Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Gesetzgebung des Deutschen Reichs, hg. v. Schubert, Werner/Glöckner, Hans Peter. Band 6 Handelsgesetzbuch §§ 343-905. Lang, Frankfurt am Main 2010. 495 S. Besprochen von Hans-Peter Benöhr.
Nachschlagewerk des Reichsgerichts. Gesetzgebung des Deutschen Reichs, hg. v. Schubert, Werner/Glöckner, Hans Peter. Band 6 Handelsgesetzbuch §§ 343-905. Lang, Frankfurt am Main 2010. 495 S. Besprochen von Hans-Peter Benöhr.
Der Band erschließt die Rechtsprechung zum Dritten Buch, „Handelsgeschäfte“ (fast zwei Drittel des Bandes) und zum Vierten Buch, „Seehandel“ (fast ein Drittel des Bandes) des Handelsgesetzbuchs, und zu „Gesetzen und Verordnungen zum Schiffahrtsrecht“ (25 Seiten) von 1900 bis in die vierziger Jahre des 20. Jahrhunderts.
Den verhältnismäßig größten Raum nimmt mit 297 Leitsätzen auf 73 Seiten die Rechtsprechung zu § 346 HGB, unverändert seit 1897, ein, zur Berücksichtigung der „im Handelsverkehre geltenden Gewohnheiten und Gebräuche“. Es geht hier um das Schweigen im Rechtsverkehr und um das kaufmännische Bestätigungsschreiben (schon 1903), um die Anwendung, Auslegung und Begrenzung Allgemeiner Geschäftsbedingungen (schon 1904), um die Auslegung der Handelsklauseln wie: tel quel, wie gehabt, circa, Kassa gegen Dokumente, glückliche Ankunft vorbehalten, wie heute besehen, freibleibend, franko, vorbehaltlich Lieferung des X, cif und fob. Akkreditive sind zwischen 1919 und 1926 häufiger Gegenstand der Judikatur, nicht davor und nicht danach.
Karsten Schmidt verweist in seinem „Handelsrecht“ vielfach auf die Rechtsprechung des Reichsgerichts, so zur ernstlichen und endgültige Erfüllungsverweigerung, zur laufenden Geschäftsverbindung als Grundlage einer Vertrauenshaftung, insbesondere zur Haftung der Banken wegen unrichtiger Auskunft (bereits 1891), zur Unterscheidung zwischen eigentlichem und uneigentlichem Kontokorrent, zum Anerkenntnis des Kontokorrentsaldos, zum kaufmännischen Zurückbehaltungsrecht, zur Pflicht des Unternehmers auf die schutzwerten Belange des Handelsvertreters Rücksicht zu nehmen, zum eigentlichen Fixgeschäft, zur kaufmännischen Rügelast, zur Abgrenzung zwischen Eigengeschäft und Kommissionsgeschäft, zum Kommittentenschutz durch § 392 II und auch noch gelegentlich zu den Beförderungsgeschäften. Im Zusammenhang mit § 392 beruft sich das Reichsgericht (1904) übrigens auf einen „in der oberstrichterlichen Rechtsprechung vielfach ausgesprochenen Satz des gemeinen Rechts“.
Man zählt 53 Entscheidungen zu § 346 aus den Jahren 1900 bis 1913. Aus den beiden folgenden Jahren werden gar keine Leitsätze mitgeteilt. In den drei Jahren 1916 bis 1918 ergehen indessen 46 Entscheidungen, die häufig auf die besonderen Verhältnisse des Krieges Bezug nehmen. Von 1919 bis 1932 werden fast 200 Urteile verzeichnet. Bis 1943 sind es nur noch vier.
In den Veröffentlichungen ab 1916 spiegeln sich die Kriegsverhältnisse wieder. Am Ende des Krieges kam es auf die Klausel an, dass die verkaufte Ware „beschlagnahme- und verwendungsfrei“ sei. Ab 1918 erlangen Vertragsklauseln betreffend „Betriebsstörungen“ eine besondere Bedeutung. Die Wirtschaftskrise macht sich durch den Vorbehalt „gleitender Preise“ bemerkbar. 1926 erklärt das Reichsgericht: „Für Handelssachen ist trotz der Härten, die in dieser Behandlungsweise liegen, im Interesse der gerade für den Handelsverkehr unbedingt gebotenen Rechtssicherheit, daran festzuhalten, dass bis zum August 1922 Mark gleich Mark gerechnet werden muss, weil der Verkehr erst nach dem damaligen großen Kurssturz aufgehört hat, auf eine Wiedererholung der Mark zu hoffen“. Aber auf „die sprunghafte katastrophale Geldentwertung…Anfang Oktober 1923“ hatte das Reichsgericht schon 1925 Rücksicht genommen.
Die Statistik führt auch hier zu mehreren Fragen. Auf zwei Beispiele sei hingewiesen: 51 Entscheidungen (S. 136 bis 148) ergingen zum Annahmeverzug des Käufers, § 373, und zwar 39 bis 1912, danach, abgesehen von einer Entscheidung im Jahre 1916, erst wieder ab 1920. Die Rügelast des Käufers, § 377, ist Gegenstand von 143 Entscheidungen ( S. 158 bis 191), ebenfalls mit der Mehrheit bis 1912, der geringeren Zahl bis 1932, und ohne jede Angabe ab 1933.
Der Band entspricht den Originalbänden 28 und 29 des Originalnachschlagewerks von 56 Bänden, und er enthält kleinere Teile aus dem Originalband 32. Die Bände 1 bis 4 hatten die Rechtsprechung zu den anderen Privatrechtsgesetzen der Kaiserzeit, der Weimarer Republik und der nationalsozialistischen Diktatur zum Gegenstand. Ihnen waren zehn Bände zum BGB sowie ein weiterer zum preußischen Landesrecht vorausgegangen. Man darf auf den nächsten Band (GmbH und Genossenschaft, Eisenbahn und Post, Wechsel- und Bankrecht sowie Steuerrecht) gespannt sein.
Berlin Hans-Peter Benöhr