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Gironde-Verfassungsentwurf aus der französischen Revolution vom 15./16. Februar 1793. Deutschsprachige Übersetzung mit einer Einleitung und kommentierenden Anmerkungen, hg. v. Kley, Andreas/Amstutz, Richard (= Europäische Rechts- und Regionalgeschichte 14).. Nomos, Baden-Baden 2011. VIII, 214 S. Besprochen von Werner Schubert.

Gironde-Verfassungsentwurf aus der französischen Revolution vom 15./16. Februar 1793. Deutschsprachige Übersetzung mit einer Einleitung und kommentierenden Anmerkungen, hg. v. Kley, Andreas/Amstutz, Richard (= Europäische Rechts- und Regionalgeschichte 14).. Nomos, Baden-Baden 2011. VIII, 214 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Der Verfassungsentwurf der Gironde vom Februar 1793, dessen Hauptverfasser Condorcet war, ist niemals vom Convent gebilligt worden und wurde abgelöst durch einen Verfassungsentwurf der Jakobiner, der in einem Verfassungsreferendum vom 10. 8. 1793 gebilligt und anschließend als neue Verfassung verkündet wurde. Er wurde jedoch im Hinblick auf den Kriegszustand, in dem sich Frankreich befand, suspendiert. Da der Gironde-Entwurf Vorbild für die Verfassung vom August 1793 war, ist die Kenntnis der Februar-Vorlage aus verfassungshistorischer Sicht unumgänglich. Die Edition des Züricher Rechtslehrers Kley und seines Mitarbeiters Amstutz gibt den am 20. 2. 1793 publizierten Text in der französischen und einer ins Deutsche übersetzten Fassung wieder. Insoweit handelt es sich um eine „moderne, vollständige und greifbare Übersetzung“ des Verfassungsentwurfs vom Februar 1793, dies es bisher nicht gab. Die Übersetzung von Alfred Kölz, Quellenbuch zur neueren Verfassungsgeschichte, Bern 1992, S. 33ff., beruht nicht primär auf dem offiziellen Entwurfstext des Verfassungskomitees des Convents, sondern auf einer Version, die eine „,Mittellösung’ unter allen verfügbaren Drucken“ der Pariser Nationalbibliothek darstellt (S. 36). Auch die von Daniel Schulz 2010 (in: Marquis de Condorcet, Freiheit, Revolution, Verfassung. Kleine Politische Schriften) publizierte Version des Entwurfs entspricht nicht vollständig dem Text vom 20. 2. 1793 (S. 37). Erstmals vollständig wird in einer deutschen Edition der umfangreiche Bericht des Verfassungskomitees in französischer Sprache (Übersetzung bei Daniel Schulz) wiedergegeben. Die Einleitung der Herausgeber bringt eine historische Einordnung des Gironde-Entwurfs, eine Übersicht über seine Entstehung und über die wichtigsten Teile des Entwurfs (Erklärung der Menschenrechte, Institutionen, Instrumente der Demokratie) sowie am Ende des Bandes Grafiken zum Entwurf (Organisation der Republik, Wahlen/Abstimmungen und Wählbarkeit/ordentliche Amtsdauern/Einflussmöglichkeiten des Bürgers/Wahlen [Zeitachse], Wahlen [Vollzugsrat], Abstimmungen [Zeitachse]). Der Entwurf einer Erklärung der Menschenrechte erweiterte den Katalog der naturrechtlich vorgefundenen Rechte (S. 15ff.). Im Gegensatz zur August-Verfassung von 1793 steht die Freiheit und nicht die Gleichheit an erster Stelle. Die öffentliche Unterstützung in Notlagen wurde als eine dette sacrée de la société bezeichnet (Art. 24), wobei die August-Verfassung noch weiter geht im Sinne des Beginns „einer eigentlichen Interventionspolitik zum Zweck des sozialen Ausgleichs“ (S. 17). Auch das Recht auf eine „instruction élémentaire“ (S. 21) ist in der August-Verfassung breiter ausgestaltet worden. Entsprechend der basisdemokratischen Grundvorstellungen der Entwurfsverfasser waren nicht nur die Mitglieder der gesetzgebenden Körperschaften, sondern auch diejenigen des Vollzugsrates (Regierung) und auch sonstige Verwaltungskörperschaften sowie sämtliche Richter zu wählen. Wahlberechtigt waren alle Männer ab 21 Jahren. Die Menschenrechtserklärung sah ein wohl wenig wirksames Widerstandsrecht zur Verteidigung der Menschenrechte vor (S. 18f.). Zu den direktdemokratischen Rechten gehörten außer dem Petitionsrecht eine allgemeine Volksinitiative in Form einer Volkszensur und eine Verfassungsinitiative. Sehr ausführlich ist der Titel über die Justizverwaltung (S. 175ff.). Für Zivilsachen war außer der Friedensgerichtsbarkeit, die nicht als Teil der streitigen Gerichtsbarkeit galt, nur eine Ziviljury auf Departementsebene vorgesehen. Über ein Kassationsgesuch sollten Justizzensoren (censeurs judiciaires) entscheiden. Die Todesstrafe sollte für die „delits privés“ abgeschafft sein: „Cet acte de respect pour la vie des hommes, cet hommage aux sentimens d’humanité, qu’il est si important de consacrer chez une nation libre, a paru devoir jouir de l’espèce d’irrévocabilité attachée aux lois constitutionelles“ (S. 69). Eine Begnadigung war nicht vorgesehen. Diese wenigen Hinweise auf den Inhalt des Verfassungsentwurfs mögen hier genügen.

 

Insgesamt stellt die Edition von Kley/Amstutz einen wichtigen Beitrag zur französischen und europäischen Verfassungsrechtsgeschichte dar, wobei es nützlich gewesen wäre, wenn die Edition noch detaillierter auf Abweichungen der Verfassung vom August 1793 (im Urtext und in Übersetzung bei Günther Franz, Staatsverfassung, 3. Aufl., Darmstadt 1975, S. 372ff.) gegenüber der Vorlage vom Februar 1793 hingewiesen hätte.

 

Kiel

Werner Schubert