Lang, Dominik, Sodomie und Strafrecht - Geschichte der Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs mit Tieren (= Europäische Hochschulschriften 2, 4750). Lang, Frankfurt am Main 2009. 266 S. Besprochen von Elisabeth Greif.
Lang, Dominik, Sodomie und Strafrecht - Geschichte der Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs mit Tieren (= Europäische Hochschulschriften 2, 4750). Lang, Frankfurt am Main 2009. 266 S. Besprochen von Elisabeth Greif.
Mit seiner Arbeit „Sodomie und Strafrecht: Geschichte der Strafbarkeit des Geschlechtsverkehrs mit Tieren“ hat Lang nicht nur eine transdisziplinäre Untersuchung, die neben rechtshistorischen Aspekten auch die nicht minder wichtigen religionsgeschichtlichen und sozialgeschichtlichen Einflüsse einer umfangreichen Betrachtung unterzieht, vorgelegt, sondern auch eine bis dahin bestehende Forschungslücke geschlossen. Im Unterschied zu bestehenden Werken, die sich vorrangig der Diskussion um die Abschaffung des Tatbestandes der „widernatürlichen“ Unzucht im 20. Jahrhundert widmen oder Detailstudien darstellen, liefert Lang einen Überblick über den Straftatbestand der Sodomie von der Antike bis in die Jetztzeit. Sein Schwerpunkt liegt dabei im germanischen bzw. deutschen Rechtsraum.
Während der Ausdruck „Sodomie“ im heutigen deutschen Sprachgebrauch ausschließlich den Geschlechtsverkehr zwischen Mensch und Tier bezeichnet, erfasste der Begriff spätestens seit dem ausgehenden Mittelalter eine Vielzahl an nicht prokreativen Sexualpraktiken. Dies sowie die Tatsache, dass zahlreiche Begrifflichkeiten synonym verwendet wurden und ihre genaue Auslegung nicht selten der Subsumtion des Richters oblag, erschweren die Beschäftigung mit der Strafrechtsgeschichte der Sodomie erheblich.
Lang widmet sich zunächst den Erscheinungsformen der Sodomie und den Beweggründen für die Taten, wobei dieses Kapitel vor allem auf Untersuchungen des 20. Jahrhunderts (wie etwa den Kinsey-Report) Bezug nimmt und weniger der Frage nach historischen Erscheinungsformen oder Tatmotiven nachgeht. Auf der Grundlage der herangezogenen Sexualstudien arbeitet Lang heraus, dass die Mehrzahl der Personen, die Sodomie praktizieren, männlich ist und auf dem Land lebt. Hinsichtlich der Erscheinungsformen der geschlechtlichen Betätigung mit Tieren wird zwischen jenen Fällen, in denen das Tier als Werkzeug zur Ersatzbefriedigung sexueller Wünsche dient und in denen der Täter häufig jünger und ein Verkehr mit dem anderen Geschlecht nicht möglich ist und Fällen, in denen das Tier selbst das Ziel starker Emotionen ist, unterschieden, wobei diese Unterscheidung allerdings für die strafrechtliche Beurteilung der Tathandlung ohne Belang ist.
Daran anschließend untersucht Lang die Kulturgeschichte, um darzulegen, wie die Menschheit in früheren Zeiten der geschlechtlichen Vereinigung mit Tieren gegenüberstand (35-47). Eine erste Quelle dafür bieten ihm die Mythologie, die klassische Literatur und Volksmärchen, die vielfältige Hinweise auf Sodomie enthalten. Insbesondere in Erzählungen von „mythologischen Zwittern“, also Wesen, die vom Mensch und vom Tier zugleich abstammen, findet Lang Hinweise darauf, dass die Libido des menschlichen Partners als grenzenlos, die natürlichen Grenzen der Sexualität überschreitend, dargestellt wird – ein Befund, der sich auch mit Hehenbergers Analyse frühneuzeitlicher Sodomieprozesse in Österreich deckt: Nicht die Männlichkeit der Täter, wohl aber ihre Menschlichkeit wurde in Frage gestellt (vgl. Hehenberger, Susanne: «Habe in der Teuffl verführt, und gemeint lindrung zu haben. Anmerkungen zu einem Sodomieprozeß [Pöggstall 1698/99]», in Griesebner, Andrea/Scheutz, Martin/Weigl, Herwig [Hg], Justiz und Gerechtigkeit. Historische Beiträge, 16.-19. Jahrhundert, 2002, 241). Belege für den sakralen Verkehr zwischen Mensch und Tier findet Lang vor allem außerhalb des germanischen Rechtskreises so etwa im ägyptischen Widder- und Stierkult, im griechisch-römischen Schlangenkult oder im indischen Rosskult, nicht immer handelt es sich dabei aber um Sodomie im engeren Sinn. Auffallend an diesen Bespielen erscheint, dass Mythologie und Kunst vor allem sexuelle Akte zwischen Frauen und Tieren thematisieren, während – wie oben beschrieben – der Straftatbestand der Sodomie bei weitem häufiger von Männern begangen wird, ein Umstand, den Lang folgendermaßen erklärt: „Wohl schon immer beflügelte der Gedanke an Frauen mit gesteigertem Sexualtrieb die Phantasie der Männer. Die denkbar stärkste Manifestation dieser weiblichen Libido aber liegt im Ausleben derselben mit einem Tier. Diese Lust ist grenzenlos, denn sie überschreitet die Grenze der eigenen Art.“ (45) Inwieweit dieser Darstellung noch andere Motive – man denke etwa an die häufig anzutreffende Gleichsetzung von Frau mit Natur – zugrunde liegen, wird von Lang nicht weiter untersucht.
Die eigentliche rechtshistorische Darstellung zerfällt in zwei große Zeitabschnitte. Zunächst skizziert Lang die Strafbarkeit der Sodomie von der Antike bis zum Spätmittelalter (47-126), daran anschließend stellt er die Entwicklung der Strafbarkeit seit der Neuzeit dar (127-225). Im alten Griechenland waren sowohl der Geschlechtsverkehr mit Tieren als auch mit Menschen des gleichen Geschlechts straflos, hinsichtlich des römischen Rechts erscheint es unklar, ob Sodomie strafbar war. Ein ähnlicher Befund ist nach Lang auch für die alten germanischen Rechte festzustellen: dass das germanische Recht in der Regel „weibliches“, passives Verhalten bei Männern strafte, der Sodomit jedoch – wie auch der aktive Homosexuelle – die männliche, also aktive Rolle einnahm, spricht gegen eine Strafbarkeit der Sodomie bei den Germanen. Der Tatbestand der Bestialität in den germanischen Gebieten ist wohl auf christliche Einflüsse zurückzuführen, die vorgesehen Strafe des Lebendigbegrabens dagegen heidnischen Ursprungs.
Das Alte Testament verurteilt dagegen den Verkehr von Männern und Frauen mit Tieren scharf, was ein Novum im Vorderen Orient darstellt. Sodomie wird als „verunreinigend“, als Verletzung des Gebotes der kulturellen Reinheit eingestuft und steht damit in einem scharfen Gegensatz zu zeitgenössischen kulturellen Praktiken. Das biblische Verbot der Sodomie kann daher als Teil eines Abgrenzungsprozesses gegenüber anderen Kulturen gesehen werden, der der Stiftung kollektiver Identität innerhalb des Volkes Israel diente.
Auch aus den Synodalbeschlüssen in der Mitte des 2. nachchristlichen Jahrhunderts lässt sich ein konsequentes Bestreben erkennen, die christliche Gemeinde gegen die sündige Außenwelt abzuschotten, wozu hohe Bußen für Bestialität gehörten. Nach Lang stellt die Reglementierung der Sexualität, wozu auch das Verbot der Sodomie zählt, ein ideales Mittel der physischen Unterwerfung (der Gläubigen) dar, da es sich beim Geschlechtstrieb um das stärkste körperliche Bedürfnis eines Menschen handelt, das bei Unterbindung der Befriedigung nicht automatisch zum Zusammenbruch des Körpers, wohl aber häufig früher oder später zu einer Übertretung des Verbots führt. Da diese regelmäßig mit starken Schuldgefühlen einhergeht, ist der „Sünder“ eher bereit, sich in der Hoffnung auf Vergebung der kirchlichen Führung zu unterwerfen.
Die bis ins 9. Jahrhundert aufgezeichneten Volksrechte bestraften Sodomie teilweise mit Geldbußen, Kastration oder dem Tod, beim überwiegenden Teil der Stämme blieb der Verkehr mit Tieren jedoch straflos. Die Gesetze, welche die Bestialität bestraften, sind ausnahmslos unter christlichem Einfluss entstanden, dagegen sah kein einziges nicht-christliches Gesetz eine Strafdrohung für Sodomie vor. Der Gedanke, dass der Verkehr mit Tieren ein strafwürdiges Unrecht verwirklicht, ist demnach innerhalb Europas ein rein christlicher.
In den Rechtsbüchern des Hoch- und Spätmittelalters findet sich seit dem 11. Jahrhundert zunehmend eine Vermischung der Verbrechensbegriffe „Zauberei“, „Sodomie“ und „Ketzerei“. Der unnatürliche Verkehr wurde als Gottlosigkeit und Gottesleugnung verstanden und mit Häresie in eins gesetzt. Ketzerei wurde zum Synonym für Homosexualität und Bestialität. Als Veranlasser der Sodomie, die nach göttlichem und menschlichem Recht als das schrecklichste aller Verbrechen galt, wurde der Teufel angesehen. Diese Gleichsetzung des Abfalls vom Glauben mit einer sexuellen Handlung hält sich bis ins späte Mittelalter und findet ihren Höhepunkt im Hexenhammer, demzufolge jede Hexe neben dem Tatbestand der Zauberei auch den der Sodomie verwirklichte.
Im Verhältnis von Sodomie und Hexerei weist Lang deutliche regionale und geschlechtsspezifische Unterschiede nach. Während in manchen Gegenden während der Hochphase der Hexenprozesse männlichen Sodomiten neben dem Verkehr mit Tieren auch Hexerei vorgeworfen wurde, zählte bei Frauen vielerorts ein sodomitischer Akt, nämlich der Verkehr mit dem Teufel, schon zum Tatbestand der Hexerei. Gemeinsam ist den Hexen- und Sodomieprozessen, dass sowohl die Zauberei als auch die Bestialität als Werk des Teufels angesehen wurden.
Die Constitutio Criminalis Carolina übernimmt Sodomiestraftatbestand aus der Constititutio Criminalis Bambergensis (1507). Was als Sodomie galt, wurde stetig ausgeweitet, auch von der im Gesetz vorgesehenen Feuerstrafe wurde in vielen Fällen abgewichen. Der Grundsatz „nullum crimen sine lege“ ist dem neuzeitlichen Strafrecht fremd. Der Großteil der neuzeitlichen Juristen berief sich hinsichtlich der Strafwürdigkeit einzelner „sodomitischer“ Handlungen nicht auf weltliche Gesetze sondern auf die Bibel.
Seit der Entstehung der Carolina (1532) dehnte sich der Sodomiebegriff immer weiter aus und umfasste schließlich neben Homosexualität und Bestialität auch Selbstbefriedigung, Analverkehr zwischen Mann und Frau, Verkehr zwischen Christen und Heiden, mit dem Teufel, Toten, Holz- und Steinfiguren, unberührten Jungfrauen und Hermaphroditen. Dagegen erfuhr die Strafe für Sodomie eine Milderung vom Feuertod bis zur Verurteilung zu öffentlichen Arbeiten oder Zuchthausstrafe. Was die Form der Strafe für Sodomie im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa betrifft, unterscheidet Lang in einem Überblick zwischen drei Gruppen: jene, die den Feuertod als Strafe vorsehen, solche, die Sodomie mit Kastration und/oder Friedlosigkeit bestrafen und zuletzt jene Normen, die als Strafe das Lebendigbegraben nennen. Daran anschließend bringt Lang einen Überblick über die Verurteilungszahlen im frühneuzeitlichen Europa und gelangt zu dem Schluss, dass es sich bei den vielen Fällen von Sodomie mit Tieren, in denen die Verurteilung zum Feuertod nahezu sicher war, in der Regel um unverheiratete junge Männer handelte.
