Original Ergebnisseite.

Ditt, Thomas, „Stoßtruppfakultät Breslau“. Rechtswissenschaft im „Grenzland Schlesien“ 1933-1945 (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 67). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XIV, 318 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Ditt, Thomas, „Stoßtruppfakultät Breslau“. Rechtswissenschaft im „Grenzland Schlesien“ 1933-1945 (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 67). Mohr (Siebeck), Tübingen 2011. XIV, 318 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Thomas Henne betreute, im Sommersemester 2009 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Universität Frankfurt am Main angenommene Dissertation des 1977 geborenen, nach dem Studium der Rechtswissenschaft in Trier, Berlin (HU) und Tokio 2009 in den höheren auswärtigen Dienst Deutschlands eingetretenen Verfassers. Sie behandelt, gefördert durch die International Max Planck Research School for Comparative Legal History, ein interessantes Thema der jüngeren Rechtsgeschichte. Dabei gliedert sie in Prolog, , drei Kapitel, letztes Kapitel und Bilanz.

 

Der Prolog beginnt mit einer Annäherung, in der Breslau, die aus dem Zusammenschluss der 1702 errichteten Jesuitenhochschule und der 1506 in Frankfurt an der Oder gegründeten Universität 1811 geschaffene Universität und auf dieser Grundlage die am Ende des Jahres 1932 mit Eugen Rosenstock-Huessy (bis 1933/1934), Ernst Cohn (1932/1933), Hans Albrecht Fischer (1929-1942), Theodor Süss (1929-1933/1935) und Walter Schmidt-Rimpler (1922-1937) im Zivilrecht, mit Johannes Nagler und Arthur Wegner (bis 1934) im Strafrecht, mit Hans Helfritz(, Heinrich Pohl) und Ludwig Waldecker (1933/1934) im öffentlichen Recht sowie Axel Freiherr von Freytagh-Loringhoven als Honorarprofessor und Friedrich Schöndorf am Osteuropa-Institut besetzte Fakultät in der Weimarer Republik dargestellt werden. Politische Professoren (Freytagh-Loringhoven 1920-1942, Helfritz 1920-1945, Wegner 1926-1934 und Waldecker 1933/1934) und Antisemitismus bringen die Fakultät im „jüdischen“ bzw. „verjudeten“ Breslau in die Schlagzeilen. Im Sommer 1933 befindet sie sich zwischen den Systemen und wird mit Hilfe des Berufsbeamtengesetzes arisiert (Cohn, Waldecker, Wegner, Rosenstock-Huessy, Süss?).

 

Das erste Kapitel untersucht Konzepte und Personalpolitik und beginnt dabei mit dem rqasch zum Rektor ernannten Gustav Adolf Walz als „Führer“ der Universität. Ziele werden Reichsuniversität, Grenzland-Universität und Stoßtruppfakultät (Januar 1935). Dabei wird Freytagh-Loringhoven († 1942) in die Fakultät aufgenommen, Heinrich Lange (für Richard Schott unmittelbar nach dessen Tod) aus der Ministerialverwaltung berufen, werden Eugen Rosenstock-Huessy durch Hans Würdinger, Arthur Wegner durch Heinrich Henkel und der schillernde, in die Versicherungswirtschaft wechselnde Theodor Süss durch Hans Thieme ersetzt und wird für kurze Zeit 1934/1935 der völkischen Problemen aufgeschlossene Norbert Gürke beherbergt. Zwischen Kiel und Breslau findet der Verfasser zwar einige Parallelen, aber auch viele Unterschiede, wobei sich mit dem frühen Weggang des Führers Walz (1937) rasch ein Erlahmen des Stoßtrupps zeigt, aus dem Mitglieder (Walter Schmidt-Rimpler, Hans Würdinger, Heinrich Lange, Hans Thieme) rasch weichen.

 

Das zweite Kapitel ist dem Recht im Grenzland gewidmet. Im Mittelpunkt steht die rechtswissenschaftliche Abteilung des Osteuropa-Instituts, dessen Direktoren permanentem Wechsel unterworfen werden und das eine Neuausrichtung auf Polen findet. Hervorgehoben wird in diesem Zusammenhang auch die Rechtsgeschichte mit der ungewöhnlichen Berufung Theodor Goerlitzs und Hans Thiemes Kampf mit der polnischen Rechtswissenschaft.

 

Das dritte Kapitel konzentriert sich auf den Gemeinschaftsgedanken. Mit Heinrich Lange (bis 1939/1940) als Motor wird eine gelebte Gemeinschaft versucht, welche die Kieler Schule als Vorbild nimmt und dabei auch mit Polonaise durch den Park tanzt. Freilich entwickelt sich die angestrebte Gemeinschaft nicht frei von Störungen (Helfritz, Nagler). Das Verhältnis zur Kieler Fakultät erreicht trotz mancher Teilnahme am Kitzeberger Lager keine gleichartige Geschlossenheit

 

Die abschließende Bilanz der gut lesbaren, auf bestmöglicher Materialgrundlage ruhenden Studie zeigt, dass sich Breslau in weiten Bereichen nicht von anderen Fakultäten unterschied. Die Arisierung wurde weder begrüßt noch verhindert. Im Einzelnen überwiegen die vielfältigen individuellen Züge, so dass Konstanz zwischen dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft und dem Untergang der deutschen Universität Breslau letztlich nur in den Personen des Öffentlichrechtlers Hans Helfritz und des Strafrechtlers Johannes Nagler besteht.

 

Innsbruck                                                                                                       Gerhard Köbler