Jendorff, Alexander, Condominium. Typen, Funktionsweisen und Entwicklungspotentiale von Herrschaftsgemeinschaften in Alteuropa anhand hessischer und thüringischer Beispiele (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 72). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2010. 672 S., 3 Kart., 1 Kartenbeil. Besprochen von Gerhard Köbler.
Jendorff, Alexander, Condominium. Typen, Funktionsweisen und Entwicklungspotentiale von Herrschaftsgemeinschaften in Alteuropa anhand hessischer und thüringischer Beispiele (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen 72). Historische Kommission für Hessen, Marburg 2010. 672 S., 3 Kart., 1 Kartenbeil. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Frankfurt am Main 1970 geborene, nach dem Studium von Geschichte und Latein in Gießen, Leicester und Berlin als Stipendiat des Gießener Graduiertenkollegs „Mittelalterliche und neuzeitliche Staatlichkeit“ 1998 über katholische Reform im Erstift Mainz promovierte und seit 2000 als Studiemrat an der Goetheschule in Wetzlar tätige Verfasser ist bereits 2003 durch eine Untersuchung über herrschaftliche Funktionsträger im Erzstift Mainz 1514 bis 1747 hervorgetreten. Die vorliegende Monographie wurde am 26. November 2008 auf Grund der Gutachten Christine Reinles, Horst Carls und Anton Schindlings als geschichtswissenschaftliche Habilitationsschrift angenommen. Ihr geht es am Maßstab des Souveränitätsbegriffs und der monokratischen Staatsidee um die besondere Herrschaftsform des Kondominats, die bereits auf der Umschlagsabbildung durch den Abriss der gantzen gemeinen Ganerbschaft Trefurt / auch des Genicks (1615) aus Deutsche Staatsbibliothek zu Berlin Kart. N. 23305 augenfällig dargestellt wird.
Der Verfasser gliedert seine gewichtige Untersuchung in sechs Teile. Dabei schildert er zunächst in der Einleitung als crux des Mythos die Problematik des Souveränitätsbegriffs in der deutschen Geschichtsschreibung. Danach stellt er sein Arbeitsvorhaben dar, das sich vordergründig mit einem Nebenthema, tatsächlich aber mit einem vom 9. Jahrhundert nach Christus bis in die Moderne bedeutsamen verfassungsgeschichtlichen Gegenstand beschäftigt.
Im Anschluss hieran legt er die Phänomenologie und Typisierung der Herrschaftsgemeinschaft offen. Dabei beginnt er nach Chronologie und Geographie mit den Gründungsursachen und Gründungsabsichten, behandelt die Arten und die Formen der Regierung und Verwaltung, die er bis zu ihrem Ende verfolgt. Als Fazit erkennt er eine politisch-intentionale Konstanz des Vielgestaltigen.
Auf dieser Grundlage fragt er nach der Herrschaftsgemeinschaft als Forschungsgegenstand und durchforstet dafür als erstes die frühneuzeitliche Staatsrechtslehre nach Kondominien und Ganerbschaften. Danach sieht er die neuere Geschichtswissenschaft, Rechtsgeschichtswissenschaft und Rechtswissenschaft durch. Hier erkennt er als Fazit eine Entwicklung von der kritischen Kommentierung des Bekannten zum ideologisch begründeten Unverständnis gegenüber dem verfemten Faszinosum.
Diese allgemeineren Feststellungen werden danach an zwei konkreten Fallbeispielen detailliert überprüft. Das erste Fallbeispiel betrifft die Kondominatslandschaft an der mittleren Lahn, die ihren Ausgang von der Auflösung der Amtsgrafschaft Gleiberg nimmt und den Hüttenberg und das gemeine Land an der Lahn, die Herrschaft Cleeberg, die Ganerbschaft Busecker Tal und die Ganerbschaft Vetzberg betrifft. Nach seinen sorgfältigen Darlegungen waren Entwicklung und Dauer eines Kondominiums nicht vorhersehbar.
Das zweite Fallbeispiel ist die Ganerbschaft Treffurt an der Werra zwischen Sachsen, Mainz und Hessen. Sie dauert bis 1736, wobei der Verfasser nachfragt, ob das Ende als Symptom des Niedergangs oder als Chance zur Reform zu verstehen ist. Im Ergebnis sieht er in Teffurt mit Blick auf die Ausgestaltung des Reichssystems die Zeit stehengeblieben.
Letzendlich folgert er aus seinen Erkenntnissen, dass das Kondominat keineswegs als alteuropäisches Relikt ausgedient habe. Vielmehr biete es Chancen der transitorischen Stabilisierung. Ob und inwiefern sich daraus freilich Besseres entwickele, liege in der politischen Kreativität, den Interessen der politischen Verantwortlichen und der Entwicklung des jeweiligen politischen Umfelds begründet.
Im Anhang seiner eigenständigen Untersuchung bietet der Verfasser drei aufschlussreiche Karten, 5 erhellende Graphiken und 5 wertvolle Tabellen. Danach ediert er wichtige Verfassungsdokumente der Ganerbschaft Treffurt. Eine umfangreiche Bibliographie und ein Orts- und Personregister runden die gelungene Leistung ab. Möge der landesgeschichtliche Ausgangspunkt gemeineuropäische Anerkennung nach sich ziehen.
Innsbruck Gerhard Köbler