Neschwara, Christian, Ein österreichischer Jurist im Vormärz. „Selbstbiographische Skizzen“ des Freiherrn Karl Josef Pratobevera (1769-1853) (= Rechtshistorische Reihe 374). Lang, Frankfurt am Main 2009. 299 S. Besprochen von Nazar Panytsch.
Neschwara, Christian, Ein österreichischer Jurist im Vormärz. „Selbstbiographische Skizzen“ des Freiherrn Karl Josef Pratobevera (1769-1853) (= Rechtshistorische Reihe 374). Lang, Frankfurt am Main 2009. 299 S. Besprochen von Nazar Panytsch.
„Derjenige, der seine eigene Vergangenheit nicht kennt, ist auch seiner Zukunft nicht würdig“. Dass den Worten eines der berühmtesten ukrainischen Schriftsteller, Maksym Ryls'kyj, eine wichtige Bedeutung für die zeitgenössische ukrainische Rechtswissenschaft zukommt, liegt klar auf der Hand. Das bis zum Jahre 1991 mit zahlreichen kommunistischen Stereotypen und Anachronismen belastete Thema der gemeinsamen österreichisch-ukrainischen Rechtsgeschichte bietet dem zeitgenössischen ukrainischen Wissenschaftskreis ein vielversprechendes Forschungsfeld an, das nicht außer Acht gelassen werden sollte. Dazu gehört u. a. auch die Erforschung von Persönlichkeiten, deren Leben und Wirken auch einen Einfluss auf die ukrainische Geschichte zur Folge hatte. Deshalb ist die Veröffentlichung des Werkes Christian Neschwaras eine angenehme und freudige Überraschung für die Wissenschaftler der Ukraine gewesen.
Der österreichische Jurist im Vormärz, Karl Josef Pratobevera, wurde am 17. Februar 1769 in Bielitz (Österreichisch-Schlesien) geboren. Nach seiner Schulausbildung in Bielitz und Teschen besuchte er auch eine Realschule in Wien. In diese Stadt kam er erst 1786 wieder als Student der Rechte zurück, um 1792 eine Promotion abzuschließen und danach als Advokat tätig zu sein. Die Bekanntschaft mit dem damals zu Österreich gehörigen Galizien begann erst im März 1796, als er in Krakau als Richter beim westgalizischen Appellationsgericht arbeitete. Seine praktischen Tätigkeiten schlossen aber wissenschaftliche Aktivitäten eines der bedeutendsten österreichischen Juristen nicht aus. Unter anderem hielt er an der Jagiellonen-Universität in Krakau auch Vorlesungen zum neuen österreichischen Recht. Von 1805 bis 1806 arbeitete er außerdem als Studiendirektor der rechtswissenschaftlichen Fakultät dieser Universität.
Auch die aktive Gesetzgebungstätigkeit Karl Josef Pratobeveras ist für die ukrainischen Rechtswissenschaftler von besonderem Interesse. Er nahm insbesondere – neben Franz Zeiller – an der Ausarbeitung des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches teil, zu dessen Anwendungsraum das damalige Galizien als Bestandteil der Donaumonarchie ebenfalls gehörte. Als Leiter einer Spezialkommission arbeitete Karl Josef Pratobevera auch an der Revision des Strafgesetzes, die leider nicht abgeschlossen werden konnte. In den Werken der ukrainischen Rechtshistoriker, u. a. V. Kultschytskyjs († 2009) und B. Tyschtschyks., wird in dieser Hinsicht auch sein Sohn Adolf, wegen seiner Teilnahme an der Ausarbeitung der österreichischen Strafprozessordnung 1873, gewürdigt.
Struktur und Inhalt der Edition sind logisch aufgebaut und qualitativ ansprechend. Der Lebenslauf und der Stammbaum Karl Josef Pratobeveras stellen die wichtigen Stationen seines Lebenswegs vor und machen den Leser mit der Familie Pratobevera bekannt. Der umfangreiche zweite Teil (21–235), der die „Selbstbiographischen Skizzen“ aus dem Haus-, Hof- und Österreichischen Staatsarchiv enthält, ist für die ukrainischen Rechtswissenschaftler besonders interessant. Dadurch hat Christian Neschwara uns eine gute Möglichkeit geschafft, das Leben und Wirken Karl Josef Pratobeveras nach dem Original näher kennenzulernen. Gleiches gilt für den dritten Teil mit den Registern der Orten und Persönlichkeiten, das unter anderem auch einen Bezug auch auf das ehemalige Kronland Galizien nimmt.
Zusammenfassend ist festzustellen, dass das vorliegende Werk Christian Neschwaras durch seine Wichtigkeit sowohl für die österreichische als auch für die ukrainische Rechtsgeschichte als aktuell und anspruchsvoll zu bezeichnen ist. Ohne Zweifel gilt es als wertvolle Ausgabe auch für Historiker anderer Fachrichtungen, die sich für die österreichische Rechtsgeschichte interessieren.
Lwiw (Lemberg)/Ukraine Nazar Panytsch