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Düding, Dieter, Parlamentarismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1980. Vom Fünfparteien- zum Zweiparteienlandtag (= Handbuch zur Geschichte des deutschen Parlamentarismus). Droste, Düsseldorf 2008. 823 S. Besprochen von Werner Schubert.

Düding, Dieter, Parlamentarismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1980. Vom Fünfparteien- zum Zweiparteienlandtag (= Handbuch zur Geschichte des deutschen Parlamentarismus). Droste, Düsseldorf 2008. 823 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

In seiner geschichtswissenschaftlichen Studie über den Parlamentarismus von Nordrhein-Westfalen zwischen 1946 und 1980 erweitert Düding auf breiter Quellenbasis (Einbeziehung der archivalischen Quellen und zahlreicher Nachlässe sowie Berücksichtigung von Zeitungen und Periodika sowie von Zeitzeugengesprächen) den Kenntnisstand der politischen Geschichte des größten Bundeslandes. Die Gliederung des Werkes in sieben Teile entspricht den Entwicklungsperioden des NRW-Parlamentarismus (1946/47, erster Landtag sowie die folgenden gewählten sieben Landtage, wobei die Landtage von 1966 und 1970 in einem Abschnitt zusammengefasst sind). Schwerpunkte der Darstellung sind die Frühzeit des Parlamentarismus in Nordrhein-Westfalen bis 1950, die Parteien und Fraktionen, die Opposition und deren Verhalten, das parlamentarische Personal sowie die Interdependenz zwischen Bundes- und Landespolitik. Für den Rechtshistoriker ist vor allem die Darstellung der Gesetzgebungsprozesse von Interesse. Die Landesverfassung wurde im Vergleich zu den anderen Bundesländern erst sehr spät, am 6. 6. 1950, kurz vor Schluss des ersten gewählten Landtages gegen die Stimmen der SPD verabschiedet. Sehr breit geht Düding auf die „neuralgischen“ Verfassungsfragen ein: Staatlichkeit des Landes, Volksbegehren und Volksentscheid, Sozialisierung/Mitbestimmung, parlamentarisches System, Wahlsystem, konstruktives Misstrauensvotum, Gesetzgebungsnotstand sowie Zweite Kammer (S. 234ff.). Die kontroversen Diskussionen über die Schulartikel der Verfassung kündigten das „Mega-Streitthema“ (S. 755) im Parlament Nordrhein-Westfalens an. Stark umstritten war noch vor Verabschiedung der Verfassung das Rahmengesetz zur Sozialisierung der Kohlenwirtschaft, das von der SPD, dem Zentrum und der KPD am 6. 8. 1948 angenommen, jedoch von der Britischen Besatzungsmacht nicht bestätigt wurde (S. 173ff.). Zu langen Kontroversen führte auch das Landeswahlgesetz von 1947 (S. 127ff.), das in den folgenden Jahren und Jahrzehnten mehrfach ergänzt und verändert wurde. Im Rahmen einer umfangreichen Parlamentsreform wurde 1969 das aktive Wahlalter auf 18 Jahre herabgesetzt und die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängert. Ausführlich behandelt Düding auch die Geschäftsordnung des Landtags und deren Änderungen (S. 115ff.). 1965 wurde die Fragestunde, 1969 die „Aktuelle Stunde“ eingeführt; im April 1974 wurde der Begriff der „Opposition“ in der Geschäftsordnung verankert (S. 603). Sehr breit stellt Düding die Entstehung der Schulreform- und Universitätsgesetze (S. 331ff., 555ff., 642ff.) sowie die Gesetze zu den beiden umfangreichen Kommunalgebietsreformen dar (S. 577, 665ff.).

 

Das Werk wird abgeschlossen mit einer „Schlussbetrachtung“ (S. 724-768), die primär die politikgeschichtlichen Ergebnisse der Untersuchungen zusammenfasst. Das Werk bringt auf den Seiten 775ff. ein Verzeichnis der Wahlausgänge, der Landtagspräsidenten und Fraktionsvorsitzenden sowie der Zusammensetzung der Landesregierungen von 1946 bis 1980 sowie ein Personenregister. Ein Sachverzeichnis wäre ungeachtet der Schwerpunktbildung nützlich gewesen. Das Werk Düdings belegt eindrucksvoll, dass man zumindest für die Zeit bis 1980 angesichts der sehr kontroversen Gesetzesvorhaben sowie der starken Oppositionsfraktion (zunächst der SPD unter Kühn, ab 1970 der CDU unter Köppler) nicht von einem Bedeutungsverlust des Landesparlamentarismus sprechen kann, zumindest soweit dies Nordrhein-Westfalen betrifft. Mit seinem lesenswerten und anschaulich geschriebenen Werk über den Parlamentarismus in Nordrhein-Westfalen hat Düding auch für den Rechtshistoriker wichtige Themenfelder erschlossen. Es ist zu wünschen, dass sich die Rechtshistorie verstärkt der Rechtsgeschichte der Bundesländer und insbesondere des größten Bundeslandes Nordrhein-Westfalen annehmen, das in der Verfassungs- und Gesetzgebungsgeschichte zumindest in dem von Düding behandelten Zeitraum eine wichtige Rolle auch in der Gesamtgeschichte der Bundesrepublik spielte.

 

Kiel

Werner Schubert