicht seines großen Staatsmannes einflößt. Ferner erneuere ich in diesen Zeilen die Versicherung wahrer Bewunderung und unwandelbarer Zuneigung, von der ich stets für Sie, mein lieber Fürst, beseelt bin! Ihnen meine herzlichsten Grüße sendend, bleibe ich immerdar (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1318 [1-376] Mein lieber Fürst von Bismarck! (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1319 Ich habe Ihr Schreiben vom 19. dieses Monats zu erhalten das Vergnügen gehabt und spreche Ihnen, mein lieber Fürst, für Ihre Mittheilungen, sowie für die damit verbundene Zusendung des Aktenstückes aus St. Petersburg meinen wärmsten Dank aus. Von Beidem habe ich mit jenem lebhaften Interesse Kenntniß genommen, welches ich Allem, was mir von Ihnen zukommt, entgegenbringe. Das Erfreulichste aber, das mir Ihre Zeilen brachten, war mir die Nachricht von dem Fortschritte Ihrer Genesung, welcher, wie ich von Herzen wünsche, zur völligen Wiederherstellung Ihrer Gesundheit führen möge. Die begründete Hoffnung, daß Sie sich neu gestärkt und erfrischt auch ferner der hohen Aufgabe Ihres staatsmännischen Berufes vollauf werden widmen können, läßt mich der weiteren Entwicklung der politischen Lage mit um so größerer Ruhe entgegensehen. Was insbesondere das Verhältniß Deutschlands zu Rußland betrifft, so entnehme ich dem Berichte des Generals von Schweinitz mit Genugthuung, daß wenigstens an der aufrichtigen Friedensliebe des Kaisers von Rußland und des dortigen leitenden Ministers nicht gezweifelt werden kann. Diese immerhin beruhigende Thatsache im Vereine mit dem so glücklicher Weise herrschenden Einvernehmen zwischen Deutschland und Oesterreich, welches mir durch Ihre Mittheilungen zu meiner Freude aufs Neue als ein vollständig gesichertes bestätigt wird, erscheint wohl geeignet, die Hoffnungen auf fernere Erhaltung des Friedens zu stärken. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1320 Empfangen Sie, mein lieber Fürst, mit dem wiederholten Ausdrucke meiner wärmsten Wünsche für Ihre volle Erkräftigung die Versicherung der besonderen Werthschätzung, mit welcher ich bin (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 11 [2-6] zu bringen. Ich bin dabei in keiner Weise kriegsscheu, im Gegentheil; bin auch gleichgültig gegen Revolutionär oder Conservativ, wie gegen alle Phrasen; Sie werden sich vielleicht sehr bald überzeugen, daß der Krieg auch in meinem Programme liegt; ich halte nur Ihren Weg, dazu zu gelangen, für einen staatsmännisch unrichtigen. Daß Sie dabei im Einverständniß mit Pfordten, Beust, Dalwigk und wie unsre Gegner alle heißen, sich befinden, macht für mich die Seite, die Sie vertreten, weder zur revolutionären noch zur conservativen, aber nicht zur richtigen für Preußen. Wenn der Bierhaus-Enthusiasmus in London und Paris imponirt, so freut mich das, es paßt ganz in unsern Kram; deshalb imponirt er mir aber noch nicht und liefert uns im Kampfe keinen Schuß und wenig Groschen. Mögen Sie den Londoner Vertrag revolutionär nennen: die Wiener Tractate waren es zehnmal mehr und zehnmal ungerechter gegen viele Fürsten, Stände und Länder, das europäische Recht wird eben durch europäische Tractate geschaffen. Wenn man aber an letztre den Maßstab der Moral und Gerechtigkeit legen wollte, so müßten sie ziemlich alle abgeschafft werden. Wenn Sie statt meiner hier im Amte wären, so glaube ich, daß Sie sich von der Unmöglichkeit der Politik, die Sie mir heut empfehlen und als so ausschließlich ,patriotisch‘ ansehn, daß Sie die Freundschaft darüber kündigen, sehr bald überzeugen würden. So kann ich nur sagen: la critique est aisée; die Regirung, namentlich eine solche, die ohnehin in manches Wespennest hat greifen müssen, unter dem Beifall der Massen zu tadeln, hat nichts Schwieriges; beweist der Erfolg, daß die Regirung richtig verfuhr, so ist von Tadeln nicht weiter die Rede; macht die Regirung Fiasco in Dingen, die menschliche Einsicht und Wille überhaupt nicht beherrschen, so hat man den Ruhm, rechtzeitig vorhergesagt zu haben, daß die Regirung auf dem Holzwege sei. Ich habe eine hohe Meinung von Ihrer politischen Einsicht; aber ich halte mich selbst auch nicht für dumm; ich bin darauf gefaßt, daß Sie (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 20 Wenn auch durch Landtagsbeschlüsse, Zeitungen und Schützenfeste die deutsche Einheit nicht hergestellt werden konnte, so übte doch der Liberalismus einen Druck auf die Fürsten, der sie zu Concessionen für das Reich geneigter machte. Die Stimmung der Höfe schwankte zwischen dem Wunsche, dem Andringen der Liberalen gegenüber die fürstliche Stellung in particularistischer und autokratischer Sonderpolitik zu befestigen, und der Sorge vor Friedensstörungen durch äußere oder innere Gewalt. An ihrer deutschen Gesinnung ließ keine deutsche Regirung einen Zweifel, doch über die Art, wie die deutsche Zukunft gestaltet werden sollte, stimmten weder die Regirungen noch die Parteien überein. Es ist nicht wahrscheinlich, daß Kaiser Wilhelm als Regent und später als König auf dem Wege, den er zuerst unter dem Einflusse seiner Gemalin mit der neuen Aera betreten hatte, je dahin gebracht worden wäre, das zur Erreichung der Einheit Nothwendige zu thun, indem er dem Bunde absagte und die preußische Armee für die deutsche Sache einsetzte. Auf der andern Seite aber ist es auch (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 21 [2-11] Die öffentliche Meinung unter dem Einfluß des Liberalismus. nicht wahrscheinlich, daß er ohne seine vorhergehenden Versuche und Bestrebungen in liberaler Richtung, ohne die Verbindlichkeiten, in die er dadurch gerathen war, in die Wege zum dänischen und damit zum böhmischen Kriege hätte geleitet werden können. Vielleicht wäre es nicht einmal gelungen, ihn von dem Frankfurter Fürstencongreß 1863 fern zu halten, wenn die liberalen Antecedentien nicht ein gewisses Popularitätsbedürfniß in liberaler Richtung auch bei dem Herrn zurückgelassen hätten, das ihm vor Olmütz fremd gewesen, seitdem aber die natürliche psychologische Folge des Verlangens gewesen war, für die seinem preußischen Ehrgefühl auf dem Gebiete der deutschen Politik geschlagene Wunde auf demselben Gebiete Heilung und Genugthuung zu suchen. Die holsteinische Frage, der dänische Krieg, Düppel und Alsen, der Bruch mit Oestreich und die Entscheidung der deutschen Frage auf dem Schlachtfelde, in dieses ganze Wagesystem wäre er ohne die schwierige Stellung, in die ihn die neue Aera gebracht hatte, vielleicht nicht eingegangen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 32 Dies Alles ist schlimm, aber noch viel schlimmer in meinen Augen, daß Graf Bismarck sich in dieser Handlungsweise mit der Gesinnung und den Zielen seines Königs in Widerspruch setzte und sein größtes Geschick darin bewies, daß er ihn Schritt für Schritt dem entgegengesetzten Ziele näher führte, bis die Umkehr unmöglich schien, während es nach meinem Dafürhalten die erste Pflicht eines Ministers ist, seinen Fürsten treu zu berathen, ihm die (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 130 [2-39] waren. Der König wollte Theile von Sachsen, Hanover, Hessen annectiren, besonders aber Ansbach und Bayreuth wieder an sein Haus bringen. Seinem starken und berechtigten Familiengefühl lag der Rückerwerb der fränkischen Fürstenthümer nahe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 134 Dieselbe Erwägung, wie in Betreff der fränkischen Fürstenthümer, machte ich Sr. Majestät gegenüber geltend in Betreff Oestreichisch-Schlesiens, das eine der kaisertreuesten Provinzen, überdies vorwiegend slavisch bevölkert ist, und in Betreff der böhmischen Gebiete, die der König auf Andringen des Prinzen Friedrich Carl als Glacis vor den sächsischen Bergen behalten wollte, Reichenberg, das Egerthal, Karlsbad. Es kam später hinzu, daß Karolyi jede Landabtretung kategorisch ablehnte, selbst die von mir ihm gegenüber berührte des kleinen Gebiets von Braunau, dessen Besitz für uns ein Eisenbahninteresse hatte. Ich zog vor, auch darauf zu verzichten, sobald das Festhalten den Abschluß zu verschleppen und die Gefahr französischer Einmischung zu verschärfen drohte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 158 [2-49] Politik und gab ihre antiöstreichische Gesinnung dadurch zu erkennen, daß sie im Hause ihres Gesandten Herrn von Scherff mich, nicht ohne Unhöflichkeit gegen den östreichischen Präsidial-Gesandten Baron Prokesch, tendenziös auszeichnete, zu einer Zeit, wo Louis Napoleon noch Hoffnung auf ein preußisches Bündniß gegen Oestreich hegte und den italienischen Krieg bereits im Sinne hatte. Ich lasse unentschieden, ob schon damals die Vorliebe für das Napoleonische Frankreich allein die Politik der