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Zimmer, Keno, Das Burger Landrecht. Ein spätmittelalterliches Rechtsbuch aus dem Kerngebiet des Sachsenspiegelrechts (= Studien zur Landesgeschichte 8). Mitteldeutscher Verlag, Halle 2003. 363 S. Besprochen von Gerhard Köbler., ZRG GA 127 (2010)

Zimmer, Keno, Das Burger Landrecht. Ein spätmittelalterliches Rechtsbuch aus dem Kerngebiet des Sachsenspiegelrechts (= Studien zur Landesgeschichte 8). Mitteldeutscher Verlag, Halle 2003. 363 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Arbeit ist die von Karl Kroeschell betreute, im Jahre 2000 von der juristischen Fakultät der Universität Freiburg im Breisgau angenommene Dissertation des bei Karl Kroeschell, Karin Nehlsen-von Stryk und Elmar Wadle als wissenschaftlicher Mitarbeiter und danach als Prokurist und Rechtsanwalt tätigen Verfassers. Sie betrifft einen bekannten, insgesamt wohl von der Forschung bisher vernachlässigten Gegenstand. Sie gelangt zu neuen Erkenntnissen über ihn.

 

Der sich selbst als Burges lantreht bezeichnende Rechtstext ist in einer einzigen, im Kreis- und Stadtarchiv Burg nordwestlich Magdeburgs aufbewahrten Sammelhandschrift auf den Blättern 65b-70b überliefert. Ihm gehen, wenn auch nicht vollständig, die sächsische Weichbildvulgata, das sächsische Landrecht und das sächsische Lehnrecht voraus, während auf der letzten Seite noch ein kurzer Text mit städtischen Bezügen (wohl zu Burg) angefügt ist. Die Edition Mülverstedts von 1867 und Markmann/Krauses von 1938 sind nach den überzeugenden Ausführungen des Verfassers mit Schwächen behaftet, wenn die Zweitedition auch die Handschrift im Faksimile wiedergibt und damit gegenüber der Edition des Verfassers ihren Wert bis zu einer Digitalisierung als Bild zunächst behalten wird.

 

Der Verfasser gliedert seine Untersuchung in insgesamt 13 Abschnitte. Dabei beschreibt er in seiner Einführung das Burger Landrecht als einziges reines Landrechtsbuch Deutschlands, das sich auf das Landrecht beschränkt und Stadtrecht wie Lehnrecht ausschließt und kein Gesetz und keine Rechtssetzung, sondern eine Sammlung des geltenden Rechts enthält. Der Verfasser versteht es als gelebte Rechtsgewohnheit, obgleich in seinem verdienstlichen Glossar Gewohnheit im Gegensatz zu Recht fehlt und er methodisch eigentlich eine Annäherung frei von zeitgebundenen Fragestellungen anstrebt.

 

Danach bindet er die Quelle überzeugend in den geschichtlichen Rahmen der Ostsiedlung ein, beschreibt sorgfältig die Handschrift und schließt danach ihren Inhalt vom Prolog ausgehend umsichtig auf. Großes Gewicht misst er dabei der erb- und familienrechtlichen Normgruppe (der Rechtsgewohnheiten) bei. Es folgen das Gericht vor der stad tu Borch, das Unrecht und dessen verfahrensrechtliche Bewältigung, verfahrensrechtliche Gewohnheiten bei Klagen um Grundeigentum, verfahrensrechtliche Nachträge zu Gestellungsbürgschaft und Handhaftverfahren, verfahrensrechtliche Gewohnheiten bei der Übertragung von Grundeigentum und kampfwürdige Wunden.

 

Im Ergebnis stehen Erbrecht und Ehegüterrecht im Mittelpunkt, während Vertragsrecht nur beiläufig erwähnt wird. Peinliche Strafen finden sich neben Kompositionen, bei denen ständische Unterschiede nicht sichtbar werden. Auffälligerweise sind nahezu alle erbrechtlichen und ehegüterrechtlichen Sätze ohne die vom Verfasser auf Grund seines von Anfang an zu Grunde gelegten Rechtsbegriffs vermisste verfahrensrechtliche Einbindung konzipiert. Trotz mancher inhaltlicher Übereinstimmungen ist das Burger Landrecht insgesamt gegenüber dem Landrecht des Sachsenspiegels und dem Stadtrecht Magdeburgs selbständig, was der Verfasser mit der Herkunft aus flämischem Siedlerrecht erklärt.

 

Die Entstehung der Handschrift verlegt der Verfasser wegen (sprachlicher oder besser) graphischer Besonderheiten in das zweite oder dritte Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts, obgleich sich der Schreiber selbst nicht ermitteln ließ. Ebenso unbekannt bleibt der Verfasser des Landrechts. Im Anhang bietet der Verfasser die Anmerkungen, die im Interesse des Lesers zum Text gehört hätten, den Text mit kleinen, nicht einzeln gekennzeichneten Eingriffen, ein Glossar und ein Quellen- und Literaturverzeichnis. Insgesamt erfährt die Quelle trotz Eingebundenheit des Verfassers in derzeitige rechtsgeschichtliche Sichtweisen eine insgesamt weiterführende Betrachtung, die für längere Zeit eine gute Grundlage für jegliche weitere Erörterung abgeben wird.

 

Innsbruck                                                        Gerhard Köbler