Im Zeitalter der Aufklärung wurden schließlich Stimmen für eine Milderung der Sodomiestrafen, insbesondere für eine Abschaffung der Todesstrafe laut. Eine Handlung, die kein Rechtsgut eines anderen verletzt, war nach Ansicht der Aufklärer nicht strafwürdig, weshalb sie auch keinen Grund sahen, die Sodomie, die besser durch Erziehung und Förderung der Ehe bekämpft werden sollte, zu bestrafen. Dennoch kam es nicht zu einer Abschaffung der Sodomietatbestände, die nunmehr mit dem vernunftwidrigen Gebrauch der Zeugungsorgane begründet wurden. Die Begründung für die Strafbarkeit der Sodomie wurde somit, wie Lang darstellt, lediglich ausgetauscht, an der Vorstellung von der Verworfenheit und Abscheulichkeit der Sodomie änderte sich nichts.
Als erstes europäisches Gesetz verzichtete der französische Code pénal von 1791 auf die Strafbarkeit der Bestialität sowie anderer „unzüchtiger“ Handlungen; bis zum Ende des 19. Jahrhunderts schafften auch die übrigen romanischen und vom französischen Recht beeinflussten Länder die Strafbarkeit der Sodomie ab. Dagegen hielten die Schweiz, Ungarn, die skandinavischen Staaten, Russland und Österreich sowie England, das die schärfsten Gesetze gegen den Verkehr mit Tieren vorsieht, vorerst an der Strafbarkeit der Sodomie fest.
Das Bayerische Strafgesetzbuch von 1813 vollzog als erstes im deutschen Raum die Trennung von Recht und Moral und stellte den Verkehr mit Tieren nicht mehr länger unter Strafe, erhalten blieb jedoch die polizeiliche Ahndung sodomitischer Handlungen, soweit sie in irgendeiner Weise „Ärgernis“ erregten.
In der Rechtsprechung zum Reichsstrafgesetzbuch 1871 kristallisierte sich als wesentliches Kriterium des Sodomietatbestandes, das bis zu seiner Abschaffung im Jahr 1969 maßgeblich blieb, die „Beischlafsähnlichkeit“ des Aktes heraus. Hinsichtlich des Verkehrs mit Tieren wurde die Ansicht, dass das Gesetz nur solche Handlungen unter Strafe stellen darf, die schwerwiegende Gefahren für das Allgemeinwohl mit sich bringen und sich nicht mit gelinderen Mitteln unterbinden lassen, erst nach dem Zweiten Weltkrieg umgesetzt. Der 47. Deutsche Juristentag stimmte 1968 über den Tatbestand der Unzucht mit Tieren ab und empfahl dessen sofortige Streichung, eine Entscheidung, dem der Sonderausschuss des Bundestages für die Strafrechtsreform einstimmig folgte. Der Straftatbestand der Sodomie (§ 175 b StGB) wurde in der Bundesrepublik Deutschland am 25. 6. 1969 durch das Erste Gesetz zur Reform des Strafrechts aufgehoben.
Heute ist die Sodomie innerhalb Europas nur mehr in England, Wales und Nordirland strafbar, einige Schweizer Kantone kennen zwar Tatbestände bezüglich Sodomie, doch finden diese in der Praxis seit Jahrzehnten keine Anwendung mehr. Alle übrigen mittel-, west- und osteuropäischen Länder haben die Strafbarkeit der Sodomie aufgehoben; Tiere werden nunmehr durch Tierschutzvorschriften geschützt, das Eigentum daran durch den Tatbestand der Sachbeschädigung. Vereinzelt findet sich ein Verbot der Verbreitung von pornographischen Darstellungen mit Tierbezug ( so zum Beispiel auch im österreichischen Strafgesetzbuch in § 220a).
Langs Darstellung bietet einen guten Überblick über die Entwicklung der Strafbarkeit des Verkehrs mit Tieren in Europa, deren Wurzeln auf alttestamentarische Vorschriften zurückzuführen sind. Angereichert wird die Arbeit durch Beispiele aus der historischen Rechtsprechung. Hier bleibt die Arbeit zwar kursorisch und stützt sich im Wesentlichen auf die Literatur und nicht auf die Primärquellen, was jedoch, da es sich ja nicht um eine Detailstudie handelt, nicht zu kritisieren ist. Von großem Wert für weitere Forschungsarbeiten ist nicht zuletzt das umfangreiche, in Quellen- und Sekundärliteratur sowie Materialien gegliederte Literaturverzeichnis (243-266).
Linz Elisabeth Greif