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Rentmeister, Lars, Staat und Kirche im späten Mittelalter. Der Schriftwechsel zwischen Johannes Klenkok und Herbord von Spangenberg über den Sachsenspiegel. tredition, Hamburg 2016. 473 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Rentmeister, Lars, Staat und Kirche im späten Mittelalter. Der Schriftwechsel zwischen Johannes Klenkok und Herbord von Spangenberg über den Sachsenspiegel. tredition, Hamburg 2016. 473 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der Sachsenspiegel Eike von Repgows von vielleicht 1221 bis 1224 ist das bekannteste deutsche Rechtsbuch und seit langer Zeit ein Kerngegenstand deutscher Rechtsgeschichte. Fast 150 Jahre nach seiner Niederschrift stellte der Theologe Johannes Klenkok zunächst zehn, später 21 Artikel zusammen, die nach seiner Ansicht entschieden kirchliches Recht verletzen. Auch sie sind fester Bestandteil des rechtsgeschichtlichen Stoffes, selbst wenn sie die Bedeutung des Sachsenspiegels letztlich wohl nicht verringern konnten.

 

Mit diesem klassischen Gegenstand beschäftigte sich der in Rechtswissenschaft und Politikwissenschaft ausgebildete, als Vorstandsmitglied bei der Kreisverwaltung Wesel tätige, in der Kirche sehr engagierte Verfasser in seiner vorliegenden, von Norbert Kapferer betreuten, 2015 zur Erlangung des Grades des Doktors der Philosophie an dem Fachbereich Politikwissenschaften und Sozialwissenschaften der Freien Universität Berlin vorgelegten Dissertation  seit einer rechtshistorischen Exegese über Sachsenspiegel Landrecht I 25 vom Sommersemester 1994 an der Universität Bochum bei Karlheinz Muscheler. In rund 20 Jahren ist aus diesen ersten Anfängen ein beeindruckendes umfangreiches, dem Lehrer wie dem Vater gewidmetes Werk erwachsen. Es gliedert sich in insgesamt zehn Teile.

 

In einer kurzen Einleitung behandelt der Verfasser das Verhältnis von Staat und Kirche im allgemeinen Wandel der Zeit, Johannes Klenkok und den Sachsenspiegel, Forschungsstand und Fragestellung sowie Aufbau und Methodik der Arbeit. Danach widmet er sich sachkundig der Entstehung und Entwicklung  des Sachsenspiegels bis zu dem bislang nur handschriftlich aufbewahrten Schriftwechsel zwischen Johannes Klenkok und dem gemäßigteren Herbord von Spangenberg und stellt dann das von ihm mit Hilfe der vorliegenden Literatur in eigenständiger Forschung ermittelte Wissen über Klenkok und Spangenberg vor. Mit einem Überblick über Struktur und Inhalt des Schriftwechsels schließt er diesen Teil seiner Ausführungen ab.

 

Den Kern seiner Untersuchung bilden danach elf Abschnitte über die diskutierten Artikel im Einzelnen. Betroffen sind Landrecht I 3,3 am Ende, Landrecht I 18,2, Landrecht I 18,3, Landrecht 1 17,2 und 18,1, Landrecht I 52,2, Landrecht I 52,1, Landrecht I 63,3, Landrecht  I 39, Landrecht I 25,1, Landrecht I 25,3 (mit Landrecht II 22,3) und Landrecht I 37 und III 2. Soweit jeweils möglich stellt der Verfasser dabei Dekadikon (Klenkoks), Oppositiones (Spangenbergs), Replicatio (Klenkoks) und Duplicatio (Spangenbergs) übersichtlich dar und fasst jeweils abschließend die Diskussion zusammen.

 

Auf dieser Grundlage betrachtet er die Auswirkungen des in einer Wolfenbütteler Handschrift überlieferten Schriftwechsels bis zur Reprobation von Artikeln durch Papst Gregor IX. und für die Zeit nach der Bulle Salvator humani generis vom 8. April 1374. Im Ergebnis gelangt er zu der ansprechenden Ansicht, dass die „Auseinandersetzung zwischen Kirche und Staat im späten Mittelalter größeren Einfluss auf den Sachsenspiegel und die in dem 14. Jahrhundert einsetzende Diskussion um das Rechtsbuch, sowohl inhaltlich als auch die handelnden Personen betreffend, hatte, als ihr in der bisherigen Sachsenspiegelforschung beigemessen wurde“, wobei die in dieser Zeit entwickelten Vorstellungen und Ideen zur Unterscheidung kirchlicher und staatlicher Zuständigkeiten Wegbereiter bis zur Moderne waren, während der Sachsenspiegel als ständiger Wegbegleiter fungierte. Den größten Weitblick in der bis zur Gegenwart aktuellen Problematik spricht er dabei abschließend Eike von Repgow zu, der schon in der Vorrede in Reimpaaren die Ansicht äußerte, dat recht nemant leren kann, dat den luden allen kunne wol bevallen.

 

Abgerundet wird die einen klassischen rechtsgeschichtlichen Gegenstand neuen Einsichten zuführende politikhistorische Untersuchung durch einen Quellenteil, der den Codex Guelferbetanus 314 Nov. f. 1r-7v (Dekadikon), f. 7v-16r (Oppositiones), f. 16r-21v (Replicatio) und f. 22r-31r (Duplicatio) enthält. Quellen- und Literaturverzeichnis, Abbildungsverzeichnis und Abkürzungsverzeichnis (58 Abbildungen) vervollständigen das neuen Grund in einer interessanten Einzelfrage legende Werk, dem allerdings ein Sachverzeichnis auch nicht hätte schaden können. Wenige kleine Schwächen können den überzeugenden Gesamteindruck nicht wirklich mindern.

 

Innsbruck                                                       Gerhard Köbler