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AAAKöbler, Gerhard, Roon in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, 2016

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Abs. 54 Ich fuhr zunächst allein nach Potsdam, wo ich am Bahnhofe Herrn von Bodelschwingh sah, der bis zum 19. Minister des Innern gewesen war. Es war ihm offenbar unerwünscht, im Gespräch mit mir, dem "Reactionär", gesehn zu werden; er erwiderte meine Begrüßung mit den Worten: "Ne me parlez pas." - "Les paysans se lèvent chez nous," erwiderte ich. "Pour le Roi?" - "Oui." - "Dieser Seiltänzer," sagte er, die Hände auf die thränenden Augen drückend. In der Stadt fand ich auf der Plantage an der Garnisonkirche ein Bivouak der Garde-Infanterie; ich sprach mit den Leuten und fand Erbitterung über den befohlenen Rückzug und Verlangen nach neuem Kampfe. Auf dem Rückwege längs des Kanals folgten mir spionartige Civilisten, welche Verkehr mit der Truppe gesucht hatten und drohende Reden gegen mich führten. Ich hatte vier Schuß in der Tasche, bedurfte ihrer aber nicht. Ich stieg bei meinem Freunde Roon ab, der als Mentor des Prinzen Friedrich Karl einige Zimmer in dem Stadtschlosse bewohnte, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 682 Von dem folgenden Tage ist der nachstehende Brief Roons: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 688 von Roon." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 805 Im Sommer 1861 war es innerhalb des Ministeriums zu einem Kampfe gekommen, der in dem nachstehenden Brief des Kriegsministers von Roon vom 27. Juni 3) geschildert ist: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 823 Ich hatte fünf Tage lang keine Zeitungen gesehn, als ich am 9. Juli in Lübeck um fünf Uhr Morgens eintraf und aus der im Bahnhofe allein vorhandnen schwedischen Ystädter Zeitung ersah, daß der König und die Minister Berlin verlassen hatten, die Krisis also beigelegt sein mußte. Am 3. Juli hatte der König das Manifest erlassen, daß er das Herkommen der Erbhuldigung festhalte, aber in Betracht der Veränderungen, welche in der Verfassung der Monarchie unter der Regirung seines Bruders eingetreten, beschlossen habe, anstatt der Erbhuldigung die feierliche Krönung zu erneuern, durch welche die erbliche Königswürde begründet sei. Ueber den Verlauf der Krisis schrieb mir Roon am 24. Juli von Brunnen (Kanton Schwyz) 2): (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 824 1) Vollständig in den Bismarckbriefen (7. Aufl.) S. 304 ff., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten II 4 28 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 832 v. Roon." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 844 Am 22. Mai 1862 ernannt, übergab ich am 1. Juni in den Tuilerien mein Beglaubigungsschreiben. Von dem folgenden Tage ist nachstehender Brief an Roon 1): (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 846 1) Bismarckbriefe (7. Aufl.) S. 337 f., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten II 4 91 f. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 850 Unter dem 4. Juni schrieb mir Roon von Berlin 1): (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 852 1) Der Brief ist vollständig veröffentlicht im Bismarck-Jahrbuch III 233 f., jetzt auch in Roon's Denkwürdigkeiten II 4 93 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 856 Lieber Roon (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 858 1) 8. bez. 9. Juni, Bismarckbriefe (7. Aufl.) 339 f., Roon's Denkwürdigkeiten II 4 95 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 873 Lieber Roon (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 875 1) Bismarckbriefe (7. Aufl.) S. 347 ff., Roon's Denkwürdigkeiten II4 102ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 889 [1-262] Roon antwortete mir am 31. August 1862: (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 893 [1-264] und rathe, Sie einstweilen zum Minister-Präsidenten ohne Portefeuille zu ernennen, was ich bisher vermieden; es geht nicht anders! Wollen Sie dies absolut nicht, so desavouiren Sie mich oder gebieten Sie mir Schweigen. Ich spreche den Herrn am 7. in einer ganz vertraulichen Audienz, die er mir für diesen Tag bei seiner Durchreise nach Carlsruhe zur Taufe (am 9./9.) zugesagt hat. Sie haben also auch noch Zeit zum Protestiren. Von der allgemeinen Situation will ich heut nicht reden. Die innere Katastrophe wird jetzt nicht stattfinden, wie ich vermuthe, sondern erst im Frühjahr, und da müssen Sie nothwendig dabei sein. Sie wird über unsere Zukunft endgültig entscheiden. ... Ihr v. Roon." 1) (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 897 1) S. Bismarck-Jahrbuch III 237 f., jetzt auch Roon's Denkwürdigkeiten II4 109 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 906 Henning war der zweite Vorname Moritz Blanckenburgs, des Neffen von Roon. Obwohl es die Fassung zweifelhaft ließ, ob die Aufforderung aus der eignen Initiative Roons hervorgegangen oder von dem Könige veranlaßt war, zögerte ich nicht abzureisen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 908 1) S. Bismarckbriefe (7. Aufl.) S. 359 ff., Roon's Denkwürdigkeiten II 4 117 ff. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 909 [1-267]Herbst noch immer nicht wußte, wo ich im Winter wohnen würde. Ich war mit der Situation in ihren Einzelheiten nicht so vertraut, daß ich dem Kronprinzen ein programmartiges Urtheil hätte abgeben können; außerdem hielt ich mich auch nicht für berechtigt, mich gegen ihn früher zu äußern als gegen den König. Den Eindruck, den die Thatsache meiner Audienz gemacht hatte, ersah ich zunächst aus der Mittheilung Roons, daß der König mit Bezug auf mich zu ihm gesagt habe: "Mit dem ist es auch nichts, er ist ja schon bei meinem Sohne gewesen." Die Tragweite dieser Aeußerung wurde mir nicht sofort verständlich, weil ich nicht wußte, daß der König sich mit dem Gedanken der Abdication trug und voraussetzte, daß ich davon gewußt oder etwas vermuthet hätte und mich deshalb mit seinem Nachfolger zu stellen gesucht habe. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 911 Ich erwiderte, es sei Sr. Majestät schon seit dem Mai bekannt, daß ich bereit sei, in das Ministerium einzutreten, ich sei gewiß, daß Roon mit mir bei ihm bleiben werde, und ich zweifelte nicht, daß die weitre Vervollständigung des Cabinets gelingen werde, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 955 Roon, der zugegen war, sprach beim Nachhausegehn seine Unzufriedenheit mit meinen Aeußerungen aus, sagte u. A., er hielte dergleichen "geistreiche Excurse" unsrer Sache nicht für förderlich. Meine eignen Gedanken bewegten sich zwischen dem Wunsche, Abgeordnete für eine energische nationale Politik zu gewinnen, und der Gefahr, den König in seiner vorsichtigen und gewaltsame Mittel scheuenden Veranlagung mißtrauisch gegen mich und meine Absichten zu machen. Um dem vermuthlichen Eindruck der Presse auf ihn bei Zeiten entgegen zu wirken, fuhr ich ihm nach Jüterbogk entgegen. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 991 [1-300] des Innern, wollte ihm das Handelsministerium, dem Grafen Itzenplitz die Landwirthschaft und Selchow das Innere geben. Ich entwickelte dem gegenüber, daß die ressortmäßige Sachkunde als Handelsminister bei Eulenburg und Selchow auf ziemlich gleicher Stufe stehn und jedenfalls mehr bei ihren Räthen als bei ihnen selbst zu suchen sein würde, daß ich in diesem Falle viel mehr Gewicht auf persönliche Begabung, Geschick und Menschenkenntniß legte, als auf technische Vorbildung. Ich gäbe zu, daß Eulenburg arbeitsscheu und vergnügungssüchtig sei: er sei aber auch gescheidt und schlagfertig, und wenn er als Minister des Innern in der nächsten Zeit als der Vorderste auf der Bresche stehn müsse, so werde das Bedürfniß, sich zu wehren und die Schläge, die er bekommen, zu erwidern, ihn aus seiner Unthätigkeit heraus spornen. Der König gab mir endlich nach, und ich glaube auch noch heut, daß meine Wahl den Umständen nach richtig war; denn wenn ich auch unter dem Mangel an Arbeitsamkeit und Pflichtgefühl meines Freundes Eulenburg mitunter schwer gelitten habe, so war er doch in den Zeiten seiner Arbeitslust ein tüchtiger Gehülfe und immer ein feiner Kopf, nicht ohne Ehrgeiz und Empfindlichkeit, auch mir gegenüber. Wenn die Periode der Entsagung und angestrengten Arbeit länger als gewöhnlich dauerte, so verfiel er in nervöse Krankheiten. Jedenfalls waren er und Roon die Hervorragendsten in dem Conflictsministerium. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 992 Roon aber war der einzige unter meinen spätern Collegen, der bei meinem Eintritt in das Amt sich der Wirkung und des Zweckes desselben und des gemeinsamen Operationsplanes bewußt war und den letztern mit mir besprach. Er war unerreicht in der Treue, Tapferkeit und Leistungsfähigkeit, womit er vor und nach meinem Eintritt die Krisis überwinden half, in die der Staat durch das Experiment der neuen Aera gerathen war. Er verstand sein Ressort und beherrschte es, war der beste Redner unter uns, ein Mann von Geist und unerschütterlich in der Gesinnung eines ehrliebenden preußischen Offiziers. Mit vollem (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 993 [1-301] Verständniß für politische Fragen wie Eulenburg, war er consequenter, sichrer und besonnener als dieser. Sein Privatleben war einwandsfrei. Ich war mit ihm von meinen Kinderjahren her, als er, mit topographischen Aufnahmen beschäftigt, sich im Hause meiner Eltern aufhielt (1833), persönlich befreundet und habe nur unter seinem Jähzorn zuweilen gelitten, der sich leicht bis zur Gefährdung seiner Gesundheit steigerte. In der Zeit, während deren ich krankheitshalber das Präsidium an ihn abgegeben hatte, 1873, machten sich Streber, wie Harry Arnim und jüngere Militärs, dieselben, die mit ihren Verbündeten in der "Kreuzzeitung" und durch die "Reichsglocke" gegen mich arbeiteten, an ihn heran und suchten ihn mir zu entfremden. Seine Präsidialstellung nahm ohne meine Mitwirkung ein Ende auf die Initiative meiner übrigen Collegen, die bei ihm, dessen Heftigkeit sich mit den Jahren steigerte und der seinerseits von unsern Mitarbeitern in Civil nicht imponirt war, die Formen vermißten, auf welche sie im collegialen Verkehr Anspruch machten, und bei mir, und durch Eulenburg vertraulich bei dem Könige, anregten, daß ich das Präsidium wieder übernehmen möchte. Daraus entstand zu meinem Bedauern und ohne meine Absicht, hauptsächlich durch Zwischenträgereien, in Roons letzten Jahren nicht grade eine Erkältung, doch eine Zurückhaltung, und bei mir die Empfindung, daß mein bester Freund und Kamerad den Lügen und Verleumdungen, welche über mich systematisch verbreitet wurden, nicht mit der Entschiedenheit entgegentrat, welche ich, wie ich glaube, im umgekehrten Falle bethätigt haben würde. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)

 

