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Das Preßburger Protocollum Testamentorum 1410 (1427)-1529. Teil 1 1410-1487, hg. v. Majorossy, Judit/Szende, Katalin (= Fontes rerum Austriacarum, Dritte Abteilung Fontes iuris Band 21, 1). Böhlau, Wien 2010. VIII, 535 S., 3 Abb. Besprochen von Wilhelm Brauneder.

Das Preßburger Protocollum Testamentorum 1410 (1427)-1529. Teil 1 1410-1487, hg. v. Majorossy, Judit/Szende, Katalin (= Fontes rerum Austriacarum, Dritte Abteilung Fontes iuris Band 21, 1). Böhlau, Wien 2010. VIII, 535 S. 3 Abb. Besprochen von Wilhelm Brauneder.

 

Letztwillige Verfügungen zählen mit zu den interessantesten Rechtsquellen, da sie meist Aufschluss geben über verschiedenartige Rechtsverhältnisse; darüber hinaus sind sie eine wertvolle Quelle für die Sozial- und Wirtschaftsgeschichte durch die Aufzählung von Vermögensteilen unter Einschluss von Schulden und Forderungen. Dies trifft auch auf die vorliegende Edition mit ihren glücklicherweise im Volltext aufgenommenen Eintragungen zu. Sie lassen schon einmal das Entstehen ihres Inhalts erkennen. Am „siechbet“, wie manchmal betont (z. B. 228, 311), äußert der Testator seinen letzten Willen vor Zeugen, nach denen er „gesanndt“ hat (z. B. 162). Das, was sie sich „fleÿssikleich vermerchkt“ (z. B. 336, 337) oder allenfalls „trewlich und ungefarlich in geschrifft gepracht haben“ (340), nämlich in Form eines „gescheft zetel“ versehen mit ihrem „petschadt“ (z. B. 162), ist sodann zu „verschreyben in meiner herrenn statgescheft puech“ (190). Aber es kann auch sein, dass der „geschafft tzedel“ vom Testator stammt (287), von ihm mit „aygen hant geschriben“ (191). Interessant ist, dass trotz gleichem Vorgang derartige Verfügung einmal in dritter Person (z. B. 336), aber auch in erster Person (z. B. 340) protokolliert wurden. Nicht immer ist dieser Vorgang in den Eintragungen klar vermerkt wie wohl dann, wenn die Zeugen eine mündliche Verfügung aus dem Gedächtnis haben protokollieren lassen und diese kurz war, beispielsweise die Ehefrau „all ir güter“ einfach ihrem Ehegatten vermacht (z. B. 306). Protokolliert wurde übrigens auch, wie in diesem Falle, dass der bedachte Ehegatte von dem, was er zugunsten der Erblasserin „umb ir seel hail“ unternehmen solle, von dieser „in gehaim underricht“ wurde!

 

Die durchgehende Bezeichnung der letztwilligen Verfügungen lautet „Geschäft“, zusätzlich manchmal auch „lester will“ (z. B. 333, 334, 341, 346). Auffallend ist, dass ab Jahresbeginn 1471 durchgehend die Überschrift „Testamentum“ (318ff) verwendet wird, wobei nicht nur im Text die Bezeichnung „Geschäft“ weiterhin üblich bleibt, sondern, ihr entsprechend, auch der Charakter. Durchgehend handelt es sich nämlich nicht um Erbeinsetzungen, sondern um Vermögensverteilungen, und zwar in der Regel durch Anführung einzelner Gegenstände oder Geldsummen. Nur ausnahmsweise findet sich schon früher, 1454, der Ausdruck „Testament“ allein und in der Paarformel „Geschäft oder Testament“ (159). Da hier die Rede davon ist, die Zeugen haben „versiegelt das Testament“, späterhin der Ausdruck als Überschrift erscheint, könnte darauf geschlossen werden, dass mit „Testament“ die äußere Form der Rechtshandlung „Geschäft“ bezeichnet wird. Ähnlich ist ja die Quelle „protocollum testamentorum“ überschrieben, wird aber in einer Eintragung „geschefftpüch“ (243 gegen Schluss) genannt. Tatsächlich enthält es so gut wie ausschließlich Geschäfte, also die beschriebenen einseitigen letztwilligen Verfügungen, nur einmal ein gegenseitiges Geschäft/Gemächt (30), sodann zwei Erbschaftsurteile, eigentlich nur eines (243), da das andere (242) gestrichen ist, sodann eine Erbteilungsentscheidung (19) und im Zusammenhang damit einen Kauf (21).

 

Auf die Inhalte kann hier nicht eingegangen werden. Wir erfahren jedenfalls durch Verweisung auf ein „gruntpuech“ (191) von dessen Existenz; von der Vererbung eines „leibgeding“ (191); dass das „Heiratsgut“ der Braut und die Widerlegung („wider versprochen“) des Bräutigams sich synallagmatisch verhalten, da des ersteren Leistung unterblieb, weil diese nicht erbracht wurde (400, S. 473). Spätere Eintragungen, nach einem knappen Jahr (56) oder auch nach acht Jahren (92), informieren manchmal punktuell über Erfüllungen einzelner Verfügungen zum Teil recht kurz als Randnotiz: „ausgericht“ (94), „dedit“ (beides 105, 184).

 

Besonders interessant sind zwei, wohl miteinander zusammenhängende Erscheinungen: Einerseits ist dies der Hinweis, dass dem Geschäft „nymancz widersprechen hat mugen“ (z. B. 191, ähnlich u. a. 320), es erfolgt ist „an menigs inreden“ (z. B. 190), konkret ohne „alez widersprechen meiner hawesfrawen, auch meiner kinder und aller meiner frewnden“ (192). Damit hängt wohl auch zusammen, dass der Testator „mit guettem willen“ des Ehegatten sein Geschäft errichtet (z. B. 318, 333), auch bekennt die Ehegattin vor den Zeugen, sie sei „gewilligt zetuen“ das Geschäft „an alle widerrede“ (96-97). Andererseits erfolgten Widerrufe. So widerruft die Witwe einen „artikel“, der dem Sohn und der Schwester des Testators einige Fahrnis vermacht (317); ein Dritter das gesamte Geschäft anstatt der Witwe und der Kinder des Testators „an dem tag, da das geschëfft ist einbekchanntt warden“ (287); das gesamte Geschäft ein in diesem Bedachter, offenbar, weil über seine Forderung an den Erblasser zum Teil zugunsten seiner Gattin, zum überwiegenden aber an dritte Personen verfügt wurde, obwohl beide noch weiterhin bedacht sind (344). Die Bestimmung, wonach dem Sohn des Erblassers ein Weingarten zu seinem „aigen guet“ vermacht wird, da dieser nach dem Tod des Leibgedingsnehmers „dann frey“ sei, wird von diesem beeinsprucht (176). Vier Jahre danach wird dieses „leibgeding“ einer dritten Person vermacht, nun fehlt ein Einspruch (191). Anregungen für die Forschung!

 

Das Testamentenbuch selbst und sein rechtliches Umfeld zeigen große Ähnlichkeiten zur Situation in Wien. Wie dieses besitzt Preßburg mehrere Rechtsgeschäftsbücher, neben dem edierten das in ihm zitierte Grundbuch (191) sowie laut Einleitung ein Satzbuch (S. 15). Der Einfluss der Wiener Grundbücher auf jene in Preßburg ist der Forschung seit langem bekannt (F. Kováts, ZRG GA 1918). Die engen Beziehungen zu Wien betonen auch die Herausgeberinnen (S. 16). Die edierten Eintragungen entsprechen in ihrem Inhalt den Geschäften in den Wiener Stadtbüchern, weisen allerdings kaum Ähnlichkeiten in den hier so ausgeprägten Formen auf. Für den Benützer ist es daher sehr hilfreich, dass sich die „Kopfregesten orientieren … an der Edition der Wiener Stadtbücher“ (S. 37: Brauneder/Jaritz/Neschwara ab 1989). Überraschenderweise fehlen in Preßburg die in Wien so häufig anzutreffenden Verwandtschaftsweisungen als Grundlage der gewohnheitsrechtlichen Blutsverwandten-Erbfolge. Beziehungen zu Wien (Geschäft eines Wieners auch über Wiener Vermögen: 317) sowie zum niederösterreichischen Bruck/Leitha (19) und wohl Pottendorf (21) sind allerdings selten. Insgesamt aber zeigt sich mit aller Deutlichkeit, und zwar nicht nur an der Sprache, dass Preßburgs Rechtsgewohnheiten dem deutschen Rechtsraum zugehören. So ist es zwar legitim, die Privatrechtsverhältnisse in dieser ungarischen Stadt mit Ungarn mehrfach zu vergleichen (S. 16ff.), die gravierenden Unterschiede verstehen sich aber aus dem eben Gesagten (vgl. S. 15). Es ist interessant, dass im Zusammenhang mit der Grundbuchführung eine passende Bestimmung des deutschen Ofener Stadtrechts zitiert werden kann, aber schade, dass dies nicht auch mit drei bloß erwähnten Artikeln eines Preßburger Rechtsbuchs über letztwillige Verfügungen geschieht (9). So ist in der umfangreichen Einführung der den Rechtsnormen und insbesondere den letztwilligen Verfügungen gewidmete Teil (S. 7 ff.) gerade vom Rechtshistorischen her besehen ergänzungsbedürftig: Beispielsweise wird die „Summa legum“ heute nicht mehr wie noch von Gál 1926 einem Juristen aus Wiener Neustadt zugeschrieben, sondern einem neapolitanischen, wenngleich wohl in Österreich mit heimischem Recht im Sinne der Differenzenliteratur verbunden (S. 9); auch dienen Satzbücher nicht einfach der „Registrierung der Haus- und Weingarteneigentümer“ (S. 15). Interessant ist das zur Entwicklung der Stadtbücher (S. 12ff.), beispielsweise zu ihrer Differenzierung (S. 15f.), Ausgeführte. Insgesamt liegt eine sehr verdienstvolle und vor allem für die rechtshistorische Forschung nützliche Arbeit vor. Mit Interesse sieht man dem zweiten Band entgegen, zumal er mit Eintragungen bis 1529 in die Rezeptionszeit hineinreichen wird.

 

Wien                                                                                                                         Wilhelm Brauneder