AAAKöbler, Gerhard, Nachrichten in Bismarcks Gedanken und Erinnerungen, 2016
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[1-22] und besuchte im "Deutschen Hause" den General von Möllendorf, noch steif von den Mißhandlungen, die er erlitten, als er mit den Aufständischen unterhandelte, und General von Prittwitz, der in Berlin commandirt hatte. Ich schilderte ihnen die Stimmung des Landvolks; sie gaben mir dagegen Einzelheiten über die Vorgänge bis zum 19. Morgens. Was sie zu berichten hatten und was an spätern Nachrichten aus Berlin hergelangt war, konnte mich nur in dem Glauben bestärken, daß der König nicht frei sei. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
"Jeder, dem ein preußisches Herz in der Brust schlägt, hat gewiß gleich uns Unterzeichneten mit Entrüstung die Angriffe der Presse gelesen, welchen in den ersten Wochen nach dem 19. März die Königlichen Truppen zum Lohn dafür ausgesetzt waren, daß sie ihre Pflicht im Kampfe treu erfüllt und auf ihrem befohlenen Rückzuge ein unübertroffenes Beispiel militärischer Disciplin und Selbstverleugnung gegeben hatten. Wenn die Presse seit einiger Zeit eine schicklichere Haltung beobachtet, so liegt der Grund davon bei der dieselbe beherrschenden Partei weniger in einer ihr seither gewordenen richtigen Erkenntniß des Sachverhältnisses, als darin, daß die schnelle Bewegung der neuern Ereignisse den Eindruck der ältern in den Hintergrund drängt, und man sich das Ansehn giebt, den Truppen wegen ihrer neuesten Thaten *)die frühern verzeihn zu wollen. Sogar bei dem Landvolk, welches die ersten Nachrichten von den Berliner Ereignissen mit kaum zu zügelnder Erbitterung aufnahm, fangen die Entstellungen an Consistenz zu gewinnen, welche von allen Seiten und ohne irgend erheblichen Widerspruch, theils durch die Presse, theils durch die bei Gelegenheit der Wahlen das Volk bearbeitenden Emissäre verbreitet worden sind, so daß die wohlgesinnten Leute unter dem Landvolk bereits glauben, es könne doch nicht ohne allen Grund sein, daß der Berliner Straßenkampf von den Truppen, mit oder ohne Wissen und Willen des vielverleumdeten Thronerben, vorbedachter Weise herbeigeführt sei, um dem Volke die Concessionen, welche der König gemacht hatte, zu entreißen. An eine Vorbereitung auf der andern Seite, an eine systematische Bearbeitung des Volkes, will kaum (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Ueber den Fürsten Lichnowski wurde mir erzählt, daß er abwechselnd oben im Schlosse einschüchternde Nachrichten über Schwäche der Truppen, Mangel an Lebensmitteln und Munition verbreitet und unten auf dem Platze den Aufständischen deutsch und polnisch zugeredet habe auszuhalten, oben habe man den Muth verloren. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
[1-65] mittelalterlichen Phantasie des Königs machte und dazu beitrug, daß der König über historische Formfragen und reichsgeschichtliche Erinnerungen die Gelegenheiten zu praktischem Eingreifen in die Entwicklung der Gegenwart versäumte. Das tempus utile für Einrichtung des Dreikönigsbundes wurde dilatorisch mit nebensächlichen Formfragen ausgefüllt, bis Oestreich wieder stark genug war, um Sachsen und Hanover zum Rücktritt zu vermögen, so daß beide Mitbegründer dieses Dreibundes in Erfurt ausfielen. Während des Erfurter Parlaments, in einer von dem General von Pfuel geladenen Gesellschaft, kamen vertrauliche Nachrichten einiger Abgeordneten zur Sprache über die Stärke der östreichischen Armee, die sich in Böhmen sammelte und dem Parlament als Gegengewicht und Correctiv dienen sollte. Es wurden verschiedene Zahlen, 80000 und 130000 Mann angegeben. Radowitz hörte eine Zeit lang ruhig zu und sagte dann mit dem ihm eignen Ausdruck unwiderleglicher Gewißheit auf seinen regelmäßigen Zügen in entscheidendem Tone: "Oestreich hat in Böhmen 28254 Mann und 7132 Pferde." Die Tausende, die er angab, sind mir obiter in Erinnerung, die übrigen Ziffern setze ich nach Gutdünken hinzu, nur um die erdrückende Genauigkeit der Angaben des Generals anschaulich zu machen. Natürlich brachten diese Zahlen aus dem Munde des amtlichen und competenten Vertreters der preußischen Regirung einstweilen jede abweichende Meinung zum Schweigen. Wie stark die östreichische Armee im Frühjahr 1850 in Böhmen gewesen ist, wird heut wohl feststehn; daß sie zur Olmützer Zeit erheblich mehr als 100000 Mann betrug, habe ich annehmen müssen *) *und hält sich so seiner Sache gewiß. (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