Abs. 116 Am 12. Juli fand in dem Marschquartier Czernahora Kriegsrath, oder, wie die Militärs die Sache genannt haben wollen, Generalsvortrag Statt — ich behalte der Kürze und des allgemeinen Verständnisses wegen den erstern auch von Roon 1) gebrauchten Ausdruck bei, obwohl der Feldmarschall Moltke in einem dem Professor von Treitschke am 9. Mai 1881 übergebenen Aufsatze bemerkt hat, daß in beiden Kriegen niemals Kriegsrath gehalten worden sei 2). Zu diesen unter dem Vorsitz des Königs gehaltenen (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 210 *) Die Angabe in Roon's Denkwürdigkeiten („Deutsche Revue“ 1891 Bd. I S. 133, Ausgabe in Buchform II 4 482): „Für Bismarck's Zustimmung war es jedenfalls entscheidend, daß er die versöhnlichen Anschauungen seines Monarchen genau kannte“, ist irrthümlich. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 246 Ich entschloß mich, am 12. Juli von Varzin nach Ems aufzubrechen, um bei Sr. Majestät die Berufung des Reichstags behufs der Mobilmachung zu befürworten. Als ich durch Wussow fuhr, stand mein Freund, der alte Prediger Mulert, vor der Thür des Pfarrhofes und grüßte mich freundlich; meine Antwort im offnen Wagen war ein Lufthieb in Quart und Terz, und er verstand, daß ich glaubte in den Krieg zu gehn. In den Hof meiner Berliner Wohnung einfahrend und bevor ich den Wagen verlassen hatte, empfing ich Telegramme, aus denen hervorging, daß der König nach den französischen Bedrohungen und Beleidigungen im Parlament und in der Presse mit Benedetti zu verhandeln fortfuhr, ohne ihn in kühler Zurückhaltung an seine Minister zu verweisen. Während des Essens, an dem Moltke und Roon Theil nahmen, traf von der Botschaft in Paris die Meldung ein, daß der Prinz von Hohenzollern der Candidatur entsagt habe, um den Krieg abzuwenden, mit dem uns Frankreich bedrohte. Mein erster Gedanke war, aus dem Dienste zu scheiden, weil ich nach allen beleidigenden Provocationen, die vorhergegangen waren, in diesem erpreßten Nachgeben (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 247 [2-85] eine Demüthigung Deutschlands sah, die ich nicht amtlich verantworten wollte. Dieser Eindruck der Verletzung des nationalen Ehrgefühls durch den aufgezwungenen Rückzug war in mir so vorherrschend, daß ich schon entschlossen war, meinen Rücktritt aus dem Dienste nach Ems zu melden. Ich hielt diese Demüthigung vor Frankreich und seinen renommistischen Kundgebungen für schlimmer als die von Olmütz, zu deren Entschuldigung die gemeinsame Vorgeschichte und unser damaliger Mangel an Kriegsbereitschaft immer dienen werden. Ich nahm an, Frankreich werde die Entsagung des Prinzen als einen befriedigenden Erfolg escomptiren in dem Gefühl, daß eine kriegerische Drohung, auch wenn sie in den Formen internationaler Beleidigung und Verhöhnung geschehn und der Kriegsvorwand gegen Preußen vom Zaune gebrochen wäre, genüge, um Preußen zum Rückzuge auch in einer gerechten Sache zu nöthigen, und daß auch der Norddeutsche Bund in sich nicht das hinreichende Machtgefühl trage, um die nationale Ehre und Unabhängigkeit gegen französische Anmaßung zu schützen. Ich war sehr niedergeschlagen, denn ich sah kein Mittel, den fressenden Schaden, den ich von einer schüchternen Politik für unsre nationale Stellung befürchtete, wieder gut zu machen, ohne Händel ungeschickt vom Zaune zu brechen und künstlich zu suchen. Den Krieg sah ich schon damals als eine Nothwendigkeit an, der wir mit Ehren nicht mehr ausweichen konnten. Ich telegraphirte an die Meinigen nach Varzin, man sollte nicht packen, nicht abreisen, ich würde in wenig Tagen wieder dort sein. Ich glaubte nunmehr an Frieden; da ich aber die Haltung nicht vertreten wollte, durch welche dieser Friede erkauft gewesen wäre, so gab ich die Reise nach Ems auf und bat Graf Eulenburg, dorthin zu reisen und Sr. Majestät meine Auffassung vorzutragen. In gleichem Sinne sprach ich auch mit dem Kriegsminister von Roon: wir hätten die französische Ohrfeige weg, und wären durch die Nachgiebigkeit in die Lage gebracht, als Händelsucher zu erscheinen, wenn wir zum Kriege schritten, durch den allein wir den Flecken abwaschen könnten. Meine Stellung sei jetzt unhaltbar und (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 249 [2-87] gegenüber. Man hat mir erzählt, daß die Königin Augusta ihren Gemal vor seiner Abreise von Ems nach Berlin in Thränen beschworen habe, den Krieg zu verhüten im Andenken an Jena und Tilsit. Ich halte die Angabe für glaubwürdig bis auf die Thränen. Zum Rücktritt entschlossen trotz der Vorwürfe, die mir Roon darüber machte, lud ich ihn und Moltke zum 13. ein, mit mir zu Drei zu speisen, und theilte ihnen bei Tische meine An- und Absichten mit. Beide waren sehr niedergeschlagen und machten mir indirect Vorwürfe, daß ich die im Vergleiche mit ihnen größere Leichtigkeit des Rückzuges aus dem Dienste egoistisch benutzte. Ich vertrat die Meinung, daß ich mein Ehrgefühl nicht der Politik opfern könne, daß sie Beide als Berufssoldaten wegen der Unfreiheit ihrer Entschließung nicht dieselben Gesichtspunkte zu nehmen brauchten wie ein verantwortlicher auswärtiger Minister. Während der Unterhaltung wurde mir gemeldet, daß ein Ziffertelegramm, wenn ich mich recht erinnere, von ungefähr 200 Gruppen, aus Ems, von dem Geheimrath Abeken unterzeichnet, in der Uebersetzung begriffen sei. Nachdem mir die Entzifferung überbracht war, welche ergab, daß Abeken das Telegramm auf Befehl Sr. Majestät redigirt und unterzeichnet hatte, las ich dasselbe meinen Gästen vor 1), deren (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 264 [2-92] trinken wiedergefunden und sprachen in heiterer Laune. Roon sagte: „Der alte Gott lebt noch und wird uns nicht in Schande verkommen lassen.“ Moltke trat so weit aus seiner gleichmüthigen Passivität heraus, daß er sich, mit freudigem Blick gegen die Zimmerdecke und mit Verzicht auf seine sonstige Gemessenheit in Worten, mit der Hand vor die Brust schlug und sagte: „Wenn ich das noch erlebe, in solchem Kriege unsre Heere zu führen, so mag gleich nachher ‚die alte Carcasse‘ der Teufel holen.“ Er war damals hinfälliger als später und hatte Zweifel, ob er die Strapazen des Feldzugs überleben werde. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 270 Die Verstimmung gegen mich, welche die höhern militärischen Kreise aus dem östreichischen Kriege mitgebracht hatten, dauerte während des französischen fort, gepflegt nicht von Moltke und Roon, aber von den „Halbgöttern“, wie man damals die höhern Generalstabsoffiziere nannte. Sie machte sich im Feldzuge für mich und meine Beamten bis in das Gebiet der Naturalverpflegung und Einquartirung fühlbar 1). Sie würde noch weiter gegangen sein, wenn sie nicht in der sich immer gleichbleibenden, weltmännischen Höflichkeit des Grafen Moltke ein Correctiv gefunden hätte. Roon war im Felde nicht in der Lage, mir als Freund und College Beistand zu leisten; er bedurfte im Gegentheil schließlich in Versailles meines Beistandes, um im Kreise des Königs seine militärischen Ueberzeugungen geltend zu machen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 271 Schon bei der Abreise nach Köln erfuhr ich durch einen Zufall, daß beim Ausbruch des Krieges der Plan festgestellt war, mich von den militärischen Berathungen auszuschließen. Ich konnte das aus einem Gespräch des Generals von Podbielski mit Roon entnehmen, (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 272 1) Vgl. das amtliche Schreiben Bismarck's an Roon vom 10. August 1870 bei Poschinger, Bismarck-Portefeuille II 189 f. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 281 Im Kriegsrathe war Roon der einzige Vertreter meiner Ansicht, daß wir mit Abschluß des Krieges Eile hätten, wenn wir die Einmischung der Neutralen und ihres Congresses sicher hintanhalten wollten; er befürwortete die Nothwendigkeit, aggressiv mit schwerem Geschütz gegen Paris vorzugehn, gegenüber dem in den Kreisen hoher Frauen für humaner geltenden Systeme der Aushungerung. Die Zeit, die das letztre in Anspruch nehmen würde, ließ sich bei der (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 315 Es ist nicht anzunehmen, daß die übrigen Generale von rein militärischem Standpunkte andrer Meinung als Roon sein konnten; unsre Stellung zwischen der uns an Zahl überlegnen eingeschlossenen Armee und den französischen Streitkräften in den Provinzen war strategisch eine bedrohte und ihr Festhalten nicht erfolgversprechend, wenn man sie nicht als Basis angriffsweisen Fortschreitens benutzte. Das Bedürfniß, ihr bald ein Ende zu machen, war in militärischen Kreisen in Versailles ebenso lebhaft wie die Beunruhigung in der Heimath über die Stagnation. Man brauchte noch garnicht mit der Möglichkeit von Krankheiten und unvorhergesehnen Rückschlägen infolge von Unglück oder Ungeschick zu rechnen, um von selbst auf den Gedankengang zu gerathen, der mich beunruhigte, und sich zu fragen, ob das Ansehn und der politische Eindruck, die das Ergebniß unsrer ersten raschen und großen Siege an den neutralen Höfen gewesen waren, nicht vor der scheinbaren Thatlosigkeit und Schwäche unsrer Haltung vor Paris verblassen würden und ob die Begeisterung anhalten würde, in deren Feuer sich eine haltbare Einheit schmieden ließ. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 319 Da die Beschießung nicht begonnen werden konnte, bevor das für wirksame Durchführung ohne Unterbrechung erforderliche Quantum Munition zur Hand war, so wurde in Ermangelung von Bahn- Material nun eine erhebliche Anspannung von Pferden und für diese ein Aufwand von Millionen erforderlich. Mir sind die Zweifel nicht verständlich, die darüber obwalten konnten, ob diese Millionen verfügbar wären, sobald das Bedürfniß für kriegerische Zwecke vorlag. Es erschien mir als ein erheblicher Fortschritt, als Roon, schon nervös aufgerieben und erschöpft, mir eines Tages mittheilte, daß man jetzt ihm persönlich die Verantwortlichkeit mit der Frage zugeschoben habe, ob er bereit sei, die Geschütze in absehbarer Zeit heranzuschaffen; er sei in Zweifel in Betreff der Möglichkeit. Ich bat ihn, die ihm gestellte Aufgabe sofort zu übernehmen, und (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 320 [2-113] erklärte mich bereit, jede dazu erforderliche Summe auf die Bundeskasse anzuweisen, wenn er die vielleicht 4000 Pferde, die er als ungefähren Bedarf angab, ankaufen und zur Beförderung der Geschütze verwenden wolle. Er gab die entsprechenden Aufträge, und die in unserm Lager lange mit schmerzlicher Ungeduld erwartete und mit Jubel begrüßte Beschießung des Mont Avron war das Ergebniß dieser wesentlich Roon zu dankenden Wendung. Eine bereitwillige Unterstützung fand er für das Heranschaffen und die Verwendung der Geschütze bei dem Prinzen Krafft Hohenlohe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 321 Wenn man sich fragt, was andre Generale bestimmt haben kann, die Ansicht Roons zu bekämpfen, so wird es schwer, sachliche Gründe für die Verzögerung der gegen die Jahreswende ergriffenen Maßregeln aufzufinden. Von dem militärischen wie von dem politischen Standpunkte erscheint das zögernde Vorgehn widersinnig und gefährlich, und daß die Gründe nicht in der Unentschlossenheit unsrer Heeresleitung zu suchen waren, darf man aus der raschen und entschlossenen Führung des Krieges bis vor Paris schließen. Die Vorstellung, daß Paris, obwohl es befestigt und das stärkste Bollwerk der Gegner war, nicht wie jede andre Festung angegriffen werden dürfe, war aus England auf dem Umwege über Berlin in unser Lager gekommen, mit der Redensart von dem „Mekka der Civilisation“ und andern in dem cant der öffentlichen Meinung in England üblichen und wirksamen Wendungen der Humanitätsgefühle, deren Bethätigung England von allen andern Mächten erwartet, aber seinen eignen Gegnern nicht immer zu Gute kommen läßt. Von London wurde bei unsern maßgebenden Kreisen der Gedanke vertreten, daß die Uebergabe von Paris nicht durch Geschütze, sondern nur durch Hunger herbeigeführt werden dürfe. Ob der letztre Weg der menschlichere war, darüber kann man streiten, auch darüber, ob die Greuel der Commune zum Ausbruch gekommen sein würden, wenn nicht die Hungerzeit das Freiwerden der anarchischen Wildheit vorbereitet hätte. Es mag dahingestellt bleiben, ob bei der englischen Einwirkung zu Gunsten der (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 324 Die Gründe der Verzögerung des Angriffs auf Paris, über die die Wissenden Schweigen beobachtet hatten, sind durch die in der „Deutschen Revue“ von 1891 erfolgten Veröffentlichungen aus den Papieren des Grafen Roon 1) Gegenstand publicistischer (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 326 [2-115] Erörterung geworden. Alle gegen die Darstellung Roons gerichteten Ausführungen umgehn die Berliner Einflüsse und die englischen, auch die Thatsache, daß 800, nach Andern 1500 Axen mit Lebensmitteln für die Pariser wochenlang festlagen; und alle, mit Ausnahme eines anonymen Zeitungsartikels, umgehn ebenso die Frage, ob die Heeresleitung rechtzeitig für die Herbeischaffung von Belagerungsgeschütz Sorge getragen habe. Ich habe keinen Anlaß gefunden, an meinen vorstehenden, vor dem Erscheinen der betreffenden Nummern der „Deutschen Revue“ gemachten Aufzeichnungen irgend etwas zu ändern. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 384 Die „Germania“ vom 6. December 1891 deducirt aus dem Briefwechsel zwischen dem Grafen von Roon und Moritz von (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 388 [2-140] dies zweifellos der Fall 1). Mangel an Klarheit zeigt sich in seinem Briefe an Roon vom April 1874 2), in welchem er gleichzeitig von seiner Ablehnung und von meinem Fallenlassen Falk gegenüber spricht. Wenn die conservative Partei in der Person ihrer damaligen Hauptredner und Führer Blanckenburg und Kleist-Retzow bereitwillig mit mir gegangen wäre, so würde die Mischung des Ministeriums eine andre und das, was in dem Briefe die Falksche Sackgasse genannt ist, vielleicht nicht nothwendig geworden sein. Die Ablehnung der Ministerstellung ist aber, wie der Brief documentirt, von Blanckenburg selbst ausgegangen, vielleicht nicht unbeeinflußt durch die Residuen der Kämpfe der „armen Lutheraner“, der „Alt-Lutheraner“, zu denen Blanckenburg sich hielt, in den dreißiger Jahren. Als er sich von der Politik zurückzog, hatte ich die Empfindung, daß er mich im Stiche ließ. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 389 Daß ich den Widerstand des Kaisers Wilhelm gegen die Civilehe gebrochen hätte, ist eine der Erfindungen des demokratischen Jesuitismus, den die „Germania“ 3) vertritt. Die Abneigung des Kaisers wurde überwunden durch den Druck, den die Majorität der ohne mich und unter Roons formalem Präsidium in Berlin anwesenden Minister auf Se. Majestät ausübte, und der so weit ging, daß der Kaiser zwischen Annahme des Gesetzentwurfs und Neubildung des Ministeriums zu wählen hatte. In meinem damaligen Gesundheitszustande wäre ich der Aufgabe nicht gewachsen gewesen, aus den mir und sich unter einander feindlichen Fractionen ein neues Cabinet behufs Fortsetzung der Kämpfe nach allen Seiten hin zu recrutiren. Wenn der Kaiser in dem Briefe vom 8. Mai 1874 retrospectiv sagt, daß er trotz seiner Hinfälligkeit noch zwei Mal dagegen geschrieben habe, so waren diese (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 390 1) Deutsche Revue October 1891 S. 140, Roon's Denkwürdigkeiten III 4 370 ff. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 391 2) Deutsche Revue December 1891 S. 270, Roon's Denkwürdigkeiten III 4 406. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 400 Wenn man die sehr sachkundigen Berichte liest, welche Roon, damals in Bordighera, im Februar 1868 von Mitgliedern der conservativen Partei empfing, abgedruckt in der „Deutschen Revue“ vom April 1891 2), so sieht man, daß die Conservativen von mir verlangten, in ihre Fraction einzutreten. Ich hatte wenig Zeit übrig, war präoccupirt durch das, was wir von Frankreich zu erwarten (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 404 Wie Roon selbst über die ihm berichteten Zustände dachte, ergibt sich aus seinem Briefe an mich vom 19. Februar 1868, aus Bordighera, dessen einschlagende Stellen lauten *): (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 411 Einige Tage später, am 25. Februar, schrieb Roon an seinen ältesten Sohn 1): (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 415 Roons Erwartung erfüllte sich nicht; die conservative Partei blieb, was sie war; der Conflict, in den sie sich mit mir versetzt hatte, dauerte mehr oder weniger latent fort. Ich begreife, daß meiner Politik die mit dem vulgären Namen Kreuzzeitung bezeichnete conservative Richtung feindlich war, in manchen Mitgliedern aus achtbaren prinzipiellen Gründen, die in dem Einzelnen eine stärkere Triebkraft ausübten, als ihr mehr preußisches wie deutsches Nationalgefühl. In andern, ich möchte sagen in meinen Gegnern zweiter Classe, lag das Motiv der Opposition im Streberthum — ôte-toi, que je m'y mette — deren Prototyp Harry Arnim, Robert Goltz und Andre waren. Als dritte Classe möchte ich meine Standesgenossen im Landadel bezeichnen, die sich (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 429 Die exclusivere Fühlung mit den Nationalliberalen, zu welcher der Abfall der Conservativen mich nothwendig führte, wurde in Kreisen der letztern Grund oder Vorwand zu gesteigerter Animosität gegen mich. In der Zeit, während deren ich, durch Krankheit genöthigt, dem Grafen Roon den Vorsitz im Staatsministerium (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 430 [2-152] abgetreten hatte, von Neujahr bis November 1873, fanden bei ihm in kleinen und größern Kreisen abendliche Begegnungen mir feindlicher Politiker der rechten Seite statt. An diesen nahm Graf Harry Arnim, der Herrngesellschaften ohne politischen Zweck nicht zu besuchen pflegte, wenn er sich auf Urlaub in Berlin befand, in der Rolle Theil, daß er auf die Anwesenden den Eindruck machte, den mir Roon selbst mit den Worten wiedergab: „In dem steckt doch ein tüchtiger Junker!“ Die gesprächliche Verbindung, in welcher dieses Urtheil ausgesprochen wurde, und die öftere scharf accentuirte Wiederholung desselben im Munde meines Freundes und Collegen hatte die Tragweite eines Vorwurfs für mich wegen Mangels gleicher Eigenschaften, und einer Andeutung, als ob Arnim die innere Politik schneidiger und conservativer behandeln würde, wenn er an meiner Stelle wäre. In den Unterredungen, in denen dieses Thema des Arnimschen Junkerthums breit entwickelt wurde, gewann ich den Eindruck, daß auch mein alter Freund Roon unter der Einwirkung der bei ihm stattfindenden Conventikel in dem Vertrauen zu meiner Politik einigermaßen erschüttert war. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 512 [2-182] etwa die bezeichnete Richtung einhalten wollte, bald zwischen dem Könige und seiner Fraction zu wählen haben. Er möge sich klar machen, daß wenn es mir gelänge, seine Ernennung durchzusetzen, damit ihm und seiner Partei eine mächtige Handhabe zur Verstärkung und Erweiterung ihres Einflusses geboten sei; er möge sich das Beispiel Roons vergegenwärtigen, der als der einzige Conservative in das liberale Auerswaldsche Ministerium trat und der Krystallisationspunkt wurde, um den es sich in ein conservatives verwandelte. Er möge nichts Unmögliches von mir verlangen, ich kennte den König und die Grenzen meines Einflusses genau genug; mir wären die Parteien ziemlich gleichgültig, sogar ganz gleichgültig, wenn ich von den eingestandenen und nicht eingestandenen Republikanern absähe, die nach rechts mit der Fortschrittspartei abschlössen. Mein Ziel sei die Befestigung unsrer nationalen Sicherheit; zu ihrer innern Ausgestaltung werde die Nation Zeit haben, wenn erst ihre Einheit und damit ihre Sicherheit nach Außen consolidirt sein werde. Für die Erreichung des letztern Zwecks sei gegenwärtig auf dem parlamentarischen Gebiete die nationalliberale Partei das stärkste Element. Die conservative Partei, der ich im Parlament angehört, habe die geographische Ausdehnung, deren sie in der heutigen Bevölkerung fähig sei, erreicht und trage nicht das Wachsthum in sich, um zu einer nationalen Majorität zu werden; ihr naturgeschichtliches Vorkommen, ihr Standort sei beschränkt in unsern neuen Provinzen; im Westen und Süden von Deutschland habe sie