Hansen, Thomas, Martin Wolff (1872-1953). Ordnung und Klarheit als Rechts- und Lebensprinzip (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 60). Mohr (Siebeck), Tübingen 2009. XII, 357 S. Besprochen von Eric Neiseke.
Hansen, Thomas, Martin Wolff (1872-1953). Ordnung und Klarheit als Rechts- und Lebensprinzip (= Beiträge zur Rechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts 60). Mohr (Siebeck), Tübingen 2009. XII, 357 S. Besprochen von Eric Neiseke.
Die von Klaus Luig betreute Dissertation widmet sich dem Rechtsgelehrten Martin Wolff, der in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wie kaum ein zweiter das deutsche Sachenrecht geprägt hat.
Hansen stellt zunächst in dem ersten Teil seiner Abhandlung Leben und Werk Martin Wolffs dar (S. 6-163), um anschließend im zweiten Teil die Frage nach dessen Privatrechtsmethode (S. 164-244) und Privatrechtsleitbild (S. 245-309) zu stellen.
Wolff war gebürtiger Berliner jüdischer Abstammung. Einhergehend mit dem Schulabschluss stand für ihn fest, Jura zu studieren. Mit Erfolg: Er promovierte, habilitierte und lehrte an der Berliner Fakultät sowie zwischenzeitlich in Marburg und Bonn. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten fand die außerordentliche Schaffensphase des Professors ein schleichendes Ende. Viel zu geduldig ertrug der Wissenschaftler die Erniedrigungen, die mit Hitlers Herrschaft einhergingen. Die antisemitisch geprägten Störungen seiner Vorlesungen häuften sich und machten seine Lehrveranstaltungen alsbald unmöglich. Es folgte die Entlassung aus seinen Ämtern als Hochschullehrer und Bibliotheksdirektor. Der 66-jährige Wolff emigrierte schließlich erstaunlich spät im Jahre 1938 nach England und sollte nie wieder nach Deutschland zurückkehren. Im Ausland fiel Wolff der Anschluss an die deutsche Rechtswissenschaft stetig schwerer, so dass er zwar nicht völlig vom Sachenrecht und Familienrecht Abstand nahm, sich aber stärker auf das Internationale Privatrecht konzentrierte. Wolff verstarb 1953 im Alter von 80 Jahren an einer bronchialen Erkrankung und Altersschwäche. Noch kurze Zeit vor seinem Tod plante er eine weitere Überarbeitung seines Lehrbuchs zum Sachenrecht.
Es ist der dürftigen Quellenlage geschuldet, dass Wolffs beruflicher Werdegang und sein wissenschaftliches Wirken in der Dissertation ausführlicher behandelt werden als die Beschäftigung mit der Person an sich. Hansen verweist bereits zu Beginn auf die Schwierigkeiten einer biographischen Darstellung. Weder konnte er einen Nachlass ermitteln, noch habe ihm autobiographisches Material zur Verfügung gestanden (vgl. S. 3). Umso mehr leistet der Verfasser vortreffliche Arbeit bei der Auswertung der wenigen Überlieferungen - meist sind es Briefwechsel mit Verlagen oder der Familie -, die vorsichtige charakterliche Rückschlüsse auf den „Meister des Sachenrechts“ (Hallstein) erlauben. Insoweit erfährt man über den Ehemann von Marguerite Wolff und Vater der beiden Söhne Konrad Martin und Victor Karl zwar vergleichsweise wenig, dennoch aber genug, um sich selbst ein Bild von Wolffs Privatleben und Persönlichkeit machen zu können.
Im zweiten Teil untersucht Hansen, ob sich Wolffs juristische Ansichten in den Methodenstreit des 20. Jahrhunderts einordnen lassen. Hierzu zieht er dessen Ausarbeitungen zum Sachenrecht und Familienrecht, vergleichend dazu zeitgenössische Werke anderer Autoren heran. Hansen gelangt zu dem Ergebnis, dass allenfalls eine Annäherung Wolffs an die Interessenjurisprudenz festgestellt werden kann (vgl. S. 310). Wolff selbst sei eher der pragmatische und lebensnahe Dogmatiker gewesen, den die Anwendung des Rechts, die „wirtschaftliche Bedeutung“ von rechtlichen Fragestellungen und weniger die reine Methode interessiert habe (vgl. S. 310f.). Der Verfasser erblickt in Wolff darüber hinaus letztlich einen Vertreter einer bürgerlich-liberalen Gesellschaft. Er weist nach, dass für den von Medicus gelobten „Meister der Klarheit“ die Grundwerte des liberalen Staates Geltung hatten und er einem weitestgehend liberalen Privatrechtsleitbild folgte. Interessant erweisen sich in diesem Zusammenhang Wolffs Ansichten über die Ehe (vgl. dazu S. 246ff.), die von einer Abwendung vom konservativen, patriarchalisch-christlichen Ehebild geprägt waren und deutliche Züge des Gedankens einer rechtlichen Gleichstellung der Geschlechter trugen. Diesen durchaus wichtigen Aspekt im Eheverständnis bei Wolff trägt der Autor hinreichend Rechnung und liefert zugleich genügend Grundlagen, um an dieser Stelle weiter zu forschen.
Insgesamt ist es Hansen mit seiner empfehlenswerten Studie gelungen, dem Leser nicht nur einen herausragenden Juristen, sondern auch den Menschen Wolff näher zu bringen.
Hannover Eric Neiseke