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Schraten, Jürgen, Die kollektive Erinnerung von Staatsverbrechen - eine qualitative Diskursanalyse über die parlamentarische Bewertung der SED-Diktatur. Nomos, Baden-Baden 2007. 182 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT

Schraten, Jürgen, Die kollektive Erinnerung von Staatsverbrechen - eine qualitative Diskursanalyse über die parlamentarische Bewertung der SED-Diktatur. Nomos, Baden-Baden 2007. 182 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von dem 1946 geborenen Soziologen Helmut Dubiel betreute Gießener Dissertation des Verfassers. Sie will sechzehn Jahre nach dem Beitritt der Deutschen Demokratischen Republik zum Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland eine Antwort auf die Frage geben, auf welcher Grundlage zwei über Jahrzehnte gegensätzlich geprägte und in expliziter Abgrenzung zueinander entwickelte Gesellschaften in einem demokratischen Staatswesen kollektive Handlungen legitimieren können. Dabei fragt der Verfasser danach, wie parlamentarisches Handeln, das vor der Bevölkerung der gesamtdeutschen Bundesrepublik als gerechtfertigt gelten kann, unter diesen oberflächlich konfliktträchtig erscheinenden Voraussetzungen möglich ist.

 

Der Verfasser gliedert seine schlanke Untersuchung nach einer Einleitung über die deutsche Einheit als Problemstellung demokratischer Legitimation in drei Teile, von denen die Diskursanalyse der debatten (!) der Enquete-Kommission „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ und „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“ am Beginn steht und in 7 Unterpunkte geteilt das Schwergewicht bildet. Dem schließt sich die Betrachtung der Logik der Argumentationen in den Debatten der Enquete-Kommission an. Am Ende behandelt der Verfasser die vollständige Delegitimierung der sozialistischen DDR-Vergangenheit im Zuge der Etablierung eines antitotalitären Konsenses.

 

Insgesamt kann der Verfasser auf der Grundlage eines etwa 20 Titel umfassenden Literaturverzeichnisses nach seiner Ansicht zeigen, dass die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit eine mögliche Quelle für die Herausbildung konsensualer normativer Hintergrundannahmen darstellen kann, die eine kulturelle und soziale Integration der Gesellschaft bewirken. Ob solche Prozesse in der politischen Öffentlichkeit unter dem Einfluss komplexer werdender gesellschaftlicher Strukturen dauerhaft ausreichende Legitimität für die demokratischen Verfahren sichern können, kann seiner Meinung nach erst nach Erforschung weiterer normativer Quellen in posttraditionalen Gesellschaften geklärt werden. Deswegen hält er abschließend sozialwissenschaftliche Suchbewegungen in diese Richtung für die Fortentwicklung und Sicherung der demokratischen Struktur der Gesellschaft für besonders wichtig.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler