Die Schule Franz von Liszts. Sozialpräventive Kriminalpolitik und die Entstehung des modernen Strafrechts, hg. v. Koch, Arnd/Löhnig, Martin. Mohr Siebeck, Tübingen 2016. VII, 247 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Die Schule Franz von Liszts. Sozialpräventive Kriminalpolitik und die Entstehung des modernen Strafrechts, hg. v. Koch, Arnd/Löhnig, Martin. Mohr Siebeck, Tübingen 2016. VII, 247 S. Angezeigt von Gerhard Köbler.
Nach dem kurzen Vorwort der beiden Herausgeber des vorliegenden Sammelbands betrachtete es Franz von Liszt (1851-1919) als vordringlichste Aufgabe seiner Strafrechtswissenschaft, dass die Disziplin dem Gesetzgeber als Lehrmeisterin und zuverlässige Beraterin sowie Führerin im Kampfe gegen das Verbrechen zur Seite stehen sollte. Zu diesem Zweck entwarf er ein umfassendes vielfältiges kriminalpolitisches Programm, das liberal-rechtsstaatliche und autoritär-repressive Inhalte aufgreift und in teils verständnisvoller, teils aber auch menschenverachtender Sprache darstellt. Dem schlossen sich in der Folge zahlreiche Schüler an, welche die deutsche Strafrechtsdiskussion lange maßgeblich prägten.
In Erinnerung hieran fand im Herbst 2014 an der Universität Augsburg eine wissenschaftliche Tagung statt, die sich mit den Grundlagen, Gewinnen und Gefahren moderner Kriminalpolitik befasste und die strafrechtliche Stellung der Schüler Liszts von seinem Tode bis in die frühe Zeit nach dem zweiten Weltkrieg einschließlich systemübergreifender Kontinuitäten befasste. Insgesamt enthält der daraus erwachsene Sammelband in lose chronologisch-sachlicher Ordnung zehn vielfältige weiterführende Referate. Abgeschlossen wird er durch ein kurzes Autorenverzeichnis von Wolfgang Frisch über Arnd Koch, Johannes Kaspar, Michael Kubicek, Martin Löhnig, Michael Pawlik, Franz Streng, Carl-Friedrich Stuckenberg und Richard F. Wetzell bis zu Benno Zabel.
Dabei beginnt Wolfgang Frisch mit Werk und Wirkung des neben Karl Binding aus dem Kreis der Großen des Strafrechts an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert herausragenden Kriminalpolitikers und Strafrechtsdogmatikers Franz von Liszt, der nach der Geburt und dem Studium der Rechtswissenschaft in Wien bei Jhering, in Göttingen und Heidelberg sowie der Promotion und Habilitation in Graz über Gießen, Marburg und Halle 1899 nach Berlin kam. Danach werden die Schüler (wie Arthur Baumgarten, Ernst Delaquis, Alexander Graf zu Dohna, Herbert Engelhard, Franz Exner, Bertold Freudenthal, Ernst Hafter, Fritz Hartung, Hans von Hentig, Robert von Hippel, Hermann Kantorowicz, Eduard Kohlrausch, Hermann Kriegsmann, Moritz Liepmann, Gustav Radbruch, Ernst Rosenfeld, Eberhard Schmidt, Ottokar Tesar, Friedrich Wachenfeld, Alexander Hold von Ferneck, Alexander Löffler, Theodor Rittler, Isopescul-Gecul und Makarewicz) vorgestellt, wird der Begriff der Liszt-Schule sorgfältig bestimmt und werden als Gegner Karl Binding, Karl (von) Birkmeyer, Friedrich Oetker und Johannes Nagler besonders hervorgehoben. Darüberhinaus werden in vielfältiger Weise die zeitgenössischen philosophischen Strömungen, die Reformbewegung, die Unschädlichmachung der Unverbesserlichen, die Kriminologie, die Reform des Strafprozessrechts, der totalitäre Kontext, die internationale Strafrechtsreformbewegung und sogar das europäische Strafrecht eingebunden, so dass insgesamt ein modernes Mosaik zu Franz von Liszts Bedeutung für die sozialpräventive Kriminalpolitik und das moderne Strafrecht geschaffen wird, das es in dieser Art bisher nicht gegeben hat.
Innsbruck Gerhard Köbler