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A Pécsi Püspöki Joglyceum emlékezete 1833-1923 [Das Gedächtnis des Bischöflichen Juristischen Lyceums zu Fünfkirchen 1833-1923], hg. v. Kajtár, István/ Pohánka Éva. Publikon Verlag, Pécs 2009. 313 S.Besprochen von Katalin Gönczi.

A Pécsi Püspöki Joglyceum emlékezete 1833-1923 [Das Gedächtnis des Bischöflichen Juristischen Lyceums zu Fünfkirchen 1833-1923], hg. v. Kajtár, István/ Pohánka Éva. Publikon Verlag, Pécs 2009. 313 S. Besprochen von Katalin Gönczi.

 

Pécsi jogászprofesszorok emlékezete (1923-2008). Antológia [Das Gedächtnis der Juraprofessoren zu Fünfkirchen. Eine Anthologie], hg. v. Kajtár, István. Publikon Verlag, Pécs 2008. 324 S. Besprochen von Katalin Gönczi.

 

Wie kann man den Spagat zwischen Rechtsunterricht und rechtswissenschaftlichen Publikationen schaffen? Was prägt das Gedächtnis späterer Generationen am meisten: Die legendäre Persönlichkeit eines Hochschullehrers oder sein Œuvre als Wissenschaftler? Diese für Juraprofessoren immer wieder aktuellen Fragen liefern eine Perspektive auf zwei „Gedächtnisbände“ zur Geschichte der Juristenausbildung in Pécs / Fünfkirchen; beide Bücher sind neue Publikationen aus der Werkstatt István Kajtárs.

 

Die Geschichte der Juristenausbildung ist zu Beginn des dritten Jahrtausends auch in Ungarn wieder einmal en vouge geworden, wie eine Gesamtrezension von Annamária Bíró zu neueren Perspektiven der rechtshistorischen Forschungen verdeutlicht hat.[1] Aber parallel zur weitverbreiteten positivistischen Institutionengeschichte der ungarischen Verfassungs- und Rechtsgeschichtsschreibung gab es auch schon früher einen schmalen Pfad, auf dem die Wissenschaftsgeschichte ihren Weg suchte. Insbesondere Gründungsjubiläen boten einen guten Anlass für Rückblicke auf die Juristenausbildung in Ungarn. Eine kritische Auseinandersetzung mit der jüngsten Geschichte der Juristenausbildung wurde dabei aber bislang aus Vorsicht gemieden. Daher sind die nun umfassenderen, von István Kajtár herausgegebenen Sammelbände zur Juristenausbildung in Pécs besonders zu begrüßen.

 

Die Vorträge einer wissenschaftlichen Konferenz im Jahre 2009 bilden die Grundlage der Publikation zum Pécser juristischen Lyzeum. Die Autoren des vorbildhaft schnell erschienenen Sammelbandes kommen aus dem Umfeld der Pécser Universität und von Pécser Archiven, ergänzt durch zwei Professoren für ungarischen Rechtsgeschichte an der Budapester ELTE bzw. der Miskolcer Universität. Der Aufbau des Bandes zeigt ein gutdurchdachtes Konzept, wobei nach einem allgemeinen Teil als Einführung in die Geschichte der Rechtsakademien die personelle und inhaltliche Seite der Juristenausbildung erläutert wird. Die Rechtsakademie als Institut der Juristenausbildung ist in Kajtárs Buch durch Professorenbiographien und Erläuterungen zu den Studentenorganisationen sowie durch eine Analyse der sachlichen und infrastrukturellen Bedingungen beschrieben.

 

Zunächst erläutern ausgewiesene Vertreter der ungarischen Rechtsgeschichte ein Segment der Juristenausbildung in Ungarn: Barna Mezey beschäftigt sich mit den Rechtsakademien im allgemeinen und stellt dabei fest, dass Rechtsakademien bzw. Rechtslyzeen eine Zwischenstufe zwischen dem Gymnasium und der Universität bedeuteten. Er untersucht diesen speziellen Zweig der Juristenausbildung erstens im Hinblick auf seine juristischen Lehrstühle, zweitens im Gesamtblick auf die juristischen Fakultäten und drittens durch eine Analyse ihrer Zielsetzung. Mezey schlägt in seiner reich mit Zitaten ausgestatteten Schilderung einen großen zeitlichen Bogen. Zur Rolle der Akademie im „Zeitalter der Extreme“ (Eric Hobsbawm) wäre es aber von Interesse, zusätzlich quellengestützte Einschätzungen zu liefern.

