Borup, Allan, Demokratisierungsprozesse in der Nachkriegszeit. Die CDU in Schleswig-Holstein und die Integration demokratieskeptischer Wähler (= IZRG-Schriftenreihe 15). Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2011. 281 S., 3 sw. Abb. 1 farb. Abb. Besprochen von Werner Schubert.
Borup, Allan, Demokratisierungsprozesse in der Nachkriegszeit. Die CDU in Schleswig-Holstein und die Integration demokratieskeptischer Wähler (= IZRG-Schriftenreihe 15). Verlag für Regionalgeschichte, Gütersloh 2011. 281 S., 3 sw. Abb. 1 farb. Abb. Besprochen von Werner Schubert.
Die Kopenhagener Dissertation Borups aus dem Jahre 2008 (Demokratisering af Vesttyskland; - belyst gennem CDU i Slesvig-Holstens integration af demokrati-skeptiske vælgere, ins Deutsche übersetzt von Detlef Siegfried), ist zustande gekommen im Rahmen eines Stipendiums durch das dänische Forschungs- und Vermittlungsprojekt: „Deutschland und Europa 1945“. Die Untersuchungen Borups stellen primär einen Beitrag zur der Politologie angehörenden politischen Kulturforschung dar und sind außer englischen und amerikanischen Werken zur Civic culture vor allem dem Aufsatz von Karl Rohe, Politische Kultur und ihre Analyse (Historische Zeitschrift 1990, S. 321ff.) verpflichtet (S. 19ff.). Wie bereits das Werk von Konrad Jarausch: „Die Umkehr. Deutsche Wandlungen 1945-1955 (Bonn 2004) wendet sich Borups Werk gegen die bisher überwiegende Forschungsrichtung, die „weit mehr Energie darauf verwendet hat, die moralischen Unzulänglichkeiten im Umgang mit der Vergangenheit in der Entstehungsphase der Bundesrepublik zu beschreiben als die sukzessiven demokratischen Lernprozesse“ (S. 35). Entsprechend dem Ansatz der politischen Kulturforschung geht es um „vorherrschende Grundannahmen und Maßstäbe, um damit einen Einblick in den Handlungsspielraum zu erhalten, den die zeitgenössischen Akteure tatsächlich hatten“ (S. 264). Erst vor diesem Hintergrund mache ein auf „Interessen gerichteter Zugang überhaupt Sinn“, und „die Demokratisierung könne historisiert werden“ als ein Vorgang, „der nicht als idealtypischer Bruch in einer ‚Stunde Null’ zu imagieren ist und die Zeitgenossen auf einen illusionslosen Blick für ihre ‚wirklichen Interessen’ reduziert“ (S. 264). Quellen der Darstellung sind außer den Zeitungen und den dort veröffentlichten Leserbriefen (insbesondere in den der CDU nahestehenden Kieler Nachrichten), die Wahlkampfmaterialien und vor allem die Bestandsaufnahmen der britischen Besatzungsmacht (Fragebögen, Meinungsumfragen) insbesondere durch die 1946/1947 begründete Public Opinion Research Office, deren Akten leider nur noch teilweise greifbar sind.
Es ist hier nicht der Ort, die detailreichen Untersuchungen von Borup in den drei Teilen „Rahmenbedingungen“ (S. 46), „Der Demokratisierungsansatz der CDU“ (S. 94) und „Der Umgang der CDU mit demokratiefeindlichen Bestrebungen“ (S. 186ff.) im Einzelnen zu referieren. Insgesamt handelt es sich bei der Demokratisierung um einen allmählichen Übergang zu einer „letztlich stabilen Demokratie, deren Etablierung – gerade in Schleswig-Holstein – trotz aller Unzulänglichkeiten eine historische Leistung darstellte“ (S. 256). Die CDU verstand sich als Sammlungspartei der Mitte und der gemäßigten Rechten und wollte so wenig wie möglich Partei sein, was der dauerhaften Etablierung von Wahlalternativen durch die Existenz von mindestens zwei Parteien nicht entgegenstand (S. 260). Im Vordergrund des Parteiprogramms stand zunächst eine apologetische Auslegung bzw. Umdeutung der „hypernationalistischen, rassistischen und agressiv-intoleranten NS-Vergangenheit mit der Orientierung auf eine moderat pluralistische und westlich orientierte Zukunft“ (S. 259), womit die CDU ehemalige Volksgenossen, NSDAP-Mitglieder sowie ehemalige Wehrmachtsangehörige für sich gewinnen konnte. Borup kann nachweisen, dass die politisch-kulturellen Hindernisse beim Aufbau einer Demokratie beträchtlich waren, so „dass ihre Etablierung als legitime Regierungsform eine Aufgabe von erheblichem Umfang darstellte“ (S. 264). Hinsichtlich der Einbeziehung fast aller in der NS-Zeit tätigen Juristen in den Demokratisierungsprozess in Schleswig-Holstein sollte man nicht vorschnell und, wenn überhaupt, nur in Bezug auf Einzelfälle von einer „Renazifizierung“ der Justiz sprechen. Insgesamt ist das sehr lesenswerte Werk Borups für den Rechtshistoriker eine notwendige Ergänzung der institutionell-verfassungsrechtlich orientierten Parteirechtsgeschichte.
Kiel
Werner Schubert