Festschrift für Dietrich Pannier, hg. v. Fischer, Detlev/Obert, Marcus. Heymanns, Köln 2010. 469 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Festschrift für Dietrich Pannier, hg. v. Fischer, Detlev/Obert, Marcus. Heymanns, Köln 2010. 469 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der im Frontispiz sympathisch vor (seinen) vielen Büchern ins Bild gesetzte Dietrich Pannier wurde in Brandenburg an der Havel am 24. Juni 1945 geboren und nach der Schulzeit in Erkrath-Unterbach, Düsseldorf und Mettmann sowie zwei Jahren bei der Luftwaffe in Mannheim in der Rechtswissenschaft ausgebildet. Am Lehrstuhl des Strafrechtlers Friedrich-Wilhelm Krause kam er auch mit dem Bibliothekswesen in Berührung, fand an ihm Gefallen, trat nach der zweiten juristischen Staatsprüfung und einer kurzen Tätigkeit als Rechtsanwalt im August 1976 in den Bibliotheksdienst des Bundesgerichtshofs ein und übernahm nach dem Ausscheiden des langjährigen Bibliotheksdirektors Hildebert Kirchner (1985) ab Januar 1986 die Leitung der Bibliothek. Er öffnete die Bibliothek stärker nach außen, schloss sie der modernen Informationstechnologie auf, betrieb an führender Stelle die Präsentation des Bundesgerichtshofs im Internet (1996), kümmerte sich im Rahmen der deutschen Einheit um die Buchbestände des Obersten Gerichts der Deutschen Demokratischen Republik einschließlich der Buchbestände des Reichsgerichts, organisierte den 2003 fertiggestellten Erweiterungsbau der Bibliothek des Bundesgerichtshofs und führte die seit 1965 erscheinende Karlsruher Juristische Bibliographie, das Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache und die Bibliographie juristischer Festschriften und Festschriftenbeiträge der deutschsprachigen Länder fort, so dass ihm Mitarbeiter, Kollegen und Freunde sehr zu Recht zu seinem 65. Geburtstag eine eindrucksvolle Festschrift geschenkt haben.
Ihre insgesamt 35 Beiträge sind nach einem kurzen Geleitwort in zwei ziemlich gleichgewichtige Teile gegliedert. Diese betreffen Rechtsgeschichte und juristische Zeitgeschichte einerseits und juristisches Bibliothekswesen andererseits und folgen dort jeweils in der alphabetischen Ordnung der Verfassernamen aufeinander. Sie enthalten in ihrer bunten Fülle zahlreiche neue Erkenntnisse, können an dieser Stelle aber leider nur in einer kurzen subjektiven Auswahl vorgestellt werden.
Gleich zu Beginn greift Gero Dolezalek auf die juristischen Handschriften aus der Zeit der Glossatoren in der insgesamt mehr als 200000 Bände umfassenden Bibliothek des Reichsgerichts zurück (Handschrift 2° H. 2328, Decretum Gratiani, zweite Hälfte des 12. Jahrhunderts, 271 Blätter, vermutlich in Britannien geschrieben, aus einem unbekannten Dominikanerkloster, 8 Fragmente überwiegend des 12. Jahrhunderts), die freilich zum Leidwesen des lieber in Karlsruhe bleibenden Bundesgerichtshofs um 2005 der von Berlin nach Leipzig übersiedelnden, alle Handschriften (rund 450 Bände, rund 200 Fragmente, davon insgesamt 238 zumindest teilweise mittelalterlich) und alle bis 1800 gedruckten Bücher (236 Inkunabeln, 3000 Drucke der frühen Neuzeit) sowie umfangreiche öffentlichrechtliche Bestände erhaltenden Bibliothek des Bundesverwaltungsgerichts (insgesamt 74500 Druckwerke gegenüber rund 106000 in Karlsruhe verbleibenden Bänden) überlassen werden mussten. Jochen Otto befasst sich mit der frühen Rechtslehre und Rechtspraxis am Beispiel des Albericus de Rosate (um 1290-1360) und seines Dictionarium iuris. Norbert Gross verfolgt das Schicksal von Büchern aus Diebeshand am Beispiel eines aus der herzoglichen Hofbibliothek zu Dessau stammenden, 1978/1981 gestohlenen, 2001 nochmals aus dem Nachlass des Bundesverfassungsrichters Julius Federer gestohlenen Turnierbuchs, während Diemut Majer auf die Höchstgerichtsbarkeit in Deutschland im 19. und 20. Jahrhundert bis in die Jahre 1848/1849 und Fritz Sturm auf die höchstrichterliche deutsche Rechtsprechung vor Inkrafttreten der Zivilprozessordnung (1879) zurückblicken.
Werner Schubert würdigt trotz fehlender ausreichender Einzelforschungen überzeugend das Reichsgericht in der Weimarer Zeit, Wolfgang Schlick frühe Urteile des dritten Zivilsenats des Bundesgerichtshofs. Weitere Beiträge betrachten einzelne Personen wie Franz Schäfer (Markus Gehrlein), Max Güde (Wilhelm Güde), Karl Buzengeiger (Reiner Haehling von Lanzenauer), Hermann Weinkauff, Bruno Heusinger, Robert Fischer, die Kaiserin Mathilde und viele andere teils ernst, teils heiter (Hildebert Kirchner), Levin Goldschmidt (Klaus-Peter Schroeder), den heiligen Ivo (Wolfgang Schwab), die Entenmaier (Hans-Wolf Thümmel) oder Arnold Horn (Karl Zippelius). Die Justizzeitgeschichte im rechtshistorischen Museum Karlsruhe insgesamt nimmt unter anderem an Hand dreier ausgesuchter Persönlichkeiten Detlev Fischer in den Blick.
Der zweite Teil stellt etwa das Informations- und Bibliotheksportal des Bundes (Monika Böhm-Leitzbach/Annette Schlag), die Typologie der Bibliotheken mit Beständen zum ausländischen und internationalen Recht (Jürgen Christoph Gödan), Rezepte für die moderne Behördenbibliothek (Jürgen Kaestner), die Law Libraries Section der IFLA (Holger Knudsen), Global Legal Information Networks (Lyonette Louis-Jacques), Streiflichter aus der Geschichte der Bibliothek des österreichischen Verfassungsgerichtshofs (Josef Pauser), die digitale Welt des Rechts von den Anfängen des Internets bis zur virtuellen Fachbibliothek Recht (Angela Pohl/Ivo Vogel), die Bibliothek des Bundesverfassungsgerichts (Volker Roth-Plettenberg), Kooperationen und e-publishing im juristischen Informationsmarkt (Patrick Sellier) und das juristische Bibliothekswesen in der Schweiz (Peter Johannes Weber) vor. Claudia Holland schildert die schwierigere Rechtslage des Beamtenrechts nach der wenig überzeugenden Föderalismusreform I im Jahre 2009, Harald Müller urheberrechtliche Fragen der Gerichts- und Behördenbibliotheken (Der brave Mann denkt an sich - eigentlich, aber nicht wirklich - zuletzt). Klaus Tolksdorf würdigt aus nächster Nähe Dietrich Pannier und seine beeindruckenden Verdienste um Bibliothek, Bundesgerichtshof und elektronische Datenverarbeitung, so dass auch jeder Leser, der den Geehrten bisher nicht persönlich kennenlernen konnte, ein klares Bild von der Lebensleistung eines führenden deutschen Bibliothekars erlangt, der zwar kein Rechtshistoriker ist, aber doch hinsichtlich des Rechts in Form von Buch und Bit/Byte selbst Geschichte gemacht hat.
Innbruck Gerhard Köbler