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Staufer, Andreas Michael, Ludwig Ebermayer. Leben und Werk des höchsten Anklägers der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung seiner Tätigkeit im Medizin- und Strafrecht. (= Leipziger Juristische Studien, Rechtshistorische Abteilung, Bd. 6). Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2010, 375 S. Besprochen von Werner Schubert.

Staufer, Andreas Michael, Ludwig Ebermayer. Leben und Werk des höchsten Anklägers der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung seiner Tätigkeit im Medizin- und Strafrecht. (= Leipziger Juristische Studien, Rechtshistorische Abteilung, Bd. 6). Leipziger Universitäts-Verlag, Leipzig 2010, 375 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Die Beschäftigung mit Ludwig Ebermayer, dessen Leben und Werk Staufer nachgeht (S. 25ff., 159ff.), ist aus rechtshistorischer Sicht auch heute noch lohnend. Mit dem Namen Ebermayers sind u. a. die sog. Leipziger Kriegsverbrecherprozesse verbunden, mit denen er teils als Präsident des 2. Strafsenats des Reichsgerichts und anschließend als Oberreichsanwalt befasst war (S. 93ff.). Großen strafrechtlichen Wert hat der von Ebermayer begründete Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch (erstmals 1920 erschienen), der bis zur 9. Auflage noch mit seinem Namen verbunden war. Ebermayer (1859-30.6.1933), geboren in Nördlingen als Sohn eines evangelisch-lutherischen Dekans, war nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Würzburg und München und der Referendarausbildung von 1882 bis 1902 teils als Staatsanwalt, teils als Landgerichtsrat im bayerischen Justizdienst tätig gewesen. Zum 1. 7. 1902 kam er an das Reichsgericht (3. Strafsenat), wo er 1919 zum Präsidenten des 2. Strafsenats ernannt wurde. Vom 1. 4. 1921 bis zu seiner Pensionierung zum 31. 8. 1926 war er Oberreichsanwalt, anschließend hielt er Vorlesungen als ordentlicher Honorarprofessor an der Universität Leipzig (S. 134ff.). Als Oberreichsanwalt war er befasst mit dem Kapp-Lüttwitz-Putsch, mit dem Attentat auf Philipp Scheidemann, der Mordsache Walther Rathenau und mit der Parchimer Mordsache (S. 113ff.), die auch zu einer Verurteilung Bormanns führte.

 

Im zweiten Teil seiner Studie befasst sich Staufer mit dem juristischen Werk Ebermayers, das mehr als 300 Einzeltitel umfasst (S. 159ff., Nachweis der Publikationen S. 308ff.). Neben dem Leipziger Kommentar hatte er 1909 die Neubearbeitung des Stenglein’schen Kommentars zu den strafrechtlichen Nebengesetzen übernommen (S. 162ff.). Ein weiterer Schwerpunkt Ebermayers lag in seiner Mitwirkung an der Strafrechtsreform. Von 1911 bis 1914 gehörte er der Strafrechtskommission des Reichsjustizministeriums an. Von 1920 bis 1932 war er erneut für das Reichsjustizministerium mit der StGB-Reform befasst, zuletzt als Vertreter des Ministeriums im Strafrechtsausschuss des Reichstags. Die wichtigsten Stellungnahmen fasst Staufer für die Zeit von 1925 bis 1932 (S. 207ff., 210ff.) zusammen. Ebermayers Beiträge zur Strafrechtsreform orientierten sich an der Zweckmäßigkeit der vorgesehenen Regelungen und verbanden die Lehren der modernen Schule mit der klassischen Strafrechtsschule. Den Nationalsozialismus lehnte Ebermayer ebenso ab wie eine ihm angetragene Beteiligung der vom Reichsjustizministerium wieder aufgenommenen Strafrechtsreform (S. 138f.). Einen weiteren Schwerpunkt bildeten die Beiträge Ebermayers zum Medizinrecht, zu dem er seit 1911 zunächst Aufsätze in der Deutschen Medizinischen Wochenschrift veröffentlichte, die er 1924 systematisch strukturiert als Buch unter dem Titel: „Arzt und Patient in der Rechtsprechung“ herausgab. 1930 folgte „Arzt im Recht“, „ein übersichtliches, strukturiertes, auf konkrete Rechtsfragen eingehendes, erläuterndes und mit Fundstellen versehenes Gesamtwerk des Arztrechts“ (S. 301). S. 229ff. geht Staufer detailliert auf die Beiträge Ebermayers zum Medizinrecht ein (ärztliches Berufsbild, Standes- und Berufsrechte, Arzt im Strafrecht sowie im bürgerlichen Recht sowie Krankenhausrecht und Versicherungsrecht). Dieses Werk ist von großem rechtshistorischem Wert, da es die Entwicklung des Medizinrechts im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts zusammenfasst (vgl. S. 298). Lesenswert sind die Lebenserinnerungen Ebermayers: „Fünfzig Jahre Dienst am Recht“ (1930), die den exemplarischen Lebenslauf eines Spitzenjuristen der Weimarer Zeit widerspiegeln. Insgesamt liegt mit dem Werk Staufers ein wichtiger Beitrag zur Strafrechts-, Medizinrechts- und Justizgeschichte des ersten Drittels des 20. Jahrhunderts vor. Weitere Forschungen zur noch nicht vollständig erschlossenen Amtszeit Ebermayers als Oberreichsanwalt und zu seiner Tätigkeit als Mitglied des Reichsgerichts können darauf aufbauen.

 

Kiel

Werner Schubert