Münchner Historiker zwischen Politik und Wissenschaft. 150 Jahre Historisches Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität, hg. v. Weigand, Katharina (= Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München 5). Herbert Utz Verlag, München 2010. 330 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT
Münchner Historiker zwischen Politik und Wissenschaft. 150 Jahre Historisches Seminar der Ludwig-Maximilians-Universität, hg. v. Weigand, Katharina (= Beiträge zur Geschichte der Ludwig-Maximilians-Universität München 5). Herbert Utz Verlag, München 2010. 330 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Es gehört zu den Wechselfällen des menschlichen Lebens, dass die Schotterebene an der mittleren Isar nicht so rasch die allgemeine Aufmerksamkeit gefunden hat, dass sie schon früh Lebensmittelpunkt bedeutender Größen geworden ist. Dementsprechend erscheint München als Ort erst im Hochmittelalter und wird erst 1826 monarchisch die früher in Ingolstadt und danach in Landshut beheimatete Universität nach München versetzt. Seitdem hat die Stadt aber den bedauerlichen Entwicklungsrückstand aufgeholt und ist auch in der Geschichtswissenschaft zu einem modernen Leistungszentrum geworden.
Den Weg dorthin schildern aus Anlass des 150jährigen Bestehens des historischen Seminars der Universität München die Beiträge einer im Sommersemester 2007 abgehaltenen glanzvollen Ringvorlesung vor allem an Hand des Lebens und der Leistungen herausragender Münchener Historiker. Stand dabei anfangs in den Planungen der Gedanke im Vordergrund, im Kontext einer wissenschaftlichen Expertentagung die Professionalisierungstendenzen innerhalb der Disziplin zu bilanzieren und dabei den aktuellen Horizont der Aufgaben und Möglichkeiten zu diskutieren, so fiel die Entscheidung doch zu Gunsten einer großen Publikumsveranstaltung, weil der gesellschaftliche Rang der Geschichtswissenschaft nach Ansicht der Veranstalter in München unstreitig höher ausfällt als in anderen deutschen Universitätsstädten. Der personalisierende Zugriff erlaubte es dabei, im Blick auf herausragende Fachvertreter zugleich wichtige Veränderungen in der Geschichte der Geschichtswissenschaft insgesamt beispielhaft zu belegen.
Dementsprechend umfasst der mit drei nicht besonders beeindruckenden Urkundenausschnitten geschmückte, handliche Band außer vier standesgemäßen Grußworten einen einführenden Überblick Winfried Schulzes über 150 Jahre deutsche Geschichtswissenschaft in München und 12 Studien über 14 besonders bedeutende, zumindest zeitweise in München wirkende deutsche Historiker. Chronologisch geordnet werden dabei über das historische Seminar durchaus hinausgreifend Ignaz von Döllinger (Friedrich Wilhelm Graf), Heinrich von Sybel (Hans-Michael Körner), Wilhelm Heinrich Riehl (Wolfram Siemann), Wilhelm von Giesebrecht (Rudolf Schieffer), Karl von Amira (Hermann Nehlsen), Sigmund von Riezler und Michael Doeberl (Katharina Weigand), Max Weber (von der Liebe nach München geführt, Dirk Kaesler), Karl Alexander von Müller (Winfried Schulze), Franz Schnabel (Thomas Hertfelder), Max Spindler und Karl Bosl (Ferdinand Kramer), Hermann Bengtson (Stefan Rebenich) und Thomas Nipperdey (Martin Baumeister) teils nur an Hand von Quellen und Literatur, teils auch auf Grund unmittelbaren persönlichen Erlebens betrachtet. Die Entwicklung verläuft insgesamt von deplorablen Anfängen, die der König aus ureigenstem Interesse bessern wollte, bis zum hohen Rang der Gegenwart. Insbesondere auch das kritische Nachdenken über das Profil des Historischen Seminars im Rahmen der gesamten Geschichtswissenschaft wird dem interessanten, auch weitere Kreise leicht ansprechenden Werk hoffentlich verdiente Aufmerksamkeit über den bloßen Anlass hinaus sichern.
Innsbruck Gerhard Köbler