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Urkundenbuch der ehemals freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen, bearb. v. Herquet, Karl unter Mitwirkung von Schweineberg, W., hg. v. Magistrate der Stadt Mühlhausen (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 3). Halle 1874. Neudruck Rockstuhl, Bad Langensalza. 2009. 674 S., Ill. Besprochen von Gerhard Günther.

Urkundenbuch der ehemals freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen, bearb. v. Herquet, Karl unter Mitwirkung von Schweineberg, W., hg. v. Magistrate der Stadt Mühlhausen (= Geschichtsquellen der Provinz Sachsen 3). Halle 1874. Neudruck Rockstuhl, Bad Langensalza. 2009. 674 S., Ill. Besprochen von Gerhard Günther.

 

1874 erschien als 3. Band der Geschichtsquellen der preußischen Provinz Sachsen das Urkundenbuch der freien Reichsstadt Mühlhausen. Es war eines der ersten modernen Urkundenbücher von Städten, herausgegeben vom Magistrat der Stadt mit finanzieller Unterstützung des Provinziallandtages und erschien im Verlag des Waisenhauses der Frankeschen Stiftungen in Halle. Um Kosten zu sparen verwendete man eine billige Papiersorte, die etwa dem Holzschliffpapier der Zeitungen entsprach. Nach fast 140 Jahren lösen sich stark benutzte Exemplare in Einzelteile auf. Es ist daher dem Verlag Rockstuhl zu danken, wenn jetzt ein Reprint auf alterungsbeständigem Papier nach ISO 9706 vorgelegt wird, zumal angesichts der offensichtlich geringen Auflagenhöhe antiquarische Exemplare nur ganz selten und wenn, dann zu sehr hohen Preisen erhältlich waren.

 

Herquet hat auch Urkunden als Regest aufgenommen, in denen Mühlhausen nur als Ausstellungsort (daher die große Zahl von 94 Königsurkunden) oder in denen Personen aus Mühlhausen und Umgebung nur als Zeugen erscheinen oder auch wenn ein anderer Bezug auf Mühlhausen vorhanden war. In den Staatsarchiven Dresden, Magdeburg und Wolfenbüttel fand er hilfreiche Kollegen, die ihm handschriftlich Abschriften anfertigten, beim Stadtarchiv Erfurt (anscheinend ohne Archivar!) half ihm Stadtrat a. D. Herrmann.

 

Hinsichtlich der zahlreichen bereits gedruckten Quellen unterstützten die Bibliotheken in Kassel und Göttingen. Ohne Herquet einen Vorwurf machen zu wollen – er hat in kurzer Zeit eine enorme Leistung vollbracht – sei angemerkt, dass die Archive der beiden mit Mühlhausen eng verbundenen Reichsstädte Goslar und Nordhausen und das Archiv der Nachbarstadt Langensalza nicht benutzt wurden, wahrscheinlich weil sie damals nicht von Archivaren betreut wurden. Über den samländischen Deutschordensbischof Kristan von Mühlhausen hat Herquet alle ihm erreichbaren Nachrichten zusammengestellt, die er in seinem Werk „Kristan von Mühlhausen, Bischof von Samland. 1276-1295, Halle 1874“ und einigen Aufsätzen (vgl. Kruppe, M., Herquet, Karl, preuß. Staatsarchivar und Wissenschaftler, am Ende des Reprints, S. 671-674) auswertete.

 

Das im Anhang zum vierten und bislang letzten Mal edierte „älteste Stadtrecht von Mühlhausen“ ist aber kein Stadtrecht, sondern das Mühlhäuser Rechtsbuch nach des Reiches Recht in der Fassung der jüngeren Mühlhäuser Handschrift (Dazu ausführlich Herbert Meyer, Das Mühlhäuser Reichsrechtsbuch aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts. Deutschlands ältestes Rechtsbuch nach den altmitteldeutschen Handschriften, 2. Aufl. Weimar 1934, und weiterführend Hans Patze, Zum ältesten Rechtsbuch der Reichsstadt Mühlhausen/Th. aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts. In: Jahrbuch für die Geschichte Mittel- und Ostdeutschlands, Bd. 9/10, Tübingen 1961, S. 59-126.). Die Varianten wurden von Herquet nicht nach der ältesten erhalten gebliebenen Handschrift im Stadtarchiv Nordhausen angegeben, sondern nach deren Edition Förstemanns.

 

Dieses Rechtsbuch wurde in Nordhausen und in Mühlhausen auch nach der Beseitigung der Herrschaft der Reichsministerialen neben der Statutengesetzgebung der Räte weiterhin angewandt. Die um 1300 in Mühlhausen angefertigte aufwändige Neufassung, die seit 1302 als Stadtbuch fortgesetzt wurde und als solches u. a. auch städtische Statuten aufnahm (Meyer, S. 4ff.), ist der beste Beweis dafür. Der Mühlhäuser Rat begann wahrscheinlich schon um 1256 mit einer eigenen Statutengesetzgebung, die 1278 erstmals erwähnt wird (1278: „iura et statuta“ UB Mühlhausen Nr. 268; 1282: „der stat rechte unt der willekur“, ebenda, Nr. 299; Lambert, Die Rathsgesetzgebung der freien Reichsstadt Mühlhausen ... , Halle 1870, S. 19; Meyer, S. 59f.; Patze, S. 105f.). Der Rat von Nordhausen hatte 1273, also bereits vor Beseitigung der Ministerialenherrschaft im Jahre 1277, das Recht, eigene Satzungen zu erlassen (Gockel, S. 383; lateinische Statuten des 13. Jahrhunderts).

 

Missverständlich ist es, wenn die letzte Redaktion des Rechtsbuchs in die Zeit von 1230-1250 (S. 612), das Alter der Schrift aber eindeutig in den Ausgang des 13. Jahrhunderts gesetzt wird (S. 609).

 

Hinsichtlich der lateinischen Statuten der Stadt Mühlhausen schreibt Herquet, dass die Eintragungen von 1302 und den folgenden Jahren im Anhang des Rechtsbuchs fol. 38 sqq. „den Übergang zu dem neuen, lateinischen Gesetzbuch der Stadt Mühlhausen [bilden], das mit dem Jahre 1311 beginnt“ und übernimmt damit die falsche Datierung von E. Lambert, die H. Meyer (S. 59 Anm. 3) widerlegte, die aber 2005 bei W. Weber/G. Lingelbach, Die Statuten der Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen, S. 1 und öfter, fröhliche Urständ feierte.

 

Bemerkenswert ist, dass Herquet erstmalig die Zuordnung der Urkunde Karls des Großen von 775 zu Mühlhausen an der Unstrut anzweifelte und Mölsen in Erwägung zog. Da ihm jedoch bei der Beweisführung bedauerlicherweise Fehler unterliefen, hat sich die herrschende Meinung, die erwähnte Urkunde sei die Ersterwähnung Mühlhausens, wieder durchgesetzt (unter anderen H. Meyer. S. 76 Anm. 4 und H. Patze, S. 60f.) und 1975 Anlass für eine 1200-Jahrfeier Mühlhausens gegeben (Gerhard Günther, Mühlhausen in Thüringen. 1200 Jahre Geschichte der Thomas-Müntzer-Stadt. Berlin 1975.). Erst Michael Gockel hat in „Die Deutschen Königspfalzen. Repertorium der Pfalzen, Königshöfe und übrigen Aufenthaltsorte der Könige im deutschen Reich des Mittelalters“, Bd. 2: Thüringen, Göttingen 2000 [der Artikel Mühlhausen erschien als Vorabdruck bereits 1986] diese Urkunde mit einleuchtender Begründung (Groß)Mölsen zugeordnet.

 

Seit dem Erscheinen des Mühlhäuser Urkundenbuchs hat sich der Urkundenbestand des Stadtarchivs Mühlhausen in verschiedener Weise verändert. So sind z. B. die von Herquet im Vorwort, S. VI, erwähnten Erfurter Urkunden, „die sich ohne erkennbare Veranlassung in dem Mühlhäuser Rathsarchiv befinden,“ an das Stadtarchiv Erfurt abgegeben worden. Auch über weitere Verluste und Zugänge ist aus dem Reprint nichts zu erfahren. Die Urkunden des Klosters Anrode befinden sich jetzt im Landeshauptarchiv Magdeburg.

 

In der Zeit nach 1874 ist eine Fülle von Urkundenbüchern und anderen Quellenpublikationen erschienen, die Belege zu Mühlhausen/Thür. enthalten. Erwähnt seien nur die Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete (1945 fortgesetzt unter dem Titel: Quellen zur Geschichte Sachsen-Anhalts), Thüringische Geschichtsquellen, Veröffentlichungen der Thüringischen Historischen Kommission und die beiden Nordhäuser Urkundenbücher von G. Linke und G. Meißner, die allerdings den Nordhäuser Urkundenbestand keineswegs vollständig bieten. Weitere Titel sind in den entsprechenden Bibliographien zu finden. Es ist eine Fleißarbeit, diese Publikationen nach Urkunden und anderen historischen Nachrichten betreffend Mühlhausen zu durchsuchen und diese in chronologischer Folge zusammenzustellen, aber die Herausgeber des Reprints haben diese Mühe gescheut. Herquet schrieb 1973 im Vorwort, S. V: „Jeder Nachtrag, jeder Hinweis auf Lücken wird daher mit Dank angenommen werden.“ Ich bin sicher, dass er über diesen Reprint ohne Nachträge nicht besonders erfreut gewesen wäre.

 

Wahrscheinlich wäre auch jeder Benutzer dankbar gewesen, wenn das eigenartig in verschiedene Teile gegliederte Register, das Herquet anfertigte, durch ein Register in der allgemein üblichen Art ersetzt worden wäre.

 

Herquets Hoffnung (Vorwort, S. V), dass die „Fortsetzung dieses Werkes bis zum Ausgang des Mittelalters oder bis zum Bauernkrieg, eines ebenfalls für Mühlhausen sehr wichtigen Zeitabschnittes, ... in nicht zu ferner Zeit in Angriff genommen“ würde, hat sich leider nicht erfüllt. Erst rund 80 Jahre später erschienen die Akten zur Geschichte des Bauernkriegs in Mitteldeutschland. Bd. 2. Unter Mitarbeit von Günther Franz herausgegeben von Walther Peter Fuchs, Jena 1942. Keineswegs alle den Bauernkrieg betreffenden Akten des Stadtarchivs Mühlhausen konnten in diesem großen Quellenband veröffentlicht werden. 20 Jahre darauf erschien als eine Ergänzung „Der Ewige Rat zu Mühlhausen.17. März – 28. Mai 1525. Zeugnisse seiner Tätigkeit aus den Amtsbüchern, hg. v. von Gerhard Günther, Gerhard, I. Kämmereirechnung, II. Gerichtsbuch, III. Notulbuch, IV. Bruchbuch, V. Urfehdebuch, Mühlhausen 1962-1964.“

 

Lychen                                                            Gerhard Günther