Damme, Robert, >Vocabularius Theutonicus<. Überlieferungsgeschichtliche Edition des mittelniederdeutsch-lateinischen Schulwörterbuchs. Band 1 Einleitung und Register, Band 2 Text A-M, Band 3 Text N-Z (= Niederdeutsche Studien 54, 1-3. Böhlau, Köln 2011. X, 1-533, 1-523, 525-1046 S. Besprochen von Gerhard Köbler. IT.
Damme, Robert, >Vocabularius Theutonicus<. Überlieferungsgeschichtliche Edition des mittelniederdeutsch-lateinischen Schulwörterbuchs. Band 1 Einleitung und Register, Band 2 Text A-M, Band 3 Text N-Z (= Niederdeutsche Studien 54, 1-3). Böhlau, Köln 2011. X, 1-533, 1-523, 525-1046 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der Sachsenspiegel als das wohl bekannteste Rechtsbuchs des deutschen Mittelalters verdankt seine weite Verbreitung nicht zuletzt der Tatsache, dass Eike von Repgow sein ursprünglich lateinisches Werk auf Bitten des Grafen Hoyer von Falkenstein in das Deutsche wandte. Damit trug er maßgeblich zum Vordringen des Deutschen in die Rechtsquellen bei. Seine Darstellung des ostfälischen Gewohnheitsrechts des frühen 13. Jahrhunderts ist dementsprechend die älteste umfangreiche Quelle des Mittelniederdeutschen, so dass die mittelniederdeutsch-lateinischen Beziehungen auch dann das Interesse der Rechtsgeschichte verdienen, wenn sie dem Sachsenspiegel nicht vorausgehen, sondern ihm mit einiger Verspätung folgen.
Dementsprechend begründete William Foerste in der Mitte des 20. Jahrhunderts das Forschungsvorhaben Lateinisch-mittelniederdeutsches Glossariencorpus, das nach dem Vorbild Lorenz Diefenbachs aus Glossarhandschriften des 14. und 15. Jahrhunderts ein lateinisch-mittelniederdeutsches Glossenwörterbuch zur Ergänzung der bislang vorhandenen mittelniederdeutschen Wörterbücher anstrebte, aber wegen Materialfülle und Mittelmangel bisher nicht verwirklicht werden konnte. Demgegenüber gelang von einem überlieferungsgeschichtlichen Ansatz her die Edition des sachlich geordneten, etwa 9500 Einträge umfassenden Liber ordinis rerum vom Ende des 14. Jahrhunderts (1983), des alphabetisch geordneten, etwa 10500 Ansätze aufweisenden Universalwörterbuchs Vocabularius ex quo vom Beginn des 15. Jahrhunderts (1988ff.) und der Nominalwörterbücher des Fritsche Closener und Jakob Twinger von Königshofen (1995). Die Ausgabe des ohne zeitgenössischen Titel überlieferten Vocabularius Theutonicus durch den bereits 1988 durch die Edition und Untersuchung der mittelniederdeutsch-lateinischen Vokabularhandschrift des Stralsunder Vokabulars hervorgetretenen Verfassers vervollständigt diese Arbeiten durch die Edition eines Wörterbuchs mit volkssprachigen Stichwortansatz mit Hauptverbreitungsgebiet im niederdeutschen Sprachraum und mittelniederdeutscher Leithandschrift.
Insgesamt ergibt die eindringliche sorgfältiges Untersuchung des Verfassers 18 Textzeugen (einziger früherer Druck 1509/1510), eine Entstehungszeit am Ende des 14. Jahrhunderts, eine ostfälische Ausgangsfassung Einbecker Prägung mit 4632 Einträgen (55 Prozent Substantive, 23 Prozent Verben, 12 Prozent Adjektive, 7 Prozent sonstige Wortarten, 3 Prozent Namen) und anscheinend eine Nähe zu einem Magister Johannes Egberti aus Einbeck, aus welcher der Verfasser ansprechend auf einen kleineren Bruder eines möglicherweise bekannteren Egbert als Autor schließt. Entscheidend neu ist trotz nur geringer eigener Sammlungstätigkeit die ziemlich geschickte Umstrukturierung des Liber ordinis rerum zu einem grundsätzlich alphabetisch geordneten, volkssprachig-lateinischen Wörterbuch, das die Volkssprache als Objekt der Beschreibung erkennen lässt und damit eine wesentliche Wurzel der lexikographischen Beschreibung des deutschen Allgemeinwortschatzes bildet. Möge das sehr verdienstvolle, durch ein mittelniederdeutsches und ein lateinisch-mittelniederdeutsches Register erschlossene Werk, das etwa richte mit iudex und iudicium oder ee mit lex verbindet, trotz seiner bestimmungsgemäßen Ausrichtung auf den Schulgebrauch auch in der Rechtsgeschichte die gebührende Beachtung finden.
Innsbruck Gerhard Köbler