Königin von Holland bestimmte, oder ob nur das unruhige Bedürfniß, überhaupt Politik zu treiben, sie zu einer Parteinahme in dem preußisch-östreichischen Streit und zu einer auffällig schlechten Behandlung meines östreichischen Collegen und Bevorzugung meiner bewog. Jedenfalls habe ich nach 1866 die mir früher so gnädige Fürstin unter den schärfsten Gegnern meiner in Voraussicht des Bruches von 1870 befolgten Politik gefunden. Im Jahre 1867 wurden wir zuerst durch amtliche französische Kundgebungen verdächtigt, Absichten auf Holland zu haben, namentlich in der Aeußerung des Ministers Rouher in einer Rede gegen Thiers, 16. März 1867, daß Frankreich unser Vordringen an die „Zuider-See“ nicht dulden könne. Es ist nicht wahrscheinlich, daß die Zuider-See von dem Franzosen selbständig entdeckt worden und sogar die Orthographie des Namens in der französischen Presse ohne fremde Hülfe richtig gegeben worden ist: man darf vermuthen, daß der Gedanke an dieses Gewässer von Holland aus dem französischen Mißtrauen suppeditirt worden war. Auch die niederländische Abstammung des Herrn Drouyn de Lhuys berechtigt mich nicht, eine so genaue Localkenntniß in der Geographie außerhalb der französischen Grenzen bei seinem Collegen vorauszusetzen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 193 Eine andre Gelegenheit, den innern Conflict zugleich mit der deutschen Frage zu erledigen, hatte sich dem Könige dargeboten, als der Kaiser Alexander 1863 zur Zeit des polnischen Aufstandes und des Ueberrumpelungsversuchs für den Frankfurter Fürstencongreß ein preußisch-russisches Bündniß in eigenhändiger Correspondenz lebhaft befürwortet hatte. Auf mehren eng geschriebenen Bogen in der feinen Hand des Kaisers, weit ausgesponnen und mit mehr Declamation, als in seiner Feder lag, konnte der Brief an Hamlets Wort: (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 195 — erinnern, wenn man es aus dem Zweifel in die Affirmative übersetzt: der Kaiser ist der westmächtlichen und östreichisch-polnischen Chikanen müde und entschlossen den Degen zu ziehn, um sich von ihnen frei zu machen; an die Freundschaft und die gleichen Interessen des Königs appellirend, fordert er ihn zu gemeinsamem Handeln auf, so zu sagen in erweitertem Sinne der Alvenslebenschen Convention vom Februar desselben Jahres. Dem Könige wurde es schwer, einerseits dem nahen Verwandten und nächsten Freunde eine ablehnende Antwort zu geben, andrerseits sich mit dem Entschlusse vertraut zu machen, seinem Lande die Uebel eines großen Krieges aufzuerlegen, dem Staate und der Dynastie die Gefahren eines solchen zuzumuthen. Auch die Seite seines Gemüthslebens, die ihn geneigt machte, die Frankfurter Fürstenversammlung zu besuchen, das Gefühl der Zusammengehörigkeit mit allen alten Fürstenhäusern, trat in ihm der Versuchung entgegen, der Anrufung des befreundeten Neffen und den preußisch-russischen Familientraditionen eine Folge zu geben, die zu dem Bruch mit dem deutschen Bundesverhältniß und der Gesammtheit der deutschen Fürstenfamilien führen mußte. In meinem mehre Tage dauernden Vortrage vermied ich es, die Seite der Sache zu betonen, welche für unsre innere Politik von Gewicht gewesen sein würde, weil ich nicht der Meinung war, daß ein Krieg grade im Bunde mit Rußland gegen Oestreich und alle Gegner, mit denen wir es 1866 zu thun bekamen, uns der Erfüllung unsrer nationalen Aufgabe näher gebracht haben würde. Es ist ja ein namentlich in der französischen Politik gebräuchliches Mittel, innere Schwierigkeiten durch Kriege zu überwinden; in Deutschland aber würde dieses Mittel nur dann wirksam gewesen sein, wenn der betreffende Krieg in der Linie der nationalen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 202 Die Versuchung war groß gewesen für einen Monarchen, dessen Stellung den maßlosen Angriffen der Fortschrittspartei und dem Druck der östreichischen Diplomatie nicht blos auf dem nationalen Gebiete des Frankfurter Fürstencongresses, sondern auch auf dem polnischen von Seiten der drei großen verbündeten Mächte England, Frankreich und Oestreich ausgesetzt war. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 215 [2-71] Kluft zwischen den Ost- und den Westprovinzen auszufüllen und Preußen ein haltbar abgerundetes Gebiet auch für den Fall des frühern oder spätern Mißlingens der nationalen Neubildung zu schaffen. Bei der Annexion von Hanover und Kurhessen handelte es sich also um Herstellung einer unter allen Eventualitäten wirksamen Verbindung zwischen den beiden Theilen der Monarchie. Die Schwierigkeiten der Zollverbindung zwischen unsern beiden Gebietstheilen und die Haltung Hanovers im letzten Kriege hatten das Bedürfniß eines unbeschränkt in einer Hand befindlichen territorialen Zusammenhanges im Norden von Neuem anschaulich gemacht. Wir durften der Möglichkeit, bei künftigen östreichischen oder andern Kriegen ein oder zwei feindliche Corps von guten Truppen im Rücken zu haben, nicht von Neuem ausgesetzt werden. Die Besorgniß, daß die Dinge sich einmal so gestalten könnten, wurde verschärft durch die überschwängliche Auffassung, die der König Georg V. von seiner und seiner Dynastie Mission hatte. Man ist nicht jeden Tag in der Lage, einer gefährlichen Situation der Art abzuhelfen, und der Staatsmann, den die Ereignisse in den Stand setzen, letztres zu thun, und der sie nicht benutzt, nimmt eine große Verantwortlichkeit auf sich, da die völkerrechtliche Politik und das Recht der deutschen Nation, ungetheilt als solche zu leben und zu athmen, nicht nach privatrechtlichen Grundsätzen beurtheilt werden kann. Der König von Hanover schickte durch einen Adjutanten nach Nikolsburg einen Brief an den König, den ich Se. Majestät nicht anzunehmen bat, weil wir nicht gemüthliche, sondern politische Gesichtspunkte im Auge zu halten hätten, und weil die Selbständigkeit Hanovers mit der völkerrechtlichen Befugniß, seine Truppen nach dem jedesmaligen Ermessen des Souveräns gegen oder für Preußen in's Feld führen zu können, mit der Durchführung deutscher Einheit unvereinbar war. Die Haltbarkeit der Verträge allein ohne die Bürgschaft einer hinreichenden Hausmacht des leitenden Fürsten hat niemals hingereicht, der deutschen Nation Frieden und Einheit im Reiche zu sichern. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 216 [2-72] Es gelang mir, den König von dem Gedanken abzubringen, mit Hanover und Hessen auf der Basis der Zerstückelung dieser Länder und des Bündnisses mit den frühern Herrschern als Theilfürsten eines Restes zu verhandeln. Wenn der Kurfürst Fulda und Hanau, und Georg V. Kalenberg mit Lüneburg und der Aussicht auf die Erbfolge in Braunschweig behalten hätte, so würden weder die Hanoveraner und Hessen, noch die beiden Fürsten zufriedene Theilnehmer des Norddeutschen Bundes geworden sein. Dieser Plan würde uns unzufriedene und behufs Wiedererwerb des Verlornen zur Rheinbündelei geneigte Bundesgenossen gegeben haben. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 217 Auch eine so unbedingte Hingebung für Oestreich, wie sie Nassau bewiesen hatte, in der unmittelbaren Nähe von Coblenz, war eine gefährliche Erscheinung, besonders in der Eventualität französisch-östreichischer Bündnisse, wie sie sich während des Krimkrieges und der polnischen Wirren von 1863 in bedrohliche Aussicht gestellt hatten. Die Abneigung Sr. Majestät gegen Nassau war ein väterliches Erbtheil. Friedrich Wilhelm III. pflegte durch das Herzogthum zu reisen, ohne den Herzog zu sehn. Das Contingent des Herzogs hatte sich in der Rheinbundzeit in Preußen besonders unangenehm gemacht, und König Wilhelm I. wurde gegen Concessionen an den Herzog durch den leidenschaftlichen Widerspruch der Deputationen früherer nassauischer Unterthanen eingenommen; die stehende Rede derselben war: „Schütze Se uns vor dem Fürste und sei' Jagdknechte.“ (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 230 Die Kämpfe während des vergangenen Winters mit dem Könige, der den Krieg nicht wollte, während des Feldzuges mit den Militärs, die nur Oestreich, nicht die übrigen Mächte Europas vor sich sahn, und mit dem Könige über den Friedensschluß und dann wieder über die Indemnität, hatten mich so angegriffen, daß ich der Ruhe und Erholung bedurfte. Ich ging zunächst am 26. September zu meinem Vetter, dem Grafen Bismarck-Bohlen in Karlsburg, und dann am 6. October nach Putbus, wo ich im Gasthofe schwer erkrankte. Der Fürst und die Fürstin Putbus gewährten mir eine liebenswürdige Gastfreiheit in einem Pavillon, der neben dem abgebrannten Schlosse stehn geblieben war. Nachdem der erste heftige Anlauf der Krankheit überstanden war, konnte ich die Geschäfte wieder in die Hand (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 235 [2-80] Beziehungen beruhigende und consolidirende Ergebnisse, die den Spaniern zu mißgönnen ich keinen Anlaß hatte. Spanien gehört zu den wenigen Ländern, die nach ihrer geographischen Lage und ihrem politischen Bedürfniß keinen Grund haben, antideutsche Politik zu treiben; es ist außerdem in wirthschaftlicher Beziehung nach Production und Bedarf für einen entwickelten Verkehr mit Deutschland wohl geeignet. Ein uns befreundetes Element in der spanischen Regirung wäre ein Vortheil gewesen, den a limine abzuweisen in den Aufgaben der deutschen Politik kein Grund vorhanden war, es sei denn, daß man die Besorgniß, Frankreich könne unzufrieden werden, als einen solchen gelten lassen wollte. Wenn Spanien sich wieder kräftiger entwickelte, als seither geschehn ist, konnte die Thatsache, daß die spanische Diplomatie uns befreundet wäre, im Frieden für uns von Nutzen sein; daß der König von Spanien bei Eintritt des früher oder später vorauszusehenden deutsch-französischen Krieges, auch wenn er den besten Willen gehabt hätte, seine deutschen Sympathien durch einen Angriff oder eine Aufstellung gegen Frankreich zu bethätigen, im Stande sein werde, war mir nicht wahrscheinlich, und das Verhalten Spaniens nach Ausbruch des Krieges, den wir uns durch die Gefälligkeit deutscher Fürsten zugezogen hatten, bewies die Richtigkeit meiner Zweifel. Der ritterliche Eid hätte Frankreich wegen der Einmischung in die Freiheit der spanischen Königswahl zur Rechenschaft gezogen und die Wahrung der spanischen Unabhängigkeit nicht Fremden überlassen. Die früher zu Wasser und Lande mächtige Nation kann heut nicht die stammverwandte Bevölkerung von Cuba im Zaume halten; wie sollte man von ihr erwarten, daß sie eine Macht wie Frankreich aus Liebe zu uns angriffe? Keine spanische Regirung und am wenigsten ein ausländischer König würde im Lande die Macht besitzen, auch nur ein Regiment aus Liebe zu Deutschland an die Pyrenäen zu schicken. Politisch stand ich der ganzen Frage ziemlich gleichgültig gegenüber. Mehr als ich war Fürst Anton geneigt, sie friedlich zu dem (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 236 [2-81] erstrebten Ziele zu führen. Die Memoiren Seiner Majestät des Königs von Rumänien sind über Einzelheiten der ministeriellen Mitwirkung in der Frage nicht genau unterrichtet. Das dort erwähnte Minister-Conseil im Schlosse hat nicht stattgefunden. Fürst Anton wohnte als Gast des Königs im Schlosse und hatte dort diesen Herrn und einige der Minister zum Diner eingeladen; ich glaube kaum, daß im Tischgespräch die spanische Frage verhandelt wurde. Wenn der Herzog von Gramont *) sich bemüht, den Beweis zu führen, daß ich der spanischen Anregung gegenüber mich nicht ablehnend verhalten hätte, so finde ich keinen Grund, dem zu widersprechen. Des Wortlautes meines Briefes an den Marschall Prim, von dem der Herzog hat erzählen hören, erinnere ich mich nicht mehr; wenn ich selbst ihn redigirt habe, was ich auch nicht mehr weiß, so werde ich die Hohenzollernsche Candidatur schwerlich „une excellente chose“ genannt haben, der Ausdruck ist mir nicht mundrecht. Daß ich sie für „opportune“ hielt, nicht „à un moment donné“, sondern prinzipiell und im Frieden, ist richtig. Ich hatte dabei nicht den mindesten Zweifel daran, daß der am französischen Hofe gern gesehne Enkel der Murats dem Lande Frankreichs Wohlwollen sichern werde. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 242 [2-83] Sachkunde geprüft hatte. Der deutsch-nationale Aufschwung, welcher der französischen Kriegserklärung folgte, vergleichbar einem Strome, der die Schleusen bricht, war für die französischen Politiker eine Ueberraschung; sie lebten, rechneten und handelten in Rheinbundserinnerungen, genährt durch die Haltung einzelner westdeutscher Minister und durch ultramontane Einflüsse, welche hofften, daß Frankreichs Siege, gesta Dei per Francos, die Ziehung weitrer Consequenzen des Vaticanums in Deutschland, gestützt auf Allianz mit dem katholischen Oestreich, erleichtern würden. Ihre ultramontanen Tendenzen waren der französischen Politik in Deutschland förderlich, in Italien nachtheilig, da das Bündniß mit letzterm schließlich an der Weigerung Frankreichs, Rom zu räumen, scheiterte. In dem Glauben an die Ueberlegenheit der französischen Waffen wurde der Kriegsvorwand, man kann sagen, an den Haaren herbeigezogen, und anstatt Spanien für seine, wie man annahm, antifranzösische Königswahl verantwortlich zu machen, hielt man sich an den deutschen Fürsten, der es nicht abgelehnt hatte, dem Bedürfniß der Spanier auf deren Wunsch durch Gestellung eines brauchbaren und voraussichtlich in Paris als persona grata betrachteten Königs abzuhelfen, und an den König von Preußen, den nichts als der Familienname und die deutsche Landsmannschaft zu dieser spanischen Angelegenheit in Beziehung brachte. Schon in der Thatsache, daß das französische Cabinet sich erlaubte, die preußische Politik über die Annahme der Wahl zur Rede zu stellen, und zwar in einer Form, die durch die Interpretation der französischen Blätter zu einer öffentlichen Bedrohung wurde, schon in dieser Thatsache lag eine internationale Unverschämtheit, die für uns nach meiner Ansicht die Unmöglichkeit involvirte, auch nur um einen Zoll breit zurückzuweichen. Der beleidigende Charakter der französischen Zumuthung wurde verschärft nicht nur durch die drohenden Herausforderungen der französischen Presse, sondern auch durch die Parlamentsverhandlungen und die Stellungnahme des Ministeriums Gramont-Ollivier (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 251 „Se. Majestät schreibt mir: ,Graf Benedetti fing mich auf der Promenade ab, um auf zuletzt sehr zudringliche Art von mir zu verlangen, ich sollte ihn autorisiren, sofort zu telegraphiren, daß ich für alle Zukunft mich verpflichtete, niemals wieder meine Zustimmung zu geben, wenn die Hohenzollern auf ihre Candidatur zurückkämen. Ich wies ihn zuletzt etwas ernst zurück, da man à tout jamais dergleichen Engagements nicht nehmen dürfe noch könne. Natürlich sagte ich ihm, daß ich noch nichts erhalten hätte und, da er über Paris und Madrid früher benachrichtigt sei als ich, er wohl einsähe, daß mein Gouvernement wiederum außer Spiel sei.‘ Seine Majestät hat seitdem ein Schreiben des Fürsten bekommen. Da Seine Majestät dem Grafen Benedetti gesagt, daß er Nachricht vom Fürsten erwarte, hat Allerhöchstderselbe, mit Rücksicht auf die obige Zumuthung, auf des Grafen Eulenburg und meinen Vortrag beschlossen, den Grafen Benedetti nicht mehr zu empfangen, sondern ihm (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 254 1) nur durch einen Adjutanten sagen zu lassen: daß Seine Majestät jetzt vom Fürsten die Bestätigung der Nachricht erhalten, die Benedetti aus Paris schon gehabt, und dem Botschafter nichts weiter zu sagen habe. Seine Majestät stellt Eurer Excellenz anheim, ob nicht die neue Forderung Benedetti's und ihre Zurückweisung sogleich sowohl unsern Gesandten als in der Presse mitgetheilt werden sollte.“ (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 285 Graf Beust hat selbst es sich angelegen sein lassen, nachzuweisen, wie „redlich, wenn auch erfolglos“ er sich bemüht habe, eine „collective Mediation der Neutralen“ zu Stande zu bringen *). Er erinnert daran, daß er schon unter dem 28. September nach London und unter dem 12. October nach Petersburg an die östreichischen Botschafter die Weisung gegeben hat, die Auffassung zu vertreten, ein collectiver Schritt allein werde Aussicht auf Erfolg haben; daß er zwei Monate später dem Fürsten Gortschakow sagen ließ: „Le moment d'intervenir est peut-être venu.“ Er reproducirt eine am 13. October, in der für uns kritischen Zeit 14 Tage vor der Capitulation von Metz, von ihm an den Grafen Wimpffen in Berlin gerichtete und von diesem dort verlesene Depesche **). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 298 In Rußland gewährten die persönlichen Gefühle Alexanders II., nicht nur die freundschaftlichen für seinen Oheim, sondern auch die antifranzösischen, uns eine Bürgschaft, die freilich durch die französirende Eitelkeit des Fürsten Gortschakow und durch seine Rivalität mir gegenüber abgeschwächt werden konnte. Es war deshalb eine Gunst des Schicksals, daß die Situation eine Möglichkeit bot, Rußland eine Gefälligkeit in Betreff des Schwarzen Meeres zu erweisen. Aehnlich wie die Empfindlichkeiten des russischen Hofes, die sich vermöge der russischen Verwandschaft der Königin Marie an den Verlust der hanöverschen Krone knüpften, ihr Gegengewicht in den Concessionen fanden, die dem oldenburgischen Verwandten der russischen Dynastie auf territorialem und finanziellem Gebiete 1866 gemacht worden waren, bot sich 1870 die Möglichkeit, nicht nur der Dynastie, sondern auch dem russischen Reiche einen Dienst zu erweisen in Betreff der politisch unvernünftigen und deshalb auf die Dauer unmöglichen Stipulationen, die dem russischen Reiche die Unabhängigkeit seiner Küsten des Schwarzen Meeres beschränkten. Es waren die ungeschicktesten Bestimmungen des Pariser Friedens; einer Nation von hundert Millionen kann man die Ausübung der natürlichen Rechte der Sonveränetät an ihren Küsten nicht dauernd untersagen. Die Servitut der Art, welche fremden Mächten auf russischem (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 300 Fürst Gortschakow ist auf die Initiative, mit der ich ihn in dieser Richtung sondirte, nur widerstrebend eingegangen. Sein persönliches Uebelwollen war stärker als sein russisches Pflichtgefühl. Er wollte keine Gefälligkeit von uns, sondern Entfremdung gegen Deutschland und Dank bei Frankreich. Um unser Anerbieten in Petersburg wirksam zu machen, habe ich der durchaus ehrlichen und stets wohlwollenden Mitwirkung des damaligen russischen Militärbevollmächtigten Grafen Kutusoff bedurft. Ich werde dem Fürsten Gortschakow kaum Unrecht thun, wenn ich nach meinen mehre Jahrzehnte dauernden Beziehungen zu ihm annehme, daß die persönliche Rivalität mit mir bei ihm schwerer wog, als die Interessen Rußlands: seine Eitelkeit, seine Eifersucht gegen mich waren größer als sein Patriotismus.Bezeichnend für die krankhafte Eitelkeit Gortschakows waren einige gelegentliche Aeußerungen mir gegenüber, gelegentlich seiner Berliner Anwesenheit im Mai 1876. Er sprach von seiner Ermüdung und seiner Neigung, abzuscheiden, und sagte dabei: „Je ne puis cependant me présenter devant Saint-Pierre au ciel sans avoir présidé la moindre chose en Europe.“ Ich bat ihn in Folge dessen, das Präsidium in der damaligen Diplomatenconferenz, die aber nur eine officiöse war, zu übernehmen, was er that. In der Muße des Zuhörens bei seiner längeren Präsidialrede schrieb ich mit Bleistift: pompons, pompo, pomp, pom, po. Mein Nachbar, Lord Odo Russell, entriß mir das Blatt und behielt es. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 306 Die russische Entrüstung über das Ergebniß des Berliner Congresses war eine der Erscheinungen, die bei einer dem Volk so wenig verständlichen Presse, wie es die russische in auswärtigen Beziehungen ist, und bei dem Zwange, der auf sie mit Leichtigkeit geübt wird, sich im Widerspruche mit aller Wahrheit und Vernunft ermöglichen ließ. Die ganzen Gortschakowschen Einflüsse, die er, angespornt durch Aerger und Neid über seinen frühern Mitarbeiter, den deutschen Reichskanzler, in Rußland übte, unterstützt von französischen Gesinnungsgenossen und ihren französischen Verschwägerungen (Wannowski, Obrutschew) waren stark genug, um in der Presse, die Moskauer Wedomosti an der Spitze, einen Schein von Entrüstung herzustellen über die Schädigung, welche Rußland auf dem Berliner Congresse durch deutsche Untreue erlitten hätte. Nun ist auf dem Berliner Congresse kein russischer Wunsch ausgesprochen worden, den Deutschland nicht zur Annahme gebracht hätte, unter Umständen durch energisches Auftreten bei dem englischen Premierminister, obschon letztrer krank und bettlägerig war. Anstatt hierfür dankbar zu sein, fand man es der russischen Politik entsprechend, unter Führung des lebensmüden, aber immer noch krankhaft eitlen Fürsten Gortschakow und der Moskauer Blätter, an der weitern Entfremdung zwischen Rußland und Deutschland fortzuarbeiten, für die weder im Interesse des einen noch des andern dieser großen Nachbarreiche das mindeste Bedürfniß vorliegt. Wir beneiden uns nichts und haben nichts von einander zu gewinnen, was wir brauchen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 341 [2-120] leichter geneigt, dem Minister, als seinem Herrn Sohne Concessionen zu machen, in gewissenhafter Erinnerung an Verfassungseid und Ministerverantwortlichkeit. Meinungsverschiedenheiten mit dem Kronprinzen faßte er von dem Standpunkte des pater familias auf. In der Schlußberathung am 17. Januar 1871 lehnte er die Bezeichnung Deutscher Kaiser ab und erklärte, er wolle Kaiser von Deutschland oder garnicht Kaiser sein. Ich hob hervor, wie die adjectivische Form Deutscher Kaiser und die genitivische Kaiser von Deutschland sprachlich und zeitlich verschieden seien. Man hätte Römischer Kaiser, nicht Kaiser von Rom gesagt; der Zar nenne sich nicht Kaiser von Rußland, sondern Russischer, auch „gesammtrussischer“ (wserossiski) Kaiser. Das Letztre bestritt der König mit Schärfe, sich darauf berufend, daß die Rapporte seines russischen Regiments Kaluga stets „pruskomu“ adressirt seien, was er irrthümlich übersetzte. Meiner Versicherung, daß die Form der Dativ des Adjectivums sei, schenkte er keinen Glauben und hat sich erst nachher von seiner gewohnten Autorität für russische Sprache, dem Hofrath Schneider, überzeugen lassen. Ich machte ferner geltend, daß unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. auf den Thalern Borussorum, nicht Borussiae rex erscheine, daß der Titel Kaiser von Deutschland einen landesherrlichen Anspruch auf die nichtpreußischen Gebiete involvire, den die Fürsten zu bewilligen nicht gemeint wären; daß in dem Schreiben des Königs von Baiern in Anregung gebracht sei, daß „die Ausübung der Präsidialrechte mit Führung des Titels eines Deutschen Kaisers verbunden werde“; endlich daß derselbe Titel auf Vorschlag des Bundesrathes in die neue Fassung des Artikel 11 der Verfassung aufgenommen sei. Die Erörterung ging über auf den Rang zwischen Kaisern und Königen, zwischen Erzherzogen, Großfürsten und preußischen Prinzen. Meine Darlegung, daß den Kaisern im Prinzip ein Vorrang vor Königen nicht eingeräumt werde, fand keinen Glauben, obwohl ich mich darauf berufen konnte, daß Friedrich Wilhelm I. bei einer Zusammenkunft mit Karl VI., der doch dem Kurfürsten (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 344 Diese Sachlage veranlaßte mich, am folgenden Morgen, vor der Feierlichkeit im Spiegelsaale, den Großherzog von Baden aufzusuchen, als den ersten der anwesenden Fürsten, der voraussichtlich nach Verlesung der Proclamation das Wort nehmen würde, und ihn zu fragen, wie er den neuen Kaiser zu bezeichnen denke. Der Großherzog antwortete: „Als Kaiser von Deutschland, nach Befehl Sr. Majestät.“ Unter den Argumenten, die ich dem Großherzoge dafür geltend machte, daß das abschließende Hoch auf den Kaiser nicht in dieser Form ausgebracht werden könne, war das durchschlagendste meine Berufung auf die Thatsache, daß der künftige Text der Reichsverfassung bereits durch einen Beschluß des Reichstags in Berlin präjudicirt sei. Die in seinen constitutionellen Gedankenkreis fallende Hinweisung auf den Reichstagsbeschluß bewog ihn, den König noch einmal aufzusuchen. Die Unterredung der beiden Herrn blieb mir unbekannt, und ich war bei Verlesung der Proclamation in Spannung. Der Großherzog wich dadurch aus, daß er ein Hoch weder auf den Deutschen Kaiser, noch auf den (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 345 [2-122] Dreiundzwanzigstes Kapitel: Versailles. Kaiser von Deutschland, sondern auf den Kaiser Wilhelm ausbrachte. Se. Majestät hatte mir diesen Verlauf so übel genommen, daß er beim Herabtreten von dem erhöhten Stande der Fürsten mich, der ich allein auf dem freien Platze davor stand, ignorirte, an mir vorüberging, um den hinter mir stehenden Generalen die Hand zu bieten, und in dieser Haltung mehre Tage verharrte, bis allmälig die gegenseitigen Beziehungen wieder in das alte Geleise kamen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 353 [2-126] gehende, daß bezüglich unsres Schicksals nach dem irdischen Tode die Bürgschaften für die Katholiken stärker seien, als für andre, weil, angenommen, daß die katholischen Dogmen irrthümlich seien, das Schicksal der katholischen Seele nicht schlimmer ausfalle, wenn der evangelische Glaube sich als der richtige erweisen sollte, im umgekehrten Falle aber die Zukunft der ketzerischen Seele eine entsetzliche sei. Er knüpfte daran die Frage: „Glauben Sie etwa, daß ein Katholik nicht selig werden könne?“ Ich antwortete: „Ein katholischer Laie unbedenklich; ob ein Geistlicher, ist mir zweifelhaft; in ihm steckt ,die Sünde wider den heiligen Geist', und der Wortlaut der Schrift steht ihm entgegen.“ Der Bischof beantwortete diese in scherzhaftem Tone gegebene Erwiderung lächelnd durch eine höflich ironische Verbeugung. Nachdem unsre Verhandlungen resultatlos abgelaufen waren, wurde die Neubildung der 1860 gegründeten, jetzt Centrum genannten katholischen Fraction mit steigendem Eifer besonders von Savigny und Mallinckrodt betrieben. An dieser Fraction habe ich die Beobachtung zu machen gehabt, daß, wie in Frankreich so auch in Deutschland, der Papst schwächer ist, als er erscheint, jedenfalls nicht so stark ist, daß wir seinen Beistand in unsern Angelegenheiten durch den Bruch mit den Sympathien andrer mächtiger Elemente erkaufen durften. Von dem désaveu des Cardinals Antonelli in dem Briefe an den Bischof Ketteler vom 5. Juni 1871, von der Centrumsmission des Fürsten Löwenstein-Wertheim, von der Unbotmäßigkeit des Centrums bei Gelegenheit des Septennats habe ich den Eindruck erhalten, daß der Partei- und Fractionsgeist, den die Vorsehung dem Centrum an Stelle des Nationalsinnes andrer Völker verliehn hat, stärker ist als der Papst, nicht auf einem Concil, ohne Laien, aber auf dem Schlachtfelde parlamentarischer und publicistischer Kämpfe innerhalb Deutschlands. Ob das auch der Fall sein würde, wenn der päpstliche Einfluß sich ohne Rücksicht auf concurrirende Kräfte, namentlich den Jesuitenorden, geltend zu machen vermöchte, lasse ich, ohne an den plötzlichen Tod des (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 356 Der Beginn des Culturkampfes war für mich überwiegend bestimmt durch seine polnische Seite. Seit dem Verzicht auf die Politik der Flottwell und Grolman, seit der Consolidirung des Radziwill'schen Einflusses auf den König und der Einrichtung der „katholischen Abtheilung“ im geistlichen Ministerium, stellten die statistischen Data einen schnellen Fortschritt der polnischen Nationalität auf Kosten der Deutschen in Posen und Westpreußen außer Zweifel, und in Oberschlesien wurde das bis dahin stramm preußische Element der „Wasserpolacken“ polonisirt; Schaffranek wurde dort in den Landtag gewählt, der uns das Sprichwort von der Unmöglichkeit der Verbrüderung der Deutschen und der Polen in polnischer Sprache als Parlamentsredner entgegenhielt. Dergleichen war in Schlesien nur möglich auf Grund der amtlichen Autorität der katholischen Abtheilung. Auf Klage bei dem Fürstbischof wurde dem Schaffranek untersagt, bei Wiederwahl auf der Linken zu „sitzen“; in Folge dessen stand dieser kräftig gebaute Priester 5 und 6 Stunden und bei Doppelsitzungen 10 Stunden am Tage vor den Bänken der Linken, stramm wie eine Schildwache, und brauchte nicht erst aufzustehn, wenn er zu antideutscher (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 357 [2-128] Rede das Wort ergriff 1). In Posen und Westpreußen waren nach Ausweis amtlicher Berichte Tausende von Deutschen und ganze Ortschaften, die in der vorigen Generation amtlich deutsch waren, durch die Einwirkung der katholischen Abtheilung polnisch erzogen und amtlich „Polen“ genannt worden. Nach der Competenz, welche der Abtheilung verliehn worden war, ließ sich ohne Aushebung derselben hierin nicht abhelfen. Diese Aufhebung war also nach meiner Ueberzeugung als nächstes Ziel zu erstreben. Dagegen war natürlich der Radziwill'sche Einfluß am Hof, nicht natürlich mein Cultus-College, dessen Frau und Ihre Majestät die Königin. Der Chef der katholischen Abtheilung war damals Krätzig, der früher Radziwill'scher Privatbeamter gewesen und dies im Staatsdienst auch wohl geblieben war. Der Träger des Radziwill'schen Einflusses war der jüngere beider Brüder Fürst Boguslav, auch Stadtverordneter von Einfluß in Berlin. Der ältere, Wilhelm, und sein Sohn Anton, waren zu ehrliche Soldaten, um sich auf polnische Intrigen gegen den König und dessen Staat einzulassen. Die katholische Abtheilung des Cultusministeriums, ursprünglich gedacht als eine Einrichtung, vermöge deren katholische Preußen die Rechte ihres Staates in den Beziehungen zu Rom vertreten sollten, war durch den Wechsel der Mitglieder nach und nach zu einer Behörde geworden, die inmitten der preußischen Bürokratie die römischen und polnischen Interessen gegen Preußen vertrat. Ich habe mehr als einmal dem Könige auseinander gesetzt, daß diese Abtheilung schlimmer sei als ein Nuntius in Berlin. Sie handle nach Anweisungen, die sie aus Rom empfinge, vielleicht nicht immer vom Papste, und sei neuerdings hauptsächlich polnischen Einflüssen zugänglich geworden. In dem Radziwill'schen Hause seien die Damen deutschfreundlich, der ältere Bruder Wilhelm durch das Ehrgefühl des preußischen Offiziers in derselben (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 359 [2-129] Richtung gehalten, ebenso dessen Sohn Anton, bei dem die persönliche Anhänglichkeit an Se. Majestät hinzukomme. Aber in dem treibenden Elemente des Hauses, den Geistlichen und dem Fürsten Boguslaw und dessen Sohn, sei das polnische Nationalgefühl stärker als jedes andre und werde gepflegt auf der Basis des Zusammengehns der polnischen mit den römisch-clericalen Interessen, auf der einzigen im Frieden gangbaren, aber auch sehr geläufig gangbaren Basis. Nun sei der Chef der katholischen Abtheilung, Krätzig, so gut wie ein Radziwillscher Leibeigner. Ein Nuntius würde die Interessen der katholischen Kirche, aber nicht die der Polen zu vertreten als seine Hauptaufgabe ansehn, werde nicht die intimen Verbindungen mit der Bürokratie besitzen wie die Mitglieder der katholischen Abtheilung, die in der Garnison der ministeriellen Citadelle unsres Vertheidigungssystems gegen revolutionäre Anläufe als staatsfeindliche Parteigänger säßen; ein Nuntius endlich werde als Mitglied des diplomatischen Corps an der Erhaltung guter Beziehungen zu seinem Souverain und an der Pflege des Verhältnisses zu dem Hofe, an dem er beglaubigt, persönlich interessirt sein. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 385 *) Andrer Ansicht über die Annahme einer mit Brillanten gefüllten Dose war Fürst Gortschakow. Bei unserm Besuch in Petersburg (1872) fragte mich Seine Majestät: „Was kann ich nur dem Fürsten Gortschakow geben? er hat schon alles, auch Portrait; vielleicht eine Büste oder eine Dose mit Brillanten?“ Ich erhob gegen eine theure Dose Einwendungen, die ich aus der Stellung und dem Reichthum des Fürsten Gortschakow herleitete, und der Kaiser gab mir Recht. Ich sondirte darauf den Fürsten vertraulich und erhielt sofort die Antwort: „Laß Er mir (Russicismus) eine tüchtige Dose geben mit guten Steinen (avec de grosses bonnes pierres).“ Ich meldete dies Sr. Majestät etwas beschämt über meine Menschenkenntniß; wir lachten beide, und Gortschakow bekam seine Dose. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 416 [2-148] ärgerten, weil ich in meinem exceptionellen Lebenslauf aus dem mehr polnischen als deutschen Begriff der traditionellen Landadelsgleichheit herausgewachsen war. Daß ich vom Landjunker zum Minister wurde, hätte man mir verziehn, aber die Dotationen und vielleicht auch den mir sehr gegen meinen Willen verliehenen Fürstentitel verzieh man mir nicht. Die „Excellenz“ lag innerhalb des gewohnheitsmäßig Erreichbaren und Geschätzten; die „Durchlaucht“ reizte die Kritik. Ich kann das nachempfinden, denn dieser Kritik entsprach meine eigne. Als mir am Morgen des 21. März 1871 ein eigenhändiges Handschreiben des Kaisers die Erhebung in den Fürstenstand anzeigte, war ich entschlossen, Se. Majestät um Verzicht auf seine Absicht zu bitten, weil diese Standeserhöhung in die Basis meines Vermögens und in meine ganzen Lebensverhältnisse eine mir unsympathische Aenderung bringe. So gern ich mir meine Söhne als bequem situirte Landedelleute dachte, so unwillkommen war mir der Gedanke an Fürsten mit unzulänglichem Einkommen nach dem Beispiel von Hardenberg und Blücher, deren Söhne die Erbschaft des Titels nicht antraten — der Blüchersche wurde Jahrzehnte später (1861) erst infolge einer reichen und katholischen Heirath erneuert. In Erwägung aller Gründe gegen eine Standeserhöhung, die ganz außerhalb des Bereichs meines Ehrgeizes lag, langte ich auf den obern Stufen der Schloßtreppe an und fand dort zu meiner Ueberraschung den Kaiser an der Spitze der königlichen Familie, der mich herzlich und mit Thränen in seine Arme schloß, indem er mich als Fürsten begrüßte, und seine Freude, mir diese Auszeichnung gewähren zu können, laut äußerte. Dem gegenüber und unter den lebhaften Glückwünschen der königlichen Familie blieb mir keine Möglichkeit, meine Bedenken anzubringen. Das Gefühl, daß man als Graf wohlhabend sein kann, ohne unangenehm aufzufallen, als Fürst aber, wenn man letztres vermeiden will, reich sein muß, hat mich seitdem nie wieder verlassen. Ich würde die Mißgunst meiner frühern Freunde und Standesgenossen noch bequemer ertragen haben, wenn sie in meiner Gesinnung (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 427 Ich weiß nicht, wie weit ich conservativer Mitwirkung hätte entgegenkommen können, jedenfalls weiter, als es in den durch den Bruch entstandenen Verhältnissen geschehn ist. Ich hielt für die damalige Zeit bei den Gefahren, die unsre Kriege geschaffen hatten, die Unterschiede der Parteidoctrinen für untergeordnet im Vergleiche mit der Nothwendigkeit der politischen Deckung nach Außen durch möglichst geschlossene Einheit der Nation in sich. Als erste Bedingung galt mir die Unabhängigkeit Deutschlands auf Grund einer zum Selbstschutz hinreichend starken Einheit, und ich hatte und habe zu der Einsicht und Besonnenheit der Nation das Vertrauen, daß sie Auswüchse und Fehler der nationalen Einrichtungen heilen und ausmerzen wird, wenn sie daran nicht durch die Abhängigkeit von dem übrigen Europa und von innern Fractions- und Sonderinteressen verhindert wird, wie es bis 1866 der Fall war. In dieser Auffassung kam es mir auf die Frage, ob liberal, ob conservativ, in der damaligen Kriegs- und Coalitionsgefahr so wenig wie heut in erster Linie an, sondern auf die freie Selbstbestimmung der Nation und ihrer Fürsten. Ich gebe auch heut diese Hoffnung nicht auf, wenn auch ohne die Gewißheit, daß unsre politische Zukunft nicht noch durch Mißgriffe und Unfälle im weitern Ausbau geschädigt werden wird. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 462 Am 23. August 1871 wurde er auf meinen Antrag zum Gesandten, demnächst zum Botschafter in Paris ernannt, wo ich seine hohe Begabung trotz seiner Fehler im Interesse des Dienstes nützlich zu verwerthen hoffte; er sah in seiner Stellung dort aber nur eine Stufe, von der aus er mit mehr Erfolg daran arbeiten konnte, mich zu beseitigen und mein Nachfolger zu werden. Er machte in Privatbriefen an den Kaiser geltend, daß das preußische Königshaus gegenwärtig das älteste in Europa sei, das sich in ununterbrochner Regirung erhalten habe, und daß dem Kaiser, als dem doyen der Monarchen, durch diese Gnade Gottes eine Verpflichtung erwachse, die Legitimität und Continuität andrer alter Dynastien zu überwachen und zu schützen. Die Berührung dieser Saite im Gemüthe des Kaisers war psychologisch richtig berechnet, und wenn Arnim allein ihn zu berathen gehabt hätte, so wäre es ihm vielleicht gelungen, das klare und nüchterne Urtheil dieses Herrn durch ein künstlich gesteigertes Gefühl von angestammter Fürstenpflicht zu trüben. Aber er wußte nicht, daß Se. Majestät mir in seiner graden und ehrlichen Weise die Briefe mittheilte und dadurch Gelegenheit gab, der politischen Einsicht, man könnte sagen, dem gesunden Verstande des Herrn die Schäden und Gefahren der Rathschläge darzulegen, denen wir auf dem von Arnim empfohlenen Wege der Herstellung der Legitimität in Frankreich entgegengehn würden. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 476 „Ich mache für diese verbrecherische Tendenz alle Mitarbeiter des Blattes, auch alle diejenigen, die das Blatt durch Rath und durch That unterstützen, moralisch verantwortlich, zunächst insbesondre den Herrn von Loë, sodann aber auch den Grafen Harry von Arnim. Es ist garnicht zu bezweifeln, daß alle die Artikel ‚Arnim contra Bismarck‘ die es sich zur Aufgabe gemacht haben, seit Jahr und Tag die Person des Fürsten Bismarck anzugreifen, herabzusetzen, im Interesse des Grafen Arnim geschrieben werden.“ (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 489 Gontauts Thätigkeit im Dienste Frankreichs beschränkte sich nicht auf das Berliner Terrain. Er reiste 1875 nach Petersburg, um dort mit dem Fürsten Gortschakow den Theatercoup einzuleiten, welcher bei dem bevorstehenden Besuche des Kaisers Alexander in Berlin die Welt glauben machen sollte, daß er allein das wehrlose Frankreich vor einem deutschen Ueberfall bewahrt habe, indem er uns mit einem Quos ego! in den Arm gegriffen und zu dem Zweck den Kaiser nach Berlin begleitet habe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 494 Ich machte dem Fürsten Gortschakow lebhafte Vorwürfe und sagte, es sei kein freundschaftliches Verhalten, wenn man einem vertrauenden und nichts ahnenden Freunde plötzlich und hinterrücks auf die Schulter springe, um dort eine Circus-Vorstellung auf seine Kosten in Scene zu setzen, und daß dergleichen Vorgänge zwischen uns leitenden Ministern den beiden Monarchien und Staaten zum (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 611 [2-213] vertraulichen Verkehre am Hofe mit ihm gesprochen hatte, und das war nicht selten viel mehr, als Gortschakow mit dem Botschafter sprach; der „Pruski Fligeladjudant“, wie er am Hofe hieß, sah den Kaiser fast täglich, jedenfalls viel öfter als Gortschakow, der Kaiser sprach mit ihm nicht bloß über Militärisches, und die Aufträge zu Bestellungen an unsern Herrn beschränkten sich nicht auf Familienangelegenheiten. Die diplomatischen Verhandlungen zwischen beiden Cabineten haben ihren Schwerpunkt, wie zur Zeit Rauchs und Münsters, oft und lange mehr in den Berichten des Militärbevollmächtigten als in denen der amtlich accreditirten Gesandten gefunden. Da indessen Kaiser Wilhelm niemals versäumte, mir seine Correspondenz mit dem Militärbevollmächtigten in Petersburg nachträglich, wenn auch oft zu spät, mitzutheilen, und politische Entschlüsse nie ohne Erwägung an amtlicher Stelle faßte, so beschränkten sich die Nachtheile dieses directen Verkehrs auf Verspätung von Informationen und Anzeigen, die in solchen Immediatberichten enthalten waren. Es lag also außerhalb dieser Gewohnheit im Geschäftsverkehr, daß Kaiser Alexander, ohne Zweifel auf Anregung des Fürsten Gortschakow, Herrn von Werder als Organ benutzte, um uns jene Doctorfrage vorzulegen. Gortschakow war damals bemüht, seinem Kaiser zu beweisen, daß meine Ergebenheit für ihn und meine Sympathie für Rußland unaufrichtig oder doch nur „platonisch“ sei, und sein Vertrauen zu mir zu erschüttern, was ihm denn auch später gelungen ist. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 618 [2-216] Achtundzwanzigstes Kapitel: Berliner Congreß. der russischen Regirung, vermittelst eines Congresses zu dem Frieden mit der Türkei zu gelangen, bewies, daß sie sich militärisch nicht stark genug fühlte, es auf Krieg mit England und Oestreich ankommen zu lassen, nachdem die rechtzeitige Besetzung von Constantinopel einmal versäumt war. Für die Mißgriffe der russischen Politik theilt Fürst Gortschakow ohne Zweifel mit jüngern und energischeren Gesinnungsgenossen die Verantwortlichkeit, aber frei davon ist er nicht. Wie stark seine Stellung, nach den russischen Traditionen gemessen, dem Kaiser gegenüber war, zeigt die Thatsache, daß er gegen den ihm bekannten Wunsch seines Herrn an dem Berliner Congresse als Vertreter Rußlands theilnahm. Indem er, gestützt auf seine Eigenschaft als Reichskanzler und auswärtiger Minister, seinen Sitz einnahm, entstand die eigenthümliche Situation, daß der vorgesetzte Reichskanzler und der seinem Ressort unterstellte Botschafter Schuwalow neben einander figurirten, der Träger der russischen Vollmacht aber nicht der Reichskanzler sondern der Botschafter war 1). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 622 Bei den diplomatischen Verhandlungen über Ausführung der Bestimmungen des Berliner Congresses wurde in Petersburg erwartet, daß wir jede russische Auffassung der östreichisch-englischen gegenüber ohne weitres und namentlich ohne vorgängige Verständigung zwischen Berlin und Petersburg unterstützen und durchsetzen würden. Meine angedeutete, endlich ausgesprochene Forderung, die russischen Wünsche uns vertraulich, aber deutlich auszusprechen und darüber zu verhandeln, wurde eludirt, und ich erhielt den Eindruck, daß Fürst Gortschakow von mir, wie eine Dame von ihrem Verehrer, erwartete, daß ich die russischen Wünsche errathen und vertreten würde, ohne daß Rußland selbst sie auszusprechen und dadurch eine Verantwortlichkeit zu übernehmen brauchte. Selbst in Fällen, wo wir annehmen durften, der russischen Interessen und Absichten völlig gewiß zu sein, und glaubten, der russischen Politik einen Beweis unsrer Freundschaft freiwillig geben zu können, ohne (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 627 In dieser Situation nun kam ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers Alexander, das trotz aller Verehrung für den bejahrten Freund und Oheim an zwei Stellen bestimmte Kriegsdrohungen enthielt in der Form, die völkerrechtlich üblich ist, etwa des Inhalts: wenn die Weigerung, das deutsche Votum dem russischen anzupassen, festgehalten wird, so kann der Friede zwischen uns nicht dauern. Dieses Thema war in scharfen und unzweideutigen Worten an zwei Stellen variirt. Daß Fürst Gortschakow, der am 6. September 1879 in einem Interview mit dem Correspondenten des orleanistischen „Soleil“, Louis Peyramont, Frankreich eine sehr auffallende Liebeserklärung machte, auch an jenem Schreiben mitgearbeitet hatte, sah ich dem letztern an; durch zwei spätre Wahrnehmungen wurde meine Vermuthung bestätigt. Im October hörte eine Dame der Berliner Gesellschaft, die in dem Hôtel de l'Europe in Baden-Baden Zimmernachbarin Gortschakows war, ihn sagen: „j'aurais voulu faire la guerre, mais la France a d'autres intentions.“ Und am 1. November war der Pariser Correspondent der „Times“ in der Lage, seinem Blatte zu melden, vor der Zusammenkunft in Alexandrowo habe der Zar an Kaiser Wilhelm geschrieben, sich über die Haltung Deutschlands beschwert und sich der Phrase bedient: „Der Kanzler Ew. Majestät hat die Versprechungen von 1870 vergessen“ *). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 660 Ich erinnere mich, daß Fürst Gortschakow mir, als ich in Petersburg Gesandter war und seines unbegrenzten Vertrauens mich erfreute, mitunter, wenn er mich warten ließ, noch unerbrochne Berliner Berichte zu lesen gab, bevor er selbst sie durchgesehn hatte. Ich war zuweilen erstaunt, daraus zu entnehmen, mit welchem Uebelwollen mein früherer Freund Budberg seiner Empfindlichkeit über irgend ein Erlebniß in der Gesellschaft oder auch nur dem Bedürfniß, einen witzigen Sarkasmus über Berliner Verhältnisse am Hofe und in dem Ministerium anzubringen, die Aufgabe der Erhaltung der gegenwärtigen Beziehungen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 661 [2-226] unterordnete. Seine Berichte wurden natürlich dem Kaiser vorgelegt und zwar ohne Commentar und ohne Vortrag, und die kaiserlichen Randbemerkungen, von denen Gortschakow mir in der weitern geschäftlichen Correspondenz mitunter Einsicht gestattete, lieferten mir den zweifellosen Beweis, wie der uns wohlgesinnte Kaiser Alexander II. für die verstimmten Berichte von Budberg und Oubril empfänglich war und daraus nicht auf die falsche Darstellung seiner Vertreter, sondern auf den in Berlin herrschenden Mangel an einsichtiger und wohlwollender Politik schloß. Wenn der Fürst Gortschakow mir derartige Dinge unerbrochen zu lesen gab, um mit seinem Vertrauen zu coquettiren, so pflegte er zu sagen: „Vous oublierez ce que vous ne deviez pas lire,“ was ich natürlich, nachdem ich im Nebenzimmer die Depeschen durchgesehn hatte, zusagte und, so lange ich in Petersburg war, auch gehalten habe, da es nicht meine Aufgabe war, die Beziehungen beider Höfe durch Anklagen gegen den Vertreter des russischen in Berlin zu verschlechtern, und da ich ungeschickte Verwerthung meiner Meldungen zu höfischen Intrigen und Verhetzungen befürchtete. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 664 Ich kehre von dieser Abschweifung zu den Besprechungen zurück, die ich zur Zeit des Balkankrieges mit dem Grafen Peter Schuwalow gehabt habe. Ich sagte ihm, daß wir, wenn wir der Festigkeit eines Bündnisses mit Rußland die Beziehungen zu allen andern Mächten zum Opfer brächten, uns bei acuten Vorkommnissen von französischer und östreichischer Revanchelust bei unsrer exponirten geographischen Lage in einer gefährlichen Abhängigkeit von Rußland befinden würden. Die Verträglichkeit Rußlands mit Mächten, die nicht auch ohne sein Wohlwollen bestehn könnten, hätte ihre Grenzen, namentlich bei einer Politik, wie die des Fürsten (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 670 [2-230] für das Bedürfniß des Zusammenhaltens im Interesse staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung kein Verständniß haben, sondern sich chauvinistischen Regungen ihrer Unterthanen dienstbar machen, so befürchte ich, daß die internationalen revolutionären und socialen Kämpfe, die auszufechten sein werden, um so gefährlicher und für den Sieg der monarchischen Ordnung schwieriger sich gestalten werden. Ich habe die nächstliegende Assecuranz gegen diese Kämpfe seit 1871 in dem Dreikaiserbunde und in dem Bestreben gesucht, dem monarchischen Prinzipe in Italien eine feste Anlehnung an diesen Bund zu gewähren. Ich war nicht ohne Hoffnung auf einen dauernden Erfolg, als im September 1872 die Zusammenkunft der drei Kaiser in Berlin, demnächst die Besuche meines Kaisers in Petersburg im Mai, des Königs von Italien in Berlin im September, des deutschen Kaisers in Wien im October des folgenden Jahres stattfanden. Die erste Trübung dieser Hoffnung wurde 1875 verursacht durch die Hetzereien des Fürsten Gortschakow 1), der die Lüge verbreitete, daß wir Frankreich, bevor es sich von seinen Wunden erholt hätte, zu überfallen beabsichtigten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 713 „Mein lieber Fürst von Bismarck! (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 787 [2-269] populär gemachten Ypsilanti'schen Aufstandes, des durch die Fanarioten vermittelten Ausläufers gräcisirender Orientpolitik, noch die einheitliche Zustimmung der verschiedenen russischen Strömungen hatten, die von Araktschejew bis zu den Decabristen durch einander liefen, ist gleichgültig, jedenfalls aber waren die Erstlinge der russischen Befreiungspolitik, die Griechen, eine, freilich noch nicht durchschlagende, Enttäuschung für Rußland. Die griechische Befreiungspolitik hört mit und seit Navarin auch in den Augen der Russen auf, eine russische Specialität zu sein. Es hat lange gedauert, ehe das russische Cabinet aus diesem kritischen Ergebniß die Consequenzen zog. Die rudis indigestaque moles Rußland wiegt zu schwer, um für jede Wahrnehmung des politischen Instincts leicht lenksam zu sein. Man fuhr fort zu befreien und machte mit den Rumänen, Serben, Bulgaren dieselbe Erfahrung wie mit den Griechen. Alle diese Stämme haben Rußlands Hülfe zur Befreiung von den Türken bereitwillig angenommen, aber, nachdem sie frei geworden, keine Neigung gezeigt, den Zaren zum Nachfolger des Sultans anzunehmen. Ich weiß nicht, ob man in Petersburg die Ueberzeugung theilt, daß auch der „einzige Freund“ des Zaren, der Fürst von Montenegro, was bei seiner entfernten und isolirten Situation auch einigermaßen entschuldbar ist, nur so lange die russische Flagge hissen wird, als er Aequivalente an Geld oder Macht dafür erwartet; aber es kann in Petersburg nicht unbekannt sein, daß der Vladika bereit war, und vielleicht noch bereit ist, als großherrlich türkischer Connetable an die Spitze der Balkanvölker zu treten, wenn dieser Gedanke bei der Pforte eine hinreichend günstige Aufnahme und Unterstützung fände, um für Montenegro nützlich werden zu können. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 830 König Wilhelm, der mich während der schleswig-holsteinischen Episode einmal vorwurfsvoll fragte: „Sind Sie denn nicht auch ein Deutscher?“ weil ich mich seiner durch häusliche Einflüsse bedingten Neigung, ein neues gegen Preußen stimmendes Großherzogthum in Kiel zu schaffen, widersetzte, derselbe Herr war, wenn er, ohne durch politische Gedanken angekränkelt zu sein, in naturwüchsiger Freiheit seinen Empfindungen folgte, einer der entschlossensten Particularisten unter den deutschen Fürsten, in der Richtung eines patriotischen und conservativ gesinnten preußischen Offiziers aus der Zeit seines (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 831 [2-282] Vaters. Der Einfluß seiner Gemalin brachte ihn in reifern Jahren in Opposition gegen das traditionelle Prinzip, und die Unfähigkeit seiner Minister der Neuen Aera und das überstürzende Ungeschick der liberalen Parlamentarier in der Conflictszeit weckte in ihm wiederum den alten Pulsschlag des preußischen Prinzen und Offiziers, zumal er mit der Frage, ob die Bahn, die er einschlug, gefährlich sei, niemals rechnete. Wenn er überzeugt war, daß Pflicht und Ehre, oder eins von beiden, ihm geboten, einen Weg zu betreten, so ging er ihn ohne Rücksicht auf die Gefahren, denen er ausgesetzt sein konnte, in der Politik ebenso wie auf dem Schlachtfelde. Einzuschüchtern war er nicht. Die Königin war es, und das Bedürfniß des häuslichen Friedens mit ihr war ein unberechenbares Gewicht, aber parlamentarische Grobheiten oder Drohungen hatten nur die Wirkung, seine Entschlossenheit im Widerstande zu stärken. Mit dieser Eigenschaft hatten die Minister der Neuen Aera und ihre parlamentarischen Stützen und Gefolgschaften niemals gerechnet. Graf Schwerin war in seinem Mißverstehn dieses furchtlosen Offiziers auf dem Throne so weit gegangen, zu glauben, ihn durch Ueberhebung und Mangel an Höflichkeit einschüchtern zu können 1). In diesen Vorgängen lag der Wendepunkt des Einflusses der Minister der Neuen Aera, der Altliberalen und der Bethmann-Hollwegschen Partei, von dem ab die Bewegung rückläufig wurde, die Leitung in Roons Hände fiel und der Ministerpräsident Fürst Hohenzollern mit seinem Adjuncten Auerswald meinen Eintritt in das Ministerium wünschten. Die Königin und Schleinitz verhinderten ihn einstweilen noch, als ich im Frühjahr 1860 in Berlin war, aber die Aeußerlichkeiten, die zwischen dem Herrn und seinen Ministern vorgekommen waren, hatten in die gegenseitigen Beziehungen doch einen Riß gebracht, der nicht mehr vernarbte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 845 Das Schwergewicht, das nach dem Antritt der Regentschaft der Wille und die Ueberzeugung des Prinzen von Preußen und spätern Kaisers auf dem außermilitärischen, dem politischen Gebiete darstellte, war das eigenste Product der mächtigen und vornehmen Natur, die diesem Fürsten, unabhängig von der ihm zu Theil gewordenen Erziehung, angeboren war. Der Ausdruck „königlich vornehm“ ist prägnant für seine Erscheinung. Die Eitelkeit kann bei Monarchen ein Sporn zu Thaten und zur Arbeit für das Glück ihrer Unterthanen sein. Friedrich der Große war nicht frei davon; sein erster Thatendrang entsprang dem Verlangen nach historischem Ruhm; ob diese Triebfeder gegen das Ende seiner Regirung, wie man sagt, degenerirte, ob er dem Wunsche innerlich Gehör gab, daß die Nachwelt den Unterschied zwischen seiner und der folgenden Regirung merken möge, lasse ich unerörtert. Eine (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 848 Monarch und Parlament hatten einander in schweren innern Kämpfen gegenseitig kennen und achten gelernt; die Ehrlichkeit der königlichen Würde, die sichre Ruhe des Königs hatten schließlich die Achtung auch seiner Gegner erzwungen, und der König selbst war durch sein hohes persönliches Ehrgefühl zu einer gerechten Beurtheilung der beiderseitigen Situationen befähigt. Das Gefühl der Gerechtigkeit nicht blos seinen Freunden und seinen Dienern gegenüber, sondern auch im Kampfe mit seinen Gegnern beherrschte ihn. Er war ein gentleman ins Königliche übersetzt, ein Edelmann im besten Sinne des Wortes, der sich durch keine Versuchung der ihm zufallenden Machtvollkommenheiten von dem Satze noblesse oblige dispensirt fühlte; sein Verhalten in der innern wie in der äußern Politik war den Grundsätzen des Cavaliers alter Schule und des normalen preußischen Offiziersgefühls jederzeit untergeordnet. Er hielt auf Treue und Ehre nicht nur Fürsten, sondern auch seinen Dienern bis zum Kammerdiener gegenüber. Wenn er durch augenblickliche Erregung seinem feinen Gefühl für königliche Würde und Pflicht zu nah getreten war, so fand er sich schnell (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 855 [2-291] Treue um Treue: König und Minister, Herr und Diener. geisterndes. Sie berührten angenehm durch die Wärme seines Gefühls und die Sicherheit, die aus ihnen sprach, daß er Treue nicht nur verlangte, sondern auch gewährte. Il était de relation sûre; eine von den fürstlichen Gestalten, in Seele und Körper, deren Eigenschaften mehr des Herzens als des Verstandes die im germanischen Charakter hin und wieder vorkommende Hingebung ihrer Diener und Anhänger auf Tod und Leben erklären. Für monarchische Gesinnung ist die Ausdehnung des Gebietes ihrer Ergebenheit nicht jedem Fürsten gegenüber dieselbe; sie unterscheidet sich, je nachdem politisches Verständniß oder Empfindung die Grenzen ziehn. Ein gewisses Maß der Hingebung wird durch die Gesetze bestimmt, ein größeres durch politische Ueberzeugung; wo es darüber hinaus geht, bedarf es eines persönlichen Gefühls von Gegenseitigkeit, das bewirkt, daß treue Herrn treue Diener haben, deren Hingebung über das Maß staatsrechtlicher Erwägungen hinausreicht. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 870 Wenngleich der Lohn für solche Thaten in Ihrem Innern ruhet, so bin ich doch gedrungen und verpflichtet, Ihnen öffentlich und dauernd den Dank des Vaterlandes und den meinigen auszudrücken. Ich erhebe Sie daher in den Fürstenstand Preußens mit der Bestimmung, daß sich derselbe stets auf das älteste männliche Mitglied Ihrer Familie vererbt. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 883 Sie werden am 28. d. M. ein schönes Familien Fest begehen, das Ihnen der Allmächtige in Seiner Gnade bescheert. Daher darf und kann ich mit meiner Theilnahme an diesem Feste nicht zurückbleiben, und so wollen Sie und die Fürstin Ihre Gemahlin hier meinen innigsten und wärmsten Glückwunsch zu diesem erhebenden Feste entgegen nehmen. Daß Ihnen Beiden unter so vielen Glücksgütern, die Ihnen die Vorsehung für Sie erkoren hat, doch immer das häusliche Glück obenan stand, das ist es, wofür Ihre Dankgebethe zum Himmel steigen. Unsere und meine Dankgebethe gehen aber weiter, indem sie den Dank in sich schließen, daß Gott Sie mir in entscheidender Stunde zur Seite stellte und damit eine Laufbahn meiner Regierung eröffnete, die weit über Denken und Verstehen gehet. Aber auch hierfür werden Sie Ihre Dankgefühle nach Oben senden, daß Gott Sie begnadigte, so Hohes zu leisten. Und in und nach allen Ihren Mühen fanden Sie stets in der Häuslichkeit Erholung und Frieden, und das erhält Sie Ihrem schweren Berufe. Für diesen sich zu erhalten und zu kräftigen, ist mein stetes Anliegen an Sie, und freue ich mich aus Ihrem Briefe (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 912 Mein lieber Fürst! Wenn sich in dem Deutschen Lande und Volke das warme Verlangen zeigt, Ihnen bei der Feier Ihres 70. Geburtstages zu bethätigen, daß die Erinnerung an Alles, was Sie für die Größe des Vaterlandes gethan haben, in so vielen Dankbaren lebt, so ist es mir ein tiefgefühltes Bedürfniß, Ihnen heute auszusprechen, wie hoch es mich freut, daß ein solcher Zug des Dankes und der Verehrung für Sie durch die Nation geht. Es freut mich das für Sie als eine wahrlich im höchsten Maße verdiente Anerkennung; und es erwärmt mir das Herz, daß solche Gesinnungen sich in so großer Verbreitung kund thun, denn es ziert die Nation in der Gegenwart und es stärkt die Hoffnung auf ihre Zukunft, wenn sie Erkenntniß für das Wahre und Große zeigt und wenn sie ihre hochverdienten Männer feiert und ehrt. An einer solchen Feier Theil zu nehmen, ist mir und meinem Hause eine besondere Freude und wünschen wir Ihnen durch beifolgendes Bild (die Kaiserproclamation in Versailles) auszudrücken, mit welchen Empfindungen dankbarer Erinnerung wir dies thun. Denn dasselbe vergegenwärtigt einen der größten Momente der Geschichte des Hohenzollernhauses, dessen niemals gedacht werden kann, ohne sich zugleich auch Ihrer Verdienste zu erinnern. Sie, mein lieber Fürst, wissen, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 917 Sie feiern, mein lieber Fürst, am 23. September d. J. den Tag, an welchem ich Sie vor 25 Jahren in mein Staatsministerium berief und nach kurzer Zeit Ihnen das Präsidium desselben übertrug. Ihre bis dahin dem Vaterlande in den verschiedensten und wichtigsten Aufträgen geleisteten ausgezeichneten Dienste berechtigten mich, Ihnen diese höchste Stellung zu übertragen. Die Geschichte des letzten Viertels des Jahrhunderts beweiset, daß ich mich nicht bei Ihrer Wahl geirrt habe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 942 Lieber Fürst! (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 965 [2-309] Herstellung der Reichsverfassung befürchtet, daß die Gefährdung unsrer nationalen Einheit in erster Linie von dynastischen Sonderbestrebungen zu befürchten sei, und hatte mir daher zur Aufgabe gestellt, das Vertrauen der Dynastien durch ehrliche und wohlwollende Wahrung ihrer verfassungsmäßigen Rechte im Reiche zu gewinnen, habe auch die Genugthuung gehabt, daß insbesondre die hervorragenden Fürstenhäuser eine gleichzeitige Befriedigung ihres nationalen Sinnes und ihrer particulären Ansprüche fanden. In dem Ehrgefühle, das den Kaiser Wilhelm I. seinen Bundesgenossen gegenüber beseelte, habe ich stets ein Verständniß für die politische Nothwendigkeit gefunden, das dem eignen stark dynastischen Gefühle schließlich doch überlegen war. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 972 Ich gedenke mit Ihnen, mein lieber Fürst, der heute abgelaufenen 50 Jahre, welche verstrichen sind, seitdem Sie in das Heer eintraten, und freue mich aufrichtig, daß der Garde-Jäger von damals mit so viel Zufriedenheit auf dieses abgelaufene halbe Jahrhundert zurückblicken kann. Ich will mich heute nicht in lange Auseinandersetzungen über die staatsmännischen Verdienste einlassen, welche Ihren Namen für immer mit unsrer Geschichte verflochten haben. Aber das Eine muß ich hervorheben: daß wo es galt, das Wohl des Heeres, seine Wehrkraft, seine Schlagfertigkeit zu vervollkommnen, Sie nimmer fehlten, den Kampf auszufechten und durchzuführen. Somit dankt Ihnen das Heer für erlangte Segnungen, die es Ihnen niemals vergessen wird, und an der Spitze desselben der Kriegsherr, der erst vor wenigen Tagen berufen ist, diese Stellung nach dem Heimgang dessen einzunehmen, der unausgesetzt das Wohl der Armee auf dem Herzen trug. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)