Steinbeck, Joachim, Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis. Sentenzen des Oberappellationssenats des preußischen Kammergerichts von 1794 bis 1803. Teil 1 und 2 (= Schriften zur preußischen Rechtsgeschichte 1). Lang, Frankfurt am Main 2004. VII, 994 S. Besprochen von Gerhard Köbler. , ZRG GA 127 (2010)
Steinbeck, Joachim, Die Anwendung des Allgemeinen Landrechts in der richterlichen Praxis. Sentenzen des Oberappellationssenats des preußischen Kammergerichts von 1794 bis 1803. Teil 1 und 2 (= Schriften zur preußischen Rechtsgeschichte 1). Lang, Frankfurt am Main 2004. VII, 994 S. Besprochen von Gerhard Köbler.
Die Arbeit ist die von Jörn Eckert betreute, 2002 von der juristischen Fakultät der Universität Kiel angenommene Dissertation des Verfassers. Nach der Einleitung des Betreuers ist sie der erste Ertrag eines von der deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Forschungsprojekts zum Thema Gesetzesbegriff und Rechtsanwendung im späten Naturrecht - Die Spruchpraxis preußischer Gerichte unter dem Allgemeinen Landrecht 1790-1836, dessen Ziel es ist, auf der Grundlage einer eingehenden aktenmäßigen Untersuchung der richterlichen Praxis zu ermitteln, wie die preußischen Gerichte in den ersten Jahrzehnten nach dem Inkrafttreten des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten im Jahre 1794 mit der neuen Kodifikation umgingen und insbesondere die vorgeschriebene strenge Bindung des Richters an den Wortlaut des Gesetzes tatsächlich beachteten oder nicht. Da ein sachkundigerer Rezensent seine Zusage bisher nicht einzuhalten vermochte, muss der Herausgeber das Werk in einigen Sätzen zumindest vorläufig anzeigen.
In seiner kurzen Einleitung geht der Betreuer auf die Fragestellung näher ein. Dabei weist er insbesondere darauf hin, dass er einen als Grundlage einer Rechtsprechungsanalyse geeigneten Bestand an Urteilen im brandenburgischen Landeshauptarchiv Potsdam in den Sentenzenbüchern des Kammergerichts gefunden habe, wobei die Urteile des Oberappellationssenats besonders aufschlussreich sind, weil dieser für alle bedeutenderen Zivilverfahren in zweiter Instanz zuständig war. Eine von ihm selbst 1996 durchgeführte erste Auswertung von 500 Urteilen der Jahre 1790 bis 1800 hatte dabei bereits ergeben, dass die Richter des Oberappellationssenats das Allgemeine Gesetzbuch als Vorläufer des Allgemeinen Landrechts bereits in einer Entscheidung vom 13. Oktober 1791 verwendet hatten, obwohl das Inkrafttreten am 20. März 1790 erst für den 1. Juni 1792 angeordnet worden war, und dass die Befassung mit dem Wortlaut des neuen Gesetzes erst um 1796/1797 begann.
Die hierauf gegründete Dissertation des Verfassers besteht im Wesentlichen aus einem umfangreichen Register der Entscheidungen des Oberappellationssenats für die 10 Jahre zwischen 1794 und 1803, das er auf einer von der deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Stelle am Lehrstuhl erarbeitete. Dabei bestätigte die in der Einleitung vorgenommene statistische Auswertung die Feststellung, dass die Richter des Kammergerichts bereits früh auf die Kodifikation zurückgriffen und diese mehr oder weniger sicher handhabten. Dagegen zeigte sich auch, dass die Richter ab 1795 das Allgemeine Landrecht verwendeten, wenn sie sich auch methodisch mit dem Gesetz etwa durch Auslegung oder Analogie zunächst kaum auseinandersetzten und erst ab dem Beginn des 19. Jahrhunderts eine Abwendung vom gemeinen Recht und eine Hinwendung zur neuen Kodifikation erfolgt zu sein scheint.
Die Arbeit des Verfassers gliedert sich in eine Einleitung, in eine Betrachtung der Grundlage des Registers und des Richterbildes des Allgemeinen Landrechts sowie die für die einzelnen Jahrgänge aufgeschlüsselten Untersuchungsergebnisse zur Rechtsanwendung durch den Oberappellationssenat des Kammergerichts. Dabei stellt er fest, dass die Richter am Kammergericht mit Einführung des Allgemeinen Landrechts keineswegs ihre Rechtsprechungstätigkeit grundlegend veränderten und sich zu bloßen Subsumtionsautomaten wandelten. Andererseits ließ sich aber auch die Vermutung einer von den gesetzlichen Vorgaben gelösten, freien Rechtsschöpfung durch die Richter nicht erweisen.
Auf mehr als neun Zehnteln des Raumes werden dann die Einzeldaten der wohl fast 5000 Streitsachen veröffentlicht. Sie gliedern sich jeweils in sechs Rubriken (Datum/Fundstelle, Verfahrensart, Kläger/Beruf/Stand/Stellung im Verfahren, Beklagtereruf/Stand/Stellung´im Verfahren, Sachgegenstand, Rechtsnormen/Literatur). Auch wenn damit ein wichtiger erster Schritt getan ist, hebt der Verfasser zusammenfassend selbst hervor, dass eine abschließende Einordnung der richterlichen Rechtsprechungstätigkeit des Oberappellationsgerichts noch nicht möglich ist und noch weitere inhaltliche Untersuchungen der Sentenzen erforderlich sind, denen Jörn Eckert als Begründer des Unternehmens infolge seines frühen Todes leider nicht mehr zur Seite stehen kann.
Innsbruck Gerhard Köbler