nicht dieselben Unterlagen wie in Alt-Preußen; in Bennigsens Heimath, Hanover, namentlich habe man nur zwischen Welfen und Nationalliberalen zu wählen, und die letztern böten einstweilen die beste Unterlage von allen denen, auf welchen das Reich Wurzel schlagen könne. Diese politische Erwägung veranlasse mich, ihnen, als der gegenwärtig stärksten Partei, entgegen zu kommen, indem ich ihren Führer zum Collegen zu werben suchte, ob für die Finanzen oder das Innere, sei mir gleichgültig. Ich sähe die Sache von dem rein politischen Standpunkte (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 514 Bennigsen blieb aber dabei, nicht ohne Forckenbeck und Stauffenberg eintreten zu wollen, und ließ mich unter dem Eindrucke, daß mein Versuch mißlungen sei, einem Eindrucke, der schnell verstärkt wurde durch das Einlaufen eines ungewöhnlich ungnädigen Schreibens des Kaisers, aus dem ich ersah, daß Graf Eulenburg zu ihm mit der Frage in das Zimmer getreten sei: „Haben Eure Majestät schon von dem neuen Ministerium gehört? Bennigsen.“ Dieser Mittheilung folgte der lebhafte schriftliche Ausbruch kaiserlicher Entrüstung über meine Eigenmächtigkeit und über die Zumuthung, daß Er aufhören solle, „conservativ“ zu regiren. Ich war unwohl und abgespannt, und der Text des kaiserlichen Schreibens und der Eulenburgische Angriff fielen mir dermaßen auf die Nerven, daß ich von Neuem ziemlich schwer erkrankte, nachdem ich dem Kaiser durch Roon geantwortet hatte, ich könne ihm einen Nachfolger Eulenburgs doch nicht vorschlagen, ohne mich vorher vergewissert zu haben, daß der Betreffende die Ernennung annehmen werde; ich hätte Bennigsen für geeignet gehalten und seine Stimmungen sondirt, bei ihm aber nicht die Auffassung gefunden, die ich erwartet hätte, und die Ueberzeugung gewonnen, daß ich ihn nicht zum Minister vorschlagen könne; die ungnädige Verurtheilung, die ich durch das Schreiben erfahren hätte, nöthige mich, mein Abschiedsgesuch vom Frühjahr zu erneuern. Diese (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 515 [2-184] Correspondenz fand in den letzten Tagen des Jahres 1877 statt, und meine neue Erkrankung fiel grade in die Neujahrsnacht. Der Kaiser antwortete mir auf das Schreiben Roons, er sei über das Sachverhältniß getäuscht worden und wünsche, daß ich seinen vorhergehenden Brief als nicht geschrieben betrachte. Jede weitre Verhandlung mit Bennigsen verbot sich durch diesen Vorgang von selbst, ich hielt es aber in unserm politischen Interesse nicht für zweckmäßig, Letztern von der Beurtheilung in Kenntniß zu setzen, die seine Person und Candidatur bei dem Kaiser gefunden hatte. Ich ließ die für mich definitiv abgeschlossene Unterhandlung äußerlich in suspenso; als ich dann wieder in Berlin war, ergriff Bennigsen die Initiative, um die seiner Meinung nach noch schwebende Angelegenheit in freundschaftlicher Form zum negativen Abschluß zu bringen. Er fragte mich im Reichstagsgebäude, ob es wahr sei, daß ich das Tabakmonopol einzuführen strebe, und erklärte auf meine bejahende Antwort, daß er dann die Mitwirkung als Minister ablehnen müsse. Ich verschwieg ihm auch dann noch, daß mir jede Möglichkeit, mit ihm zu verhandeln, durch den Kaiser schon seit Neujahr abgeschnitten war. Vielleicht hatte er sich auf anderm Wege überzeugt, daß sein Plan einer grundsätzlichen Modification der Regirungspolitik im Sinne der nationalliberalen Anschauungen bei dem Kaiser auf unüberwindliche Hindernisse stoßen würde, namentlich seit einer von Stauffenberg gehaltenen Rede über die Nothwendigkeit der Abschaffung des Art. 109 der preußischen Verfassung (Forterhebung der Steuern). Wenn die nationalliberalen Führer ihre Politik geschickt betrieben hätten, so hätten sie längst wissen müssen, daß bei dem Kaiser, dessen Unterschrift sie zu ihrer Ernennung bedurften und begehrten, es keinen empfindlicheren politischen Punkt gab als diesen Artikel, und daß sie sich den hohen Herrn nicht sichrer entfremden konnten als durch den Versuch, ihm dieses Palladium zu entreißen. Als ich Sr. Majestät vertraulich den Verlauf meiner Verhandlungen mit Bennigsen erzählte und dessen Wunsch in Betreff Stauffenbergs (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 562 Die Aufgaben eines leitenden Ministers einer europäischen Großmacht mit parlamentarischer Verfassung sind an sich hinreichend aufreibender Natur, um die Arbeitsfähigkeit eines Mannes zu absorbiren; sie werden es in höherm Maße, wenn der Minister, wie in Deutschland und Italien, einer Nation über das Stadium ihrer Ausbildung hinwegzuhelfen und wie bei uns mit einem starken Isolirungstrieb der Parteien und Individuen zu kämpfen hat. Wenn man Alles, was der Mensch an Kräften und Gesundheit besitzt, an die Lösung solcher Aufgaben setzt, so ist man gegen alle Erschwerungen derselben, welche nicht sachlich nothwendig sind, doppelt empfindlich. Ich glaubte schon zu Anfang der 70er Jahre mit meiner Gesundheit zu Ende zu sein und überließ deshalb das Präsidium des Cabinets dem einzigen mir persönlich Nahestehenden unter meinen Collegen, dem Grafen Roon, wurde aber damals (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 831 [2-282] Vaters. Der Einfluß seiner Gemalin brachte ihn in reifern Jahren in Opposition gegen das traditionelle Prinzip, und die Unfähigkeit seiner Minister der Neuen Aera und das überstürzende Ungeschick der liberalen Parlamentarier in der Conflictszeit weckte in ihm wiederum den alten Pulsschlag des preußischen Prinzen und Offiziers, zumal er mit der Frage, ob die Bahn, die er einschlug, gefährlich sei, niemals rechnete. Wenn er überzeugt war, daß Pflicht und Ehre, oder eins von beiden, ihm geboten, einen Weg zu betreten, so ging er ihn ohne Rücksicht auf die Gefahren, denen er ausgesetzt sein konnte, in der Politik ebenso wie auf dem Schlachtfelde. Einzuschüchtern war er nicht. Die Königin war es, und das Bedürfniß des häuslichen Friedens mit ihr war ein unberechenbares Gewicht, aber parlamentarische Grobheiten oder Drohungen hatten nur die Wirkung, seine Entschlossenheit im Widerstande zu stärken. Mit dieser Eigenschaft hatten die Minister der Neuen Aera und ihre parlamentarischen Stützen und Gefolgschaften niemals gerechnet. Graf Schwerin war in seinem Mißverstehn dieses furchtlosen Offiziers auf dem Throne so weit gegangen, zu glauben, ihn durch Ueberhebung und Mangel an Höflichkeit einschüchtern zu können 1). In diesen Vorgängen lag der Wendepunkt des Einflusses der Minister der Neuen Aera, der Altliberalen und der Bethmann-Hollwegschen Partei, von dem ab die Bewegung rückläufig wurde, die Leitung in Roons Hände fiel und der Ministerpräsident Fürst Hohenzollern mit seinem Adjuncten Auerswald meinen Eintritt in das Ministerium wünschten. Die Königin und Schleinitz verhinderten ihn einstweilen noch, als ich im Frühjahr 1860 in Berlin war, aber die Aeußerlichkeiten, die zwischen dem Herrn und seinen Ministern vorgekommen waren, hatten in die gegenseitigen Beziehungen doch einen Riß gebracht, der nicht mehr vernarbte. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 835 [2-284] der Privatcorrespondenz angeknüpft hatte, um eine förmliche diplomatische Berichterstattung in seiner Hand zu concentriren. Ich erhielt die Beweise dafür durch den Zufall, daß einige dieser Berichte, aus deren Fassung die Thatsache der Continuität der Berichterstattung ersichtlich war, durch Mißverständniß der Feldjäger oder der Post an mich gelangten und amtlichen Berichten so genau ähnlich sahn, daß ich erst durch einzelne Bezugnahmen im Texte stutzig wurde, mir das dazu gehörige Couvert aus dem Papierkorb suchte und darauf die Adresse des Herrn von Schleinitz vorfand. Zu den Beamten, mit denen er solche Verbindungen unterhielt, gehörte unter Andern ein Consul, über den mir Roon unter dem 25. Januar 1864 schrieb, derselbe stehe im Solde von Drouyn de L'Huys und schreibe unter dem Namen Siegfeld Artikel für das „Mémorial Diplomatique“, die u. A. der Occupation der Rheinlande durch Napoleon das Wort redeten und sie in Parallele stellten mit unsrer Occupation Schleswigs. Zur Zeit der „Reichsglocke“ und der gehässigen Angriffe der conservativen Partei und der „Kreuzzeitung“ auf mich konnte ich ermitteln, daß die Colportage der „Reichsglocke“ und ähnlicher verleumderischer Preßerzeugnisse im Bureau des Hausministeriums besorgt wurde. Der Vermittler war ein höherer Subalternbeamter Namens Bernhard (?), der der Frau von Schleinitz die Federn schnitt und den Schreibtisch in Ordnung hielt. Durch ihn wurden allein an unsre höchsten Herrschaften dreizehn Exemplare der „Reichsglocke“, davon zwei in das Kaiserliche Palais, berichtmäßig eingesandt und andre an mehre verwandte Höfe. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)

 

Abs. 850 Der Kaiser konnte heftig werden, ließ sich aber in der Discussion von der etwaigen Heftigkeit dessen, mit dem er discutirte, nicht anstecken, sondern brach dann die Unterredung vornehm freundlich ab. Ausbrüche wie in Versailles bei Abwehr des Kaisertitels waren sehr selten. Wenn er heftig wurde gegen Leute, denen er wohlwollte, wie dem Grafen Roon oder mir, so war er entweder durch den Gegenstand selbst erregt oder durch fremde, außeramtliche Besprechungen vorher an Auffassungen gebunden, die sich sachlich nicht vertreten ließen. Graf Roon hörte dergleichen Explosionen an, wie ein Militär in der Front den Verweis eines hohen Vorgesetzten, den er nicht verdient zu haben glaubt, aber er litt nervös darunter und secundär auch körperlich. Auf mich haben Ausbrüche von Heftigkeit des Kaisern, die ich seltner erlebte als Roon, niemals contagiös, eher abkühlend gewirkt. Ich hatte mir die Logik zurechtgelegt, daß ein Herrscher, der mir in dem Maße Vertrauen und Wohlwollen schenkte, wie Wilhelm I., in seinen Unregelmäßigkeiten für mich die Natur einer vis major habe, gegen die zu reagiren mir nicht gegeben sei, etwa wie das Wetter oder die See, wie ein Naturereigniß, auf das ich mich einrichten müsse; und wenn mir das nicht gelang, so hatte ich eben meine Aufgabe nicht richtig angegriffen. Dieser mein Eindruck beruhte nicht auf meiner generellen Auffassung der Stellung eines Königs von Gottes Gnaden zu seinem Diener, sondern auf meiner persönlichen Liebe zu Kaiser Wilhelm I. Ihm gegenüber lag mir persönliche Empfindlichkeit sehr fern, er konnte mich ziemlich ungerecht behandeln, ohne in mir Gefühle der Entrüstung (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)