Zwischen Fürstenwillkür und Menschheitswohl - Gottfried Wilhelm Leibniz als Bibliothekar, hg. v. Hartbecke, Karin (= Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie Sonderband 2008). Klostermann, Frankfurt am Main 2008. 277 S. Besprochen von Gerhard Köbler., ZRG GA 127 (2010)
Zwischen Fürstenwillkür und Menschheitswohl - Gottfried Wilhelm Leibniz als Bibliothekar, hg. v. Hartbecke, Karin (= Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie Sonderband 2008). Klostermann, Frankfurt am Main 2008. 277 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Der in Leipzig nach dem gregorianischen Kalender am 1. Juli 1646 als Sohn des Professors für Rechtswissenschaft (Moralphilosophie) Friedrich Leibniz und einer Tochter eines Rechtsgelehrten geborene Gottfried Wilhelm Leibniz erlernte bereits mit acht Jahren an Hand der väterlichen Bibliothek Latein und bald auch Griechisch. Mit zwölf Jahren entwickelte er die Anfänge einer mathematischen Zeichensprache. Als der universale Gelehrte, der nach eigenem Bekunden beim Erwachen schon so viele Einfälle hatte, dass der Tag nicht ausreichte, sie niederzuschreiben, in Hannover am 14. November 1716 vereinsamt verstarb, war bei seinem Begräbnis allein sein Sekretär anwesend.
Der ihn gleichwohl ein weiteres Mal gebührend ehrende Sammelband umfasst sechs Beiträge. Statt eines Vorworts berichtet Georg Ruppelt davon, dass der Leibniz-Briefwechsel der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover Teil des UNESCO-Weltdokumentenerbes wurde. Die reiche Sammlung umfasst innerhalb des 50000 Stücke mit etwa 200000 Seiten umfassenden Nachlasses (40 Prozent in Latein, 30 Prozent in Französisch, 15 Prozent in Deutsch) rund 15000 Briefe an etwa 1100 Partner (rechnerisch knapp 300 Briefe pro Erwachsenenjahr mit durchschnittlich fast 15 Briefen je Partner) und bildet, weil Leibniz kein seine Gedanken systematisch vereinendes Hauptwerk hinterlassen hat, eine wesentliche Grundlage für das Verständnis seiner Gedankenwelt.
Im Anschluss hieran leitet die Herausgeberin in den Band ein. Danach betrachtet Kathrin Paasch Leibniz im Spiegel der Bibliotheca Boineburgica des Mainzer Diplomaten Johann Christian von Boineburg (1622-1672), für den Leibniz seit einem Treffen in Nürnberg in der zweiten Hälfte des Jahres 1667 arbeitete. Die Herausgeberin selbst untersucht Leibniz’ erste Jahre als Hofbibliothekar zu Hannover ab 1676 unter dem Anspruch und Wirklichkeit gegenüberstellenden Gesamttitel des Bandes und bestätigt im Wesentlichen Leibniz’ eigene kritische Einschätzung „angefangen habe ich vieles, ausgeführt und vollendet nichts“.
Stefan Waldhoff befasst sich mit Leibniz’ Entwürfen einer bibliographisch-bibliothekarischen Sachsystematik. Thomas Fuchs spürt gut 50 Büchern aus der Bibliothek Gottfried Wilhelm Leibniz’ und der Hofbibliothek in Hannover im Ilfeld-bestand der Forschungsbibliothek Gotha nach. Insgesamt wird durch das anregende Werk das Wirken Leibniz’ als Bibliothekar in vielen Einzelheiten besser erhellt.
Innsbruck Gerhard Köbler