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Republikflucht - Flucht und Abwanderung aus der SBZ/DDR 1945 bis 1961. Veröffentlichungen zur SBZ-/DDR-Forschung im Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Melis, Damian van/Bispinck, Henrik (= Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Schriftenreihe, Sondernummer 2006). Oldenbourg, München 2006. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler., ZRG GA 127 (2010)

Republikflucht - Flucht und Abwanderung aus der SBZ/DDR 1945 bis 1961. Veröffentlichungen zur SBZ-/DDR-Forschung im Institut für Zeitgeschichte, hg. v. Melis, Damian van/Bispinck, Henrik (= Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte, Schriftenreihe, Sondernummer 2006). Oldenbourg, München 2006. 276 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Republikflucht ist die Bezeichnung für das Verlassen der am 5. Juni 1945 in der Berliner Erklärung Großbritanniens, der Vereinigten Staaten von Amerika, der Sowjetunion und später auch Frankreichs festgestellten sowjetischen Besatzungszone und der aus ihr im Oktober 1949 gebildeten Deutschen Demokratischen Republik ohne Erlaubnis der zuständigen Behörden. Gemäß Gesetz vom 11. Dezember 1957 war dies strafbar. Nach dem Strafgesetzbuch der Deutschen Demokratischen Republik des Jahres 1968 war ungesetzlicher Grenzübertritt mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bedroht und durfte oder musste mit Verwaltungszwang bekämpft werden.

 

Von der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik bis zur Öffnung der Grenze am 9. November 1989 verließen insgesamt etwa drei Millionen Menschen den durchschnittlich 17 Millionen Angehörige zählenden Staat. Viele von ihnen verstießen dabei gegen das vom Staat festgesetzte Recht. Dieser Massenbewegung standen während der gleichen Zeit etwa 550000 Übersiedler aus der Bundesrepublik Deutschland gegenüber.

 

Der mit Mitteln des Bundesministeriums des Innern geförderte Band befasst sich mit der Entwicklung bis zum Bau der Mauer im Jahre 1961. Er gliedert sich in eine Thema, Forschungsstand, Fragestellung, Ansatz, Begrifflichkeit und Quellenbasis beschreibende Einleitung und drei Sachkapitel. Zahlreiche Dokumente und Statistiken veranschaulichen die überzeugenden Ausführungen.

 

Nach den Erkenntnissen der Bearbeiter wurde die Auswanderung anfangs wenig beachtet. Erst allmählich sah die junge Deutsche Demokratische Republik den unkontrollierten Grenzverkehr als Ordnungsproblem. Als entscheidendes Jahr hierfür ermitteln die Bearbeiter das Jahr 1952.

 

Von diesem Zeitpunkt an wurden Maßnahmen gegen die Republikflucht ergriffen, wobei sich die Politik von Zuckerbrot und Peitsche freilich als wirkungslos erwies. Unterschieden werden von den Bearbeitern Maßnahmen im Rahmen des neuen Kurses und weitere Maßnahmen bis zum Mauerbau. Bei den Fluchtgründen stehen trotz komplexer Motive und einseitiger Wahrnehmung berufsspezifische Fluchtgründe im Vordergrund.

 

Während sich, so lautet die abschließende Folgerung, in der Bundesrepublik Deutschland die Westbindung dank der materiellen und politischen Erfolge zunehmend stärker vor die gesamtdeutschen Fragen schob und die nationale Identität auflockerte, forcierte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in der Deutschen Demokratischen Republik die gleiche Entwicklung damit, dass sie gewachsene menschliche Beziehungen mit Hilfe politischer Verdächtigungen, wachsender Kontakt- und Reiseverbote und schließlich dem Bau der Mauer zerstörte. Dass auf diesen getrennten Wegen zum gleichen Ergebnis noch eine Umkehr erfolgen konnte, glaubten schließlich nur noch wenige. Die überraschende, wohl besonders mit Michael Gorbatschow persönlich verbundene Wende ermöglicht der Gegenwart jedenfalls auch die sorgfältige Nachzeichnung menschenrechtsverletzenden Geschehens.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler