Bölling, Rainer, Kleine Geschichte des Abiturs. Schöningh, Paderborn 2010. 192 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Bölling, Rainer, Kleine Geschichte des Abiturs. Schöningh, Paderborn 2010. 192 S., Abb. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der 1944 geborene Verfasser, der Heinz Rühmann in der beknnten Feuerzangenbowle des Jahres 1944 vom Umschlag lächeln lässt, lehrte von 1976 bis 2007 im höheren Schuldienst des Landes Nordrhein-Westfalen. Er kennt also seinen Sachgegenstand aus nächster Nähe. Dankenswerterweise hat er sich in klarer, gut verständlicher Weise seiner Geschichte angenommen.
Er gliedert seine mit der Frage des Einserabiturienten Franz Josef Strauß an kritische Juristen „Haben Sie Abitur“ einsetzende Darstellung mit der Abiturprüfung von 1835, um danach das sich immer mehr öffnende Tor zur Universität zu schildern, das vielleicht eines Tages für jedermann selbverständlich sein wird. Danach untersucht er das Abitur vom ersten Abiturregelement in Preußen im Jahre 1788 über den Kampf der Realschulen um Gleichberechtigung mit den Gymnasien und zwischenstaatlichen Vereinbarungen bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Überzeugend widmet er ein eigenes Kapitel dem dornigen Weg der Mädchen zum Abitur bis zum Ende der Geschlechtertrennung nach 1945.
Den chronologischen Faden nehmen die beiden folgenden Kapitel für die Zeit vom ersten zum zweiten Weltkrieg und für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder auf. Vertieft werden die Probleme des Zentralabiturs und der Schulzeitverkürzung auf 8 Jahre Gymnasium sowie des Abstiegs des Faches Latein vom zentralen Abiturfach zum auf Grundzüge zurücksinkenden Mittelstufenfach. In deutschen Abituraufsätzen spiegelt der Verfasser schließlich den auch Gymnasium und Abitur nicht unberührt lassenden Zeitgeist, dem sich kaum einer aus der stetig wachsenden Zahl derer, die Strauß’ berührende Frage bejahen darf, entziehen kann.
Insgesamt spricht nach dem zurückhaltenden Urteil des Verfassers einiges dafür, dass die Anforderungen im Abitur (nach der Oberstufenreform zumindest zeitweise) gesunken sind. Wenn die heutigen Durchschnittsnoten erheblich besser sind, so bedeutet dies keinesfalls eine gestiegene Qualität des Abiturs. Wo Menschen sekundär motiviert lernen sollen oder müssen, wird freilich Prüfung erforderlich sein, ohne dass das geschichtlich entstandene Abitur nicht neben einem Anfang eines Tages auch ein Ende haben kann.
Innsbruck Gerhard Köbler