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Strejcek, Gerhard, Das Wahlrecht der Ersten Republik. Analyse der Wahlrechtsentwicklung 1918-1934, mit der Wahlordnung zur konstituierenden Nationalversammlung und Nebengesetzen, unter Mitarbeit von Posch, Gernot. Manz, Wien 2009. XVII, 101 S. Besprochen von Christoph Schmetterer.

Strejcek, Gerhard, Das Wahlrecht der Ersten Republik. Analyse der Wahlrechtsentwicklung 1918-1934, mit der Wahlordnung zur konstituierenden Nationalversammlung und Nebengesetzen, unter Mitarbeit von Posch, Gernot. Manz, Wien 2009. XVII, 101 S. Besprochen von Christoph Schmetterer.

 

Das Buch setzt sich aus einer Darstellung der Wahlrechtsentwicklung sowie einem Anhang zusammen, der die Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung vom 18. 12. 1918 sowie vier weitere in engem Zusammenhang mit dieser stehende Gesetze enthält. Auch in der analytischen Darstellung liegt der Schwerpunkt des Buches eindeutig auf der Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung. Diese wird umfassend erläutert, während die weitere Wahlrechtsentwicklung der Ersten Republik nur insoweit behandelt wird, als sie Abweichungen von dieser Wahlordnung brachte.

 

Zur Wahlordnung für die konstituierende Nationalversammlung führt Strejcek aus, welche Veränderungen sie gegenüber dem Wahlrecht der Monarchie (in der Reichratswahlordnung von 1907) brachte. Im Einzelnen sind das die Einführung des Frauenwahlrechtes (und damit die Verwirklichung eines echten allgemeinen Wahlrechtes), der Wegfall der Sesshaftigkeitsklausel (die in der Monarchie zu starken Einschränkungen des Wahlechtes geführt hatte), die Einführung eines Verhältniswahlrechtes, die Schaffung eigener Wahlbehörden und eines eigenen Wahlgerichtshofes, sowie die Senkung des Wahlalters (vollendetes 20. Lebensjahr für das aktive, vollendetes 29. Lebensjahr für das passive Wahlrecht). Der Einführung des allgemeines Wahlrechtes wird der immer noch sehr umfassende Katalog von Ausschließungsgründen vom Wahlrecht gegenübergestellt, jener des Verhältniswahlrechtes die Einschränkungen dieses Prinzips durch ein einziges Ermittlungsverfahren. Der Autor weist auch darauf hin, dass die Wahl zur Konstituierenden Nationalversammlung im Februar 1919 nicht in der von der Wahlordnung vorgesehenen Weise durchgeführt werden konnte: Viele der vorgesehenen Wahlkreise wurden von der Republik Deutsch-Österreich zwar theoretisch beansprucht, aber nicht faktisch kontrolliert (z. B. Südtirol und Sudetenland). Von 255 vorgesehenen Abgeordneten aus 38 Wahlkreisen konnten daher nur 159 aus 25 Wahlkreisen gewählt werden, zu denen noch 11 weitere kooptiert wurden.

 

Die weiteren Entwicklungsschritte, die der Autor deutlich knapper behandelt, sind die Wahlordnung für die Nationalversammlung von 1920, die Bundesverfassung von 1920, die Nationalratswahlordnung von 1923, sowie die Novellen zum Bundes-Verfassungsgesetz von 1925 und 1930. Zur Wahlordnung für die Nationalversammlung führt er aus, dass diese eine neue Wahlkreiseinteilung und ein zweites Ermittlungsverfahren mit dem Erfordernis eines Grundmandates brachte. Außerdem handelt es sich dabei um jenes Wahlrecht, das die Verfassung von 1920 vorfand. Damit ist die Wahlordnung für die Nationalversammlung von 1920 für die historisch-systematische Interpretation der Verfassung von 1920 maßgeblich. Die Bundesverfassung von 1920 legte das Prinzip der Verhältniswahl auch verfassungsrechtlich fest und übertrug die Wahlgerichtsbarkeit dem Verfassungsgerichtshof. Die Nationalratswahlordnung 1923 behielt das zweite Ermittlungsverfahren sowie das Grundmandat in modifizierter Form bei und senkte das passive Wahlalter nach den Vorgaben der Bundesverfassung auf 24. Mit der Bundesverfassungsnovelle 1925 wurden die Wahlbehörden in der Verfassung verankert, die Bundesverfassungsnovelle 1929 brachte die einzige Hebung des Wahlalters in der Ersten Republik (wieder auf 29 für das passive Wahlrecht).

 

Schließlich wird auch die zeitgenössische juristische Einschätzung der Wahlrechtsregelungen durch Hans Kelsen behandelt. Dessen interessante Gegenvorschläge werden kurz umrissen. Ein Literaturverzeichnis und Register runden dieses Buch ab, das trotz seiner Kürze interessante Details zu einem wichtigen Abschnitt aus der Geschichte des österreichischen öffentlichen Rechtes vermittelt.

 

Wien                                                                          Christoph Schmetterer