Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, hg. v. Mitgliedern der Juristenfakultät. Duncker & Humblot, Berlin 2009. X, 710 S. Besprochen von Werner Schubert.
Festschrift der Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig, hg. v. Mitgliedern der Juristenfakultät. Duncker & Humblot, Berlin 2009. X, 710 S. Besprochen von Werner Schubert.
Die Festschrift der Leipziger Juristenfakultät zum 600jährigen Bestehen der Universität Leipzig soll „ein lebendiges Bild der aktuellen rechtswissenschaftlichen Forschungslandschaft in und mit Bezug auf Leipzig“ zeichnen (S. V). Knapp die Hälfte der Beiträge behandeln rechtshistorische Themen. Der erste Teil der Festschrift ist bedeutenden Rechtslehrern der Fakultät gewidmet (S. 3-241). Wolfgang Schild berichtet über das Leben und den beruflichen Werdegang Benedict Carpzovs, von 1645 bis 1653 Ordinarius an der Juristenfakultät. Die ursprünglich vorgesehenen Abschnitte über das Werk und eine umfassende Würdigung Carpzovs sollen an anderer Stelle veröffentlicht werden. Nützlich ist der Überblick über die reichhaltige Literatur über Carpzov (S. 21-26). Michael Kahlo befasst sich in dem Beitrag: „Deutsch als Rechtssprache. Überlegungen im Rückblick auf Christian Thomasius’ Ankündigung einer deutschsprachigen Philosophievorlesung in Leipzig“ im Jahre 1687 auch allgemein mit der Bedeutung der (Mutter-)Sprache für das rechtswissenschaftliche Denken. Wichtige Aspekte des wissenschaftlichen Werks Leipziger Rechtslehrer stellen heraus Holger Stadie (Steuerrecht bei Otto Mayer und Friedrich Geyler), Roman Schmidt-Radefeldt (Heinrich Triepel als Staats- und Völkerrechtler), Justus Meyer (Victor Ehrenberg als Handels- und Versicherungsrechtler), Ekkehard Becker-Eberhard (über Friedrich Stein), Christian Berger (über den Konkursrechtler Ernst Jaeger) und Christoph Enders (Prinzipientreue im Wandel der Staatsformen bei Willibalt Apelt und Betriebsbegriff bei Erwin Jacobi). Hendrik Schneider entwickelt das arztstrafrechtliche Denken Eberhard Schmidts am Beispiel der rechtlichen Einordnung des lege artis vorgenommenen ärztlichen Heileingriffs, während Bernd-Rüdiger Kern aufzeigt, dass Leipzig in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Hochburg des Medizinrechts (einschließlich des Sozialversicherungsrechts, das der immer noch nicht hinreichend gewürdigte Lutz Richter zwischen 1924 und 1944 vertrat) war. Verdienstvoll erscheint, dass Kern in diesem Zusammenhang auch die zahlreichen medizinrechtlichen Arbeiten Ludwig Ebermayers (Oberreichsanwalt 1921-1926) herausstellt. Hingewiesen sei auch auf folgende Beiträge in den weiteren Abteilungen der Festschrift. Uwe Berlit stellt die Gründe dafür zusammen, welche Gesichtspunkte den „besonderen Stellenwert“ des Bürgerlichen Gesetzbuchs ausmachen, von denen einige nach wie vor „bewahrenswert erscheinen und die es mit den europäischen Entwicklungen im Kontrast stehen lassen“ (S. 375). Angemerkt sei, dass Sohm nicht an der Abfassung des 1. BGB-Entwurfs beteiligt war (anders Häuser, S. 376). Walter Schönrath legt in seinem Beitrag: „Die Normierung des schuldnerischen ,Vertretenmüssens’ im BGB einst und jetzt“ unter Einbeziehung der Entstehungsgeschichte der §§ 276, 279 BGB a. F. dar, dass der Gesetzgeber des Schuldrechts zu Unrecht die Regelung des § 279 weggelassen habe, statt sie ausdrücklich auf die „mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit“ auszudehnen (S. 424). Adrian Schmidt-Recla geht näher auf die mittelalterlichen wirtschaftlichen Zweckverbände in Halle/Saale und in Freiburg/Sachsen ein (S. 579ff.). Der umfangreichste rechtshistorische Beitrag des Bandes von Eva Schumann mit dem Thema: „Von Leipzig nach Göttingen. Eine Studie zu wissenschaftlichen Netzwerken und Freundschaften vor und nach 1945“ (S. 633-678) stellt heraus, dass sechs der acht in Leipzig im Sommersemester 1945 lehrenden Ordinarien in der Folgezeit in der Göttinger Juristenfakultät Aufnahme fanden, nämlich Hans-Otto de Boor, Karl Michaelis, Eberhard Schmidt, Hans Thieme, Werner Weber und Franz Wieacker. Hinzu kommen noch Ernst Rudolf Huber und Friedrich Schaffstein, die 1941 von Leipzig nach Straßburg gingen. Vier der acht Professoren gehörten dem engeren Kreis der Kieler Schule an. Im Einzelnen behandelt Schumann mit detaillierten Nachweisen die Kieler Schule und die Studienreform (S. 644ff.) sowie die wissenschaftlichen Netzwerke in der NS-Zeit (Mitarbeit der acht Juristen an Buchreihen und in neuen Zeitschriften sowie in der Akademie für Deutsches Recht) und stellt damit wichtige Aspekte für eine kritische Beschäftigung mit den genannten acht Rechtsprofessoren heraus.
Die rechtshistorischen Beiträge des Bandes verdeutlichen insgesamt die große Bedeutung der Leipziger Juristenfakultät besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für die deutsche Rechtsgeschichte. Sie bilden zusammen mit den bereits vorliegenden Arbeiten zur neueren Fakultätsgeschichte einen wichtigen Baustein für eine Gesamtgeschichte in der Leipziger Juristenfakultät der zweiten Hälfte des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die bald vorliegen möge.
Kiel
Werner Schubert