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Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache auf der Grundlage des Corpus der althochdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300, unter Leitung von Kirschstein, Bettina/Schulze, Ursula erarb. v. Ohly, Sibylle/Schmitt, Peter. (= Veröffentlichungen der Kommission für deutsche Literatur des Mittelalters der bayerischen Akademie der Wissenschaften), 3 Bände. Erich Schmidt, Berlin 1994ff. XVI, 2619 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache auf der Grundlage des Corpus der althochdeutschen Originalurkunden bis zum Jahr 1300, unter Leitung von Kirschstein, Bettina/Schulze, Ursula erarb. v. Ohly, Sibylle/Schmitt, Peter. (= Veröffentlichungen der Kommission für deutsche Literatur des Mittelalters der bayerischen Akademie der Wissenschaften), 3 Bände. Erich Schmidt, Berlin 1994ff. XVI, 2619 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das Deutsche tritt bekanntlich nur langsam aus dem Dunkel der Geschichte hervor, indem es von der unmittelbar verklingenden Rede in die zumindest in manchen Fällen dauerhaftere Schrift überführt wird. Müssen seine Vorstufen des Indogermanischen und Germanischen entweder vollständig oder nahezu vollständig aus jüngerer Überlieferung wissenschaftlich-hypothetisch rekonstruiert werden, so erscheinen im Frühmittelalter wenigstens die ersten Rinnsale des Althochdeutschen, des Altsächsischen und des Altniederfränkischen neben anderen aus dem Germanischen erwachsenen Sprachen. Breiter wird der Fluss erst im Hoch- und Spätmittelalter, in dem freilich die lateinische Sprache noch lange als Medium der Aufzeichnungen vorherrscht.

 

Dennoch gibt es auf der Grundlage der Quellen seit dem 19. Jahrhundert Wörterbücher des Mittelhochdeutschen und des Mittelniederdeutschen, die lange Zeit zunächst als vorbildlich und dann wenigstens als befriedigend galten, ehe sie als mangelhaft und ersetzungsbedürftig eingestuft wurden. In ihrem Mittelpunkt standen von den Anfängen an die literarischen Texte, die sich etwa mit Namen wie beispielsweise Walther von der Vogelweide verbinden lassen. Erst von 1929 an ergänzte dies Friedrich Wilhelm grundsätzlich durch die erste Lieferung des Corpus der althochdeutschen Originalurkunden des 13. Jahrhunderts, mit der er den herkömmlichen Literaturbegriff um einen bestimmten Typ der Gebrauchssprache erweiterte.

 

Dieses zunächst umstrittene, dann aber allmählich anerkannte Unternehmen konnte 1986 mit 3566 Nummern und 824 Nachträgen (zu durchschnittlich rund 400 Wörtern) aus den Jahren um 1200 (Urkunde 1) bis 1300 (Urkunden 3154-3565 1299) abgeschlossen werden. Bereits vorher konzipierten Helmut de Boor und Diether Haacke als weiterführende Herausgeber auf der Grundlage der Edition ein Wörterbuch der mittelhochdeutschen Urkundensprache. Nach einer Publikationszeit von 24 Jahren konnte es soeben mit der 27. Lieferung glücklich abgeschlossen werden.

 

Insgesamt reicht es von abbet bis *zwivelrede und erfasst 8986 Lemmata und 439 Nachtragsstichwörter (mit durchschnittlich rund 200 Belegen). Das macht sich im Vergleich zu dem vielleicht gut 50000 Ansätze und knapp 100000 Ansätze und Verweise umfassenden bisher bekannten gesamten Wortschatz des Mittelhochdeutschen bescheiden aus, ist aber als wichtige Ergänzung einzustufen und anzuerkennen. Davon kommen 1608 Stichwörter oder 17 Prozent in der bisherigen gängigen lexikographischen Literatur nicht vor, stellen also bedeutsame Neuerungen dar.

 

Der während der insgesamt gut 50 Jahre dauernden Vorbereitung und Bearbeitung zum allgemeinen Wohl eintretende technische Fortschritt der Digitalisierung kam für das Unternehmen leider so spät, dass seine mehr als 2 Millionen Belege nicht mehr vom händischen auf das elektronische Format umgestellt werden konnten. Dennoch soll dem gedruckten Werk baldmöglichst eine on-line-Version folgen. Dadurch wird die Nutzung weiter erleichtert werden.

 

Insgesamt ist allen Beteiligten - darunter besonders der 1960 bei Otto de Boor als Hilfskraft eintretenden langjährigen Leiterin Ursula Schulze - für ihren vorzüglichen Einsatz sehr zu danken. Viele Einzelinformationen stehen durch ihre Mühe nunmehr der Allgemeinheit leicht und zuverlässig zur Verfügung. Besonders bemerkenswert erscheint dabei die allgemeine Erkenntnis, dass die im Rechtsleben und im Geschäftsbereich gebrauchte Sprache nicht auffällig durch einen besonderen Wortschatz geprägt ist, vielmehr im 13. Jahrhundert im Deutschen nur sehr begrenzt eine spezielle Rechtsterminologie bestand.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler