Handbuch Ius Publicum Europaeum. Band III Verwaltungsrecht in Europa: Grundlagen, hg. v. Bogdandy, Armin/Cassese, Sabino/Huber, Peter M.. C. F. Müller, Heidelberg 2010. X, 636 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Handbuch Ius Publicum Europaeum. Band III Verwaltungsrecht in Europa: Grundlagen, hg. v. Bogdandy, Armin/Cassese, Sabino/Huber, Peter M.. C. F. Müller, Heidelberg 2010. X, 636 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Das voluminöse internationale Gemeinschaftswerk wurde im Jahre 2007 in der Absicht der Herausgeber, dem in Praxis und Theorie allenthalben spürbaren Prozess der Herausbildung eines „ius publicum europaeum" zunächst einmal eine solide Grundlage durch Darstellungen der nationalen Verfassungsrechte zu geben. Seine beiden ersten Bände wurden in dieser Zeitschrift von Michael Stolleis besprochen (ZRG GA 126 [2009]). Die drei folgenden Bände wollen nach dem Verfassungsrecht Grundlagen und Grundzüge des Verwaltungsrechts im europäischen Rechtsraum erschließen. Davon behandelt der vorliegende Band ausgehend von Staat und Verwaltung die Grundlagen unter Verbindung rechtsvergleichender und rechtsornungsspezifischer Gesichtspunkte.
Nach der Zielsetzung der Herausgeber geht es dabei nicht darum, einen staatsrechtlichen Zugang zum ius publicum europaeum oder den Begriff Staat als disziplinbegründende Kategorie des öffentlichen Rechts im europäischen Rechtsraum zu gestalten. Anliegen ist vielmehr die Erfassung der geschichtlichen Ereignisse, theoretischen Konstrukte und dogmatischen Bestände, die mit Staat und Verwaltung in den verschiedenen Rechtsordnungen verbunden sind. Damit soll an Hand einer zu Grunde liegenden, in einem die Beiträge leitenden, auf den Seiten 80f. wiedergegebenen Fragebogen widergespiegelten Logik der Versuch unternommen werden, die mit Staat und Verwaltung verbundenen rechtswissenschaftlichen Konzeptionen anschlussfähig zu übertragen.
Dem dient zunächst in § 41 eine Einführung des Miterhausgebers Sabino Cassese von der Scuola Normale Superiore in Pisa über die Entfaltung des Verwaltungsstaates in Europa. Auf gemeinsamen Grundalgen unterscheidet er zwei Modelle von Staatlichkeit, deren Herkunft er mit England und Frankreich verbindet. Danach untersucht er gemeinsame Entwicklungen, Vereinheitlichungstrends, Charakteristika sowie Kontinuität und Wandel.
An diese souveräne Übersicht werden im ersten Teil landesspezifische Ausprägungen angeschlossen. Sie betreffen in alphabetischer Reihenfolge die zehn Staaten Deutschland (Armin von Bogdandy/Peter M. Huber), Frankreich (Jean-Louis Mestre), Großbritannien (Martin Loughlin), Italien (Bernardo Giorgio Mattarella), Österreich (Ewald Wiederin), Polen (Andrzej Wróbel), Schweden (Mats Kumlien/Kjell Åke Modéer), Schweiz (Benjamin Schindler), Spanien (Eduardo García de Enterría/Ignacio Borrajo Iniesta) und Ungarn (Herbert Küpper), so dass gegenüber den beiden verfassungsrechtlichen Bänden Griechenland und die Niederlande ausgeschieden sind. Natürlich muss man dies bedauern und kann man nach den Gründen hierfür und das Fehlen von Beiträgen über Belgien, Dänemark, Finnland, der baltischen Staaten, der Balkanstaaten, Luxemburgs, Portugals, Tschechiens, der Slowakei, Rumänien und Bulgarien fragen, doch werden die verdienstvollen Herausgeber dafür sicher ausreichende praktische Erwägungen gehabt haben, jedenfalls dürfte Europa durch die Auswahl zumindest repräsentativ gut erfasst sein.
Der zweite Teil bietet im letzten Viertel des Bandes einen rechtsvergleichenden Zugriff. Dabei behandelt Giacinto della Cananea von der Universität Federico II in Neapel verwaltungsrechtliche Paradigmen im europäischen Rechtsraum. Demgegenüber erörtert Giovanni Biaggini aus Zürich die Grundverständnisse von Staat und Verwaltung.
Verwaltungsrecht und Verfassungsrecht stellt Luc Heuschling von der Université de Lille II einander gegenüber. Typen staatlichen Verwaltungsrechts in Europa vertieft Michel Fromont von der Université Paris I Panthéon Sorbonne. Die Transformation der Verwaltung und des Verwaltungsrechts schildert schließlich in § 56 Jean-Bernard Auby vom Institut d’ètudes Politiques de Paris.
Beigefügt sind jeweils mehr oder minder ausführliche Bibliographien. Erschlossen wird der Band durch ein von Diana Zacharias erarbeitetes Personenregister von Alexander I. bis Konrad Zweigert und ein erfreulich ausführliches Sachregister von Abfallbeseitigung bis Zweiter Weltkrieg. Inwieweit sich in Europa oder der Europäischen Union in welcher Zeit ein einheitliches Verwaltungsrecht entwickeln wird, lässt sich in der Gegenwart nicht sicher voraussehen, doch ist in jedem Fall sowohl den mutigen Herausgebern wie den sie unterstützenden verdienstvollen Beiträgern für diese wichtige und trotz aller Unterschiede im Einzelnen auch ermutigende Bilanz sehr zu danken - möge sie viele aufmerksame Leser und Förderer finden.
Innsbruck Gerhard Köbler