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Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozessakten. Bilanz und Perspektiven der Forschung, hg. v. Battenberg, Friedrich/Schildt, Bernd (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 57).. Böhlau, Köln 2010. XXXIII, 427 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

Das Reichskammergericht im Spiegel seiner Prozessakten. Bilanz und Perspektiven der Forschung, hg. v. Battenberg, Friedrich/Schildt, Bernd (= Quellen und Forschungen zur höchsten Gerichtsbarkeit im Alten Reich 57).. Böhlau, Köln 2010. XXXIII, 427 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Der vorliegende stattliche Sammelband ist das Ergebnis einer in Berlin in der ehemaligen Direktorenvilla des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz vom 10.-13. April 2008 abgehaltenen Tagung, in deren Rahmen Archivare, Rechtshistoriker, Verfassungshistoriker und Sozialhistoriker auf die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft seit dreißig Jahren geförderte Neuverzeichnung der in rund 50 deutschen und ausländischen Archiven überlieferten etwa 70000 Prozessakten des Reichskammergerichts zurückblickten. Während vierer Tage wurden insgesamt 19 Vorträge in vier thematisch strukturierten Sektionen gehalten. Auf ihrer Grundlage erörterten die Teilnehmer sowohl grundlegende inhaltliche und methodische Fragen wie auch viele Einzelergebnisse, auf welche an dieser Stelle aus Platzgründen leider nicht näher eingegangen werden kann.

 

Am Beginn des Werkes steht der Rückblick auf das Projekt zur Inventarisierung der Reichskammergerichtsakten durch Bernhard Diestelkamp als eigentlichen Gründer und bedeutendsten Förderer des Vorhabens, dem als Ausdruck des allgemeinen Dankes für seine großartige Leistung der Band gewidmet ist. Praktische Erfahrungen aus der Inventarisierung von Reichskammergerichtsakten am Beispiel südwestdeutscher Staatsarchive steuert Raimund J. Weber bei. Den wichtigen Wandel in der Erschließung der Reichskammergerichtsakten im Wege des Übergangs vom hergebrachten gedruckten Inventar zur modernen Online-Recherche in der Datenbank schildert Bernd Schildt, der sich auf diese Weise ebenfalls hervorragende Verdienste um das Reichskammergericht erworben hat.

 

Mit zwei besonderen, lange Zeit vernachlässigten Personengruppen vor dem Reichskammergericht befasst sich der anschließende Themenblock. Werner Trossbach behandelt die Einbeziehung von Prozessen bäuerlicher Untertanen gegen ihre Obrigkeit in die Kameraljudikatur. Anette Baumann widmet sich Frauen vor dem Reichskammergericht, wobei Jost Hausmann die Darlegungen um einen Kommentar bereichert.

 

Mit Streitgegenständen vor dem Reichskammergericht beschäftigen sich drei Referate. Anja Amend-Traut hat die Zivilverfahren vor dem Reichskammergericht im Rückblick und in der Perspektive zum Gegenstand, Ralf-Peter Fuchs die Hexenprozesse des Rates von Kaysersberg und Frank Kleinehagenbrock die Konflikte um die Besitzstände der Konfessionsparteien. Winfried Schulze äußert sich dazu im weiterführenden Kommentar.

 

Den Vergleich mit anderen Höchstgerichten im Reich streben vier weitere Studien an. Vergleichsobjekt sind dabei für Eva Ortlieb und Siegrid Westphal der Reichshofrat, für Paul L. Nève bzw. Nils Jörn das Parlement de Paris und der Hohe Rat von Mecheln bzw. das Wismarer Tribunal. Kommentiert werden die dabei vorgetragenen Erkenntnisse durch Leopold Auer.

 

Den Beschluss bildet die Erfassung des Raumes durch das Reichskammergericht. Hierzu bringt Bernd Schildt hinsichtlich der Nähe und Ferne zum Reichskammergericht sorgfältig ermittelte Teilergebnisse einer quantitativen Analyse ein, die eine monokausale Erklärung ausschließen und vertiefte Betrachtungen als notwendig erweisen. Jürgen Weitzel untersucht Exemtionen, Appellationsprivilegien und vergleichbare Erscheinungen, Ingrid Männl Juristenlandschaften und Maximilian Lanzinner Juristen unter den Gesandten, begleitet durch einen Kommentar aus der sachkundigen Hand von Sigrid Jahns.

 

Der Anhang gibt mehrere sehr nützliche Verzeichnisse wieder wie die Inventare der Akten des Reichskammergerichts und die Reichskammergerichtsprozesse in ihrer Überlieferung. Insgesamt entsteht so ein glanzvoller Abschluss des bislang bedeutendsten, weitgehend verwirklichten Inventarisierungsvorhabens in Deutschland, um den sich alle Beteiligten sehr verdient gemacht haben. Auf seiner Grundlage kann die Erörterung von Einzelfragen deutlich sicherer fortgeführt werden als bisher, wofür allen Beteiligten sehr zu danken ist.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler