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Bauer, Peter M., Der Insolvenzplan. Untersuchungen zur Rechtsnatur anhand der geschichtlichen Entwicklung (= Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 18). LIT, Münster 2009. 420 S. Besprochen von Werner Schubert.

Bauer, Peter M., Der Insolvenzplan. Untersuchungen zur Rechtsnatur anhand der geschichtlichen Entwicklung (= Augsburger Schriften zur Rechtsgeschichte 18). LIT, Münster 2009. 420 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Das geltende Insolvenzrecht von 1994 lässt mit dem Insolvenzplan eine Abweichung von dem Regelinsolvenzverfahren zu. Die Rechtsnatur dieses „Planes“ lässt sich aus dem Wortlaut der §§ 219ff. InsO nicht sicher ermitteln. Ziel der Augsburger Dissertation Bauers ist es, einige der wichtigsten Vorläufer der Insolvenzordnung von 1894 daraufhin zu untersuchen, ob sich Rückschlüsse „aus dieser Entwicklung auf die Beantwortung der Frage nach der Rechtsnatur des Insolvenzplans nach heute geltendem Recht“ gewinnen lassen. Bauer zeigt zunächst die für den „Insolvenzplan“ einschlägigen Begriffsbestimmungen und die möglichen Theorien zur Rechtsnatur des Insolvenzplans auf. Im ersten Hauptteil: „Die Vorgänger des heutigen Insolvenzrechts“ (S. 25-292) untersucht Bauer wichtige „Vorläufer der Insolvenzordnung“ unter dem Gesichtspunkt, ob sich in ihnen Ansätze zur gütlichen Beilegung des Konkursverfahrens bzw. deren Vermeidung finden. Bevor Bauer darauf näher eingeht, schildert er jeweils die Grundlagen und den Ablauf des Regelkonkursverfahrens. Für das römische Recht macht Bauer als mögliche Verfahren zur Verschonung vor der Vermögensexekution und dem drohenden Konkurs das hoheitliche bzw. privatrechtliche Moratorium, den Stundungs- und den Erlassvergleich aus. Für das mittelalterliche und das gemeine deutsche Konkursrecht sind dies im Wesentlichen die schon vom römischen Recht her bekannte cessio bonorum und der Akkord. Mit dem Insolvenzplan vergleichbar waren nach der preußischen Hypothekenordnung von 1722 der Zwangsvergleich (Indult) und das beneficium cessionis, nach dem Codex Juris Bavarici Judiciarii von 1753 waren dies die Rechtswohltat der Kompetenz, die Leistung an Erfüllung Statt, das Moratorium (Eisenbrief), die cessio bonorum sowie die Bewilligung von Schuldnachlässen und Zahlungsfristen. Einen Zwangsakkord sah die Hamburger Fallitenordnung von 1753 vor (S. 142ff.). Nach der preußischen Allgemeinen Gerichtsordnung von 1793 kamen nach Bauer für die Konkursvermeidung in Frage das Moratorium, die cessio bonorum, die Rechtswohltat der Kompetenz und der Zwangsvergleich (S. 165ff.). Das Konkursrecht des Code de commerce von 1807, das sich von dem stark obrigkeitsstaatlich geprägten Konkursrecht der AGO erheblich unterschied, beruhte weitgehend auf dem Prinzip der Gläubigerautonomie. Der Vergleich (concordat) war als Zwangsvergleich ausgestaltet. Bahnbrechend für die Entwicklung des deutschen Konkursrechts war die weitgehende Rezeption des französischen Rechts durch die preußische Konkursordnung von 1855, welche die Auffassung aufgab, dass der Konkurs ein Prozess sei (S. 199). Eine detaillierte Neuregelung erfolgte für den Zwangsvergleich (S. 201ff.). Die bayerische CPO von 1869 folgte für das Konkursrecht weitgehend dem preußischen Recht, sah jedoch noch keinen Zwangsvergleich vor (S. 225ff.).

 

Vor dem Inkrafttreten der Konkursordnung von 1877 war ein Vergleichsverfahren zur Abwendung des Konkurses außer in Bremen bekannt in Sachsen, Kurhessen, Braunschweig, Baden und Württemberg sowie in Hannover. Lediglich Preußen und Bayern kannten kein derartiges gerichtliches Vergleichsverfahren zur Konkursabwendung. Einen dahingehenden Vorschlag enthielt der Entwurf der Reichsregierung zu einer deutschen Gemeinschuldordnung von 1871, der jedoch insoweit von einer Bundesratskommission mit fünf gegen vier Stimmen abgelehnt wurde, so dass die Konkursordnung von 1877 in den §§ 173ff. nur den Zwangsvergleich innerhalb des Konkursverfahrens vorsah (S. 237ff.). Erst in der unmittelbaren Vorkriegszeit befürwortete das Reichsjustizamt die Einführung eines gerichtlichen Zwangsvergleichs zur Abwendung des Konkurses, den dann die neugefasste Verordnung zur Geschäftsaufsicht von 1916 erstmals regelte (S. 258ff.). Eine differenziertere Regelung des Zwangsvergleichs, der erschwert wurde, erfolgte durch die Vergleichsordnung von 1927/35. Der „Insolvenzplan“ der Insolvenzordnung von 1994 brachte eine erhebliche Ausweitung der Möglichkeiten vom Regelverfahren auf der Grundlage der Gläubigerautonomie abzuweichen, allerdings unter der Voraussetzung, dass das Insolvenzverfahren bereits eröffnet war. – Der zweite Hauptteil des Werks (S. 293-345) befasst sich mit dem neuen Insolvenzrecht und der zur Rechtsnatur des Insolvenzplans vertretenen Meinungen. Bauer entscheidet sich in Teil 4 (S. 346-356) für die Vertragstheorie, die in der Tradition des römischen Rechts und der diesem insoweit nachfolgenden Konkursrechte stehe (S. 356).

 

Außer den dogmengeschichtlichen Analysen zur Rechtsnatur insbesondere des Zwangsvergleichs bringt Bauer auch einen guten und hinreichend detaillierten Überblick über das Konkursverfahren seit dem römischen Recht auch unter Einbeziehung der Sekundärliteratur. Von der Zielsetzung des Werks aus stand insbesondere die Entstehungsgeschichte der Konkursordnung von 1877 und der Vergleichsordnung von 1927/35 nicht im Vordergrund (hierzu jetzt Moritz Eisenhardt, Sanierung statt Liquidation. Die Geschichte des Vergleichs zur Abwendung des Konkurses unter besonderer Berücksichtigung der Vergleichsordnung von 1927 und 1935, Frankfurt am Main 2011). Allerdings wäre eine breitere Darstellung auch der historischen Grundlagen des französischen Konkursrechts von 1807/1838, das für das preußische und deutsche Konkursrecht des 19. Jahrhunderts maßgebend war, erwünscht gewesen. Insgesamt stellt das Werk Bauers einen wichtigen Beitrag zur Geschichte des Insolvenzrechts dar, für das noch immer eine Gesamtdarstellung zumindest ab der Zeit des gemeinen deutschen Konkursrechts fehlt.

 

Kiel

Werner Schubert