Für die deutsche Diplomatie, in so weit sie jetzt von Preußen ausgeht, öffnet sich ein glänzendes Schlachtfeld, denn leider scheint es, daß Prokesch nicht Unrecht hat, wenn er für seinen Kaiser die Kriegstrompete bläst. Die Wiener Nachrichten sind gar nicht besonders, obschon ich es doch noch nicht aufgebe, daß in der elften Stunde Buol und der Kaiser auseinander gehen werden. ... Es wäre der größeste Fehler, den man machen könnte, wenn man den mir noch nicht ganz verständlichen antifranzösischen Enthusiasmus von Bayern, Würtemberg, Sachsen und Hannover, so ganz ungenutzt vorübergehen ließe. Sobald man mit Oesterreich im Klaren ist, d. h. sowie dessen westmächtliche Sympathien klar hervortreten, müssen die lebhaftesten Verhandlungen mit den deutschen Mächten beginnen, und wir müssen einen Fürstenbund schließen, ganz anders und fester als der von Friedrich II. war 2). ... (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
... Seitdem ich alles gelesen und nach Kräften gegen einander abgewogen habe, halte ich es für sehr wahrscheinlich, daß die zwei Drittel Stimmen Oesterreich nicht entgehen werden. Hannover spielt ein falsches Spiel, Braunschweig ist westmächtlich, die Thüringer ebenso, Bayern ist in allen Zuständen und des Königs Majestät ist ein schwankendes Rohr. Selbst über Beust gehen zweifelhafte Nachrichten ein. Hierzu kommt, daß man in Wien zum Kriege entschlossen scheint. Man sieht ein, daß die expectative bewaffnete Stellung nicht länger durchzuführen ist, schon finanziell nicht, und hält das Umkehren für gefährlicher als das Vorwärtsgehen. Leicht ist das Umkehren auch wirklich nicht, und ich sehe auch nicht ein, woher dem Kaiser dazu die Entschlossenheit kommen soll. Oesterreich kann sich für das Erste und oberflächlich leichter mit den revolutionären Plänen der Westmächte verständigen als Preußen, (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
... Wenn ich die verschiedenen Nachrichten über die Quehl'schen Intriguen miteinander vergleiche, wenn ich auf die Notiz etwas (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
[1-148] gelandet seien. "Freut mich," erwiderte er, "da sind wir sehr stark." Es wurde russische Strömung. Ich glaubte, politisch meine Schuldigkeit gethan zu haben, hatte schlechte Nachrichten von meiner Frau und bat um die Erlaubniß abzureisen. Sie wurde mir indirect dadurch verweigert, daß ich auf das Gefolge übertragen wurde, ein hoher Gunstbeweis. Gerlach warnte mich, ihn nicht zu überschätzen. "Bilden Sie sich nur nicht ein," sagte er, "daß Sie politisch geschickter gewesen sind als wir. Sie sind augenblicklich in Gunst, und der König schenkt Ihnen diese Depesche, wie er einer Dame ein Bouquet schenken würde." (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
"... Berliner Nachrichten sagen mir, daß man mich am Hofe als Bonapartisten bezeichnet. Man thut mir Unrecht damit. Im Jahre 50 wurde ich von unsern Gegnern verrätherischer Hinneigung zu Oestreich angeklagt, und man nannte uns die Wiener in Berlin; später fand man, daß wir nach Juchten rochen, und nannte uns Spreekosaken. Ich habe damals auf die Frage, ob ich russisch oder westmächtlich sei, stets geantwortet, ich bin Preußisch, und mein Ideal für auswärtige Politiker ist die Vorurtheilsfreiheit, die Unabhängigkeit der Entschließungen von den Eindrücken der Abneigung oder Vorliebe für fremde Staaten und deren Regenten. Ich habe, was das Ausland anbelangt, in meinem Leben nur für England und seine Bewohner Sympathie gehabt und bin stundenweis noch nicht frei davon; aber die Leute wollen sich ja von uns nicht lieben lassen, und ich würde, sobald man mir nachweist, daß es im Interesse einer gesunden und wohldurchdachten preußischen Politik liegt, unsre Truppen mit derselben Genugthuung auf die französischen, russischen, englischen oder östreichischen feuern sehen. In Friedenszeiten halte ich es für muthwillige Selbstschwächung, sich Verstimmungen zuzuziehn oder solche zu unterhalten, ohne daß man einen praktischen politischen Zweck damit verbindet, und die Freiheit seiner künftigen Entschließungen und Verbindungen vagen und unerwiderten Sympathien zu opfern, Concessionen, wie sie Oestreich jetzt in Betreff Rastatts von uns (AAABismarckgedanken1korr-20160203.doc)
„Nachdem die Nachrichten von der Entsagung des Erbprinzen von Hohenzollern der kaiserlich französischen Regirung von der königlich spanischen amtlich mitgetheilt worden sind, hat der französische Botschafter in Ems an Seine Majestät den König noch die Forderung gestellt, ihn zu autorisiren, daß er nach Paris telegraphire, daß Seine Majestät der König sich für alle Zukunft verpflichte, niemals wieder seine Zustimmung zu geben, wenn die (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
[2-98] Wenn ich mich auch in Versailles beschied, in militärischen Dingen zu einem Votum nicht berufen zu sein, so lag mir doch als dem leitenden Minister die Verantwortlichkeit für die richtige politische Ausnutzung der militärischen, wie der auswärtigen Situation ob, und ich war verfassungsmäßig der verantwortliche Rathgeber des Königs in der Frage, ob die militärische Situation irgend welche politische Schritte oder die Ablehnung irgend welcher Zumuthung andrer Mächte rathsam machte. Ich habe damals die Nachrichten über die militärische Lage, deren ich für die Beurtheilung der politischen bedurfte, so weit als möglich mir dadurch zu verschaffen gesucht, daß ich mich mit einigen der unbeschäftigten hohen Herrn, welche die „zweite Staffel“ des Hauptquartiers bildeten und im Hôtel des Réservoirs zusammenkamen, in vertraulichen Beziehungen hielt, denn diese fürstlichen Herrn erfuhren über die militärischen Vorgänge und Absichten erheblich mehr als der verantwortliche Minister des Auswärtigen und machten mir manche für mich sehr werthvolle Mittheilung, von der sie annahmen, daß sie für mich natürlich kein Geheimniß sei. Auch der englische Correspondent im Hauptquartier, Russell, war in der Regel über die Absichten und Vorgänge in demselben besser wie ich unterrichtet und eine nützliche Quelle für meine Informationen. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
[2-114] Humanität des Aushungerns nur Empfindsamkeit und nicht auch politische Berechnung im Spiele war. England hatte kein praktisches Bedürfniß, weder uns noch Frankreich vor Schädigung und Schwächung durch den Krieg zu behüten, weder wirthschaftlich noch politisch. Jedenfalls vermehrte die Verschleppung der Ueberwältigung von Paris und des Abschlusses der kriegerischen Vorgänge für uns die Gefahr, daß die Früchte unsrer Siege uns verkümmert werden könnten. Vertrauliche Nachrichten aus Berlin ließen erkennen, daß in den sachkundigen Kreisen der Stillstand unsrer Thätigkeit Besorgniß und Unzufriedenheit erregte, und daß man der Königin Augusta einen brieflichen Einfluß auf ihren hohen Gemal im Sinne der Humanität zuschrieb. Eine Andeutung, die ich dem Könige über Nachrichten derart machte, hatte einen lebhaften Zornesausbruch zur Folge, nicht in dem Sinne, daß die Gerüchte unbegründet seien, sondern in einer scharfen Bedrohung jeder Aeußerung einer derartigen Verstimmung gegen die Königin. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)
[2-178] ist. Man kann ja sagen, daß es für den Frieden nicht förderlich ist, wenn Frankreich die Sicherheit hat, daß es unter keinen Umständen angegriffen wird, es möge thun, was es wolle. Ich würde noch heut wie 1867 in der Luxemburger Frage Eurer Majestät niemals zureden, einen Krieg um deswillen sofort zu führen, weil wahrscheinlich ist, daß der Gegner ihn später besser gerüstet beginnen werde; man kann die Wege der göttlichen Vorsehung dazu niemals sicher genug im Voraus erkennen. Aber es ist auch nicht nützlich, dem Gegner die Sicherheit zu geben, daß man seinen Angriff jedenfalls abwarten werde. Deshalb würde ich Münster noch nicht tadeln, wenn er in solchem Sinne gelegentlich geredet hätte, und die englische Regirung hätte deshalb noch kein Recht gehabt, auf außeramtliche Reden eines Botschafters amtliche Schritte zu gründen, und sans nous dire gare die andern Mächte zu einer Pression auf uns aufzufordern. Ein so ernstes und unfreundliches Verfahren läßt doch vermuthen, daß die Königin Victoria noch andre Gründe gehabt habe, an kriegerische Absichten zu glauben als gelegentliche Gesprächswendungen des Grafen Münster, an die ich nicht einmal glaube. Lord Russell hat versichert, daß er jederzeit seinen festen Glauben an unsre friedlichen Absichten berichtet habe. Dagegen haben alle Ultramontane und ihre Freunde uns heimlich und öffentlich in der Presse angeklagt, den Krieg in kurzer Frist zu wollen, und der französische Botschafter, der in diesen Kreisen lebt, hat die Lügen derselben als sichre Nachrichten nach Paris gegeben. Aber auch das würde im Grunde noch nicht hinreichen, der Königin Victoria die Zuversicht und das Vertrauen zu den von Eurer Majestät selbst dementirten Unwahrheiten zu geben, das Höchstdieselbe noch in dem Briefe vom 20. Juni ausspricht. Ich bin mit den Eigenthümlichkeiten der Königin zu wenig bekannt, um eine Meinung darüber zu haben, ob es möglich ist, daß die Wendung, es sei ,ein Leichtes nachzuweisen‘, etwa nur den Zweck haben könnte, eine Uebereilung, die einmal geschehn ist, zu maskiren, anstatt sie offen einzugestehn. (AAABismarckgedanken2korr-20160203.doc)