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Ullmann, Hans-Peter, Der deutsche Steuerstaat. Geschichte der öffentlichen Finanzen vom 18. Jahrhundert bis heute. Beck, München 2005. 272 S. Besprochen von Gerhard Köbler., ZRG GA 127 (2010)

Ullmann, Hans-Peter, Der deutsche Steuerstaat. Geschichte der öffentlichen Finanzen vom 18. Jahrhundert bis heute. Beck, München 2005. 272 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Die Steuer ist ursprünglich die Unterstützung, die der eine einem anderen zu Teil werden lässt. Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist im deutschen Raum die Steuer die Einnahme des Staates, die alle seine anderen Einnahmen übertrifft. Seitdem wird sie zu dem beliebtesten Werkzeug von Entscheidungsträgern, die Gesellschaft der anderen zu steuern.

 

Mit dieser wichtigen Entwicklung hat sich die bisherige Literatur noch nicht zureichend befasst. Deswegen hat der Autor im akademischen Jahr 1994/1995 sich die Schließung dieser Lücke zum Ziel gesetzt. Sein beeindruckendes Ergebnis hat er ein Jahrzehnt später als Taschenbuch vorgelegt.

 

Dabei erscheinen ihm die Anfänge des 16. Jahrhunderts, in denen sich aus dem Domänenstaat der Steuerstaat entwickelt, weniger lohnend, weshalb er mit dem Übergang vom frühmodernen zum modernen Finanzwesen beginnt. Im Mittelpunkt steht dabei der öffentliche Haushalt, dessen wichtigste Aufgabe es ist, Geldmittel in Politikziele umzuwandeln. Für ihn sind Ausgaben und Einnahmen, Aufstellung und Verabschiedung besonders in Wendeepochen, Entscheidungsträger und Betroffene sowie einzelne Entwicklungsstränge von besonderer Bedeutung.

 

Zwischen die kurze Einleitung und die abschließende Zusammenfassung stellt der Verfasser fünf Kapitel. Sie sind im Wesentlichen chronologisch aneinandergereiht. Sie betreffen den Ausbau des Steuerstaats seit dem 18. Jahrhundert, den föderalen Steuerstaat des 19. Jahrhunderts, den möglicherweise überlasteten Steuerstaat im frühen 20. Jahrhundert, den verbrecherischen Steuerstaat der nationalsozialistisch bestimmten Zeit und die ausufernden Steuerstaaten nach dem zweiten Weltkrieg.

 

Insgesamt erweist sich die Geschichte des deutschen Steuerstaats der untersuchten Zeit als eine Geschichte des keineswegs zwangsläufig, sondern politisch entschiedenen Wachstums der Staatsausgaben von etwa einem Zehntel des Sozialprodukts zu etwa der Hälfte. Dienten um 1800 zwei Drittel der Ausgaben der Sicherung nach außen und der Verwaltung im Inneren, so entfallen um 2000 zwei Drittel auf Soziales, Bildung und Infrastruktur. Mit den wachsenden Ausgaben suchte der Staat wachsende Einnahmen und brach dabei mit Einkommensteuer und Umsatzsteuer an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert den Damm.

 

Um den Konflikt mit seinen Bürgern zu entschärfen, griff er wenig später zur Staatsverschuldung. Sie machte die Ausgaben in Zeitpunkt und Umfang von den Einnahmen unabhängig. Sie erlaubte die Verwendung der öffentlichen Finanzen zur politischen Umverteilung, die besonders seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurde.

 

Mit dieser auch die Finanzverfassung und Finanzverwaltung beeinflussenden Entwicklung stößt der Steuerstaat an seine Grenzen. Gleichwohl lässt sich nach Ansicht des Verfassers die zukünftige Weiterentwicklung nicht vorhersehen, zumal Steuerbegrenzungsvorschriften bei Bedarf ohne Zögern gebrochen werden können. Insgesamt bietet der Verfasser so einen gelungenen Überblick über ein vernachlässigtes wichtiges Forschungsgebiet, der leider die Anmerkungen hinter den Text verbannt und sich für die Erschließung auf ein vielleicht 150 Namen von Adenauer bis Zohlnhöfer erfassendes Personenregister beschränkt.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler