Harvey, Elizabeth, „Der Osten braucht Dich“! Frauen und nationalsozialistische Germanisierungspolitik. Aus dem Englischen von Paula Bradisch. Hamburger Edition, Hamburg 2010. 479 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT
Harvey, Elizabeth, „Der Osten braucht Dich“! Frauen und nationalsozialistische Germanisierungspolitik. Aus dem Englischen von Paula Bradish. Hamburger Edition, Hamburg 2010. 479 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Bereits das Haus Habsburg war sich bekanntlich darüber klar, dass nicht nur mit Hilfe von Männern, sondern auch über oder durch Frauen erfolgreiche Politik gemacht werden konnte. Von der Welt des Hochadels auf das gesamte Volk übertragen haben diese Vorstellungen vor allem nationalsozialistische Politiker. Sie gingen zwar entschieden vom patriarchalischen Familienbild der Vorherrschaft der Männer aus, wussten aber durch geschickte Propaganda, materielle und ideelle Anreize und bei Bedarf auch gewissen Druck Frauen ebenfalls für sich zu begeistern.
Das von der in York tätigen, literarisch gut ausgewiesenen Verfasserin 2003 unter dem Titel Women and the Nazi East - agents and witnesses of Germanization vorgelegte Werk hat unmittelbar nach seiner Übersetzung ins Deutsche die Aufmerksamkeit mehrerer sachkundiger Interessenten gefunden. Leider war es dem Verlag gleichwohl nicht möglich, ein Rezensionsexemplar zur Verfügung zu stellen. Aus diesem Grunde muss der Herausgeber wenigstens in einigen Zeilen auf das interessante, ein lange Zeit vernachlässigtes Untersuchungsfeld aufgreifende Buch hinweisen.
Gegliedert ist es hauptsächlich in acht Abschnitte, die sch auf vielfältige Quellen, darunter auch Interviews stützen. Sie beginnen mit der propagandistischen Warnung vor der polnischen Gefahr und dem damit als notwendig begründeten Einsatz deutscher Frauen in der Grenzlandarbeit, zeigen die Anwerbekampagne, erfassen die vielfach losen Vorstellungen deutscher Frauen vom Osten und beschreiben die unterschiedlichen Tätigkeitsfelder als Siedlerbetreuer, Dorfschullehrerin, Kindergärtnerin oder Dorfberaterin. Die dem zugrundeliegenden Motivationen ermittelt die Verfasserin überzeugend als durchaus vielfältig, doch letztlich auch irgendwie einem gemeinsamen politischen Ziel zumindest lose verbunden.
Innsbruck Gerhard Köbler