Schrenck-Notzing, Albert Freiherr von, Unerlaubte Bedingungen in letztwilligen Verfügungen (= Schriften zum bürgerlichen Recht 391). Duncker & Humblot, Berlin 2009. 132 S. Besprochen von Adrian Schmidt-Recla.
Schrenck-Notzing, Albert Freiherr von, Unerlaubte Bedingungen in letztwilligen Verfügungen (= Schriften zum bürgerlichen Recht 391). Duncker & Humblot, Berlin 2009. 132 S. Besprochen von Adrian Schmidt-Recla.
„Grundrechtskitsch“. Das Wort fällt auf S. 47 und es bleibt haften. Es liefert den Bezugsrahmen der leichten und doch mitten ins Herz des Erbrechts zielenden Studie Albert Freiherr v. Schrenck-Notzings, die als Passauer Dissertationsschrift angefertigt wurde. Dabei ist der Verfasser so klug gewesen, das Wort sich nicht ausdrücklich anzueignen, sondern es bei Josef Isensee zu entlehnen und durch das Zitat zu sprechen. Aber genau darum geht es ihm im Kern: Die Lehre von den unzulässigen Potestativbedingungen in einseitig errichteten Verfügungen von Todes wegen in Abgrenzung zur derzeit herrschenden Ansicht vom Prokrustesbett der Drittwirkung der Grundrechte zu befreien und anhand dem Privatrecht entnommener Prinzipien und Wertungen zu einer Lösung bei der Anwendung von § 138 Abs. 1 BGB auf diese Bedingungen zu gelangen. Auslöser der Untersuchung dürfte der unter preußischen Prinzen vor deutschen Gerichten geführte „Hohenzollern-Streit“ gewesen sein. Schon dadurch erhält die Studie ein rechtshistorisches Kolorit. Natürlich spannt der Verfasser den Bogen weiter und bezieht weitere klassische Streitlagen der Potestativbedingungen in die Betrachtung ein.
Der Autor beginnt seine Untersuchung, die ihren dogmatischen Schwerpunkt im ersten Teil („Schranken der Testiermacht“) hat, mit der Frage, ob Potestativbedingungen gegen § 2065 BGB verstießen und wendet sich dann der Frage nach dem Verstoß gegen § 134 und § 138 BGB zu. Bei der Prüfung des § 138 BGB bildet ein historischer Rückblick auf die von Friedrich Carl von Savigny, Georg Friedrich Puchta und Bernhard Windscheid vertretenen Positionen zur Streitfrage den ersten Schwerpunkt. v. Schrenck-Notzing hält sich hier nicht lange mit Vorreden und Einleitungen auf, sondern bezieht sich schlicht auf wenige einschlägige Textstellen. Eine genuin rechtshistorische Methode ist hier nicht erkennbar, es fehlt an jeglicher Kontextualisierung (auch nur in der Pandektenwissenschaft). Aber die Arbeit hat auch nicht versprochen, das zu unternehmen. In einem zweiten Schritt wendet sich der Autor dann der derzeit als „herrschend“ bezeichneten Lehre vom „unzumutbaren Druck“ zu, den der eine Potestativbedingung verwendende Erblasser eventuell auf den Erben ausübt. Diese Lehre verwirft der Verfasser schnell und gründlich im Wesentlichen auf den S. 37-49. Ebenso behende wie der Autor von Savigny, Puchta und Windscheid abhandelt, formuliert er hier selbstbewusst, dass es kein Grundrecht gebe, vor schwierigen Entscheidungssituationen bewahrt zu werden oder dass die derzeit „herrschende Meinung“ das Rechtsgut, das sie schützen wolle (die „psychische Befindlichkeit“ oder die „innere Konfliktfreiheit“), erst noch erfinden müsse. Der dritte Schritt führt den Verfasser dann in das Privatrecht selbst hinein und er untersucht, ob es zivilrechtliche Prinzipien gebe, welche die Frage, ob ein bestimmtes Erblasserverhalten losgelöst von sittlichen Moralvorstellungen schon an sich (und aus sich heraus) beantworten könnten. Von Schrenck-Notzing formuliert hier (es ließe sich sagen: Das lässt sich eingehender begründen und methodologisch gründlicher abstützen) ohne kritische Reflexion Programmsätze wie: Die Grenzen privatautonomer Rechtssetzung seien nicht durch außerrechtliche Moralvorstellungen, sondern vom Recht selbst her zu bestimmen (S. 49), also system- oder kodifikations- oder BGB-immanent zu bestimmen. Auch im Folgenden bleibt der Autor eng am Problem, indem er zur Ausfüllung dieses Satzes lediglich Autoren sprechen lässt, die sich zur Zulässigkeit der Potestativbedingung äußern (Karl Oftinger, Stefan Smid und Joachim Goebel). Auch deren Konzepte (die auf die personale Autonomie des Bedachten einerseits und die Unveräußerlichkeit der Persönlichkeitsrechte andererseits abstellen) verwirft der Verfasser mit überzeugenden Argumenten, bevor er (S. 61, 68) einen eigenen Lösungsvorschlag macht, der sich so umreißen lässt: Die Zulässigkeit bedingter Verfügungen hängt von ihrem konkreten Regelungsinhalt ab, der an den (systemimmanenten) erbrechtlichen Prinzipien des Vermögenserhalts und der Familienfürsorge zu messen sei. Der Verf. entlehnt diesen Ansatz (und er macht das deutlich) im Kern einem Aufsatz von Brigitte Knobbe-Keuk, den er fortentwickelt.
In einem viel kürzeren zweiten Teil seiner Arbeit stellt der Verfasser anschließend noch die Rechtsfolgen unzulässiger Potestativbedingungen dar. Er kritisiert hierbei insbesondere die von Gerhard Otte vertretene analoge Anwendung des § 2085 BGB bei auflösenden Potestativbedingungen und plädiert für das uneingeschränkte Eintreten der gesetzlichen Erbfolge bei Gesamtnichtigkeit, bevor er in einem dritten Teil noch einige besonders prominente Urteile des Bundesgerichtshofs und der Oberlandesgerichte einer kritischen Prüfung unterzieht.
All das ist schnell und eingängig zu lesen. Die Dogmatik wird handlich zubereitet. An keiner Stelle überfordert der Verfasser den Leser mit Fußnotengräbern. Es wird sich rügen lassen, dass die angezogene Literatur übersichtlich (so fehlt etwa die Habilitationsschrift Inge Kroppenbergs) und die Problembehandlung ausbaufähig ist. Aber es zeigen sich – soweit der Rezensent die angegebene Literatur und Rechtsprechung überblickt – keine Fehlgriffe. Von Schrenck-Notzing schreibt als ein von den Empfindlichkeiten im Wissenschaftsbetrieb (insbesondere innerhalb der Rechtsgeschichte) nicht angekränkelter Geist, der forsch auf sein Ziel losgeht und die angegriffene Burg im Handstreich nimmt. Die mit gewandter Feder verfasste Arbeit ist ein (ausbaubares) Plädoyer für eine Privatrechtsdogmatik, die Lösungen aus sich selbst heraus zu entwickeln imstande ist. Mit einem Augenzwinkern ist dem Verfasser darin Recht zu geben, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs im „Hohenzollern-Streit“ richtig und die des Bundesverfassungsgerichts wohl falsch war. Wer eine vertiefte historische Analyse erwartet (ohne dass von Schrenck-Notzing das versprochen hat), wird eher enttäuscht werden. Wer Superrevisionsinstanzen ablehnt, wird die Schrift mit Gewinn lesen.
Regensburg/Leipzig Adrian Schmidt-Recla