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König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert, hg. v. Fuchs, Franz/Heinig, Paul-Joachim/Schwarz, Jörg (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 29).Böhlau, Köln 2009. VIII, 396 S. Besprochen von Christof Paulus.

König, Fürsten und Reich im 15. Jahrhundert, hg. v. Fuchs, Franz/Heinig, Paul-Joachim/Schwarz, Jörg (= Forschungen zur Kaiser- und Papstgeschichte des Mittelalters, Beihefte zu J. F. Böhmer, Regesta Imperii 29). Böhlau, Köln 2010. VIII, 396 S. Besprochen von Christof Paulus.

 

Hermann Heimpel meinte einst bildreich, im in vielerlei Hinsicht ruinösen Spätmittelalter hätten sich die Trümmer gegenseitig gestützt. Seitdem haben nicht wenige Arbeiten gegen diese Defizittheorie des 14. und vor allem des 15. Jahrhunderts angeschrieben und das negative Urteil in zahlreichen Aspekten korrigieren können. Friedrich III. gilt längst nicht mehr als „des Reiches Erzschlafmütze“, oder auch die Reformbemühungen der Zeit wurden umfassend gewürdigt. Als ein besonders gelungenes Beispiel eingehender Beschäftigung vornehmlich mit dem 15. Jahrhundert kann der anzuzeigende Sammelband gelten, dessen 16 durch ein Orts- und Personenregister zu erschließenden Beiträge auf eine Mannheimer Tagung des Jahres 2005 zurückgehen.

 

Überblickscharakter haben die Aufsätze von Kurt Andermann, der unter dem inhaltlichen Schwerpunkt des Königsdienstes und der Königsnähe die Reichsregion Franken vorstellt und hierbei ausführlicher auf den Reichserbkämmerer Konrad von Weinsberg eingeht, sowie von Jean-Marie Moeglin, der in seiner zeitlich weit ausgreifenden Darstellung eine vermeintliche spätmittelalterliche französische Expansionspolitik als Mythos bewertet. Am Beispiel der Freiherren von Zimmern charakterisiert Paul-Joachim Heinig die friderizianische Adelspolitik als vor allem dynastisch-monarchisch bestimmt, wenngleich der Kaiser durchaus auch – etwa im Falle Bayerns – eine ritterliche Opposition gegen den Landesfürsten instrumentalisierte.

 

Für die Rechtsgeschichte von besonderem Interesse sind die Beiträge von Ivan Hlaváček, der die reichsfürstlichen Lehnsbindungen an die böhmische Krone untersucht und hierbei nicht wenige Forschungsdesiderata anspricht, sowie besonders von Eberhard Isenmann, der eingehend die diffizile rechtliche Argumentationsführung der für den Nürnberger Rat und für Nürnberger Lehnleute der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach von Juristen erstellten consilia nachzeichnet, deren Besonderheiten – Hervortreten prozessualer Fragestellungen und der auf das Laudemium bezogenen Leistung, Diskussion der Rechtsnatur der Lehen – Isenmann gegenüber französischen oder italienischen Gutachten profiliert.

 

Dem durch Arbeiten von Paul-Joachim Heinig oder Heinz Noflatscher entscheidend vorangetriebenen Forschungsfeld der Räte bzw. des Hofes gelten fünf Aufsätze. Während Claudia Märtl mit dem 1463 verstorbenen friderizianischen Rat Bartolomeo Vitelleschi einen Vertreter der „Generation Basel“ vorstellt, relativiert Jörg Schwarz anhand der Beziehungen der Wettiner zum kaiserlichen Protonotar Johann Waldner die Vorstellung vom königsfernen Sachsen. Dieter Mertens wendet Noflatschers Kategorisierung der Spitzenräte auf das Elsass an und bringt Jakob Merswin als möglichen Autor des „Oberrheinischen Revolutionärs“ ins Spiel. Entgegen dem Titel beschäftigen sich die Ausführungen Holger Vogelmanns weitgehend mit den archivalischen Quellen zu Burggraf Michael von Maidburg. Rainer Scharf unternimmt eine idealtypische Klassifizierung des Nürnberger Geschenksystems am Kaiserhof.

 

Jürgen Petersohns, Daniela Randos und Ernst Tremps Beiträge gelten kirchengeschichtlichen Aspekten. Letzterer profiliert Fürstabt Ulrich Rösch von Sankt Gallen als umfassenden Erneuerer. Petersohn interpretiert und ediert aus dem Wiener Haus-, Hof- und Staatsarchiv eine hochinteressante Instruktion Kaiser Friedrichs III. für Verhandlungen mit dem Apostolischen Stuhl aus dem Jahr 1481, die ein bemerkenswertes Zeugnis für die reichskirchliche Vorstellungswelt des Habsburgers ist. Randos Ausführungen zu Trient als „in-between-space“ (143) gipfeln im Satz, „die transalpinen Bischöfe“ hätten sich „an den komplexen Prozessen der Übertragung und Aneignung, De- und Rekontextualisierung von politischen Praktiken und Vorgängen im Nexus von Macht, Diskurs und Repräsentation“ beteiligt (155).

 

Vornehmlich dem Gebiet des Oberrheins sind die Beiträge von Thomas Zotz, Christine Reinle und Franz Fuchs gewidmet. Der Herausgeber bespricht bei seiner Darstellung zu antikaiserlichen, im Umkreis des Heidelberger Hofs entstandenen Invektiven besonders ein reichlich deftiges, gleichsam unter das kaiserliche Wams zielendes, in der Chronik des Matthias von Kemnat überliefertes Gedicht. Einen Zusammenhang zwischen höfischen Strukturdefiziten und einem Interesse an Geheimwissenschaften, vor allem angesichts fehlender herrscherlicher Verlässlichkeit, zieht Reinle in ihren Ausführungen zu Mantik, Magie und Astrologie am kaiserlichen und pfalzgräflichen Hof. Zotz schließlich diskutiert das Dictum Peter Moraws vom Oberrhein als „Landschaft des Übergangs“ und betont in seiner Darstellung der königlich-kaiserlichen Reisen der Jahre 1442, 1473 und 1485 vor allem das Moment der persönlichen Anwesenheit des Reichsoberhaupts.

 

Seehausen am Staffelsee                                                                     Christof Paulus