Hornung, Katrin, Die öffentlich-rechtliche Durchdringung des Wohnraummietrechts. Entwicklung des sozialen Mietrechts am Ende des Kaiserreichs und in der Weimarer Republik (= Rechtsgeschichtliche Studien 44). Kovač, Hamburg 2012. XVIII, 346 S. Besprochen von Werner Schubert.
Hornung, Katrin, Die öffentlich-rechtliche Durchdringung des Wohnraummietrechts. Entwicklung des sozialen Mietrechts am Ende des Kaiserreichs und in der Weimarer Republik (= Rechtsgeschichtliche Studien 44). Kovač, Hamburg 2012. XVIII, 346 S. Besprochen von Werner Schubert.
Die Augsburger Dissertation Katrin Hornungs hat sich zum Ziel gesetzt, „die Wandlung des Raummietrechts von einem zunächst rein privatrechtlichen Rechtssystem hin zu einer von öffentlich-rechtlichen Einzelregelungen durchdrungenen Zwangswirtschaft darzustellen“, die sich seit dem Beginn des Ersten Weltkriegs vollzogen hat. In einem ersten Teil beleuchtet Hornung die „geschichtlichen Hintergründe“, die zur Etablierung eines staatlich reglementierten Mietrechts geführt haben (S. 3ff.). Hierbei geht es vor allem um die Wohnungsnot, die auch speziell für Augsburg dargestellt wird (S. 28ff.). Im zweiten Teil des Werkes werden die Bedeutungszunahme des Wohnraummietrechts für die Industriegesellschaft (S. 31 ff.) und das Wohnungsmietrecht des BGB, dessen geistiger Hintergrund und dessen Umgestaltung durch die Praxis betrachtet (S. 64ff.; hierzu auch Schubert, Vom preußischen Mietrecht zum Mietrecht des BGB – Normengeschichte und frühe Rechtsprechung des Reichsgerichts, in: Gedächtnisschrift für Jürgen Sonnenschein, Berlin 2003, S. 11ff.). Die ersten Eingriffe in das privatrechtliche Wohnraummietrecht erfolgten durch die Etablierung von Mieteinigungsämtern im Dezember 1914 und durch die Mieterschutzverordnung von 1917 (S. 81ff., 117ff.), die erstmals zu einer „Durchdringung des privatrechtlichen Vorgangs des Vertragsschlusses oder der Vertragsbeendigung“ (S. 111) führte. Im September 1918 wurde eine staatliche Wohnungszwangswirtschaft eingeführt (S. 126 ff.). Das unübersichtlich gewordene Wohnungsmietrecht wurde durch die drei sog. „Grundgesetze der Wohnungszwangswirtschaft“ von 1922/1923 zusammengefasst, zu denen das Reichsmietengesetz, das Gesetz über Mieterschutz und Mieteinigungsämter und das Wohnungsmangelgesetz gehörten. Eine Lockerung erfolgte ab 1930 (S. 202ff.).
Im dritten Teil ihrer Untersuchung geht Hornung auf die Vereinbarkeit des Grundsatzes der Vertragsfreiheit mit dem Erfordernis der sozialen Ausrichtung des Raummietrechts ein, deren Notwendigkeit bereits am Ende des 19. Jahrhunderts allgemein anerkannt war (S. 259ff.). Auf S. 221ff. stellt die Verfasserin die Maßnahmen zur Beschränkung der Vertragsfreiheit rechtssystematisch dar, die teils dem Privatrecht, teils dem öffentlichen Recht angehörten. Mit dem Mieterschutzgesetz von 1923 zeigte sich, dass „trotz der zahlreichen Maßnahmen der öffentlichen Hand im Bereich der Wohnungsraummiete und der unzähligen zwingenden Normen das Wohnungsmietrecht stets eine Institution des Privatrechts geblieben ist“ (S. 301). Es war am Ende der Weimarer Zeit geplant, bis 1936 das Mietrecht des Bürgerlichen Gesetzbuchs unter Außerkraftsetzung der Mietgesetze von 1923 „unter sozialen Gesichtspunkten“ auszugestalten (zu den vorbereitenden Arbeiten vgl. Schubert, Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Germ. Abt., Bd. 106 [1989], S. 143ff.); jedoch kam diese Reform in der NS-Zeit nicht mehr zustande. Das Werk wird abgeschlossen mit einem Anhang, der die Bestimmungen des Mietrechts mit der ursprünglichen BGB-Fassung von 1896 bringt (S. 333ff.).
Das Werk Hornungs bringt eine übersichtliche und für den Untersuchungszeitraum vollständige Darstellung des Mietrechts für die Zeit von 1914 bis 1931 unter Heranziehung auch der zeitgenössischen Literatur. Entsprechend der aufgezeigten Zielsetzung der Untersuchungen war es schon im Hinblick auf die Vielzahl der behandelten Gesetze und Verordnungen nicht möglich, detaillierter auf deren Entstehungsgeschichte näher einzugehen, wie dies Jens-Uwe Petersen in seiner Dissertation über: „Die Vorgeschichte und die Entstehung des Mieterschutzgesetzes von 1923 nebst der Anordnung für das Verfahren vor dem Mieteinigungsamt und der Beschwerdestelle“ (Frankfurt/Main 1991) versucht hat. Insgesamt liegt mit dem Werk Hornungs ein wichtiger Beitrag zur Geschichte der Anfänge des modernen Mietrechts und zugleich zur Frage der „Vereinbarkeit einer sozialen Ausgestaltung privatrechtlicher Normen mit dem Grundsatz der Vertragsfreiheit“ (S. 1) vor.
Kiel
Werner Schubert