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Masuch, Christina, Doppelstaat DDR. Eine Untersuchung anhand der Verfolgungsgeschichte der Zeugen Jehovas in der DDR/SBZ 1945-1990 (= Berliner Juristische Universitätsschriften. Grundlagen des Rechts 48). BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2009. XV, 413 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Masuch, Christina, Doppelstaat DDR. Eine Untersuchung anhand der Verfolgungsgeschichte der Zeugen Jehovas in der DDR/SBZ 1945-1990 (= Berliner Juristische Universitätsschriften. Grundlagen des Rechts 48). BWV Berliner Wissenschafts-Verlag, Berlin 2009. XV, 413 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die ansprechende Arbeit ist die von Rainer Schröder betreute, im Sommer 2008 der juristischen Fakultät der Humboldt-Universität in Berlin vorliegende Dissertation der seit 2002 als Rechtsanwältin tätigen Verfasserin. Sie lehnt sich im Titel an Ernst Fraenkels Untersuchung „Der Doppelstaat“ an, die nach der Emigration 1941 als The Dual State 1941 in den Vereinigten Staaten von Amerika als Beschreibung des nationalsozialistisch beherrschten Deutschen Reiches erschien. Sie will die Frage beantworten, ob auch die ehemalige Deutsche Demokratische Republik als Doppelstaat in diesem Sinne (theoretischer Normenstaat und davon abweichender praktischer Maßnahmenstaat) bezeichnet werden kann.

 

Gegliedert ist das dem als politisch Verfolgter von 1952 bis 1956 in der Deutschen Demokratischen Republik inhaftierten Großvater gewidmete Werk in sechs Teile. Dabei beschreibt die Verfasserin in ihrer Einleitung Forschungsgegenstand, Zielsetzung, Quellenlage und den als noch übersichtlich bezeichneten Forschungsstand, von dem ihre Arbeit sich durch Konzentration auf die Arbeitsweisen des Ministeriums für Staatssicherheit unterscheidet. Danach stellt sie die Geschichte der Zeugen Jehovas dar, die sich als Bibelverlag Wachtturmgesellschaft benennen, etwa 0,22 Prozent der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland (2008 etwa 165000 im Predigtwerk aktive Zeugen Jehovas in Deutschland von weltweit 7,1 Millionen) ausmachen, 1879 durch den Geschäftsmann Charles Taze Russell in den Vereinigten Staaten von Amerika gegründet wurden und von der Weltzentrale Brooklin aus 1897 auch in Deutschland Fuß fassten, um auf das nahe bevorstehende Ende der Welt eindringlich hinzuweisen. Da sie die Ansicht äußerten, dass der Nationalsozialismus eine Bewegung sei, die direkt im Dienste des Teufels als der Feinde des Menschen tätig werde, wurden sie nach der Machtergreifung Adolf Hitlers und dem Brand des Reichstages seit dem Februar 1933 verfolgt, wobei insgesamt etwa 10000 Zeugen Jehovas inhaftiert wurden und 2000 starben, davon 250 durch Hinrichtung.

 

Im kurzen dritten Kapitel untersucht die Verfasserin die Kirchenpolitik der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands und des Ministeriums für Staatssicherheit. Sehr sorgfältig geht sie danach auf den Rechtsalltag der Zeugen Jehovas in der sowjetischen Besatzungszone und der anschließenden Deutschen Demokratischen Republik ein, der schon seit der Weigerung der Zeugen Jehovas, ein Volksbegehren im Jahre 1948 zu unterzeichnen, durch Überwachung und Verfolgung bestimmt war, obwohl die Religionsfreiheit verfassungsmäßig garantiert war. Trotz des späteren Wechsels von offener, öffentlichkeitswirksamer Repression (mit etwa 6000 Verhaftungen und 5000 Verurteilungen zu Freiheitsstrafen) zu stiller Zersetzung blieb die Zahl der vielleicht 30000 Zeugen Jehovas in der Deutschen Demokratischen Republik, die als Doppelstaat ihre Handlungen dem Primat des politisch-ideologisch Richtigen unterordnete und dadurch das Recht in den Hintergrund drängte, im Wesentlichen konstant.

 

Innsbruck                                                                   Gerhard Köbler