 

Diesem Überblick folgen zwei an Quellenreichtum miteinander konkurrierende Aufsätze zur Geschichte des Rechtsunterrichts in den Bildungsanstalten der katholischen Kirche: in Pécs und in Eger / Erlau. István Stipta präsentiert eine detailreiche Studie über die Rechtsakademie in Miskolc: infolge der Trianoner Friedensverträge wurde der Sitz der evangelischen Rechtsakademie von Eperies / Prešov nach Miskolc verlegt. Die Dekane dieser – nach Stipta – „geflohenen“ Rechtsakademie bestimmten dann die Funktionsweise der Juristenausbildungsanstalt. Der Leser bekommt ein genaues Bild über die Lehrpläne und Studentenzahlen, die Unterrichtsordnung und die interne Struktur der Rechtsakademie.

 

Ausführungen zu Professor István Késmárky (1865-1926) leiten den „besonderen Teil“ des Buches ein. In diesem Abschnitt werden Lehrpläne, Professorenernennungen, der Umbau des Unterrichts an der Akademie und Lehrerpersönlichkeiten dargestellt. Auch wichtige Informationen über den Lebensweg der Juraprofessoren samt ihrem Auslandsstudium können die Leser finden. Selbst für das Habilitationsverfahren der Universitäten werden wichtige Angaben mitgeteilt, so z. B., dass damals ein Gremium nach juristisch nicht messbaren Kriterien darüber entschied, ob der Kandidat zur Qualifikation „persönlich geeignet“ sei. Erst nach diesem Vorentscheid konnte die tatsächliche Habilitation beginnen (S. 172).

 

Der Band zum juristischen Lyzeum enthält auch einige Angaben zur heiteren Seite der Juristenausbildung. Anekdoten über den Dialekt eines Professors (S. 112), über die musikalische Bildung (S. 121) oder Urlaubsorte am Plattensee (143) sowie Gefängnisbesuche (S. 143) machen dabei den Alltag der Pécser Rechtsakademie anschaulich. Zum Glanz der Rechtsakademie gehörten die Studentenvereinigungen und das gesellschaftliche Leben der Studenten; darüber berichtet anhand von Protokollen der Archivar Attila Márfi. Besonders interessant ist dabei der Bericht über die Tätigkeit des Lesevereins an der Rechtsakademie (S. 211-217), was eine Studie des Wiener Rechtshistorikers Wilhelm Brauneder über den juridisch-politischen Leseverein zu Wien von 1840 bis 1990 ergänzt.[2] Ein schöner Teil des Lebens der Jurastudenten war ihre musikalische Beschäftigung: sie gründeten einen Chor, der sonntags bei den Juristengottesdiensten in der Kirche der Rechtsakademie sang. Um die Traditionen der ungarisch-romantischen Musik zu pflegen, gab es sogar eine Juristenband, die mit „Zigeunermusik“ auftrat. Im „goldenen Zeitalter“ entspannte sich die Jugend der Rechtsakademie auch bei Bällen und in Bädern. Márfi veranschaulicht diese und andere Traditionen der Jurastudenten vor dem ersten Weltkrieg und deutet zum Schluss auch den Militärdienst der Studenten und Professoren im Krieg an, von dem nur Wenige zurückkehrten.

 

Im Hinblick auf die Infrastruktur der Rechtsakademie ist der Beitrag Éva Pohánkas hervorzuheben, die über die Geschichte und Funktionsweise der Bibliothek berichtet. Die nach dem Pécser Bischof György Klimó (1710-1777) benannte bischöfliche Bibliothek (gegründet im Jahre 1774) war die Grundlage der Bibliothek der Rechtsakademie. Diese Sammlung umfasste etwa 15.000 Bände. Im Reformzeitalter, als die Rechtsakademie in Pécs neu gegründet wurde, erweiterte Bischof Ignác Szepesy (1780-1838) die Bibliothek.

 

Für die weitere Forschung ist es besonders wichtig, dass der Band von Kajtár und Pohánka eine umfangreiche Bibliographie zur Geschichte der Rechtsakademien enthält. Ein Werkverzeichnis der Juraprofessoren wäre eine wünschenswerte Ergänzung des Bandes gewesen.

 

Ein Verzeichnis der wichtigsten Werke einiger Juraprofessoren findet der Leser aber im zweiten hier besprochenen „Gedächtnisband“. Auf diese Weise wird auch die wissenschaftliche Tätigkeit der Hochschullehrer vergleichbar, denn in dieser Publikation werden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Universität Pécs die Vertreter der jeweiligen Disziplinen mit ihren Laufbahnen vorgestellt. Interessant erscheint dabei, dass im Mittelpunkt des heutigen wissenschaftlichen Interesses nur männliche Professoren stehen, obwohl gerade in Ungarn seit den 1950-er Jahren die Männerdominanz auch in den Rechtswissenschaften aufgehoben wurde. Diese universitätsgeschichtliche Publikation bietet zudem eine gute Gelegenheit, etwas über im Ausland besser als in Ungarn bekannte Rechtswissenschaftler wie István Csekey (1889-1963) zu lesen. Bisher wenig betretene Bahnen der ungarischen Rechtsgeschichte, wie die Einschätzung der Zeitgeschichte nach 1948, werden hier sachlich und gründlich erschlossen.

 

Die Laufbahnen von Rechtshistorikern informieren die Leser über die Geschichte des eigenen Faches. Andor Csizmadia (1910-1985) war eine aktive Transferperson und nahm an zahlreichen wissenschaftlichen Tagungen an ostmitteleuropäischen Universitäten teil. Er pflegte Kontakte u. a. nach Prag, Wien, Krakau und Moskau (S. 115). Aus dem Beitrag von Róbert Szekeres zu Csizmadia lässt sich erkennen, dass in der Rechtsgeschichte der 20. Jahrhunderts der Schwerpunkt auf die Verfassungsgeschichte der Neuzeit verschoben wurde. Zsuzsanna Peres untersucht in diesem Band die Lebensläufe zweier Rechtshistoriker: Zoltán Kérészy (1868-1953), der vorrangig im öffentlichen Recht arbeitete, und den auch an den historischen Zusammenhängen der Rechtsgeschichte interessierten József Holub (1885-1962). Die Ergebnisse von Szekeres und Peres zeigen eine gründliche Forschungsarbeit.

 

Wichtige Angaben zur jüngsten Zeitgeschichte liefert der präzise Beitrag von Attila Pókecz Kovács über den langjährigen Lehrstuhlinhaber für römisches Recht, Ferenc Benedek. Als er Universitätsassistent war, kam es – für damalige Wissenschaftler mit „nichtproletarischer Herkunft“ in den 1950-er Jahren typisch – zu „Misstrauensuntersuchungen“ und „Anzeigen“. Dem Romanisten Pókecz Kovács fällt es leicht, das Œvre Benedeks einzuschätzen und einige fachspezifische Charakteristika hervorzuheben, was zu einem sehr lesenswerten und lehrreichen Beitrag führt.

 

Die schillernde Geschichte der jetzigen juristischen Fakultät der Universität Pécs zeigt dabei viele Parallelen zur ungarischen Geschichte. Von der Universitätsgründung durch König Ludwig I. aus der Angevinen-Dynastie bis zur juristischen Fakultät der Universität Pécs in der Kulturhauptstadt Europas im Jahre 2010 lassen sich wichtige Charakteristika und Tendenzen aufzeichnen. Zu diesem Spannungsbogen gehört die Geschichte der Juristenausbildung an der Rechtsakademie und späteren Universität zu Pécs. Diese Bände tragen dazu wesentlich bei, dass der Spagat zwischen Unterricht und dem Schreiben von Publikationen für kommende Wissenschaftlergenerationen erkennbar und bewältigbar wird.

 

Magdeburg                                                                                        Katalin Gönczi

[1] Annamária Bíró, A jogtörténeti kutatások újabb perspektívái [Die neueren Perspektiven der rechtshistorischen Forschungen], in: Erdélyi Múzeum, 2009/1-2, S. 102-106.

[2] Wilhelm Brauneder, Leseverein und Rechtskultur: der Juridisch-Politische Leseverein zu Wien 1840 bis 1990, Wien 1992.