AAAKöbler, Gerhard. Prinz in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, 2016
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Abs. 44 Bei den Hoffestlichkeiten, die während des Vereinigten Landtags stattfanden, wurde ich von dem Könige und der Prinzessin von Preußen in augenfälliger Weise gemieden, jedoch aus verschiedenen Gründen, von der letztern, weil ich weder liberal noch populär war, von dem erstern aus einem Grunde, der mir erst später klar wurde. Wem er bei Empfang der Mitglieder vermied, mit mir zu sprechen, wenn er im Cercle, nachdem er der Reihe nach jeden angeredet hatte, abbrach, sobald er an mich kam, umkehrte oder quer durch den Saal abschwenkte: so glaubte ich annehmen zu müssen, daß meine Haltung als royalistischer Heißsporn die Grenzen überschritt, die er sich gesteckt hatte. Daß diese Auslegung unrichtig, erkannte ich erst einige Monate später, als ich auf meiner Hochzeitsreise Venedig berührte. Der König, der mich im Theater erkannt hatte, befahl mich folgenden Tags zur Audienz und zur Tafel, mir so unerwartet, daß mein leichtes Reisegepäck und die Unfähigkeit der Schneider des Ortes mir nicht die Möglichkeit gewährten, in correctem Anzuge zu erscheinen. Mein Empfang war ein so wohlwollender und die Unterhaltung auch auf politischem Gebiete derart, daß ich eine aufmunternde Billigung meiner Haltung im Landtage daraus entnehmen konnte. Der König befahl mir, mich im Laufe des Winters bei ihm zu melden, was geschah. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 54 Ich fuhr zunächst allein nach Potsdam, wo ich am Bahnhofe Herrn von Bodelschwingh sah, der bis zum 19. Minister des Innern gewesen war. Es war ihm offenbar unerwünscht, im Gespräch mit mir, dem "Reactionär", gesehn zu werden; er erwiderte meine Begrüßung mit den Worten: "Ne me parlez pas." - "Les paysans se lèvent chez nous," erwiderte ich. "Pour le Roi?" - "Oui." - "Dieser Seiltänzer," sagte er, die Hände auf die thränenden Augen drückend. In der Stadt fand ich auf der Plantage an der Garnisonkirche ein Bivouak der Garde-Infanterie; ich sprach mit den Leuten und fand Erbitterung über den befohlenen Rückzug und Verlangen nach neuem Kampfe. Auf dem Rückwege längs des Kanals folgten mir spionartige Civilisten, welche Verkehr mit der Truppe gesucht hatten und drohende Reden gegen mich führten. Ich hatte vier Schuß in der Tasche, bedurfte ihrer aber nicht. Ich stieg bei meinem Freunde Roon ab, der als Mentor des Prinzen Friedrich Karl einige Zimmer in dem Stadtschlosse bewohnte, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 57 Bei diesem Zustand der Dinge kam ich auf den Gedanken, einen Befehl zum Handeln, der von dem unfreien Könige nicht zu erwarten war, von einer andern Seite zu beschaffen, und suchte zu dem Prinzen von Preußen zu gelangen. An die Prinzessin verwiesen, deren Einwilligung dazu nöthig sei, ließ ich mich bei ihr melden, um den Aufenthalt ihres Gemals zu erfahren (der, wie ich später erfuhr, auf der Pfaueninsel war). Sie empfing mich in einem Dienerzimmer im Entresol, auf einem fichtenen Stuhle sitzend, verweigerte die erbetene Auskunft und erklärte in lebhafter Erregung, daß es ihre Pflicht sei, die Rechte ihres Sohnes zu wahren. Was sie sagte, beruhte auf der Voraussetzung, daß der König und ihr Gemal sich nicht halten könnten, und ließ auf (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 58 [1-23] den Gedanken schließen, während der Minderjährigkeit ihres Sohnes die Regentschaft zu führen. Um für diesen Zweck die Mitwirkung der Rechten in den Kammern zu gewinnen, sind mir formelle Eröffnungen durch Georg von Vincke gemacht worden. Da ich zum Prinzen von Preußen nicht gelangen konnte, machte ich einen Versuch mit dem Prinzen Friedrich Karl, stellte ihm vor, wie nöthig es sei, daß das Königshaus Fühlung mit der Armee behalte, und wenn Se. Majestät unfrei sei, auch ohne Befehl des Königs für die Sache desselben handle. Er erwiderte in lebhafter Gemüthsbewegung, so sehr ihm mein Gedanke zusage, so fühle er sich doch zu jung, ihn auszuführen, und könne dem Beispiel der Studenten, die sich in die Politik mischten, nicht folgen, er sei auch nicht älter als die. Ich entschloß mich dann zu dem Versuche, zu dem Könige zu gelangen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 59 Prinz Karl gab mir im Potsdamer Schlosse als Legitimation und Paß das nachstehende offene Schreiben: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 61 Potsdam 21. Maerz 1848 Carl Prinz v. Preußen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 65 Die Bürgerwache im Schlosse fragte mich, was ich dort wolle. Auf meine Antwort, ich hätte einen Brief des Prinzen Karl an den König abzugeben, sagte der Posten, mich mit mißtrauischen Blicken betrachtend, das könne nicht sein; der Prinz befinde sich eben beim Könige. Erstrer mußte also noch vor mir von Potsdam abgereist sein. Die Wache verlangte den Brief zu sehn, den ich hätte; ich zeigte ihn, da er offen und der Inhalt unverfänglich war, und man ließ mich gehn, aber nicht in's Schloß. Im Gasthof Meinhard, parterre, lag ein mir bekannter Arzt im Fenster, zu dem ich eintrat. Dort schrieb ich dem Könige, was ich ihm zu sagen beabsichtigt hatte. Ich ging mit dem Briefe zum Fürsten Boguslaw Radziwill, der freien Verkehr hatte und ihn dem Könige übergeben konnte. Es stand darin u. A., die Revolution beschränke sich auf die großen Städte, und der König sei Herr im Lande, sobald er Berlin verlasse. Der König antwortete nicht, hat mir aber später gesagt, er habe den auf schlechtem Papier schlecht geschriebenen Brief als das erste Zeichen von Sympathie, das er damals erhalten, sorgfältig aufbewahrt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 69 [1-26] politische Autorität der Provinz, hatte eine Proclamation erlassen des Inhalts: "In Berlin ist eine Revolution ausgebrochen; ich werde eine Stellung über den Parteien nehmen." Diese "Stütze des Thrones" war später Minister und Inhaber hoher und einflußreicher Aemter. General Hedemann gehörte dem Humboldtschen Kreise an. Nach Schönhausen zurückgekehrt, suchte ich den Bauern begreiflich zu machen, daß der bewaffnete Zug nach Berlin nicht thunlich sei, gerieth aber dadurch in den Verdacht, in Berlin von dem revolutionären Schwindel angesteckt zu sein. Ich machte ihnen daher den Vorschlag, der angenommen wurde, daß Deputirte aus Schönhausen und andern Dörfern mit mir nach Potsdam reisen sollten, um selbst zu sehn, und den General von Prittwitz, vielleicht den Prinzen von Preußen zu sprechen. Als wir am 25. den Bahnhof von Potsdam erreichten, war der König eben dort eingetroffen und von einer großen Menschenmenge in wohlwollender Stimmung empfangen worden. Ich sagte meinen bäuerlichen Begleitern: "Da ist der König, ich werde Euch ihm vorstellen, sprecht mit ihm." Das lehnten sie aber ängstlich ab und verzogen sich schnell in die hintersten Reihen. Ich begrüßte den König ehrfurchtsvoll, er dankte, ohne mich zu erkennen, und fuhr nach dem Schlosse. Ich folgte ihm und hörte dort die Anrede, welche er im Marmorsaale an die Offiziere des Gardecorps richtete *). Bei den Worten: "Ich bin niemals freier und sichrer gewesen als unter dem Schutze meiner Bürger" erhob sich ein Murren und Aufstoßen von Säbelscheiden, wie es ein König von Preußen in Mitten seiner Offiziere nie gehört haben wird und hoffentlich nie wieder hören wird 1). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 115 [1-37] Prinzen von Preußen, eine Regentschaft der Prinzessin für ihren minderjährigen Sohn herzustellen. Ich lehnte sofort ab und erklärte, daß ich einen Antrag des Inhalts mit dem Antrage auf gerichtliches Verfahren wegen Hochverraths beantworten würde. Vincke vertheidigte seine Anregung als eine politisch gebotene, durchdachte und vorbereitete Maßregel. Er hielt den Prinzen wegen der von ihm leider nicht verdienten Bezeichnung "Kartätschenprinz" für unmöglich und behauptete, daß dessen Einverständniß schriftlich vorliege. Damit hatte er eine Erklärung im Sinne, welche der ritterliche Herr ausgestellt haben soll, daß er, wenn sein König dadurch vor Gefahr geschützt werden könne, bereit sei auf sein Erbrecht zu verzichten. Ich habe die Erklärung nie gesehn, und der hohe Herr hat mir nie davon gesprochen. Herr von Vincke gab seinen Versuch, mich für die Regentschaft der Prinzessin zu gewinnen, schließlich kühl und leicht mit der Erklärung auf, ohne Mitwirkung der äußersten Rechten, die er als durch mich vertreten ansah, werde der König nicht zum Rücktritt zu bestimmen sein. Die Verhandlung fand bei mir im Hôtel des Princes, parterre rechts, statt und enthielt beiderseits mehr, als sich niederschreiben läßt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 119 Meine erste Begegnung mit ihm war im Winter 1834/35 auf einem Hofballe gewesen. Ich stand neben einem Herrn von Schack aus Mecklenburg, der, wie ich, lang gewachsen und auch in JustizReferendarien-Uniform war, was den Prinzen zu dem Scherz veranlaßte, die Justiz suche sich jetzt die Leute wohl nach dem Gardemaße aus. Dann zu mir gewandt, fragte er mich, weshalb ich nicht Soldat geworden sei. "Ich hatte den Wunsch," erwiderte ich, "aber die Eltern waren dagegen, weil die Aussichten zu ungünstig seien." Worauf der Prinz sagte: "Brillant ist die Carrière allerdings nicht, aber bei der Justiz auch nicht." Während des Ersten Vereinigten Landtags, dem er als Mitglied der Herrencurie angehörte, redete er mich in den vereinigten Sitzungen wiederholt in einer Weise an, die sein Wohlgefallen an der damals von mir angenommnen politischen Haltung bezeugte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 162 [1-40] Bei der Prinzessin, seiner Gemalin, stand ich bis zu meiner Ernennung nach Frankfurt so weit in Gnade, daß ich gelegentlich nach Babelsberg befohlen wurde, um ihre politischen Auffassungen und Wünsche zu vernehmen, deren Darlegung mit den Worten zu schließen pflegte: "Es freut mich, Ihre Meinung gehört zu haben," obschon ich nicht in die Lage gekommen war, mich zu äußern. Der damals 18- und 19jährige, aber jünger aussehende spätere Kaiser Friedrich pflegte in solchen Fällen seine politische Sympathie mir dadurch zu erkennen zu geben, daß er mich im Dunkel der abendlichen Abfahrt beim Einsteigen in den Wagen mit lebhaftem Händedruck freundlich begrüßte in einer Art, als ob ihm eine offne Bekundung seiner Gesinnung bei Licht nicht gestattet wäre. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 222 [1-63] unvollzählig befanden. Wenn wir im Frühjahr 1849 die Möglichkeit einer kriegerischen Lösung im Auge behalten und unsre Mobilmachungsfähigkeit durch Verwendung keiner andern als kriegsbereiter Truppen intact erhalten hätten, so wäre die militärische Kraft, über welche Friedrich Wilhelm IV. verfügte, ausreichend gewesen, nicht nur jede aufständische Bewegung in und außer Preußen niederzuschlagen, sondern die aufgestellten Streitkräfte hätten zugleich das Mittel gewährt, uns 1850 auf die Lösung der damaligen Hauptfragen in unverdächtiger Weise vorzubereiten, falls sie sich zu einer militärischen Machtfrage zuspitzten. Es fehlte dem geistreichen Könige nicht an politischer Voraussicht, aber an Entschluß, und sein im Prinzip starker Glaube an die eigne Machtvollkommenheit hielt in concreten Fällen wohl gegen politische Rathgeber Stand, aber nicht gegen finanzministerielle Bedenken. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 279 [1-83] Marquis de Tallenay, und ich fand mich leicht in diese Gewohnheit, obschon es mir am Bunde nicht an Zeit zum Gehn und Reiten fehlte. Auch in Berlin, als ich Minister geworden war, versagte ich mich nicht, wenn ich von befreundeten Damen aufgefordert oder von Prinzessinnen zu einem Tanze befohlen wurde, bekam aber stets sarkastische Bemerkungen des Königs darüber zu hören, der mir zum Beispiel sagte: "Man macht es mir zum Vorwurf, einen leichtsinnigen Minister gewählt zu haben. Sie sollten den Eindruck nicht dadurch verstärken, daß Sie tanzen." Den Prinzessinnen wurde dann untersagt, mich zum Tänzer zu wählen. Auch die andauernde Tanzfähigkeit des Herrn von Keudell hat mir, wenn es sich um seine Beförderung handelte, bei Seiner Majestät Schwierigkeit gemacht. Es entsprach das der bescheidenen Natur des Kaisers, der seine Würde auch durch Vermeiden unnöthiger Aeußerlichkeiten, welche die Kritik herausfordern könnten, zu wahren gewöhnt war. Ein tanzender Staatsmann fand in seinen Vorstellungen nur in fürstlichen Ehrenquadrillen Platz; im raschen Walzer verlor er bei ihm an Vertrauen auf die Weisheit seiner Rathschläge. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 302 Für die deutsche Sache behielt man in den dem Königthum widerstrebenden Kreisen eine kleine Hoffnung auf Hebelkräfte im Sinne des Herzogs von Coburg, auf englischen und selbst französischen Beistand, in erster Linie aber auf liberale Sympathien des deutschen Volks. Die praktisch wirksame Bethätigung dieser Hoffnungen beschränkte sich auf den kleinen Kreis der Hof-Opposition, die unter dem Namen der Fraction Bethmann-Hollweg den Prinzen von Preußen für sich und ihre Bestrebungen zu gewinnen suchte. Es war dies eine Fraction, die an dem Volke garkeinen und an der damals als "Gothaer" bezeichneten nationalliberalen Richtung geringen Anhalt hatte. Ich habe diese Herrn nicht grade für nationaldeutsche Schwärmer gehalten, im Gegentheil. Der einflußreiche, noch heut (1891) lebende langjährige Adjutant des Kaisers Wilhelm, Graf Karl von der Goltz, der einen stets offnen Zugang für seinen Bruder und dessen Freunde abgab, war ursprünglich ein eleganter und gescheidter Garde-Offizier, Stockpreuße und Hofmann, der an dem außerpreußischen Deutschland nur so viel Interesse nahm, als seine Hofstellung es mit sich brachte. Er war ein Lebemann, Jagdreiter, sah gut aus, hatte Glück bei Damen und wußte sich auf dem Hofparket geschickt zu benehmen; aber die Politik stand bei ihm nicht in erster Linie, sondern galt ihm erst, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 303 [1-93] wenn er ihrer bei Hofe bedurfte. Daß die Erinnerung an Olmütz das Mittel war, den Prinzen zum Bundesgenossen für den Kampf gegen Manteuffel zu gewinnen, das konnte Niemand besser wissen als er, und diesen Stachel für die Empfindung des Prinzen in Wirksamkeit zu erhalten, hatte er auf Reisen und zu Hause stets gute Gelegenheit. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 307 Auch Rudolf von Auerswald hatte sich der Fraction zurückhaltend angeschlossen, kam aber im Juni 1854 zu mir nach Frankfurt, um mir zu sagen, daß er seinen Feldzug der letzten Jahre für verloren halte, sich herauszuziehn wünsche und, wenn er den Gesandten-Posten in Brasilien erhielte, versprechen wolle, sich um innere Politik nicht mehr zu kümmern 2). Obwohl ich Manteuffel empfahl, in seinem Interesse darauf einzugehn und einen so feinen Kopf, erfahrnen und achtbaren Mann und Freund des Prinzen von Preußen auf diese ehrliche Weise zu neutralisiren, so war sein und des Generals von Gerlach Mißtrauen oder Abneigung gegen Auerswald doch so stark, daß der Minister seine Ernennung ablehnte. Manteuffel und Gerlach waren überhaupt, obschon nicht untereinander, doch gegen die Partei Bethmann-Hollweg einig. Auerswald blieb im Lande und einer der Hauptträger der Beziehungen zwischen diesen anti-Manteuffel'schen Elementen und dem Prinzen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 312 Die scharfe Kritik der Politik Olmütz, die in der That nicht so sehr die Schuld des preußischen Unterhändlers als der, um das Wenigste zu sagen, ungeschickten Leitung der preußischen Politik bis zu seiner Zusammenkunft mit dem Fürsten Schwarzenberg war, und die Schilderung ihrer Folgen, das war die erste Waffe, mit welcher Manteuffel von Goltz angegriffen und die Sympathie des Prinzen von Preußen gewonnen wurde. In dem soldatischen Gefühle des Letztern war Olmütz ein wunder Punkt, in Bezug auf welchen nur die militärische und royalistische Disciplin dem Könige gegenüber die Empfindung der Kränkung und des Schmerzes beherrschte. Trotz seiner großen Liebe zu seinen russischen Verwandten, die zuletzt in der innigen Freundschaft mit Alexander II. zum Ausdrucke kam, behielt er das Gefühl einer Demüthigung, die Preußen durch den Kaiser Nicolaus erlitten hatte, und diese Empfindung wurde um so stärker, je mehr seine Mißbilligung der Manteuffel'schen Politik und der östreichischen Einflüsse ihn der ihm früher ferner liegenden deutschen Aufgabe Preußens näher rückte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 315 [1-96] und dessen Freunde am Hofe) u. s. w. ein Gegengewicht zu haben, was nun, Gott sei Dank, durch Goltzens Trotz vereitelt ist. - Ich denke mir, daß ein Plan im Werke ist - ob in allen zum Mithandeln bestimmten Personen bewußt oder unbewußt, halb oder ganz, lasse ich dahingestellt sein - ein Ministerium unter den Auspicien des Prinzen von Preußen zu formiren, in dem - nach Entfernung von Raumer, Westphalen, Bodelschwingh - Manteuffel als Präses, Ladenberg als Cultus, Goltz als Auswärtiger functioniren soll und welches sich die Kammermajorität verschafft, was ich nicht für sehr schwierig halte. Damit sitzt der arme König zwischen der Kammermajorität und seinem Nachfolger und kann sich nicht rühren. Alles was Westphalen und Raumer zu Stande gebracht, und sie sind die einzigen Menschen, die etwas gethan, würde wieder verloren gehn, von den übrigen Folgen zu schweigen. Manteuffel als doppelter Novembermann wäre wie schon jetzt inévitable." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 378 Aus dieser Theorie wurde die Nothwendigkeit der Pflege des natürlichen Bündnisses mit England entwickelt, mit dunkeln Andeutungen, daß England, wenn Preußen ihm mit seiner Armee gegen Rußland diene, seinerseits die preußische Politik in dem Sinne, den man damals den "Gothaer" nannte, fördern würde. Von der angeblichen öffentlichen Meinung des englischen Volkes im Bunde bald mit dem Prinzen Albert, welcher dem Könige und dem Prinzen von Preußen unerbetene Lectionen ertheilte, bald mit Lord Palmerston, der im November 1851 gegen eine Deputation radicaler Vorstädter England als den einsichtigen Sekundanten (judicious bottleholder) jedes für seine Freiheit kämpfenden Volkes (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 379 [1-111] bezeichnete und später in Flugschriften den Prinzen Albert als den gefährlichsten Gegner seiner befreienden Anstrengungen denunciren ließ, von diesen Hülfen wurde die Gestaltung der deutschen Zustände mit Sicherheit vorhergesagt, welche später von der Armee des Königs Wilhelm auf den Schlachtfeldern erkämpft worden ist. Die Frage, ob Palmerston oder ein andrer englischer Minister geneigt sein würde, Arm in Arm mit dem gothaisirenden Liberalismus und mit der Fronde am preußischen Hofe Europa zu einem ungleichen Kampfe herauszufordern und englische Interessen auf dem Altar der deutschen Einheitsbestrebungen zu opfern, - die weitere Frage, ob England dazu ohne andern continentalen Beistand als den einer in coburgische Wege geleiteten preußischen Politik im Stande sein würde - diese Fragen bis an's Ende durchzudenken, fühlte niemand den Beruf, am allerwenigsten die Fürsprecher derartiger Experimente. Die Phrase und die Bereitwilligkeit, im Partei-Interesse jede Dummheit hinzunehmen, deckten alle Lücken in dem windigen Bau der damaligen westmächtlichen Hofnebenpolitik. Mit diesen kindischen Utopien spielten sich die zweifellos klugen Köpfe der Bethmann-Hollwegschen Partei als Staatsmänner aus, hielten es für möglich, den Körper von sechzig Millionen Groß-Russen in der europäischen Zukunft als ein caput mortuum zu behandeln, das man nach Belieben mißhandeln könne, ohne daraus einen sichern Bundesgenossen jedes zukünftigen Feindes von Preußen zu machen und ohne Preußen in jedem französischen Kriege zur Rückendeckung gegen Polen zu nöthigen, da eine Polen befriedigende Auseinandersetzung in den Provinzen Preußen und Posen und selbst noch in Schlesien unmöglich ist, ohne den Bestand Preußens aufzulösen. Diese Politiker hielten sich damals nicht nur für weise, sondern wurden in der liberalen Presse als solche verehrt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 382 Während Goltz und seine Berliner Genossen ihre Sache mit einem gewissen Geschick betrieben, von welchem der erwähnte Artikel eine Probe ist, war Bunsen, Gesandter in London, so unvorsichtig, im April 1854 dem Minister Manteuffel eine lange Denkschrift einzusenden, welche die Herstellung Polens, die Ausdehnung Oestreichs bis in die Krim, die Versetzung der Ernestinischen Linie auf den sächsischen Königsthron und dergleichen mehr forderte und die Mitwirkung Preußens für dieses Programm empfahl. Gleichzeitig hatte er nach Berlin gemeldet, die englische Regirung würde mit der Erwerbung der Elbherzogthümer durch Preußen einverstanden sein, wenn letztres sich den Westmächten anschließen wolle, und in London hatte er zu verstehn gegeben, daß die preußische Regirung dazu unter der bezeichneten Gegenleistung bereit sei 1). Zu beiden Erklärungen war er nicht ermächtigt. Das war denn doch dem Könige, als er dahinter kam, zu viel, so sehr er Bunsen liebte. Er ließ ihn durch Manteuffel anweisen, einen langen Urlaub zu nehmen, der dann in den Ruhestand überging. In der von der Familie herausgegebenen Biographie Bunsen's ist jene Denkschrift, mit Weglassung der ärgsten Stellen, aber ohne Andeutung von Lücken, abgedruckt und die amtliche Correspondenz, die mit der Beurlaubung endigte, in einseitiger Färbung wiedergegeben. Ein im Jahre 1882 in die Presse gelangter Brief des Prinzen Albert an den Freiherrn von Stockmar (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 385 In die Pläne der Ausschlachtung Rußlands hatte man den Prinzen von Preußen nicht eingeweiht. Wie es gelungen, ihn für eine Wendung gegen Rußland zu gewinnen, ihn, der vor 1848 seine Bedenken gegen die liberale und nationale Politik des Königs nur in den Schranken brüderlicher Rücksicht und Unterordnung geltend gemacht hatte, zu einer ziemlich activen Opposition gegen die Regirungspolitik zu bewegen, trat in einer Unterredung hervor, die ich mit ihm in einer der Krisen hatte, in welchen mich der König zum Beistande gegen Manteuffel nach Berlin berufen hatte. Ich wurde gleich nach meiner Ankunft zu dem Prinzen befohlen, der mir in einer durch seine Umgebung erzeugten Gemüthserregung den Wunsch aussprach, ich solle dem Könige im westmächtlichen und antirussischen Sinne zureden. Er sagte: "Sie sehn sich hier zwei streitenden Systemen gegenüber, von denen das eine durch Manteuffel, das andre, russenfreundliche, durch Gerlach und den Grafen Münster in Petersburg vertreten ist. Sie kommen frisch hierher, sind von dem Könige gewissermaßen als Schiedsmann berufen. Ihre Meinung wird daher den Ausschlag geben, und ich beschwöre Sie, sprechen Sie sich so aus, wie es nicht nur die europäische Situation, sondern auch ein richtiges Freundesinteresse für Rußland erfordert. Rußland ruft ganz Europa gegen sich auf und wird schließlich unterliegen. Alle diese prächtigen Truppen," - es war dies nach den für die Russen nachtheiligen Schlachten vor Sebastopol - "alle unsre Freunde, die dort geblieben sind," - er nannte mehre - "würden noch leben, wenn wir richtig eingegriffen und Rußland zum Frieden gezwungen hätten." Es würde damit enden, daß Rußland, unser alter Freund und Bundesgenosse, vernichtet oder in gefährlicher Weise geschädigt würde. Unsre, von Otto Fürst von Bismarck, Gedanken und Erinnerungen. I. 8 (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 387 In dieser Form etwa hatten Goltz, Albert Pourtalès und Usedom in ihrer auf den Sturz Manteuffel's berechneten Politik die Preußen gegen Rußland zugedachte Rolle dem Prinzen annehmbar gemacht, wobei die Abneigung der Prinzessin, seiner Gemalin, gegen Rußland ihnen behülflich gewesen sein wird. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 389 Den Prinzen verletzte mein Ausdruck, mit zorniger Röthe unterbrach er mich mit den Worten: "Von Vasallen und Furcht ist hier garkeine Rede." Er brach aber die Unterredung nicht ab. Wer einmal sein Vertrauen hatte und in seiner Gnade stand, konnte ihm gegenüber sehr frei von der Leber sprechen, sogar heftig (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 390 [1-115] werden. Ich nahm an, daß es mir nicht gelungen sei, die Auffassung, der sich der Prinz unter häuslichem, englischem und Bethmann-Hollwegschem Einfluß ehrlich überlassen hatte, zu erschüttern. Gegen den Einfluß der letztern Partei wäre ich auch bei ihm wohl durchgedrungen, aber gegen den der Frau Prinzessin konnte ich nicht aufkommen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 412 Daß die Denkschriften, welche die Goltzsche Fraction als Kampfmittel gegen Manteuffel bei dem Könige und dem Prinzen von Preußen verwerthen und dann in der Presse und durch fremde Diplomaten ausnutzen ließ, nicht ohne Eindruck auf den Prinzen geblieben waren, erkannte ich unter Anderm daran, daß ich bei ihm auf die Haxthausensche Theorie von den drei Zonen 1)stieß. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 413 Wirksamer noch als durch die politischen Argumentationen der Bethmann-Hollwegschen Coterie wurde der Prinz von seiner Gemalin im westmächtlichen Sinne beeinflußt und in eine Art von Oppositionsstellung gegen den Bruder gebracht, die seinen militärischen Instincten fern lag. Die Prinzessin Augusta hat aus ihrer weimarischen Jugendzeit bis an ihr Lebensende den Eindruck bewahrt, daß französische und noch mehr englische Autoritäten und Personen den einheimischen überlegen seien. Sie war darin echt deutschen Blutes, daß sich an ihr unsre nationale Art bewährte, welche in der Redensart ihren schärfsten Ausdruck findet: "Das ist nicht weit her, taugt also nichts." Trotz Goethe, Schiller und allen andern Größen in den elyseischen Gefilden von Weimar war doch diese geistig hervorragende Residenz nicht frei von dem Alp, der bis zur Gegenwart auf unserm Nationalgefühl gelastet hat: daß ein Franzose und vollends ein Engländer durch seine (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 415 [1-122] Nationalität und Geburt ein vornehmeres Wesen sei als der Deutsche, und daß der Beifall der öffentlichen Meinung von Paris und London ein authentischeres Zeugniß des eignen Werthes bilde, als unser eignes Bewußtsein. Die Kaiserin Augusta ist trotz ihrer geistigen Begabung und trotz der Anerkennung, welche die Bethätigung ihres Pflichtgefühls auf verschiednen Gebieten bei uns gefunden hat, doch von dem Druck dieses Alps niemals vollständig frei geworden; ein sichrer Franzose mit geläufigem Französisch *) imponirte ihr, und ein Engländer hatte bis zum Gegenbeweise die Vermuthung für sich, daß er in Deutschland als vornehmer Mann zu behandeln sei. So ward es in Weimar vor 70 Jahren gehalten, und der Nachgeschmack davon hat sich mir in meiner amtlichen Thätigkeit oft genug fühlbar gemacht. Wahrscheinlich hat in der Zeit, von der die Rede ist, auch das Streben nach der englischen Heirath ihres Sohnes die Prinzessin von Preußen in der Richtung bestärkt, in welche Goltz und seine Freunde ihren Gemal zu ziehn suchten. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 416 Der Krimkrieg brachte die von Kind auf gewurzelte, früher äußerlich nicht hervorgetretene Abneigung der Prinzessin gegen alles Russische zur Erscheinung. Auf den Bällen Friedrich Wilhelm's III., wo ich sie als junge und schöne Frau zuerst gesehn habe, pflegte sie in der Wahl der Tänzer Diplomaten, wohl auch russische, zu begünstigen und unter ihnen solche, welche mehr für die Unterhaltung als für den Tanz begabt waren, die Glätte des Parkets versuchen zu lassen. Ihre später sichtbar und wirksam gewordene Abneigung gegen Rußland ist psychologisch schwer zu erklären. Die Erinnerung an die Ermordung ihres Großvaters, des Kaisers Paul, hatte schwerlich so nachhaltig gewirkt. Näher liegt die Vermuthung der Nachwirkung eines Dissenses zwischen der hochbegabten, social und politisch russischen Mutter, der Großherzogin von Weimar, und ihren russischen Besuchern und dem lebhaften Temperament (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 419 Wesentliche Hülfe leistete der Bethmann-Hollwegschen Fraction Herr von Schleinitz, der Specialpolitiker der Prinzessin, der auch seinerseits zum Kampfe gegen Manteuffel dadurch veranlaßt war, daß er aus dem gutsituirten, aber nicht sehr fleißig besorgten Posten von Hanover aus dienstlichen Gründen unter Umständen der Art entlassen war, daß ihm das Wartegeld als Gesandter erst, nachdem er Minister geworden, nachträglich ausgezahlt wurde. Als Sohn eines braunschweigischen Ministers und als gewerbsmäßiger Diplomat an das Hofleben und die äußern Vorzüge des auswärtigen Dienstes gewöhnt, ohne Vermögen, dienstlich verstimmt, bei der Prinzessin aber in Gnaden stehend, wurde er natürlich von den Gegnern Manteuffel's gesucht und schloß sich ihnen bereitwillig an. Er wurde der erste auswärtige Minister der neuen Aera und starb als Hausminister der Kaiserin Augusta. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 420 Beim Frühstück - und diese Gewohnheit des Prinzen wurde auch vom Kaiser Wilhelm beibehalten - hielt die Prinzessin ihrem Gemal Vortrag unter Vorlegung von Briefen und Zeitungsartikeln, die zuweilen ad hoc redigirt worden waren. Andeutungen, die ich mir gelegentlich gestattete, daß gewisse Briefe auf Veranstaltung der Königin durch Herrn von Schleinitz hergestellt und beschafft sein könnten, trugen mir eine sehr scharfe Zurückweisung zu. Der König trat mit seinem ritterlichen Sinne unbedingt für seine Gemalin ein, auch wenn der Anschein einleuchtend gegen sie war. Er wollte gewissermaßen verbieten, dergleichen zu glauben, auch wenn es wahr wäre. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 423 Nachdem der Prinz von Preußen im Jahre 1849 als Gouverneur der Rheinprovinz seine Residenz dauernd nach Coblenz verlegt hatte, consolidirte sich allmählich die gegenseitige Stellung der beiden Höfe von Sanssouci und Coblenz zu einer occulten Gegnerschaft, in welcher auch auf der königlichen Seite das weibliche Element mitspielte, jedoch in geringerem Maße als auf der prinzlichen. Der Einfluß der Königin Elisabeth zu Gunsten Oestreichs, Baierns, Sachsens war ein unbefangner und unverhehlter, ein Ergebniß der Solidarität, welche die Uebereinstimmung der Anschauungen und die verwandschaftlichen Familiensympathien naturgemäß hervorbrachten. Zwischen der Königin und dem Minister von Manteuffel bestand keine persönliche Sympathie, wie schon die Verschiedenheit der Temperamente es mit sich brachte; gleichwohl ging die Einwirkung Beider auf den König nicht selten und namentlich in kritischen Momenten gleichmäßig in der Richtung des östreichischen Interesses, doch von Seiten der Königin in entscheidenden Augenblicken nur bis zu gewissen Grenzen, welche die eheliche und fürstliche Empfindung im Interesse der Krone des Gemals ihr zogen. Die Sorge für des Königs Ansehn trat namentlich in kritischen Momenten hervor, wenn auch weniger in der Gestalt einer Ermuthigung zum Handeln, als in der einer weiblichen Scheu vor den (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 425 In der Prinzessin entwickelte sich während der Coblenzer Zeit noch eine Neigung, welche bei ihrer politischen Thätigkeit mitwirkte und sich bis an ihr Lebensende erhielt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 426 Der für den norddeutschen und namentlich für den Gedankenkreis einer kleinen Stadt in Mitten rein protestantischer Bevölkerung fremdartige Katholicismus hatte etwas Anziehendes für eine Fürstin, die überhaupt das Fremde mehr interessirte, als das Näherliegende, Alltägliche, Hausbackne. Ein katholischer Bischof erschien vornehmer als ein General-Superintendent. Ein gewisses Wohlwollen für die katholische Sache, welches ihr schon früher eigen und z. B. in der Wahl ihrer männlichen Umgebung und Dienerschaft erkennbar war, wurde durch ihren Aufenthalt in Coblenz vollends entwickelt. Sie gewöhnte sich daran, die localen Interessen des alten KrummstabLandes und seiner Geistlichkeit als ihrer Fürsorge besonders zugewiesen anzusehn und zu vertreten. Das moderne confessionelle Selbstgefühl auf dem Grunde geschichtlicher Tradition, das in dem Prinzen die protestantische Sympathie nicht selten mit Schärfe hervortreten ließ, war seiner Gemalin fremd. Welchen Erfolg ihr Bemühn um Popularität im Rheinlande gehabt hatte, zeigte sich u. A. darin, daß der Graf v. d. Recke-Volmerstein mir am 9. October 1863 schrieb, wohlgesinnte Leute am Rhein riethen, der König möge nicht zum Dombaufest kommen, sondern lieber I. Majestät schicken, "die mit Enthusiasmus würde empfangen werden". Ein Beispiel der wirksamen Energie, mit der sie die Wünsche der Geistlichkeit vertrat, lieferte die Modification, zu welcher der Bau der sogenannten Metzer Eisenbahn genöthigt wurde, weil die Geistlichkeit sich eines katholischen Kirchhofs, der berührt werden sollte, angenommen hatte und darin von der Kaiserin so erfolgreich unterstützt wurde, daß die Richtung geändert und schwierige Bauten ad hoc hergestellt wurden. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 429 Zu den Nebenwirkungen, durch welche diese höfischen Kämpfe complicirt wurden, gehörte auch das Mißverhältniß, in das die Prinzessin mit dem Oberpräsidenten von Kleist-Retzow gerieth, der das Erdgeschoß des Schlosses unter der prinzlichen Wohnung inne hatte und an sich, als äußre Erscheinung, als Redner der äußersten Rechten und durch seine ländliche Gewohnheit, häusliche Andachten mit Gesang täglich mit seinen Hausgenossen abzuhalten, der Prinzessin lästig fiel. Mehr an amtliche als an höfische Beziehungen gewöhnt, betrachtete der Oberpräsident seine Existenz im Schlosse und im Schloßgarten als eine Vertretung der königlichen Prärogative im Gegenhalt zu angeblichen Uebergriffen des prinzlichen Haushalts und glaubte ehrlich, dem Könige, seinem Herrn, etwas zu vergeben, wenn er der Gemalin des Thronerben gegenüber in Betreff der wirthschaftlichen Nutzung häuslicher Locale die oberpräsidialen Ansprüche gegen die des prinzlichen Hofes nicht energisch vertrat. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 432 An dem prinzlichen Hofe hatte das staatliche Interesse in der Abwehr von Schädigungen durch weibliche Einflüsse einen festen und klugen Vertreter an Gustav von Alvensleben, der an dem Frieden zwischen beiden Höfen nach Kräften arbeitete, ohne mit den politischen Maßregeln der Regirung einverstanden zu sein. Er theilte meine Ansicht von der Nothwendigkeit, die Frage der preußisch-östreichischen Rivalität auf dem Schlachtfelde zu entscheiden, weil sie in andrer Weise unlösbar sei. Er, der das vierte Corps bei Beaumont und Sedan führte, und sein Bruder Constantin, dessen selbständig gefaßten Entschlüsse bei Vionville und Mars la Tour die französische Rheinarmee vor Metz zum Stehn brachten, waren Musterbilder von Generalen. Wenn ich ihn gelegentlich nach seiner Meinung über den Ausgang einer ersten Hauptschlacht zwischen uns und den Oestreichern fragte, so antwortete er: "Wir laufen sie über, daß sie die Beine gen Himmel kehren." Und seine Zuversicht hat dazu beigetragen, mir in den schwierigen Entschließungen von 1864 und 1866 den Muth zu stärken. Der Antagonismus, in dem sein lediglich durch staatliche und patriotische Erwägungen bestimmter Einfluß auf den Prinzen mit dem der Prinzessin stand, brachte ihn zuweilen in eine Erregung, der er in Worten Luft machte, die ich nicht wiederholen will, die aber die ganze Entrüstung des patriotischen Soldaten über politisirende Damen in einer die Strafgesetze streifenden Sprache zum Ausdruck brachten. Daß der Prinz diesen seinen Adjutanten seiner Gemalin gegenüber hielt, war ein Ergebniß der Eigenschaft, die er auch als König und Kaiser bewährte, daß er für treue Diener ein treuer Herr war. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 437 Die leistungsfähigen Kräfte der Bethmann-Hollwegschen Partei, Goltz, Pourtalès, zuweilen Usedom, wurden durch den Prinzen von Preußen auch bei dem Könige zu einer gewissen Geltung gebracht. Es kam vor, daß nothwendige Depeschen nicht von Manteuffel, sondern von dem Grafen Albert Pourtalès entworfen wurden, daß der König mir dessen Entwürfe zur Revision gab, daß ich über die Amendirung wieder mit Manteuffel Fühlung nahm, daß der den Unterstaatssekretär Le Coq zuzog, daß dieser die Fassung aber lediglich von dem Standpunkte französischer Stilistik prüfte und eine Tage lange Verzögerung mit der Anführung rechtfertigte, er habe den genau angemessenen französischen Ausdruck noch nicht gefunden, der zwischen dunkel, unklar, zweifelhaft und bedenklich die richtige Mitte hielte, - als ob es auf solche Lappalien damals angekommen wäre. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 472 [1-136] gebe, daß Quehl eine Art von Vertrag mit der Hollweg'schen Partei geschlossen, wonach Manteuffel geschont, die andern mißliebigen Minister Raumer, Westphalen, Bodelschwingh, rücksichtslos angegriffen würden, wenn ich ferner beachte, daß Manteuffel über sein Verhältniß zum Prinzen von Preußen ein böses Gewissen gegen mich hat, daß er jetzt Niebuhr dichter an sein Herz schließt als mich, während er sich sonst gegen mich oft über Niebuhr beklagte, wenn ich endlich beachte, daß Quehl geradezu den Prinzen von Preußen und seinen Herrn Sohn als mit sich und mit Manteuffel übereinstimmend [darstellt] und sich demgemäß äußert, was ich aus der zuverlässigsten Quelle weiß, wenn dies Alles auf Radowitz sieht (sic), so fühle ich den Boden mir unter den Füßen schwanken, obschon der König schwerlich für diese Wirthschaft zu gewinnen ist und mir persönlich dies Alles Gott sei Dank ziemlich gleichgültig ist. Sie aber, mein verehrter Freund, der Sie noch jung sind, müssen sich rüsten und stärken, dies Lügengewebe zur passenden Zeit zur Rettung des Landes zu zerreißen 1). ... (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 490 Ich schrieb dem General Gerlach 1), ich sei eins der jüngsten Mitglieder unter diesen Leuten. Wenn ich die Wünsche Sr. Majestät früher gekannt hätte, hätte ich vielleicht einen Einfluß gewinnen können; aber der Befehl des Königs, von mir in Berlin ausgeführt und in der conservativen Partei beider Häuser vertreten, würde meine parlamentarische Stellung, die für den König und seine Regirung in andern Fragen von Nutzen sein könnte, zerstören, wenn ich rein als königlicher Beauftragter, ohne eigne Gedanken zu vertreten, meinen Einfluß in der kurzen Frist von zwei Tagen verwerthen sollte. Ich fragte daher an, ob ich nicht den vom Könige erhaltenen Auftrag, mit dem Prinzen von Augustenburg zu verhandeln, als Grund für mein Wegbleiben von dem Landtage geltend machen dürfte. Ich erhielt durch den Telegraphen die Antwort, mich auf das Augustenburger Geschäft nicht zu berufen, sondern sofort nach Berlin zu kommen, reiste also am 26. April ab. Inzwischen war in Berlin auf Betrieb der conservativen Partei ein Beschluß gefaßt worden, der (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 505 Im Winter 1853 zu 1854 ließ mich der König wiederholt kommen und hielt mich oft lang fest; ich verfiel dadurch äußerlich in die Kategorie der Streber, die am Sturze Manteuffel's arbeiteten, den Prinzen von Preußen gegen seinen Bruder einzunehmen, für sich Stellen oder wenigstens Aufträge herauszuschlagen suchten und dann und wann von dem Könige als Rivalen Manteuffels cum spe succedendi behandelt wurden. Nachdem ich mehrmals von dem Könige gegen Manteuffel in der Weise ausgespielt worden war, daß ich Gegenentwürfe von Depeschen zu machen hatte, bat ich Gerlach, den ich in einem kleinen Vorzimmer neben dem Cabinet des Königs in dem längs der Spree hinlaufenden Flügel des Schlosses fand, mir die Erlaubniß zur Rückkehr nach Frankfurt zu erwirken. Gerlach trat in das Cabinet und sprach, der König rief: "Er soll in des Teufels Namen warten, bis ich ihm befehle abzureisen!" Als Gerlach herauskam, sagte ich lachend, ich hätte den Bescheid schon. Ich blieb also noch eine Zeit lang in Berlin. Als es endlich zur Abreise kam, hinterließ ich den Entwurf eines eigenhändigen, von dem Könige an den Kaiser Franz Joseph zu richtenden Schreibens, den ich auf Befehl Seiner Majestät ausgearbeitet und den Manteuffel dem Könige vorzulegen übernommen hatte, nachdem er sich mit mir über den Inhalt verständigt haben würde. Der Schwerpunkt lag in dem Schlußsatze, aber auch ohne diesen bildete der Entwurf ein abgerundetes Aktenstück, freilich von wesentlich modificirter Tragweite. Ich bat den Flügeladjutanten vom Dienst unter Mittheilung einer Abschrift des Concepts, den König darauf aufmerksam zu machen, daß der Schlußsatz das entscheidende Stück des Erlasses sei. Diese Vorsichtsmaßregel war im Auswärtigen Amte nicht bekannt; (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 514 Der 15. August, Napoleonstag, wurde u. A. dadurch gefeiert, daß man russische Gefangene durch die Straßen führte. Am 19. traf die Königin von England ein, der zu Ehren am 25. August ein großes Ballfest in Versailles stattfand, auf dem ich ihr und dem Prinzen Albert vorgestellt wurde. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 515 Der Prinz in seiner schwarzen Uniform, schön und kühl, sprach höflich mit mir, aber in seiner Haltung lag eine gewisse übelwollende Neugier, aus der ich abnahm, daß ihm meine (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 517 [1-150] antiwestmächtliche Einwirkung auf den König nicht unbekannt war. Nach der ihm eignen Sinnesweise suchte er die Beweggründe meines Verhaltens nicht da, wo sie lagen, nämlich in dem Interesse an der Unabhängigkeit meines Vaterlandes von fremden Einflüssen, Einflüssen, die in unsrer kleinstädtischen Verehrung für England und Furcht vor Frankreich einen empfänglichen Boden fanden, sowie in dem Wunsche, uns von einem Kriege freizuhalten, den wir nicht in unserm Interesse, sondern in Abhängigkeit von östreichischer und englischer Politik geführt haben würden. In den Augen des Prinzen war ich, was ich natürlich nicht dem momentanen Eindruck bei meiner Vorstellung, sondern anderweitiger Sach- und Aktenkunde entnahm, ein reactionärer Parteimann, der sich auf die Seite Rußlands stellte, um eine absolutistische und Junker-Politik zu fördern. Es konnte nicht befremden, daß diese Ansicht des Prinzen und der damaligen Parteigenossen des Herzogs von Coburg sich auf die Tochter des Erstern, welche demnächst unsre Kronprinzessin wurde, übertragen hatte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 518 Schon bald nach ihrer Ankunft in Deutschland, im Februar 1858, konnte ich durch Mitglieder des königlichen Hauses und aus eignen Wahrnehmungen die Ueberzeugung gewinnen, daß die Prinzessin gegen mich persönlich voreingenommen war. Ueberraschend war mir dabei nicht die Thatsache, wohl aber die Form, wie ihr damaliges Vorurtheil gegen mich im engen Familienkreise zum Ausdruck gekommen war: sie traue mir nicht. Auf Abneigung wegen meiner angeblich anti-englischen Gesinnung und wegen Ungehorsams gegen englische Einflüsse war ich gefaßt; daß die Frau Prinzessin sich aber in der Folgezeit bei der Beurtheilung meiner Persönlichkeit von weitergehenden Verleumdungen beeinflussen ließ, mußte ich vermuthen, als sie in einem Gespräche, das sie mit mir, ihrem Tischnachbar, nach dem 1866er Kriege führte, in halb scherzendem Tone sagte: ich hätte den Ehrgeiz, König zu werden oder wenigstens Präsident einer Republik. Ich antwortete in demselben halb scherzenden Tone, ich sei für meine Person zum Republikaner (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 519 [1-151] verdorben, in den royalistischen Traditionen der Familie aufgewachsen und bedürfe zu meinem irdischen Behagen einer monarchischen Einrichtung, dankte aber Gott, daß ich nicht dazu berufen sei, wie ein König auf dem Präsentirteller zu leben, sondern bis an mein Ende ein getreuer Unterthan des Königs zu sein. Daß diese meine Ueberzeugung aber allgemein erblich sein würde, ließe sich nicht verbürgen, nicht weil die Royalisten ausgehn würden, sondern vielleicht die Könige. Pour faire un civet, il faut un lièvre, et pour une monarchie, il faut un roi. Ich könnte nicht dafür gut sagen, daß in Ermanglung eines solchen die nächste Generation nicht republikanisch werden könne. Indem ich mich so äußerte, war ich nicht frei von Sorge in dem Gedanken an einen Thronwechsel ohne Uebergang der monarchischen Traditionen auf den Nachfolger. Die Prinzessin vermied indessen jede ernsthafte Wendung und blieb in dem scherzenden Tone, liebenswürdig und unterhaltend wie immer; sie machte mir mehr den Eindruck, daß sie einen politischen Gegner necken wollte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 520 In den ersten Jahren meines Ministeriums habe ich noch öfter bei ähnlichen Tischgesprächen beobachtet, daß es der Prinzessin Vergnügen machte, meine patriotische Empfindlichkeit durch scherzhafte Kritik von Personen und Zuständen zu reizen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 521 Die Königin Victoria sprach auf jenem Balle in Versailles mit mir deutsch. Ich hatte von ihr den Eindruck, daß sie in mir eine merkwürdige, aber unsympathische Persönlichkeit sah, doch war ihre Tonart ohne den Anflug von ironischer Ueberlegenheit, den ich bei dem Prinzen Albert durchzufühlen glaubte. Sie blieb freundlich und höflich wie Jemand, der einen wunderlichen Kauz nicht unfreundlich behandeln will. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 527 Daß mein Besuch in Paris am heimathlichen Hofe mißfallen und die gegen mich bereits vorhandene Verstimmung besonders bei der Königin Elisabeth gesteigert hatte, konnte ich Ende September desselben Jahres wahrnehmen. Während der König die Rheinreise zum Dombaufest nach Köln machte, meldete ich mich in Coblenz und wurde mit meiner Frau von dem Könige zur Mitfahrt nach Köln auf dem Dampfschiff eingeladen, meine Frau aber von der Königin an Bord und in Remagen ignorirt 1). Der Prinz von Preußen, der das bemerkt hatte, gab meiner Frau den Arm und führte sie zu Tisch. Nach Aufhebung der Tafel bat ich um die Erlaubniß, nach Frankfurt zurückzukehren, die ich erhielt. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 537 ... So einstimmig wir in Betreff der innern Politik sind, so wenig kann ich mich in Ihre Auffassung der äußern hineinleben, der ich im Allgemeinen den Vorwurf mache, daß sie die Realitäten ignorirt. Sie gehn davon aus, daß ich einem vereinzelten Manne, der mir imponire, das Prinzip opfre. Ich lehne mich gegen Vorder- und Nachsatz auf. Der Mann imponirt mir durchaus nicht. Die Fähigkeit, Menschen zu bewundern, ist in mir nur mäßig ausgebildet, und [es ist] vielmehr ein Fehler meines Auges, daß es schärfer für Schwächen als für Vorzüge ist. Wenn mein letzter Brief etwa ein lebhafteres Colorit hat, so bitte ich das mehr als rhetorisches Hülfsmittel zu betrachten, mit dem ich auf Sie habe wirken wollen. Was aber das von mir geopferte Prinzip betrifft, so kann ich mir das, was Sie damit meinen, concret nicht recht formuliren und bitte Sie, diesen Punkt in einer Antwort wieder aufzunehmen, da ich das Bedürfniß habe, mit Ihnen prinzipiell nicht auseinander zu gehn. Meinen Sie damit ein auf Frankreich und seine Legitimität anzuwendendes Prinzip, so gestehe ich allerdings, daß ich dieses meinem specifisch Preußischen Patriotismus vollständig unterordne; Frankreich (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 540 Oder finden Sie das Prinzip, welches ich geopfert habe, in der Formel, daß ein Preuße stets ein Gegner Frankreichs sein müsse? Aus dem Obigen geht schon hervor, daß ich den Maßstab für mein Verhalten gegen fremde Regirungen nicht aus (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 543 [1-159] unter den Großmächten ist. Bündnisse sind der Ausdruck gemeinsamer Interessen und Absichten. Ob wir Absichten und bewußte Ziele unsrer Politik überhaupt jetzt haben, weiß ich nicht; aber daß wir Interessen haben, daran werden uns Andre schon erinnern. Wir aber haben die Wahrscheinlichkeit eines Bündnisses bisher nur mit denen, deren Interessen sich mit den unsrigen am mannigfachsten kreuzen und ihnen widersprechen, nämlich mit den deutschen Staaten und Oestreich. Wollen wir damit unsre auswärtige Politik abgeschlossen betrachten, so müssen wir uns auch mit dem Gedanken vertraut machen, in Friedenszeiten unsern europäischen Einfluß auf ein Siebzehntel der Stimmen des engern Rathes im Bunde reducirt zu sehn und im Kriegsfalle mit der Bundesverfassung in der Hand allein im Taxis'schen Palais übrig zu bleiben. Ich frage Sie, ob es in Europa ein Cabinet gibt, welches mehr als das Wiener ein gebornes und natürliches Interesse daran hat, Preußen nicht stärker werden zu lassen, sondern seinen Einfluß in Deutschland zu mindern; ob es ein Cabinet gibt, welches diesen Zweck eifriger und geschickter verfolgt, welches überhaupt kühler und cynischer nur seine eignen Interessen zur Richtschnur seiner Politik nimmt, und welches uns, den Russen und den Westmächten mehr und schlagendere Beweise von Perfidie und Unzuverlässigkeit für Bundesgenossen gegeben hat? Genirt sich denn Oestreich etwa mit dem Auslande jede seinem Vortheil entsprechende Verbindung einzugehn und sogar die Theilnehmer des Deutschen Bundes vermöge solcher Verbindungen offen zu bedrohen? Halten Sie den Kaiser Franz Joseph für eine aufopfernde, hingebende Natur überhaupt und insbesondre für außeröstreichische Interessen? Finden Sie zwischen seiner Buol-Bach'schen Regirungsweise und der Napoleonischen vom Standpunkte des ,Prinzips' einen Unterschied? Der Träger der letztern sagte mir in Paris, es sei für ihn ,qui fais tous les efforts pour sortir de ce système de centralisation trop tendue qui en dernier lieu a pour pivot un gend'arme-sécrétaire et que je considère comme une des causes principales des malheurs de la France' sehr (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 569 Was nun unsre deutsche Politik anbetrifft, so glaube ich, daß es doch unser Beruf ist, den kleinen Staaten die preußische Ueberlegenheit zu zeigen und sich nicht Alles gefallen zu lassen, so in den Zollvereins-Verhältnissen und bei vielen andern Gelegenheiten, bis zu den Jagdeinladungen, bis zu den Prinzen, die in unsre Dienste treten u. s. w. Hier, d. h. in Deutschland, ist auch der Ort, wo man Oesterreich, wie es mir scheint, entgegentreten muß; gleichzeitig wäre aber auch jede Blöße gegen Oesterreich zu vermeiden. Dies wäre meine Erwiderung auf Ihren Brief. Wenn ich aber noch über unsre außerdeutsche Politik reden soll, so kann ich es nicht auffallend und auch nicht ängstlich finden, wenn wir da in einer Zeit isolirt stehen, wo alle Verhältnisse auf den Kopf gestellt sind, England und Frankreich für jetzt noch so eng verbunden sind, daß Frankreich nicht den Muth hat, an Sicherheiten gegen die schweizer Radikalen zu denken, weil England es übel nehmen könnte, unterdessen aber dasselbe England in Furcht mit seinen Landungsvorbereitungen setzt und entschiedene Schritte zu einer russischen Allianz macht; Oesterreich in einem Bunde mit England, was dennoch fortwährend Italien aufwiegelt u. s. w. Wohin sollen wir uns da wenden nach Ihrer Ansicht, etwa wie es der hier anwesende Plonplon angedeutet haben soll, zu einer Allianz mit Frankreich und Rußland gegen Oesterreich und England? Aus einer solchen Allianz folgt aber unmittelbar ein überwiegender Einfluß Frankreichs in Italien, die gänzliche Revolutionirung dieses Landes und ebenfalls ein überwiegender Einfluß von Bonaparte in Deutschland. An diesem Einfluß würde man uns in den untergeordneten Sphären einigen Antheil lassen, aber keinen großen und (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 593 Das Prinzip des Kampfes gegen die Revolution erkenne auch ich als das meinige an, aber ich halte es nicht für richtig, Louis Napoleon als den alleinigen oder auch nur kat‘ exochen als den Repräsentanten der Revolution hinzustellen, und halte es nicht für möglich, das Prinzip in der Politik als ein solches durchzuführen, daß die entferntesten Consequenzen desselben noch jede andre Rücksicht durchbrechen, daß es gewissermaßen den alleinigen Trumpf im Spiele bildet, von dem die niedrigste Karte noch die höchste jeder andern Farbe sticht. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 595 Wenn ich aber ein Prinzip als oberstes und allgemein durchgreifendes anerkenne, so kann ich das nur insoweit, als es sich unter allen Umständen und zu allen Zeiten bewahrheitet, und der Grundsatz quod ab initio vitiosum, lapsu temporis convalescere nequit bleibt der Doctrin gegenüber richtig. Aber selbst dann, wenn die revolutionären Erscheinungen der Vergangenheit noch nicht den Grad von Verjährung hatten, daß man von ihnen sagen konnte, wie die Hexe im Faust von ihrem Höllentrank: "Hier hab' ich eine Flasche, aus der ich selbst zuweilen nasche, die auch nicht mehr im mind'sten stinkt', hatte man nicht immer die Keuschheit, sich liebender Berührungen zu enthalten; Cromwell wurde von sehr antirevolutionären Potentaten ‚Herr Bruder' genannt und seine Freundschaft gesucht, wenn sie nützlich erschien; mit den Generalstaaten waren sehr ehrbare Fürsten im Bündniß, bevor sie von Spanien anerkannt wurden. Wilhelm von Oranien und seine Nachfolger in England galten, auch während die Stuarts noch (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 596 [1-177] prätendirten, unsern Vorfahren für durchaus koscher, und den Vereinigten Staaten von Nordamerika haben wir schon in dem Haager Vertrage von 1785 ihren revolutionären Ursprung verziehn. Der jetzige König von Portugal hat uns in Berlin besucht, und mit dem Hause Bernadotte hätten wir uns verschwägert, wenn nicht zufällige Hindernisse eintraten. Wann und nach welchen Kennzeichen haben alle diese Mächte aufgehört, revolutionär zu sein? Es scheint, daß man ihnen die illegitime Geburt verzeiht, sobald wir keine Gefahr von ihnen besorgen, und daß man sich alsdann auch nicht prinzipiell daran stößt, wenn sie fortfahren, ohne Buße, ja mit Rühmen sich zu ihrer Wurzel im Unrecht zu bekennen. Ich sehe nicht, daß vor der französischen Revolution ein Staatsmann, sei er auch der christlichste und gewissenhafteste, auf den Gedanken gekommen wäre, sein gesammtes politisches Streben, sein Verhalten zur äußern wie zur innern Politik dem Prinzipe des ,Kampfes gegen die Revolution' unterzuordnen und die Beziehungen seines Landes zu andern lediglich an diesem Probirstein zu prüfen; und doch waren die Grundsätze der amerikanischen Revolution und der englischen Revolution, abgesehn von dem Maße des Blutvergießens und dem nach dem Nationalcharakter sich verschieden gestaltenden Unfug mit der Religion, ziemlich dieselben, wie diejenigen, welche in Frankreich die Unterbrechung der Continuität des Rechtes herbeiführten. Ich kann nicht annehmen, daß es vor 1789 nicht einige ebenso christliche und conservative Politiker, ebenso richtige Erkenner des Bösen gegeben hätte, wie wir sind, und daß die Wahrheit eines von uns als Grundlage aller Politik hinzustellenden Prinzips ihnen entgangen sein sollte. Ich finde auch nicht, daß wir auf alle revolutionäre Erscheinungen nach 1789 das Prinzip ebenso rigoros anwenden wie auf Frankreich. Die analogen Rechtszustände in Oestreich, das Prosperiren der Revolution in Portugal, Spanien, Belgien und in dem durch und durch revolutionären heutigen Dänemark, das offne Bekennen und Propagiren der revolutionären Grundideen von Seiten der englischen Regirung und das (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 603 [1-181] einstimmig bitten, zu bleiben; und wenn er sie an den Herzog von Bordeaux cedirte, so würde dieser sie sich ebensowenig erhalten können, als er sie zu erwerben vermochte. Wenn Louis Napoleon sich den élu de sept millions nennt, so erwähnt er damit einer Thatsache, die er nicht wegleugnen kann; er vermag sich keinen andern Ursprung zu geben, als er hat; daß er aber, nachdem er im Besitz der Herrschaft ist, dem Prinzip der Volkssouveränetät practisch zu huldigen fortführe und von dem Willen der Massen das Gesetz empfinge, wie das jetzt mehr und mehr in England einreißt, kann man von ihm nicht sagen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 604 Es ist menschlich natürlich, daß die Unterdrückung und schändliche Behandlung unsres Landes durch den ersten Napoleon in Allen, die es erlebt haben, einen unauslöschlichen Eindruck hinterlassen hat, und daß in deren Augen das böse Prinzip, welches wir in Gestalt der Revolution bekämpfen, sich allein mit der Person und dem Geschlechte dessen identificirt, den man l'heureux soldat héritier de la révolution nannte; aber mir scheint, daß Sie dem jetzigen Napoleon zu viel aufbürden, wenn Sie grade in ihm und nur in ihm die zu bekämpfende Revolution personificiren und aus diesem Grunde die Proscription über ihn aussprechen, so daß es wider die Ehre sei, mit ihm umzugehn. Jedes Kennzeichen der Revolution, welches er an sich trägt, finden Sie auch an andern Stellen wieder, ohne daß Sie Ihren Haß mit derselben Strenge der Doctrin auch dahin richteten. Das bonapartistische Regiment im Innern mit seiner rohen Centralisation, seiner Vernichtung der Selbständigkeiten, seiner Nichtachtung von Recht und Freiheit, seiner offiziellen Lüge, seiner Corruption in Staat und Börse, seinen gefügigen und überzeugungslosen Schreibern blüht in dem von Ihnen mit unverdienter Vorliebe betrachteten Oestreich ebenso wie in Frankreich und wird an der Donau aus freier Machtvollkommenheit mit Bewußtsein in's Leben gerufen, während Louis Napoleon es in Frankreich als vorhandenes, ihm selbst unwillkommnes, aber nicht leicht zu änderndes Resultat der Geschichte vorfand. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 619 ... Zunächst will ich gern die practische Seite Ihrer Ansicht anerkennen. Nesselrode sagte hier mit Recht, ebenso wie Sie, daß, so lange Buol regiere (Sie nennen richtig Bach zugleich mit), es nicht möglich wäre, sich mit Oestreich zu stellen. Oestreich hätte mit lauter Freundschafts-Versicherungen Europa gegen sie (d. i. die Russen) gehetzt, ihnen das Stück Bessarabien entrissen und thäte ihnen noch jetzt das gebrannte Herzeleid an. Aehnlich benimmt es sich mit uns und hat sich während des orientalischen Krieges scheuslich perfide benommen. Wenn Sie also sagen, man kann nicht mit Oestreich gehen, so hat das eine relative Wahrheit, und würden wir in casu concreto schwerlich uns hierüber veruneinigen. Vergessen Sie aber nicht, daß die Sünde stets wieder die Sünde gebiert, und daß Oestreich uns auch ein Sündenregister schlimmer Art vorhalten kann, z. B. die Abwehr des Einmarsches 1849 in den Badischen Seekreis, was den eigentlichen Verlust von Neuenburg, das damals durch den Prinzen von Preußen zu erobern war, bewirkt hat, dann die Radowitzische Politik, dann die hochmüthige Behandlung des Interim, bei dem selbst Schwarzenberg guten Willen hatte, und endlich eine Menge unbedeutenderer Einzelnheiten: alles Repetitionen der Politik von 1793-1805. Die Anschauung aber, daß unser schlechtes Verhältniß zu Oestreich nur ein relatives sein darf, wird bei jeder Gelegenheit practisch, indem sie einmal die Rache von unsrer Seite, weil sie nur zu Unglück führen kann, verhindert und dann den Willen zur Versöhnung und Annäherung festhält und daher das, was eine solche Annäherung unmöglich macht, vermeidet. Beides fehlt bei uns, und warum? weil unsre Staatsmänner donnent dans le Bonapartisme. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 652 Während dieser Tage, also mit der Möglichkeit eines sofortigen Regirungsantritts vor Augen - am 19. October -, machte der Prinz von Preußen mit mir einen langen Spaziergang durch die neuen Anlagen und sprach mit mir darüber, ob er, wenn er zur Regirung komme, die Verfassung unverändert annehmen oder zuvor eine Revision derselben fordern solle. Ich sagte, die Ablehnung der Verfassung würde sich rechtfertigen lassen, wenn das Lehnrecht anwendbar wäre, nach welchem ein Erbe zwar an Verfügungen des Vaters, aber nicht des Bruders gebunden sei. Aus Gründen der Politik aber riethe ich, nicht an der Sache zu rühren, nicht die mit einer, wenn auch bedingten Ablehnung verbundene Unsicherheit unsrer staatlichen Zustände herbeizuführen. Man dürfe nicht die Befürchtung der Möglichkeit des Systemwechsels bei jedem Thronwechsel hervorrufen. Preußens Ansehn in Deutschland und seine europäische Actionsfähigkeit würden durch einen Zwist zwischen der Krone und dem Landtage gemindert werden, die Parteinahme gegen den beabsichtigten Schritt in dem liberalen Deutschland eine allgemeine sein. Bei meiner Schilderung der zu befürchtenden Folgen ging ich von demselben Gedanken aus, den ich ihm 1866, als es sich um die Indemnität handelte, zu entwickeln hatte: daß Verfassungsfragen den Bedürfnissen des Landes und seiner politischen Lage in Deutschland untergeordnet wären, ein zwingendes Bedürfniß an der unsrigen zu rühren, jetzt nicht vorliege; daß für jetzt die Machtfrage und innere Geschlossenheit die Hauptsache sei. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 653 Als ich nach Sanssouci zurückkam, fand ich Edwin Manteuffel besorglich erregt über meine lange Unterhaltung mit dem Prinzen (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 655 Durch Allerhöchsten Erlaß vom 23. October wurde der Prinz von Preußen zunächst auf drei Monate mit der Stellvertretung des Königs beauftragt, die dann noch dreimal auf je drei Monate verlängert wurde und ohne nochmalige Verlängerung im October 1858 abgelaufen wäre. Im Sommer 1858 war ein ernster Versuch im Werke, die Königin zu veranlassen, die Unterschrift des Königs zu einem Briefe an seinen Bruder zu beschaffen, in dem zu sagen sei, daß er sich wieder wohl genug fühle, um die Regirung zu übernehmen, und dem Prinzen für die geführte Stellvertretung danke. Die letztre war durch einen Brief des Königs eingeleitet worden, konnte also, so argumentirte man, durch einen solchen wieder aufgehoben werden. Die Regirung würde dann, unter Controlle der königlichen Unterschrift durch Ihre Majestät die Königin, von den dazu berufenen oder sich darbietenden Herren vom Hofe geführt werden. Zu diesem Plan wurde mündlich auch meine Mitwirkung in Anspruch genommen, die ich in der Form ablehnte, das würde eine Haremsregirung werden. Ich wurde von Frankfurt nach Baden-Baden gerufen und setzte dort 2)den Prinzen von dem Plane in Kenntniß, ohne die Urheber zu nennen. "Dann nehme ich meinen Abschied!" rief der Prinz. Ich stellle ihm vor, daß das Ausscheiden aus seinen militärischen Aemtern nichts helfen, sondern die Sache schlimmer machen würde. Der Plan sei nur ausführbar, wenn das Staatsministerium dazu stille hielte. Ich rieth daher, den Minister Manteuffel, der auf seinem Gute den Erfolg des ihm bekannten Plans abwartete, telegraphisch zu citiren und durch geeignete Weisungen den Faden der Intrigue1) Vgl. Bismarck's Brief an Gerlach vom 19. Dec. 1857, Ausg. von H. Kohl S. 337 ff. und Gerlachs Antwort, Bismarck-Jahrbuch II 250 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 657 [1-199] zu zerschneiden. Der Prinz ging darauf ein. Nach Frankfurt zurückgekehrt, erhielt ich folgenden Brief Manteuffels: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 665 [1-200] Spitze nothwendig sei; aus allen diesen Erwägungen gibt der König dem zunächst zur Krone Berufenen den Befehl, das zu thun, was für solchen Fall in der Landesverfassung vorgeschrieben ist. Die Bestimmungen der letzteren, welche gerade in diesem Punkte correct und monarchisch abgefaßt sind, werden demnächst zur Anwendung gebracht und das, wenn auch nach der Erklärung des Königs überflüssige, immerhin aber in der Verfassung mit gutem Grunde vorgeschriebene Landtagsvotum wird eingeholt, aber streng auf Beantwortung der Frage beschränkt: Ist die Einsetzung einer Regentschaft nothwendig? mit andern Worten: Ist der König mit genügendem Grund von den Geschäften entfernt? Wie man diese Frage verneinen will, ist mir nicht ersichtlich; immerhin wird es noch manche, namentlich formale Schwierigkeit zu überwinden geben. Namentlich fehlt es für die in der Verfassung vorgesehene gemeinschaftliche Sitzung an einer Geschäftsordnung. Diese wird man improvisiren müssen, indessen hoffe ich doch, daß man in etwa fünf Tagen mit der Beschlußfassung zu Stande sein wird, so daß dann der Prinz den Eid leisten und die Versammlung schließen können wird. Andre Vorlagen, namentlich solche, welche auf Geldbewilligungen sich beziehen, werden natürlich für diese Sitzung gar nicht beabsichtigt. Wenn Ihre Geschäfte es erlauben, so würde ich wünschen, daß Sie Sich zum Landtage hier einfinden und womöglich vor dessen Eröffnung hier sind. Ich höre von wunderbaren Anträgen der äußersten Rechten, die man vielleicht im allgemeinen Interesse, sowie in demjenigen dieser Herren verhindern könnte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 666 Westphalens Entlassung gerade im gegenwärtigen Momente ist nur sehr unerwünscht gewesen. Einmal schon hatte ich, als er selbige verlangte, sie gehindert. Jetzt wollte der Prinz sie ihm aus ganz freier Entschließung und ohne seinen Antrag ertheilen und schickte mir ein darauf bezügliches Privatschreiben an Westphalen mit dem Befehle, sofort die Ausfertigung vorzulegen. Ich that letzteres indeß nicht, und sandte auch das eigenhändige Schreiben (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 667 [1-201] nicht ab, sondern machte bei dem Prinzen Gegenvorstellungen bezüglich der Opportunität des Momentes, Gegenvorstellungen, welche nach nicht geringer Mühe auch durchschlugen. Ich ward ermächtigt, die Maßregel wenigstens aufzuhalten und den Brief bei mir liegen zu lassen. Da schrieb Westphalen am 8. d. Mts. an den Prinzen sowohl wie an mich ein ganz wunderbares Schreiben, worin er mit Zurücknahme früherer Erklärungen seine Contrasignatur der zu erlassenden und bereits festgestellten Ordres davon abhängig machte, daß auch noch die vom Prinzen zu erlassenden Ordres speciell dem Könige zur Genehmigung vorgelegt würden, ein Verlangen, welches in der That mit Rücksicht auf den in den letzten Tagen verschlimmerten geistigen Zustand des Königs an Widersinnigkeit grenzt. Da verlor der Prinz die Geduld und machte mir Vorwürfe, nicht sogleich sein Schreiben abgeschickt zu haben, und die Sache war nun nicht mehr zu halten. Flottwells Wahl ist ohne all' mein Zuthun aus dem Prinzen selbstständig hervorgegangen, sie hat, wie Manches gegen sich, so auch Manches für sich." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 669 Nachdem am 26. October der Prinz von Preußen die Regentschaft übernommen hatte, fragte Manteuffel mich, was er thun solle, um eine unfreiwillige Verabschiedung zu vermeiden, und gab mir auf mein Verlangen seine letzte Correspondenz mit dem Regenten zu lesen. Meine Antwort, es sei ganz klar, daß der Prinz ihm den Abschied geben wolle, hielt er für unaufrichtig, vielleicht für ehrgeizig. Am 6. November wurde er entlassen. Es folgte ihm der Fürst von Hohenzollern mit dem Ministerium der "Neuen Aera". (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 671 Im Januar 1859 machte mir auf einem Balle bei Moustier oder Karolyi der Graf Stillfried scherzhafte Anspielungen, aus denen ich schloß, daß meine schon mehrmals geplante Versetzung von Frankfurt nach Petersburg erfolgen werde, und fügte dazu die wohlwollende Bemerkung: Per aspera ad astra. Die Wissenschaft des Grafen beruhte ohne Zweifel auf seinen intimen Beziehungen zu allen Katholiken im Haushalte der Prinzessin, vom ersten Kammerherrn bis zum Kammerdiener. Meine Beziehungen zu den Jesuiten waren damals noch ungetrübt, und ich besaß noch Stillfrieds Wohlwollen. Ich verstand die durchsichtige Anspielung, begab mich am folgenden Tage (26. Januar) zu dem Regenten und sagte offen, ich hörte, daß ich nach Petersburg versetzt werden sollte, und bat um Erlaubniß, mein Bedauern darüber auszusprechen, in der Hoffnung, daß es noch rückgängig gemacht werden könnte. Die erste Gegenfrage war: "Wer hat Ihnen das gesagt?" Ich erwiderte, ich würde indiscret sein, wenn ich die Person nennen wollte, ich hätte es aus dem Jesuitenlager gehört, mit dem ich alte Fühlung hätte, und ich bedauerte es, weil ich glaubte, in Frankfurt, in diesem Fuchsbau des Bundestages, dessen Ein- und Ausgänge ich bis auf die Nothröhren kennen gelernt hätte, brauchbarere Dienste leisten zu können als irgend einer meiner Nachfolger, der die sehr complicirte Stellung, die auf den Beziehungen zu vielen Höfen und Ministern beruhe, erst wieder kennen lernen müsse, da ich meine achtjährige Erfahrung auf diesem Gebiete, die ich in bewegten Zuständen gemacht, nicht vererben könnte. Mir wäre jeder deutsche Fürst und jeder deutsche Minister und die Höfe der bundesfürstlichen Residenzen persönlich bekannt, und ich erfreute mich, so weit es für Preußen erreichbar sei, eines Einflusses in der Bundesversammlung und an den einzelnen Höfen. Dieses erworbene und erkämpfte Capital der preußischen Diplomatie würde zwecklos zerstört durch (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 711 Die Beschränktheit der Uebrigen gab mir der Prinz zu. Im Ganzen blieb er bei dem Bestreben, mir meine Mission nach Petersburg im Lichte einer Auszeichnung erscheinen zu lassen, und machte mir den Eindruck, als fühle er eine Erleichterung, daß auf diese Weise die auch für ihn unerfreuliche Frage meiner Versetzung durch meine Initiative der Besprechung erledigt war. Die Audienz endete in gnädiger Form auf Seiten des Regenten und auf meiner Seite mit dem Gefühl ungetrübter Anhänglichkeit an den Herrn und gesteigerter Geringschätzung gegen die Streber, deren von der Prinzessin unterstützten Einflüssen er damals unterlag. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 731 [1-216] Umgebung der Frau Prinzessin *) hinan reichte, welche bei ihren Darstellungen der Sachlage keinen Beruf fühlte, die Unterlagen objectiv zu prüfen, sondern geneigt war, die Anwaltschaft für meine Gegner zu übernehmen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 754 [1-226] damals in der ersten Blüthe jugendlicher Schönheit stehende Prinzessin Leuchtenberg, später Gemalin des Prinzen Wilhelm von Baden, an Stelle ihrer Großmutter mit der ihr eignen Grazie und Heiterkeit die Honneurs zu machen. Auch erinnere ich mich, daß bei einer andern Gelegenheit eine vierjährige Großfürstin sich um den Tisch von vier Personen bewegte und sich weigerte, einem hohen General die gleiche Höflichkeit wie mir zu erweisen. Es war mir sehr schmeichelhaft, daß dieses großfürstliche Kind auf die großmütterliche Vorhaltung antwortete: in Bezug auf mich: on milü (er ist lieb), in Bezug auf den General aber hatte sie die Naivität, zu sagen: on wonajet (er stinkt), worauf das großfürstliche enfant terrible entfernt wurde. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 756 Bekannt ist, daß dem Kaiser einmal das ungewöhnliche Quantum von Talg aufgefallen war, welches jedes Mal in den Rechnungen erschien, wenn der Prinz von Preußen zum Besuche dort war, und daß schließlich ermittelt wurde, daß er bei seinem ersten Besuche sich durchgeritten und am Abend das Verlangen nach etwas Talg gestellt hatte. Das verlangte Loth dieses Stoffes hatte sich bei spätern Besuchen in Pud verwandelt. Die Aufklärung erfolgte zwischen den hohen Herrschaften persönlich und hatte eine Heiterkeit zur Folge, welche den betheiligten Sündern zu Gute kam.Von einer andern russischen Eigenthümlichkeit gab es bei meiner ersten Anwesenheit in Petersburg 1859 eine Probe. In (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 792 [1-236] eine Stelle hoch darüber. Ich lehnte ab und wurde, nachdem in Berlin verschiedne Behandlungen erfolglos versucht waren, durch die Bäder von Nauheim unter Leitung des Professors Benecke aus Marburg so weit wiederhergestellt, daß ich gehn, auch reiten und im October den Prinzregenten nach Warschau zur Zusammenkunft mit dem Zaren begleiten konnte. Während ich auf der Rückreise nach Petersburg Herrn von Below in Hohendorf im November einen Besuch machte, riß sich nach ärztlicher Meinung der Trombus los, der sich in der zerstörten Vene gebildet und festgesetzt hatte, gerieth in den Blutumlauf und verursachte eine Lungenentzündung, die von den Aerzten für tödtlich gehalten, aber in einem Monate langen Siechthum überwunden wurde. Merkwürdig sind mir heut die Eindrücke, die damals ein sterbender Preuße über Vormundschaft hatte. Mein erstes Bedürfniß nach meiner ärztlichen Verurtheilung war die Niederschrift einer letztwilligen Verfügung, durch welche jede gerichtliche Einmischung in die eingesetzte Vormundschaft ausgeschlossen wurde. Hierüber beruhigt sah ich meinem Ende mit der Bereitwilligkeit entgegen, die unerträgliche Schmerzen gewähren. Zu Anfang des März 1860 war ich so weit, nach Berlin reisen zu können, wo ich, meine Genesung abwartend, an den Sitzungen des Herrenhauses Theil nahm und bis in den Mai verweilte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 801 Die Schnelligkeit, mit welcher er sich entschied, nachdem das letzte Wort des Ministers gefallen war, ließ mich annehmen, daß die ganze mise en scène vorher verabredet war und nach dem Willen der Prinzessin sich entwickelt hatte, um den Ansichten des Fürsten von Hohenzollern und Auerswalds eine äußerliche Berücksichtigung zu gewähren, während sie schon damals sich mit diesen Beiden und deren Neigung, das Cabinet durch meine Zuziehung zu stärken, nicht im Einklang befand. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 802 In der Politik der Prinzessin, welche für ihren Gemal und für den Minister von erheblichem Gewicht war, gaben, wie ich annahm, eher gewisse Abneigungen den Ausschlag als positive Ziele. Die Abneigungen richteten sich gegen Rußland, gegen Louis Napoleon, mit dem Beziehungen zu unterhalten ich im Verdacht stand, gegen mich, wegen Neigung zu unabhängiger Meinung und wegen wiederholter Weigerung, Ansichten der hohen Frau bei ihrem Gemal als meine eignen zu vertreten. Ihre Geneigtheiten wirkten in demselben Sinne. Herr von Schleinitz war politisch ihr Geschöpf, ein von ihr abhängiger Höfling ohne eigne politische Ueberzeugung. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 804 Der Fürst von Hohenzollern, der sich überzeugte, daß die Prinzessin und Schleinitz durch sie stärker waren als er, zog sich bald nachher von den Geschäften thatsächlich zurück, wenn er auch dem Namen nach bis zum September 1862 Ministerpräsident blieb. Die Leitung ging damit auch äußerlich auf Auerswald über, mit dem ich während der Zeit, die ich noch in Berlin zubrachte, in freundlichem Verkehr blieb. Er war von besonders liebenswürdigen Formen und hervorragender politischer Begabung; und nachdem ich zwei Jahr später Ministerpräsident geworden war, leistete er mir einen wohlwollenden Beistand, namentlich dadurch, daß er bei dem Kronprinzen die Bedenken und Besorgnisse über die Zukunft unsres Landes bekämpfte, die ihm von England aus gegen mich als Russenfreund beigebracht worden waren und die später zu dem Danziger Pronunciamiento führten. Auf seinem Sterbebette 1)ließ er den Kronprinzen zu sich bitten, warnte eindringlich vor den Gefahren, welche seine Opposition der Monarchie bereiten könnte, und bat den Prinzen, an mir festzuhalten 2). (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 840 Schon in der Berufung des Prinzen Adolf von HohenloheIngelfingen zum Vertreter des Ministerpräsidenten Fürsten Hohenzollern, März 1862, lag eine Art von ministerieller Wechselreiterei, die auf kurze Verfallzeit berechnet war. Der Prinz war ein kluger Herr, liebenswürdig, dem Könige unbedingt ergeben und hatte sich an unsrer innern Politik, wenn auch mehr dilettantisch, doch lebhafter betheiligt, als die meisten seiner Genossen vom standesherrlichen Adel; aber er war der Stelle eines Ministerpräsidenten in bewegten Zeiten körperlich und vielleicht auch geistig nicht mehr gewachsen und suchte diesen Eindruck, als ich ihn im Mai 1862 sah, mir gegenüber absichtlich zu verstärken, während er mich beschwor, ihn durch schleunige Uebernahme des Ministeriums von seinem Martyrium zu erlösen, unter dem er zusammenbreche. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 913 Der König forderte mich auf, ihn in den Park zu begleiten. Auf diesem Spaziergange gab er mir ein Programm zu lesen, das in seiner engen Schrift acht Folioseiten füllte, alle Eventualitäten der damaligen Regirungspolitik umfaßte und auf Details wie die Reform der Kreistage einging. Ich lasse es dahin gestellt sein, ob dieses Elaborat schon Erörterungen mit meinen Vorgängern zur Unterlage gedient hatte, oder ob es zur Sicherstellung gegen eine mir zugetraute conservative Durchgängerei dienen sollte. Ohne Zweifel war, als er damit umging mich zu berufen, eine Befürchtung der Art in ihm von seiner Gemalin geweckt worden, von deren politischer Begabung er ursprünglich eine hohe Meinung hatte, die aus der Zeit datirte, wo Sr. Majestät nur eine kronprinzliche Kritik der Regirung des Bruders, ohne Pflicht zu eigner besserer Leistung, zugestanden hatte. In der Kritik war die Prinzessin ihrem Gemal überlegen. Die ersten Zweifel an dieser geistigen Ueberlegenheit waren ihm gekommen, als er genöthigt war, nicht mehr nur zu kritisiren, sondern selbst zu handeln und die amtliche Verantwortung für das Bessermachen zu tragen. Sobald die Aufgaben beider Herrschaften praktisch wurden, hatte der gesunde Verstand des Königs begonnen, sich allmälig von der schlagfertigen weiblichen Beredsamkeit mehr zu emancipiren. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 948 [1-282] Mein Gedanke war, immerhin zu rüsten, aber zugleich Oestreich ein Ultimatum zu stellen, entweder unsre Bedingungen in der deutschen Frage anzunehmen oder unsern Angriff zu gewärtigen. Aber die Fiction einer fortdauernden und aufopfernden Hingebung für "Deutschland" nur in Worten, nie in Thaten, der Einfluß der Prinzessin und ihres den östreichischen Interessen ergebenen Ministers von Schleinitz, dazu die damals gang und gäbe Phraseologie der Parlamente, der Vereine und der Presse, erschwerten es dem Regenten, die Lage nach seinem eignen klaren und hausbacknen Verstande zu prüfen, während sich in seiner politischen und persönlichen Umgebung Niemand befand, der ihm die Nichtigkeit des ganzen Phrasenschwindels klar gemacht und ihm gegenüber die Sache des gesunden deutschen Interesses vertreten hätte. Der Regent und sein damaliger Minister glaubten an die Berechtigung der Redensart: Il y a quequ'un, qui a plus d'esprit que Monsieur de Talleyrand, c'est tout le monde. Tout le monde braucht aber in der That zu viel Zeit, um das Richtige zu erkennen, und in der Regel ist der Moment, in dem diese Erkenntniß benutzt werden konnte, schon vorüber, wenn tout le monde dahinter kommt, was eigentlich hätte gethan werden sollen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1039 Danziger Episode.Kaiser Friedrich, der Sohn des Monarchen, den ich in specie als meinen Herrn bezeichne, hat es mir durch seine Liebenswürdigkeit und sein Vertrauen leicht gemacht, die Gefühle, die ich für seinen Herrn Vater hegte, auf ihn zu übertragen. Er war der verfassungsmäßigen Auffassung, daß ich als Minister die Verantwortlichkeit für seine Entschließungen trug, in der Regel zugänglicher, als sein Vater es gewesen. Auch war es ihm weniger durch Familientraditionen erschwert, politischen Bedürfnissen im Innern und im Auslande gerecht zu werden. Alle Behauptungen, daß zwischen dem Kaiser Friedrich und mir dauernde Verstimmungen existirt hätten, sind ungegründet. Eine vorübergehende entstand durch den Vorgang in Danzig, in dessen Besprechung ich mir, seitdem die hinterlassenen Papiere Max Dunckers *)veröffentlicht worden sind, weniger Zurückhaltung auflege, als sonst geschehn wäre. Am 31. Mai 1863 reiste der Kronprinz zu einer militärischen Inspection nach der Provinz Preußen ab, nachdem er den König schriftlich gebeten hatte, jede Octroyirung zu vermeiden. Auf dem Zuge, mit dem er fuhr, befand sich der Ober-Bürgermeister von Danzig, Herr von Winter, den der Prinz unterwegs in sein Coupé einlud und einige Tage später auf seinem Gute bei (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1048 Zur Ueberraschung des Königs war am 16. oder 17. Juni in der "Times" zu lesen: "Der Prinz erlaubte sich bei Gelegenheit einer militärischen Dienstreise mit der Politik des Souverains in Widerspruch zu treten und seine Maßregeln in Frage zu stellen. Das Mindeste, was er thun konnte, um diese schwere Beleidigung wieder gut zu machen, war die Zurücknahme seiner Aeußerungen. Dies forderte der König von ihm in einem Briefe, hinzufügend, daß er seiner Würden und Anstellungen beraubt werden würde, wenn er sich weigerte. Der Prinz, in Uebereinstimmung, wie man sagt, mit Ihrer K. H. der Prinzessin, schrieb eine feste Antwort auf dieses Verlangen. Er weigerte sich, irgend etwas zurückzunehmen, bot die Niederlegung seines Commandos und seiner Würden an, und bat um Erlaubniß, sich mit seiner Frau und Familie an einen Ort zurückzuziehn, wo er frei von (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1049 [1-320] dem Verdacht sein könne, sich auf irgend eine Weise in Staatsangelegenheiten zu mischen. Dieser Brief, sagt man, sei ausgezeichnet, und der Prinz sei glücklich zu preisen im Besitz einer Gattin, welche nicht nur seine liberalen Ansichten theilt, sondern auch im Stande ist, ihm in einem wichtigen und kritischen Augenblicke seines Lebens so viel Beistand zu leisten. Man könne sich nicht leicht eine schwierigere Stellung denken, als die des Prinzlichen Paares ohne jeden Rathgeber, mit einem eigenwilligen Souverain und einem verderblichen Cabinet auf einer Seite und einem aufgeregten Volke auf der andern." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1050 Die Nachforschungen nach dem Vermittler dieses Artikels haben zu keinem sichern Ergebnisse geführt. Eine Reihe von Umständen ließ den Verdacht auf den Legationsrath Meyer fallen. Die ausführlicheren Mittheilungen an die "Grenzboten" und die "Süddeutsche Post" des Abgeordneten Brater scheinen durch einen kleinen deutschen Diplomaten *)gegangen zu sein, der das Vertrauen der Kronprinzlichen Herrschaften besaß, behielt und ein Vierteljahrhundert später durch indiscrete Veröffentlichung ihm anvertrauter Manuscripte des Prinzen mißbraucht hat. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1061 [1-323] "Ungewiß, zu welcher Stunde Sie von Ihrer aus so trüber Veranlassung *) unternommenen Reise zurückkehren und ob bald nachher ich Sie sprechen kann, theile ich schriftlich mit, daß, nach durch den Flügeladjutanten mir gewordener Weisung Sr. M., ich dem Adjutanten Sr. K. H. des Kronprinzen in Ihrem Auftrage Ihre schleunige Abreise und deren Grund mit dem Ersuchen mitgetheilt, Sr. K. H. für den Fall davon Kenntniß zu geben, daß Ihre Bitte um Audienz bereits Sr. K. H. vorgetragen oder schon über die Audienz Bestimmung getroffen sei. S. M. haben, wie Prinz Hohenlohe mir sagte, nicht angemessen erachtet, Seinerseits mit dem Kronprinzen über Ihre Abreise und die fragliche Audienz zu reden." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1062 Der König hatte sich dafür entschieden, daß der Kronprinz, wie seit 1861 geschehn, auch ferner den Sitzungen des Staatsministeriums beiwohnen solle, und mich beauftragt, ihn darüber zu verständigen. Ich nehme an, daß es zu der zu diesem Zweck erbetenen Audienz nicht gekommen ist; denn ich erinnere mich, daß ich das mißverständliche Erscheinen des Kronprinzen zu einer Ministersitzung, die an dem betreffenden Tage nicht stattfand, dazu benutzte, die Erörterung einzuleiten. Ich fragte ihn, weshalb er sich so fern von der Regirung halte; in einigen Jahren werde sie doch die seinige sein; wenn er etwa andre Prinzipien habe, so sollte er lieber den Uebergang zu vermitteln suchen als opponiren. Er lehnte das scharf ab, wie es schien in der Vermuthung, daß ich meinen Uebergang in seine Dienste anbahnen wolle. Ich habe den feindlichen Ausdruck olympischer Hoheit, mit dem das geschah, Jahre hindurch nicht vergessen können und sehe noch heut den zurückgeworfenen Kopf, das geröthete Gesicht und den Blick über die linke Schulter vor mir. Ich unterdrückte meine eigne Aufwallung, dachte an Carlos und Alba (Act 2, Auftritt 5) und antwortete, ich (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1079 Seite 5. Zur Unternehmung eines "Kampfes" gegen den Willen des Königs fehlt dem Kronprinzen jeder Beruf und jede Berechtigung, grade weil S. K. H. keinen amtlichen "status" besitzt. Jeder Prinz des Königlichen Hauses könnte mit demselben Rechte wie der Kronprinz für sich die "Pflicht" in Anspruch nehmen, bei abweichender Ansicht öffentlich Opposition gegen den König zu machen, um dadurch "seine und seiner Kinder" eventuelle Erbrechte gegen die Wirkung angeblicher Fehler der Regirung des Königs zu wahren, das heißt, um sich die Succession im Sinne Louis Philipps zu sichern, wenn der König durch eine Revolution gestürzt würde. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1167 Auf dem Wege von Gastein nach Baden-Baden berührten wir München, das der König Max bereits verlassen hatte, um sich nach Frankfurt zu begeben, es seiner Gemalin überlassend, die Gäste zu empfangen. Ich glaube nicht, daß die Königin Marie nach ihrer wenig aus sich heraustretenden und der Politik abgewandten Stimmung auf den König Wilhelm und die Entschließung, mit welcher er sich damals trug, lebhaft eingewirkt hat. Bei den regelmäßigen Mahlzeiten, die wir während des Aufenthalts in Nymphenburg, 16. und 17. August 1863, einnahmen, war der Kronprinz, später König Ludwig II., der seiner Mutter gegenüber saß, mein Nachbar. Ich hatte den Eindruck, daß er mit seinen Gedanken nicht bei der Tafel war und sich nur ab und zu seiner Absicht erinnerte, mit mir eine Unterhaltung zu führen, die aus dem Gebiete der üblichen Hofgespräche nicht herausging. Gleichwohl glaubte ich in dem, was er sagte, eine begabte Lebhaftigkeit und einen von seiner Zukunft erfüllten Sinn zu erkennen. In den Pausen des Gesprächs blickte er über seine Frau Mutter hinweg an die Decke und leerte ab und zu hastig sein Champagnerglas, dessen Füllung, wie ich annahm, auf mütterlichen Befehl verlangsamt wurde, so daß der Prinz mehrmals sein leeres Glas rückwärts über seine Schulter hielt, wo es zögernd wieder gefüllt wurde. Er hat weder damals noch später die Mäßigkeit im Trinken überschritten, ich hatte jedoch das Gefühl, daß die Umgebung ihn (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1168 [1-352] langweilte und er den von ihr unabhängigen Richtungen seiner Phantasie durch den Champagner zu Hülfe kam. Der Eindruck, den er mir machte, war ein sympathischer, obschon ich mir mit einiger Verdrießlichkeit sagen mußte, daß mein Bestreben, ihn als Tischnachbar angenehm zu unterhalten, unfruchtbar blieb. Es war dies das einzige Mal, daß ich den König Ludwig von Angesicht gesehn habe, ich bin aber mit ihm, seit er bald nachher (10. März 1864) den Thron bestiegen hatte, bis an sein Lebensende in günstigen Beziehungen und in verhältnißmäßig regem brieflichem Verkehre geblieben und habe dabei jederzeit von ihm den Eindruck eines geschäftlich klaren Regenten von national deutscher Gesinnung gehabt, wenn auch mit vorwiegender Sorge für die Erhaltung des föderativen Prinzips der Reichsverfassung und der verfassungsmäßigen Privilegien seines Landes. Als außerhalb des Gebietes politischer Möglichkeit liegend ist mir sein in den Versailler Verhandlungen auftauchender Gedanke erinnerlich, daß das deutsche Kaiserthum resp. Bundes-Präsidium zwischen dem preußischen und dem bairischen Hause erblich alterniren solle. Die Zweifel darüber, wie dieser unpraktische Gedanke praktisch zu machen, wurden überholt durch die Verhandlungen mit den bairischen Vertretern in Versailles und deren Ergebnisse, wonach dem Präsidium des Bundes, also dem Könige von Preußen, die Rechte, die er heut dem bairischen Bundesgenossen gegenüber ausübt, schon in der Hauptsache bewilligt waren, ehe es sich um den Kaisertitel handelte. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 1269 In politischer Beziehung hat das Ergebniß des Vorgehns der verbündeten Regirungen meinen Erwartungen insofern entsprochen, als die fehlerhafte Gruppirung und Zusammensetzung unsrer politischen Parteien und Fractionen durch die betreffenden Verhandlungen einen nachhaltigen Stoß erlitten zu haben scheint. Das Centrum hat zum ersten Male begonnen, sich in positivem Sinne an der Gesetzgebung des Reiches zu betheiligen. Ob dieser Gewinn ein dauernder sein wird, kann nur die Erfahrung lehren. Die Möglichkeit bleibt nicht ausgeschlossen, daß diese Partei, wenn eine Verständigung mit dem römischen Stuhle nicht gelingt, zu ihrer frühern, rein negativen und oppositionellen Haltung zurückkehrt. Die Aussichten auf eine Verständigung mit Rom sind dem äußern Anschein nach seit dem vorigen Jahre nicht wesentlich gebessert. Vielleicht darf ich aber Hoffnungen an die Thatsache knüpfen, daß der päpstliche Nuntius Jacobini dem Botschafter Prinzen Reuß amtlich den Wunsch ausgesprochen hat, in Verhandlungen einzutreten, zu welchen er von Rom Vollmacht habe. Die Tragweite der letztern kenne ich noch nicht, habe mich aber auf den Wunsch des Nuntius bereit erklärt, mich im Laufe dieses Monats in Gastein mit ihm zu begegnen und zu besprechen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Abs. 30 [2-14] die ihm beide Staaten entfremden mußten. Als ihm 1863 mit dem Tode des Königs von Dänemark eine Aufgabe in den Schooß fiel, so glücklich, wie sie nur je einem Staatsmanne zu Theil geworden, verschmähte er es, Preußen an die Spitze der einmüthigen Erhebung Deutschlands (in Resolutionen) *) zu stellen, dessen Einigung unter Preußens Führung sein Ziel war, verband sich vielmehr mit Oesterreich, dem principiellen Gegner dieses Planes, um später sich mit ihm unversöhnlich zu verfeinden. Den Prinzen von Augustenburg, dem Ew. M. wohlwollten, und von dem damals Alles zu erhalten war, mißhandelte er **), um ihn bald darauf durch den Grafen Bernstorff auf der Londoner Conferenz für den Berechtigten erklären zu lassen. Dann verpflichtet er Preußen im Wiener Frieden, nur im Einverständniß mit Oesterreich definitiv über die befreiten Herzogthümer zu disponiren 1), und läßt in denselben Einrichtungen treffen, welche die beabsichtigte ‚Annexion‘ deutlich verkündigen. ... (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 33 *) Vergl. den Brief des Prinzen vom 11. December 1863, S. 26. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 54 Es liegt im Rückblick auf diese Situation ein bedauerlicher Beweis, bis zu welchem Maße von Unehrlichkeit und Vaterlandslosigkeit die politischen Parteien bei uns auf dem Wege des Parteihasses gelangen. Es mag Aehnliches anderswo vorgekommen sein, doch weiß ich kein Land, wo das allgemeine Nationalgefühl und die Liebe zum Gesammtvaterlande den Ausschreitungen der Parteileidenschaft so geringe Hindernisse bereitet wie bei uns. Die für apokryph gehaltene Aeußerung, welche Plutarch dem Cäsar in den Mund legt, lieber in einem elenden Gebirgsdorfe der Erste, als in Rom der Zweite sein zu wollen, hat mir immer den Eindruck eines ächt deutschen Gedankens gemacht. Nur zu viele unter uns deuten im öffentlichen Leben so und suchen das Dörfchen, und wenn sie es geographisch nicht finden können, die Fraction, resp. Unterfraction und Coterie, wo sie die Ersten sein können. Diese Sinnesrichtung, die man nach Belieben Egoismus oder Unabhängigkeit nennen kann, hat in der ganzen deutschen Geschichte von den rebellischen Herzogen der ersten Kaiserzeiten bis auf die unzähligen reichsunmittelbaren Landesherrn, Reichs-Städte, Reichs-Dörfer, -Abteien und -Ritter und die damit verbundene Schwäche und Wehrlosigkeit des Reiches ihre Bethätigung gefunden. Einstweilen findet sie im Parteiwesen, welches die Nation zerklüftet, stärkern Ausdruck als in der rechtlichen oder dynastischen Zerrissenheit. Die Parteien scheiden sich weniger durch Programme und Prinzipien als durch die Personen, welche als Condottieri an der Spitze einer jeden stehn und für sich eine möglichst große Gefolgschaft von Abgeordneten und publicistischen Strebern anzuwerben suchen, die hoffen, mit dem Führer oder den Führern zur Macht zu gelangen. Prinzipielle programmatische Unterschiede, durch welche die Fractionen zu Kampf und Feindschaft gegen einander genöthigt würden, liegen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 55 [2-22] nicht in einer Stärke vor, die hinreichte, um die leidenschaftlichen Kämpfe zu motiviren, welche die Fractionen gegen einander glauben ausfechten zu müssen und Conservative und Freiconservative in getrennte Lager verweisen. Auch innerhalb der conservativen Partei haben wohl viele das Gefühl, daß sie mit der Kreuzzeitung und ihrem Zubehör nicht im Einverständnisse sind. Aber die prinzipielle Scheidelinie in einem Programme zu präcisiren und überzeugend auszudrücken, würden auch die Führer und Unterführer für eine schwere Aufgabe halten, grade so wie confessionelle Fanatiker, und nicht blos Laien, in der Regel der Nothwendigkeit ausweichen, oder die Auskunft schuldig bleiben, wenn man sie nach den unterscheidenden Merkmalen der verschiedenen Bekenntnisse und Glaubensrichtungen und nach dem Schaden fragt, welchen sie für ihr Seelenheil befürchten, wenn sie eine der Abweichungen des Andersgläubigen nicht angriffsweise bekämpfen. So weit die Parteien sich nicht lediglich nach wirthschaftlichen Interessen gruppiren, kämpfen sie im Interesse der rivalisirenden Führer der Fractionen und nach deren persönlichem Willen und Streberthum; nicht Verschiedenheit von Prinzipien, sondern „Kephisch oder Paulinisch?“ ist die Frage. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 64 Die unvortheilhafte Gestaltung, die Preußen auf dem Wiener Congreß als Lohn seiner Anstrengungen und Leistungen davon getragen hatte, war nur haltbar, wenn wir mit den zwischen beide Theile der Monarchie eingeschobenen Staaten des alten Bündnisses aus dem siebenjährigen Kriege sicher waren. Ich bin lebhaft bemüht gewesen, Hanover und den mir befreundeten Grafen Platen dafür zu gewinnen, und es war alle Aussicht vorhanden, daß wenigstens ein Neutralitätsvertrag zu Stande kommen werde, als am 21. Januar 1866 Graf Platen in Berlin mit mir über die Verheirathung der hanöverschen Prinzessin Friederike mit unserm jungen Prinzen Albrecht verhandelte, und wir das Einverständniß beider Höfe so weit zu Stande brachten, daß nur noch eine persönliche Begegnung der jungen Herrschaften vorbehalten wurde, um deren gegenseitigen Eindruck festzustellen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 65 [2-24] Aber schon im März oder April fing man in Hanover unter fadenscheinigen Vorwänden an, Reserven einzuberufen. Es hatten Einflüsse auf den König Georg stattgefunden, namentlich durch seinen Halbbruder, den östreichischen General Prinzen Solms, der nach Hanover gekommen war und den König umgestimmt hatte durch übertriebene Schilderung der östreichischen Heereskräfte, von denen 800 000 Mann bereit seien, und wie ich aus intimen hanöverschen Quellen vernommen habe, auch durch ein Erbieten von territorialer Vergrößerung, mindestens durch den Regirungs- Bezirk Minden. Meine amtlichen Anfragen bezüglich der Rüstungen Hanovers wurden mit der fast höhnisch klingenden Auskunft beantwortet, daß die Herbstübungen aus wirthschaftlichen Gründen schon im Frühjahr abgehalten werden sollten 1). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 66 Mit dem Thronfolger in Kur-Hessen, Prinzen Friedrich Wilhelm, hatte ich in Berlin noch am 14. Juni eine Besprechung 2), in der ich ihm empfahl, mit einem Extrazuge nach Kassel zu fahren und die Neutralität Kurhessens oder doch der dortigen Truppen sicher zu stellen, sei es durch Beeinflussung des Kurfürsten, sei es unabhängig von diesem. Der Prinz weigerte sich früher als mit dem fahrplanmäßigen Zuge zu reisen. Ich stellte ihm vor, er würde dann zu spät kommen, um den Krieg zwischen Preußen und Hessen zu hindern und den Fortbestand des Kurstaats zu sichern. Wenn die Oestreicher siegten, so würde er immer vis major geltend machen können, seine neutrale Haltung ihm sogar vielleicht preußische Landestheile einbringen; wenn wir aber siegten, nachdem er sich geweigert, neutral zu bleiben, so würde der Kurstaat nicht fortbestehn; der hessische Thron sei immer einen Extrazug werth. Der Prinz machte der Unterredung ein Ende mit den Worten: „Wir sehn uns wohl noch einmal in diesem Leben wieder, und 800 000 gute östreichische Truppen haben auch noch ein Wort (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 70 Auch der Erbprinz von Augustenburg hatte durch Ablehnung der sogenannten Februarbedingungen den günstigen Moment versäumt. Von welfischer Seite 1) ist neuerdings folgende Version verbreitet worden: Der Verfasser behauptet, von dem Prinzen erfahren zu haben, daß derselbe sich in einer Audienz bei dem Könige Wilhelm zu den geforderten Zugeständnissen verpflichtet, der König ihm die Einsetzung als Herzog zugesichert und die formelle Erledigung durch den Ministerpräsidenten auf den nächsten Tag zugesagt habe. Ich hätte mich am folgenden Tage bei dem Prinzen eingestellt, ihm aber gesagt, mein Wagen hielte vor der Thüre, ich müsse in diesem Augenblicke nach Biarritz zum Kaiser Napoleon reisen, der Prinz sei aufgefordert worden, einen Bevollmächtigten in Berlin zurückzulassen, und nicht wenig erstaunt gewesen, am nächsten Tage in den Berliner Zeitungen zu lesen, daß er die preußischen Vorschläge abgelehnt habe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 80 „Mein Sohn kam heute Abend noch zu mir, um mir die Bitte des Erbprinzen von Augustenburg vorzutragen, aus den Händen des Herrn Samwer ein Schreiben desselben entgegenzunehmen, und ob ich nicht dieserhalb seine Soirée besuchen wolle, wo ich ganz unbemerkt den pp. S. in einem abgelegenen Zimmer finden könne. Ich lehnte dies ab, bis ich den Brief des Prinzen gelesen haben würde, weshalb ich meinem Sohn aufgab, mir denselben zuzusenden. Dies ist geschehen und lege ich den Brief hier bei 2). Er enthält nichts Verfängliches außer am Schluß, wo er mich fragt, ob ich dem pp. S. nicht einige Hoffnung geben könne? Vielleicht könnten Sie mir eine Antwort morgen noch fertigen lassen, die ich dem pp. S. mitgeben kann 3). Wenn ich ihn incognito bei meinem Sohne doch noch sehen wollte, so könnte ich ihm keine andere Hoffnung geben, als die, welche in der Punctation 4) angedeutet sind, d. h., daß man nach dem Siege sehen würde, welche neue Basen für die Zukunft aufzustellen wären, und den Ausspruch in F. a/M. über die Succession abzuwarten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 90 [2-28] ich bestimmt, daß der Prinz keinen Falls nach Schleswig einfallen dürfe. W.“ (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 92 Nachdem die preußischen Bevollmächtigten am 28. Mai 1864 auf der Londoner Conferenz die Erklärung abgegeben hatten, daß die deutschen Mächte die Constituirung Schleswig-Holsteins als eines selbständigen Staates unter der Souveränetät des Erbprinzen von Augustenburg begehrten, hatte ich mit dem Letztern am 1. Juni 1864, Abends von 9 bis 12 Uhr, in meiner Wohnung eine Besprechung, um festzustellen, ob ich dem Könige zur Vertretung seiner Candidatur rathen könne. Die Unterredung drehte sich hauptsächlich um die von dem Kronprinzen in der Denkschrift vom 26. Februar bezeichneten Punkte. Die Erwartung Seiner Königlichen Hoheit, daß der Erbprinz bereitwillig darauf eingehn würde, fand ich nicht bestätigt. Die Substanz der Erklärungen des Letztern ist von Sybel nach den Acten gegeben 2). Am lebhaftesten widersprach er den Landabtretungen behufs der Anlage von Befestigungen; sie könnten sich ja auf eine Quadratmeile belaufen, meinte er. Ich mußte unsre Forderung als abgelehnt, eine weitre Verhandlung als aussichtslos betrachten, auf die der Prinz hinzudeuten schien, indem er beim Abschiede sagte: „Wir sehn uns wohl noch“ — (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 95 [2-29] nicht in dem drohenden Sinne, in welchem Prinz Friedrich von Hessen zwei Jahre später mir dieselben Worte sagte, sondern als Ausdruck seiner Unentschiedenheit. Wiedergesehn habe ich den Erbprinzen erst am Tage nach der Schlacht von Sedan in bairischer Generalsuniform. Nachdem am 30. October 1864 der Friede mit Dänemark geschlossen war, wurden die Bedingungen formulirt, unter denen wir die Bildung eines neuen Staates Schleswig-Holstein nicht als eine Gefahr für die Interessen Preußens und Deutschlands ansehn würden. Unter dem 22. Februar. 1865 wurden sie nach Wien mitgetheilt. Sie deckten sich mit den vom Kronprinzen empfohlnen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 131 Ich erinnere mich, auf einem der ersten Hoffeste, denen ich in den 30er Jahren beiwohnte, einem Costümballe bei dem damaligen Prinzen Wilhelm, diesen in der Tracht des Kurfürsten Friedrich I. gesehn zu haben. Die Wahl des Costüms außerhalb der Richtung der übrigen, war der Ausdruck des Familiengefühls, der Abstammung, und selten wird dieses Costüm natürlicher und kleidsamer getragen worden sein, als von dem damals etwa 37 Jahre alten Prinzen Wilhelm, dessen Bild darin mir stets gegenwärtig geblieben ist. Der starke dynastische Familiensinn war vielleicht in Kaiser Friedrich III. noch schärfer ausgeprägt, aber gewiß ist, daß 1866 der König auf Ansbach und Bayreuth noch schwerer verzichtete als auf Oestreichisch-Schlesien, Deutsch-Böhmen und Theile von Sachsen. Ich legte an Erwerbungen von Oestreich und Baiern den Maßstab der Frage, ob die Einwohner in etwaigen Kriegen bei einem Rückzuge der preußischen Behörden und Truppen dem Könige von Preußen noch treu bleiben, Befehle von ihm annehmen würden, und ich hatte nicht den Eindruck, daß die Bevölkerung dieser Gebiete, die in die bairischen und östreichischen Verhältnisse eingelebt ist, in ihrer Gesinnung den Hohenzollernschen Neigungen entgegenkommen würde. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 134 Dieselbe Erwägung, wie in Betreff der fränkischen Fürstenthümer, machte ich Sr. Majestät gegenüber geltend in Betreff Oestreichisch-Schlesiens, das eine der kaisertreuesten Provinzen, überdies vorwiegend slavisch bevölkert ist, und in Betreff der böhmischen Gebiete, die der König auf Andringen des Prinzen Friedrich Carl als Glacis vor den sächsischen Bergen behalten wollte, Reichenberg, das Egerthal, Karlsbad. Es kam später hinzu, daß Karolyi jede Landabtretung kategorisch ablehnte, selbst die von mir ihm gegenüber berührte des kleinen Gebiets von Braunau, dessen Besitz für uns ein Eisenbahninteresse hatte. Ich zog vor, auch darauf zu verzichten, sobald das Festhalten den Abschluß zu verschleppen und die Gefahr französischer Einmischung zu verschärfen drohte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 157 Nachdem die Präliminarien mit Oestreich unterzeichnet waren, fanden sich Bevollmächtigte von Würtemberg, Baden und Darmstadt ein. Den würtembergischen Minister von Varnbüler zu empfangen, lehnte ich zunächst ab, weil die Verstimmung gegen ihn bei uns stärker war als gegen Pfordten. Er war politisch gewandter als der Letztre, aber auch weniger durch deutsch-nationale Skrupel behindert. Seine Stimmung beim Ausbruch des Krieges hatte sich in dem Vae victis! ausgedrückt und war zu erklären aus den Stuttgarter Beziehungen zu Frankreich, die insbesondre durch die Vorliebe der Königin von Holland, einer würtembergischen Prinzessin, getragen waren. Dieselbe hatte, so lange ich in Frankfurt war, viel für mich übrig, ermuthigte mich in meinem Widerstande gegen Oestreichs (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 159 Die Einschätzung der würtembergischen Politik in die Rheinbundkategorie bestimmte mich, den Empfang des Herrn von Varnbüler in Nikolsburg zunächst abzulehnen. Auch eine Unterredung zwischen uns, die der Prinz Friedrich von Würtemberg, der (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 180 Im Hinblick auf die Nothwendigkeit, im Kampfe gegen eine Uebermacht des Auslandes im äußersten Nothfall auch zu revolutionären Mitteln greifen zu können, hatte ich auch kein Bedenken getragen, die damals stärkste der freiheitlichen Künste, das allgemeine Wahlrecht, schon durch die Circulardepesche vom 10. Juni 1866 mit in die Pfanne zu werfen, um das monarchische Ausland abzuschrecken von Versuchen, die Finger in unsre nationale omelette zu stecken. Ich habe nie gezweifelt, daß das deutsche Volk, sobald es einsieht, daß das bestehende Wahlrecht eine schädliche Institution sei, stark und klug genug sein werde, sich davon frei zu machen. Kann es das nicht, so ist meine Redensart, daß es reiten könne, wenn es erst im Sattel säße 1), ein Irrthum gewesen. Die Annahme des allgemeinen Wahlrechts war eine Waffe im Kampfe gegen Oestreich und weitres Ausland, im Kampfe für die deutsche Einheit, zugleich eine Drohung mit letzten Mitteln im Kampfe gegen Coalitionen. In einem Kampfe derart, wenn er auf Tod und Leben geht, sieht man die Waffen, zu denen man greift, und die Werthe, die man durch ihre Benutzung zerstört, nicht an: der einzige Rathgeber ist zunächst der Erfolg des Kampfes, die Rettung der Unabhängigkeit nach Außen; die Liquidation und Aufbesserung der dadurch angerichteten Schäden hat nach dem Frieden stattzufinden. Außerdem halte ich noch heut das allgemeine Wahlrecht nicht blos theoretisch, sondern auch praktisch für ein berechtigtes Prinzip, sobald nur die Heimlichkeit beseitigt wird, die außerdem einen Charakter hat, der mit den besten Eigenschaften des germanischen Blutes in Widerspruch steht. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 232 [2-78] Am 2. Juli 1870 entschied sich das spanische Ministerium für die Thronbesteigung des Erbprinzen Leopold von Hohenzollern. Damit war die erste völkerrechtliche Anregung zu der spätern Kriegsfrage gegeben, aber doch nur in Gestalt einer specifisch spanischen Angelegenheit. Ein völkerrechtlicher Vorwand für Frankreich, in die Freiheit der spanischen Königswahl einzugreifen, war schwer zu finden; er wurde, seitdem man es in Paris auf den Krieg mit Preußen abgesehn hatte, künstlich gesucht in dem Namen Hohenzollern, welcher an sich für Frankreich nichts Bedrohlicheres hatte als jeder andre deutsche Name. Im Gegentheil konnte man in Spanien sowohl als in Deutschland annehmen, daß der Prinz Leopold wegen seiner persönlichen und Familienbeziehungen in Paris eher persona grata sein werde als mancher andre deutsche Prinz. Ich erinnere mich, daß ich in der Nacht nach der Schlacht von Sedan in tiefer Finsterniß mit einer Anzahl unsrer Offiziere nach der Rundfahrt des Königs um Sedan auf dem Wege nach Donchery ritt und auf Befragen, ich weiß nicht welches Begleiters, die Vorbereitung zu diesem Kriege besprach und dabei erwähnte, daß ich geglaubt hätte, der Prinz Leopold werde dem Kaiser Napoleon kein unerwünschter Nachbar in Spanien sein und seinen Weg über Paris nach Madrid nehmen, um dort die Fühlung mit der kaiserlich französischen Politik zu gewinnen, die zu den Vorbedingungen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 233 [2-79] gehörte, unter denen er Spanien zu regiren gehabt haben würde. Ich sagte: wir wären viel mehr berechtigt gewesen zu der Besorgniß vor einem engern Verständnisse zwischen der spanischen und der französischen Krone als zu der Hoffnung auf Herstellung einer spanisch-deutschen und antifranzösischen Constellation nach Analogie Karls V.; ein König von Spanien könne eben nur spanische Politik treiben, und der Prinz wäre Spanier geworden durch Uebernahme der Krone des Landes. Zu meiner Ueberraschung erfolgte aus der Finsterniß hinter mir eine lebhafte Erwiderung des Prinzen von Hohenzollern, von dessen Anwesenheit ich keine Ahnung gehabt hatte; er protestirte lebhaft gegen die Möglichkeit, bei ihm französische Sympathien vorauszusetzen. Dieser Protest inmitten des Schlachtfeldes von Sedan war für einen deutschen Offizier und Hohenzollernschen Prinzen natürlich, und ich konnte ihn nur damit beantworten, daß der Prinz als König von Spanien sich nur von spanischen Interessen hätte leiten lassen können, und daß zu solchen namentlich behufs Befestigung des neuen Königthums zunächst eine schonende Behandlung des mächtigen Nachbarn an den Pyrenäen gehört haben würde. Ich machte dem Prinzen meine Entschuldigung über die in seiner mir unbekannten Gegenwart gethane Aeußerung. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 234 Diese anticipirte Episode legt Zeugniß ab über die Auffassung, die ich von der ganzen Frage hatte. Ich betrachtete sie als eine spanische und nicht als eine deutsche, wenn es mir auch erfreulich schien, den deutschen Namen Hohenzollern in Vertretung der Monarchie in Spanien thätig zu sehn, und wenn ich auch nicht versäumte, alle möglichen Folgen unter dem Gesichtspunkte unsrer Interessen zu erwägen, was bei jedem Vorgange von ähnlicher Wichtigkeit in einem andern Staate zu thun die Pflicht eines auswärtigen Ministers ist. Ich dachte zunächst mehr an wirthschaftliche wie an politische Beziehungen, denen ein König von Spanien deutscher Abstammung förderlich sein konnte. Für Spanien erwartete ich von der Person des Prinzen und von seinen verwandschaftlichen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 240 Von Seiten unsres Auswärtigen Amtes waren die ersten schon unberechtigten Anfragen Frankreichs über die spanische Throncandidatur am 4. Juli der Wahrheit entsprechend in der ausweichenden Art beantwortet worden, daß das Ministerium nichts von der Sache wisse. Es traf das insofern zu, als die Frage der Annahme der Wahl durch den Prinzen Leopold von Sr. Majestät lediglich als Familiensache behandelt worden war, die weder Preußen noch den Norddeutschen Bund etwas anging, bei der es sich nur um die persönliche Beziehung des Kriegsherrn zu einem deutschen Offizier und des Hauptes nicht der Kgl. Preußischen sondern der Hohenzollernschen Gesammtfamilie zu den Trägern des Namens Hohenzollern handelte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 244 „Wir glauben nicht, daß die Achtung vor den Rechten eines Nachbarvolkes uns verpflichtet zu dulden, daß eine fremde Macht einen ihrer Prinzen auf den Thron Karls V. setze ... Dieser Fall wird nicht eintreten, dessen sind wir ganz gewiß. ... Sollte es anders kommen, so würden wir ... unsre Pflicht ohne Zaudern und ohne Schwäche zu erfüllen wissen“ (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 246 Ich entschloß mich, am 12. Juli von Varzin nach Ems aufzubrechen, um bei Sr. Majestät die Berufung des Reichstags behufs der Mobilmachung zu befürworten. Als ich durch Wussow fuhr, stand mein Freund, der alte Prediger Mulert, vor der Thür des Pfarrhofes und grüßte mich freundlich; meine Antwort im offnen Wagen war ein Lufthieb in Quart und Terz, und er verstand, daß ich glaubte in den Krieg zu gehn. In den Hof meiner Berliner Wohnung einfahrend und bevor ich den Wagen verlassen hatte, empfing ich Telegramme, aus denen hervorging, daß der König nach den französischen Bedrohungen und Beleidigungen im Parlament und in der Presse mit Benedetti zu verhandeln fortfuhr, ohne ihn in kühler Zurückhaltung an seine Minister zu verweisen. Während des Essens, an dem Moltke und Roon Theil nahmen, traf von der Botschaft in Paris die Meldung ein, daß der Prinz von Hohenzollern der Candidatur entsagt habe, um den Krieg abzuwenden, mit dem uns Frankreich bedrohte. Mein erster Gedanke war, aus dem Dienste zu scheiden, weil ich nach allen beleidigenden Provocationen, die vorhergegangen waren, in diesem erpreßten Nachgeben (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 247 [2-85] eine Demüthigung Deutschlands sah, die ich nicht amtlich verantworten wollte. Dieser Eindruck der Verletzung des nationalen Ehrgefühls durch den aufgezwungenen Rückzug war in mir so vorherrschend, daß ich schon entschlossen war, meinen Rücktritt aus dem Dienste nach Ems zu melden. Ich hielt diese Demüthigung vor Frankreich und seinen renommistischen Kundgebungen für schlimmer als die von Olmütz, zu deren Entschuldigung die gemeinsame Vorgeschichte und unser damaliger Mangel an Kriegsbereitschaft immer dienen werden. Ich nahm an, Frankreich werde die Entsagung des Prinzen als einen befriedigenden Erfolg escomptiren in dem Gefühl, daß eine kriegerische Drohung, auch wenn sie in den Formen internationaler Beleidigung und Verhöhnung geschehn und der Kriegsvorwand gegen Preußen vom Zaune gebrochen wäre, genüge, um Preußen zum Rückzuge auch in einer gerechten Sache zu nöthigen, und daß auch der Norddeutsche Bund in sich nicht das hinreichende Machtgefühl trage, um die nationale Ehre und Unabhängigkeit gegen französische Anmaßung zu schützen. Ich war sehr niedergeschlagen, denn ich sah kein Mittel, den fressenden Schaden, den ich von einer schüchternen Politik für unsre nationale Stellung befürchtete, wieder gut zu machen, ohne Händel ungeschickt vom Zaune zu brechen und künstlich zu suchen. Den Krieg sah ich schon damals als eine Nothwendigkeit an, der wir mit Ehren nicht mehr ausweichen konnten. Ich telegraphirte an die Meinigen nach Varzin, man sollte nicht packen, nicht abreisen, ich würde in wenig Tagen wieder dort sein. Ich glaubte nunmehr an Frieden; da ich aber die Haltung nicht vertreten wollte, durch welche dieser Friede erkauft gewesen wäre, so gab ich die Reise nach Ems auf und bat Graf Eulenburg, dorthin zu reisen und Sr. Majestät meine Auffassung vorzutragen. In gleichem Sinne sprach ich auch mit dem Kriegsminister von Roon: wir hätten die französische Ohrfeige weg, und wären durch die Nachgiebigkeit in die Lage gebracht, als Händelsucher zu erscheinen, wenn wir zum Kriege schritten, durch den allein wir den Flecken abwaschen könnten. Meine Stellung sei jetzt unhaltbar und (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 256 In derselben psychologischen Auffassung, in welcher ich 1864 im dänischen Kriege aus politischen Gründen gewünscht hatte, daß nicht den altpreußischen, sondern den westfälischen Bataillonen, die bis dahin keine Gelegenheit gehabt hatten, unter preußischer Führung ihre Tapferkeit zu bewähren, der Vortritt gelassen werde, und bedauerte, daß der Prinz Friedrich Carl meinem Wunsche entgegen gehandelt hatte, in derselben Auffassung war ich überzeugt, daß die Kluft, die die Verschiedenheit des dynastischen und Stammesgefühls und der Lebensgewohnheiten zwischen dem Süden und dem Norden des Vaterlandes im Laufe der Geschichte geschaffen hatte, nicht wirksamer überbrückt werden könne als durch einen gemeinsamen nationalen Krieg gegen den seit Jahrhunderten aggressiven Nachbar. Ich erinnerte mich, daß schon in dem kurzen Zeitraume von 1813 bis 1815, von Leipzig und Hanau bis Belle Alliance, der gemeinsame und siegreiche Kampf gegen Frankreich die Beseitigung des Gegensatzes ermöglicht hatte zwischen einer hingebenden Rheinbundspolitik und dem nationaldeutschen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 305 [2-107] damaligen russischen Kaiserin, den Prinzen von Battenberg, in unsichre Hände gab, war eine Entwicklung, die auf dem Berliner Congresse nicht vorausgesehn werden konnte. Der Prinz von Battenberg war der russische Candidat für Bulgarien, und bei seiner nahen Verwandschaft mit dem Kaiserhause war auch anzunehmen, daß diese Beziehungen dauerhaft und haltbar sein würden. Der Kaiser Alexander III. erklärte sich den Abfall seines Vetters einfach mit dessen polnischer Abstammung: „Polskaja mat“ war sein erster Ausruf bei der Enttäuschung über das Verhalten seines Vetters. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 320 [2-113] erklärte mich bereit, jede dazu erforderliche Summe auf die Bundeskasse anzuweisen, wenn er die vielleicht 4000 Pferde, die er als ungefähren Bedarf angab, ankaufen und zur Beförderung der Geschütze verwenden wolle. Er gab die entsprechenden Aufträge, und die in unserm Lager lange mit schmerzlicher Ungeduld erwartete und mit Jubel begrüßte Beschießung des Mont Avron war das Ergebniß dieser wesentlich Roon zu dankenden Wendung. Eine bereitwillige Unterstützung fand er für das Heranschaffen und die Verwendung der Geschütze bei dem Prinzen Krafft Hohenlohe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 330 Auch bei dem Kronprinzen habe ich für mein Streben, den Kaisertitel herzustellen, welches nicht einer preußisch-dynastischen Eitelkeit, sondern allein dem Glauben an seine Nützlichkeit für Förderung der nationalen Einheit entsprang, im Anfange der günstigen Wendung des Krieges nicht immer Anklang gefunden. Seine Königliche Hoheit hatte von irgend einem der politischen Phantasten, denen er sein Ohr lieh, den Gedanken aufgenommen, die Erbschaft des von Karl dem Großen wiedererweckten „römischen“ Kaiserthums sei das Unglück Deutschlands gewesen, ein ausländischer, für die Nation ungesunder Gedanke. So nachweisbar letztres auch geschichtlich sein mag, so unpraktisch war die Bürgschaft gegen analoge Gefahren, welche des Prinzen Rathgeber in dem Titel „König“ der Deutschen sahen. Es lag heut zu Tage keine Gefahr vor, daß der Titel, welcher allein in der Erinnerung des Volkes lebt, dazu beitragen würde, die Kräfte Deutschlands den eignen Interessen zu entfremden und dem transalpinen Ehrgeize bis nach Apulien hin dienstbar zu machen. Das aus einer irrigen Vorstellung entspringende Verlangen, das der Prinz gegen mich aussprach, war nach meinem Eindrucke ein völlig ernstes und geschäftliches, dessen Inangriffnahme durch mich gewünscht wurde. Mein Einwand, anknüpfend an die Coexistenz der Könige von Bayern, Sachsen, Würtemberg mit dem intendirten Könige in Germanien oder Könige der Deutschen führte zu meiner Ueberraschung auf die weitre Consequenz, daß die genannten Dynastien aufhören müßten, den Königstitel zu führen, um wieder den herzoglichen anzunehmen. Ich sprach die Ueberzeugung aus, daß sie sich dazu gutwillig nicht verstehn würden. Wollte man dagegen Gewalt anwenden, so würde dergleichen Jahrhunderte hin (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 338 [2-119] Hauptargument für den Kaisertitel mit der coercitiven Andeutung wiedergegeben, daß Baiern die zugesagten, aber noch nicht ratificirten Concessionen nur dem deutschen Kaiser, aber nicht dem Könige von Preußen machen könne. Ich hatte diese Wendung ausdrücklich gewählt, um einen Druck auf die Abneigung meines hohen Herrn gegen den Kaisertitel auszuüben. Am siebenten Tage nach seiner Abreise, am 3. December, war Graf Holnstein mit diesem Schreiben des Königs wieder in Versailles; es wurde noch an demselben Tage durch den Prinzen Luitpold, jetzigen Regenten, unserm Könige officiell überreicht und bildete ein gewichtiges Moment für das Gelingen der schwierigen und vielfach in ihren Aussichten schwankenden Arbeiten, die durch das Widerstreben des Königs Wilhelm und durch die bis dahin mangelnde Feststellung der bairischen Erwägungen veranlaßt waren. Der Graf Holnstein hat sich durch diese in einer schlaflosen Woche zurückgelegte doppelte Reise und durch die geschickte Durchführung seines Auftrags in Hohenschwangau ein erhebliches Verdienst um den Abschluß unsrer nationalen Einigung durch Beseitigung der äußern Hindernisse der Kaiserfrage erworben. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 341 [2-120] leichter geneigt, dem Minister, als seinem Herrn Sohne Concessionen zu machen, in gewissenhafter Erinnerung an Verfassungseid und Ministerverantwortlichkeit. Meinungsverschiedenheiten mit dem Kronprinzen faßte er von dem Standpunkte des pater familias auf. In der Schlußberathung am 17. Januar 1871 lehnte er die Bezeichnung Deutscher Kaiser ab und erklärte, er wolle Kaiser von Deutschland oder garnicht Kaiser sein. Ich hob hervor, wie die adjectivische Form Deutscher Kaiser und die genitivische Kaiser von Deutschland sprachlich und zeitlich verschieden seien. Man hätte Römischer Kaiser, nicht Kaiser von Rom gesagt; der Zar nenne sich nicht Kaiser von Rußland, sondern Russischer, auch „gesammtrussischer“ (wserossiski) Kaiser. Das Letztre bestritt der König mit Schärfe, sich darauf berufend, daß die Rapporte seines russischen Regiments Kaluga stets „pruskomu“ adressirt seien, was er irrthümlich übersetzte. Meiner Versicherung, daß die Form der Dativ des Adjectivums sei, schenkte er keinen Glauben und hat sich erst nachher von seiner gewohnten Autorität für russische Sprache, dem Hofrath Schneider, überzeugen lassen. Ich machte ferner geltend, daß unter Friedrich dem Großen und Friedrich Wilhelm II. auf den Thalern Borussorum, nicht Borussiae rex erscheine, daß der Titel Kaiser von Deutschland einen landesherrlichen Anspruch auf die nichtpreußischen Gebiete involvire, den die Fürsten zu bewilligen nicht gemeint wären; daß in dem Schreiben des Königs von Baiern in Anregung gebracht sei, daß „die Ausübung der Präsidialrechte mit Führung des Titels eines Deutschen Kaisers verbunden werde“; endlich daß derselbe Titel auf Vorschlag des Bundesrathes in die neue Fassung des Artikel 11 der Verfassung aufgenommen sei. Die Erörterung ging über auf den Rang zwischen Kaisern und Königen, zwischen Erzherzogen, Großfürsten und preußischen Prinzen. Meine Darlegung, daß den Kaisern im Prinzip ein Vorrang vor Königen nicht eingeräumt werde, fand keinen Glauben, obwohl ich mich darauf berufen konnte, daß Friedrich Wilhelm I. bei einer Zusammenkunft mit Karl VI., der doch dem Kurfürsten (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 343 Die Zustimmung, die der Kronprinz zu meiner Ausführung zu erkennen gab, reizte den alten Herrn noch mehr, so daß er auf den Tisch schlagend sagte: „Und wenn es so gewesen wäre, so befehle ich jetzt, wie es sein soll. Die Erzherzoge und Großfürsten haben stets den Vorrang vor den preußischen Prinzen gehabt, und so soll es ferner sein.“ Damit stand er auf, trat an das Fenster, den um den Tisch Sitzenden den Rücken zuwendend. Die Erörterung der Titelfrage kam zu keinem klaren Abschluß; indessen konnte man sich doch für berechtigt halten, die Ceremonie der Kaiserproclamation anzuberaumen, aber der König hatte befohlen, daß nicht von dem Deutschen Kaiser, sondern von dem Kaiser von Deutschland dabei die Rede sei. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 398 [2-143] constitutionelle Regiment unmöglich, dann muß sie gegen die Constitution manövriren und pactisiren; sie muß sich eine Majorität künstlich schaffen oder vorübergehend zu erwerben suchen. Sie verfällt dann in die Schwäche der Coalitions-Ministerien, und ihre Politik geräth in Fluctuationen, die für das Staatswesen und namentlich für das conservative Prinzip von höchst nachtheiliger Wirkung sind“1). (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 528 Eure Hochwohlgeboren bitte ich, Herrn Minister Grafen Eulenburg und Herrn Geheim-Rath Hahn mein Bedauern darüber auszusprechen, daß der Entwurf des Socialistengesetzes in der Provinzial- Correspondenz amtlich publicirt worden ist, bevor er im Bundesrath vorgelegt war. Die Veröffentlichung präjudicirt jeder Amendirung durch uns und ist für Baiern und andre Dissentirende verletzend. Nach meinen Verhandlungen von hier aus mit Baiern muß ich annehmen, daß letztres an seinem Widerspruche gegen das Reichsamt unbedingt festhält. Würtemberg und, wie ich höre, auch Sachsen widersprechen dem Reichsamt nicht im Prinzip, wohl aber angebrachter Maßen, indem sie die Zuziehung von Richtern perhorresciren. Diesem Widerspruche kann ich mich persönlich nur anschließen. Es handelt sich nicht um richterliche, sondern um politische Functionen, und auch das preußische Ministerium darf in seinen Vorentscheidungen nicht einem richterlichen Collegium unterstellt und auf diese Weise für alle Zukunft in seiner politischen Bewegung gegen den Socialismus (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 670 [2-230] für das Bedürfniß des Zusammenhaltens im Interesse staatlicher und gesellschaftlicher Ordnung kein Verständniß haben, sondern sich chauvinistischen Regungen ihrer Unterthanen dienstbar machen, so befürchte ich, daß die internationalen revolutionären und socialen Kämpfe, die auszufechten sein werden, um so gefährlicher und für den Sieg der monarchischen Ordnung schwieriger sich gestalten werden. Ich habe die nächstliegende Assecuranz gegen diese Kämpfe seit 1871 in dem Dreikaiserbunde und in dem Bestreben gesucht, dem monarchischen Prinzipe in Italien eine feste Anlehnung an diesen Bund zu gewähren. Ich war nicht ohne Hoffnung auf einen dauernden Erfolg, als im September 1872 die Zusammenkunft der drei Kaiser in Berlin, demnächst die Besuche meines Kaisers in Petersburg im Mai, des Königs von Italien in Berlin im September, des deutschen Kaisers in Wien im October des folgenden Jahres stattfanden. Die erste Trübung dieser Hoffnung wurde 1875 verursacht durch die Hetzereien des Fürsten Gortschakow 1), der die Lüge verbreitete, daß wir Frankreich, bevor es sich von seinen Wunden erholt hätte, zu überfallen beabsichtigten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 683 [2-235] Zu den Bedenken über die zukünftigen östreichisch-deutschen Beziehungen kam der Mangel an Augenmaß für politische Möglichkeiten, infolge dessen das deutsche Element in Oestreich die Fühlung mit der Dynastie und die Leitung verloren hat, die ihm in der geschichtlichen Entwicklung zugefallen war. Zu Sorgen für die Zukunft eines östreichisch-deutschen Bundes gab ferner die confessionelle Frage Anlaß, die Erinnerung an den Einfluß der Beichtväter der Kaiserlichen Familie, die Möglichkeit der Herstellung französischer Beziehungen auf katholisirender Unterlage, sobald in Frankreich eine entsprechende Wandlung der Form und der Prinzipien der Staatsleitung eingetreten wäre. Wie fern oder wie nahe eine solche in Frankreich liegt, entzieht sich jeder Berechnung. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 702 *) Am 14. August hatte der Kaiser Franz Joseph die von dem Grafen Andrassy nachgesuchte Entlassung im Prinzip genehmigt, sich aber die definitive (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 800 Die ersten Staatsrathssitzungen, denen ich nach seiner Wiedereinberufung 1884 unter dem Vorsitz des Kronprinzen Friedrich Wilhelm beiwohnte, machten nicht nur mir, sondern, wie ich glaube, allen Theilnehmern einen geschäftlich günstigen Eindruck. Der Prinz hörte die Vorträge an, ohne ein Bedürfniß, die Vortragenden zu (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 805 Um die Mitte der siebziger Jahre begann die geistige Empfänglichkeit des Kaisers im Auffassen andrer und Entwickeln eigner Vorträge schwerfälliger zu functioniren; er verlor zuweilen den Faden im Zuhören und Sprechen. Merkwürdigerweise trat darin nach dem Nobilingschen Attentate eine günstige Veränderung ein. Momente wie die beschriebenen kamen nicht mehr vor, der Kaiser war freier, lebendiger, auch weicher. Der Ausdruck meiner Freude über sein Wohlbefinden veranlaßte ihn zu dem Scherze: „Nobiling hat besser als die Aerzte gewußt, was mir fehlte: ein tüchtiger Aderlaß.“ Die letzte Krankheit war kurz, sie begann am 4. März 1888. Am 8. Mittags hatte ich die letzte Unterredung mit dem Kaiser, in der er noch bei Bewußtsein war, und erlangte von ihm die Ermächtigung zur Veröffentlichung der schon am 17. November 1887 vollzogenen Ordre, die den Prinzen Wilhelm mit der Stellvertretung beauftragte in Fällen, wo Se. Majestät einer solchen zu bedürfen glauben würde. Der Kaiser sagte, er erwarte von mir, daß ich in meiner Stellung verbleiben und seinen Nachfolgern zur Seite stehn würde, wobei ihm zunächst die Besorgniß vorzuschweben schien, daß ich mich mit dem Kaiser Friedrich nicht würde stellen können. Ich sprach mich beruhigend darüber aus, so weit es überhaupt angebracht schien, einem Sterbenden gegenüber von dem zu sprechen, was seine (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 806 [2-277]. Nachfolger und ich selbst nach seinem Tode thun würden. Dann, an die Krankheit seines Sohnes denkend, verlangte er von mir das Versprechen, meine Erfahrung seinem Enkel zu Gute kommen zu lassen und ihm zur Seite zu bleiben, wenn er, wie es schiene, bald zur Regirung gelangen sollte. Ich gab meiner Bereitwilligkeit Ausdruck, seinen Nachfolgern mit demselben Eifer zu dienen wie ihm selbst. Seine einzige Antwort darauf war ein etwas fühlbarerer Druck seiner Hand; dann aber traten Fieberphantasien ein, in denen die Beschäftigung mit dem Enkel so im Vordergrunde stand, daß er glaubte, der Prinz, der im September 1886 dem Zaren in Brest-Litowsk einen Besuch gemacht hatte, säße an meiner Stelle neben dem Bette, und mich plötzlich mit Du anredend sagte: „Mit dem russischen Kaiser mußt du immer Fühlung halten, da ist kein Streit nothwendig.“ Nach einer langen Pause des Schweigens war die Sinnestäuschung verschwunden; er entließ mich mit den Worten: „Ich sehe Sie noch.“ Gesehn hat er mich noch, als ich mich am Nachmittage und dann wieder in der Nacht des 9. um 4 Uhr einfand, aber schwerlich unter den vielen Anwesenden erkannt; noch in später Abendstunde des 8. fand eine Rückkehr der vollen Klarheit des Bewußtseins und der Fähigkeit statt, sich den sein Sterbebett in dem engen Schlafzimmer Umstehenden gegenüber klar und zusammenhängend auszusprechen. Es war das letzte Aufleuchten dieses starken und tapfern Geistes. Um 8 Uhr 30 Minuten that er den letzten Athemzug. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 809 [2-278]. ihn wirkten als civilistische, und ich selbst habe in dem äußern Eindruck der Militäruniform, die ich trug, um ein mehrmaliges Umkleiden am Tage zu vermeiden, ein Moment der Verstärkung meines Einflusses zu finden geglaubt. Unter den Personen, die, so lange er noch Prinz Wilhelm war, Einfluß auf seine Entwicklung haben konnten, standen in erster Linie Militärs ohne politischen Beruf, nachdem der General von Gerlach, der Jahre hindurch sein Adjutant gewesen war, dem politischen Leben vorübergehend fremd geworden war. Er war der begabteste unter den Adjutanten, die der Prinz gehabt hatte, und nicht theoretischer Fanatiker in Politik und Religion wie sein Bruder, der Präsident, aber doch genug doctrinär, um bei dem praktischen Verstande des Prinzen nicht den Anklang zu finden, wie bei dem geistreichen Könige Friedrich Wilhelm. Pietismus war ein Wort und ein Begriff, die mit dem Namen Gerlach leicht in Verbindung traten wegen der Rolle, die die beiden Brüder des Generals, der Präsident und der Prediger, Verfasser eines ausgedehnten Bibelwerks, in der politischen Welt spielten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 810 Ein Gespräch, das ich 1853 in Ostende, wo ich dem Prinzen näher getreten war, mit ihm hatte und das sich an den Namen Gerlach knüpfte, ist mir in Erinnerung geblieben, weil es mich betroffen machte über des Prinzen Unbekanntschaft mit unsern staatlichen Einrichtungen und der politischen Situation. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 811 Eines Tages sprach er mit einer gewissen Animosität über den General von Gerlach, der aus Mangel an Uebereinstimmung und, wie es schien, verstimmt aus der Adjutanten-Stellung geschieden war. Der Prinz bezeichnete ihn als einen Pietisten. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 820 Im weitern Verlauf der Unterhaltung kamen wir auf die damals schwebende Frage der Kreis- und Gemeinde-Ordnung. Bei der Gelegenheit sagte der Prinz ungefähr: (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 824 Ich bat um die Erlaubniß, ihm eine kurze Darstellung der Genesis unsrer ländlichen Zustände, des Verhältnisses zwischen Gutsherrn und Bauern vorzulegen. Er nahm das Erbieten freudig dankend an; und ich habe nachher in Norderney meine freien Stunden dazu verwendet, dem damals 56 Jahre alten Thronerben an der Hand von Gesetzesstellen die rechtliche Situation auseinander zu setzen, in der sich Rittergüter und Bauern 1853 befanden. Ich schickte ihm die Arbeit nicht ohne die Befürchtung, der Prinz (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 827 Von dem Augenblicke des Antritts der Regentschaft an hatte Prinz Wilhelm den Mangel an geschäftlicher Vorbildung so lebhaft empfunden, daß er keine Arbeit Tag und Nacht scheute, um demselben abzuhelfen. Wenn er „Staatsgeschäfte erledigte“, so arbeitete er wirklich, mit vollem Ernst und voller Gewissenhaftigkeit. Er las alle Eingänge, nicht blos die, welche ihn anzogen, studirte die Verträge und Gesetze, um sich ein selbständiges Urtheil zu bilden. Er kannte keine Vergnügung, die den Staatsgeschäften Zeit entzogen hätte. Er las niemals Romane oder sonst Bücher, die nicht Bezug auf seinen Herrscherberuf hatten. Er rauchte nicht, spielte nicht Karten. Wenn nach einem Jagddiner in Wusterhausen die Gesellschaft sich in das Zimmer begab, in dem Friedrich Wilhelm I. das Tabakscollegium zu versammeln pflegte, so ließ er sich, damit die Anwesenden in seiner Gegenwart rauchen durften, eine der langen holländischen Thonpfeifen reichen, that einige Züge und legte sie mit einem krausen Gesichte aus der Hand. Als er in Frankfurt, damals noch Prinz von Preußen, auf einem Balle in ein Zimmer gerieth, in dem Hazard gespielt wurde, sagte er zu mir: „Ich will doch auch einmal mein Glück versuchen, habe aber kein Geld bei mir, geben Sie mir etwas.“ Da auch ich kein Geld bei mir zu tragen pflegte, so half der Graf Theodor Stolberg aus. Der Prinz setzte einige Male einen Thaler, verlor jedes Mal und verließ das Zimmer. Seine einzige Erholung war, nach einem arbeitsvollen Tage in seiner Theaterloge zu sitzen; aber auch dort durfte ich als Minister ihn in dringenden Fällen aufsuchen, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 831 [2-282] Vaters. Der Einfluß seiner Gemalin brachte ihn in reifern Jahren in Opposition gegen das traditionelle Prinzip, und die Unfähigkeit seiner Minister der Neuen Aera und das überstürzende Ungeschick der liberalen Parlamentarier in der Conflictszeit weckte in ihm wiederum den alten Pulsschlag des preußischen Prinzen und Offiziers, zumal er mit der Frage, ob die Bahn, die er einschlug, gefährlich sei, niemals rechnete. Wenn er überzeugt war, daß Pflicht und Ehre, oder eins von beiden, ihm geboten, einen Weg zu betreten, so ging er ihn ohne Rücksicht auf die Gefahren, denen er ausgesetzt sein konnte, in der Politik ebenso wie auf dem Schlachtfelde. Einzuschüchtern war er nicht. Die Königin war es, und das Bedürfniß des häuslichen Friedens mit ihr war ein unberechenbares Gewicht, aber parlamentarische Grobheiten oder Drohungen hatten nur die Wirkung, seine Entschlossenheit im Widerstande zu stärken. Mit dieser Eigenschaft hatten die Minister der Neuen Aera und ihre parlamentarischen Stützen und Gefolgschaften niemals gerechnet. Graf Schwerin war in seinem Mißverstehn dieses furchtlosen Offiziers auf dem Throne so weit gegangen, zu glauben, ihn durch Ueberhebung und Mangel an Höflichkeit einschüchtern zu können 1). In diesen Vorgängen lag der Wendepunkt des Einflusses der Minister der Neuen Aera, der Altliberalen und der Bethmann-Hollwegschen Partei, von dem ab die Bewegung rückläufig wurde, die Leitung in Roons Hände fiel und der Ministerpräsident Fürst Hohenzollern mit seinem Adjuncten Auerswald meinen Eintritt in das Ministerium wünschten. Die Königin und Schleinitz verhinderten ihn einstweilen noch, als ich im Frühjahr 1860 in Berlin war, aber die Aeußerlichkeiten, die zwischen dem Herrn und seinen Ministern vorgekommen waren, hatten in die gegenseitigen Beziehungen doch einen Riß gebracht, der nicht mehr vernarbte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 834 Die Prinzessin Augusta vertrat unter Friedrich Wilhelm IV. in der Regel den Gegensatz zur Regirungspolitik; die Neue Aera der Regentschaft sah sie als ihr Ministerium an, wenigstens bis zum Rücktritt des Herrn von Schleinitz. Es lebte in ihr vorher und später ein Bedürfniß des Widerspruchs gegen die jedesmalige Haltung der Regirung ihres Schwagers und später ihres Gemals. Ihr Einfluß wechselte und zwar so, daß derselbe bis auf die letzten Lebensjahre stets gegen die Minister in's Gewicht fiel. War die Regirungspolitik conservativ, so wurden die liberalen Personen und Bestrebungen in den häuslichen Kreisen der hohen Frau ausgezeichnet und gefördert; befand sich die Regirung des Kaisers in ihrer Arbeit zur Befestigung des neuen Reiches auf liberalen Wegen, so neigte die Gunst mehr nach der Seite der conservativen und namentlich der katholischen Elemente, deren Unterstützung, da sie unter einer evangelischen Dynastie sich häufig und bis zu gewissen Grenzen regelmäßig in der Opposition befanden, überhaupt der Kaiserin nahe lag. In den Perioden, wo unsre auswärtige Politik mit Oestreich Hand in Hand gehn konnte, war die Stimmung gegen Oestreich unfreundlich und fremd; bedingte unsre Politik den Widerstreit gegen Oestreich, so fanden dessen Interessen Vertretung durch die Königin und zwar bis in die Anfänge des Krieges 1866 hinein. Während an der böhmischen Grenze schon gefochten wurde, fanden in Berlin unter dem Patronate Ihrer Majestät durch das Organ von Schleinitz noch Beziehungen und Unterhandlungen bedenklicher Natur statt. Herr von Schleinitz hatte, seit ich Minister des Aeußern und er selbst Minister des königlichen Hauses geworden, das Amt einer Art Gegenministers der Königin, um Ihrer Majestät Material zur Kritik und zur Beeinflussung des Königs zu liefern. Er hatte zu diesem Behufe die Verbindungen benutzt, die er in der Zeit, wo er mein Vorgänger war, im Wege (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 845 Das Schwergewicht, das nach dem Antritt der Regentschaft der Wille und die Ueberzeugung des Prinzen von Preußen und spätern Kaisers auf dem außermilitärischen, dem politischen Gebiete darstellte, war das eigenste Product der mächtigen und vornehmen Natur, die diesem Fürsten, unabhängig von der ihm zu Theil gewordenen Erziehung, angeboren war. Der Ausdruck „königlich vornehm“ ist prägnant für seine Erscheinung. Die Eitelkeit kann bei Monarchen ein Sporn zu Thaten und zur Arbeit für das Glück ihrer Unterthanen sein. Friedrich der Große war nicht frei davon; sein erster Thatendrang entsprang dem Verlangen nach historischem Ruhm; ob diese Triebfeder gegen das Ende seiner Regirung, wie man sagt, degenerirte, ob er dem Wunsche innerlich Gehör gab, daß die Nachwelt den Unterschied zwischen seiner und der folgenden Regirung merken möge, lasse ich unerörtert. Eine (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 932 Ich ergreife die Gelegenheit, um Ihnen mein bisheriges Schweigen zu erklären auf Ihren Vorschlag, meinen Enkel den Prinzen Wilhelm mehr in die Staatsgeschäfte einzuführen, bei dem traurigen Gesundheitszustande des Kronprinzen meines Sohnes! (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 933 [2-301] Briefe Wilhelms I. Im Princip bin ich ganz einverstanden, daß dies geschehe, aber die Ausführung ist eine sehr schwierige — Sie werden ja wissen, daß die an sich sehr natürliche Bestimmung, die ich auf Ihren Rath traf, daß mein Enkel W. in meiner Behinderung die laufenden Erlasse des Civil- und Militär-Cabinets unterschreiben werde unter der Ueberschrift ,auf Allerhöchsten Befehl' — daß diese Bestimmung den Kronprinzen sehr irritirt hat, als denke man in Berlin bereits an seinen Ersatz! Bei ruhigerer Ueberlegung wird sich mein Sohn wohl beruhigt haben. Schwieriger würde diese Ueberlegung sein, wenn er erfährt, daß seinem Sohn nun noch größere Einsicht in die Staatsgeschäfte gestattet wird und selbst ein Civil- Adjutant gegeben wird — wie ich seinerzeit meine vortragenden Räthe bezeichnete. Damals lagen die Dinge jedoch ganz anders, da ein Grund meinen königlichen Vater veranlassen konnte, einen Stellvertreter des damaligen Kronprinzen zu bestellen, obgleich meine Erbschaft an der Krone schon längst vorher zu sehen war und unterblieb meine Einführung bis zu meinem 44. Jahre, als mein Bruder mich sofort zum Mitglied des Staatsministeriums ernannte mit Beilegung des Titels als Prinz von Preußen. Mit dieser Stellung war also Zutheilung eines erfahrenen Geschäftsmannes nothwendig, um mich zur jedesmaligen Staats-Ministerial- Sitzung vorzubereiten. Zugleich erhielt ich täglich die politischen Dépéchen, nachdem dieselben durch 4–5–6 Hände, den Siegeln nach, gegangen waren! Für bloße Conversation, wie Sie es vorschlagen, einen Staatsmann meinem Enkel zuzutheilen, entbehrt also des Grundes einer Vorbereitung, wie bei mir, zu einem bestimmten Zweck u. würde bestimmt meinen Sohn von neuem u. noch mehr irritiren, was durchaus unterbleiben muß. Ich schlage Ihnen daher vor, daß die bisherige Art der Beschäftigung- Erlernung der Behandlung der Staats-Orientirung beibehalten wird d. h. einzelnen Staats-Ministerien zugetheilt werde und vielleicht auf zwei ausgedehnt werde, wie in diesem Winter, wo mein Enkel freiwillig den Besuch des Auswärtigen Amts ferner zu gestatten (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 950 Es war ein weitverbreiteter Irrthum, daß der Regirungswechsel von Kaiser Wilhelm zu Kaiser Friedrich mit einem Ministerwechsel, der mir meinen Nachfolger gegeben haben würde, verbunden sein müßte. Im Sommer 1848 hatte ich zuerst Gelegenheit, dem damals 17jährigen Herrn bekannt zu werden und Beweise persönlichen Vertrauens von ihm zu erhalten. Letztres mag bis 1866 gelegentlich geschwankt haben, erwies sich aber als fest und offen bei Erledigung der Danziger Episode in Gastein 1863 1). Im Kriege von 1866, insbesondre in den Kämpfen mit dem Könige und den höhern Militärs über die Opportunität des Friedensschlusses in Nikolsburg, hatte ich mich eines von politischen Prinzipien und Meinungsverschiedenheiten unabhängigen Vertrauens des Kronprinzen zu erfreuen 2). Versuche, es zu erschüttern, sind von verschiedenen Seiten, die äußerste Rechte nicht ausgeschlossen, und unter Anwendung verschiedener Vorwände und Erfindungen gemacht worden, haben aber keinen dauernden Erfolg erreicht; zu ihrer Vereitlung genügte seit 1866 eine persönliche Aussprache zwischen dem hohen Herrn und mir. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
Abs. 956 Es ist nicht meine Absicht, würde auch unausführbar sein, jeder Legende und böswilligen Erfindung ausdrücklich zu widersprechen. Da indessen die Erzählung, der Kronprinz habe 1887 nach der Rückkehr aus Ems eine Urkunde unterzeichnet, in der er für den Fall, daß er seinen Vater überlebe, zu Gunsten des Prinzen Wilhelm auf die Regirung verzichtet, in ein englisches Werk über den Kaiser Wilhelm II. übergegangen ist, so will ich constatiren, daß an der Geschichte nicht ein Schatten von Wahrheit ist. Auch daß ein Thronerbe, der an einer unheilbaren Körperkrankheit leide, nach unsern Hausgesetzen nicht successionsfähig sei, wie 1887 in manchen Kreisen behauptet, in andern geglaubt wurde, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)