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Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Band 1 Ein dynastisch-topographisches Handbuch, hg. v. Paravicini, Werner, bearb. v. Hirschbiegel, Jan/Wettlaufer, Jörg, Teilbd. 1 Dynastien und Höfe, Teilbd. 2 Residenzen. Band 2 Bilder und Begriffe, Teilband 1 Begriffe, Teilband 2 Bilder. Thorbecke, Ostfildern 2003, 2005. XXXIII, 915, 721, XVI, 562, 264 S. Ill. graph. Darst. Besprochen von Gerhard Köbler., ZRG GA 127 (2010)

Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich. Band 1 Ein dynastisch-topographisches Handbuch, hg. v. Paravicini, Werner, bearb. v. Hirschbiegel, Jan/Wettlaufer, Jörg, Teilband 1 Dynastien und Höfe, Teilband 2 Residenzen. Band 2 Bilder und Begriffe, Teilband 1 Begriffe, Teilband 2 Bilder. Thorbecke, Ostfildern 2003, 2005. XXXIII, 915, 721, XVI, 562, 264 S. Ill. graph. Darst. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Das anspruchsvolle Projekt eines dynastisch-topographischen Handbuchs des Heiligen römischen Reiches geht auf den bekannten Historiker Hans Patze zurück, der sich seit 1972 dieses Themas annahm. Bis 1982 konnte ein schematisches, durch die Ergebnisse der Stadtgeschichtsforschung und der Pfalzenforschung gefördertes Arbeitsprogramm entwickelt werden, dem 1985 die Gründung einer Residenzenkommission folgte. 1990 wurde das Programm in Richtung Hofforschung ausgeweitet und auch bereits ein erster Band der Reihe Residenzforschung vorgelegt.

 

1992 wurde das Projekt Residenzen-Handbuch vorgestellt, das den Titel Höfe und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich 1200-1600 tragen und in einem Band den Forschungsstand wiedergeben sollte. Dabei sollte der Residenz als dem Ort der Herrschaft der Hof als ihre Organisationsform zur Seite gestellt werden. Durch die Verzeichnung und Aufbereitung der einschlägigen Quellen und durch die Erörterung geeigneter Frageraster und Modellvorstellungen sollte eine umfassende Beschäftigung mit dem Thema möglich gemacht werden.

 

Um die Verwirklichung nicht zu gefährden, wurde in der Folge Abstand davon genommen, die ganze an das Projekt der Pfalzenforschung anschließende Zeit von 1200 bis 1600 zu berücksichtigen. Vielmehr wurde die überprüfte Reichsmatrikel von 1521 zum Ausgangspunkt genommen. Von ihrem möglichst vollständig erfassten Zustand aus sollte der Blick zurück und voraus auf das Reich nördlich der Alpen einschließlich der Niederlande, Lothringens, der Schweiz, Böhmens, Schlesiens, Schleswigs, Ostfrieslands, Trients und Aquilejas geworfen werden, wobei möglichst alle Reichsfürsten ermittelt werden sollten.

 

Dem 1919 in Pegau geborenen, 1940 auf dem Frankreichfeldzug schwer verwundeten, dann nach dem Studium von Geschichte, Kunstgeschichte, Germanistik und Latein bei Willy Flach in Jena promovierten, nach Archivdienst in Altenburg und Gotha und der Flucht in den Westen in Marburg bei Walter Schlesinger über die Entstehung der Landesherrschaft in Thüringen habilitierten und über Gießen (1963) nach Göttingen (1970) berufenen Initiator war es freilich nicht vergönnt, seinen Plan in die Tat umzusetzen. Schon seit 1985 musste er sich aus gesundheitlichen Gründen wissenschaftlicher Tätigkeit weitgehend enthalten. Umso erfreulicher ist es, dass trotz seines Todes am 19. Mai 1995 das Vorhaben erfolgreich fortgeführt werden konnte.

 

Band 1 umfasst die Dynastien, Höfe und Residenzen. Wegen der Fülle des Materials mussten zwei Teilbände gebildet werden, die jedoch insgesamt eine eindrucksvolle Einheit darstellen. Im Abschnitt C sind fast 400 Residenzen aufgenommen. Sie reichen von Ahaus über Bacharach, Cadolzburg, Dannenberg, Echternach, Fegefeuer, Gandersheim, Habsburg, Iburg, Jägerndorf, Karlstein, Ladenburg, Magdeburg, Nancy, Obermünster, Paderborn, Quedlinburg, Ratibor, Säckingen, Tangermünde, Udenheim, Verden, Warin und Zabern bis Zweibrücken.

 

Die einheitlich geordneten Einzelartikel werden durch die Angaben der wichtigsten Quellen und Literatur gelungen ergänzt. Dass ein derartiges Gesamtwerk vieler Mitarbeiter bedarf, versteht sich von selbst. Deshalb sind die Organisatoren sehr dazu zu beglückwünschen, dass es ihnen gelang, mehr als 150 Sachkenner für diese interessante und wichtige Aufgabe zu gewinnen, die kartographisch auf den Innenseiten veranschaulicht wird.

 

Band zwei befasst sich mit Begriffen und Bildern. Davon betreffen die Begriffe in sachlich-systematischer Ordnung Hof und Herrscher, Burg und Schloss, Residenz und Stadt, Versorgung und Administration (Gottesdienst, Familie, Nahrung, Unterkunft, Mobilität, Gesundheit, Sicherheit, Unterhaltung, Bildung und Administration), Repräsentation und Legitimation (Herkunft und Zukunft, Person und Rang, Pracht und Vielfalt, Raum und Distanz, Künstler und Fachleute), Integration und Kommunikation (Feste und Feiern, Schenken und Stiften, Medien). Zwar lässt sich die Vielfalt des menschlichen Lebens nicht zweifelsfrei gliedern, doch dürfte es gelungen sein, alles an Höfen und Residenzen im spätmittelalterlichen Reich irgendwie Bedeutsame an brauchbarer Stelle zu erfassen.

 

Ergänzt wird das Werk durch 287 Abbildungen. Sie lassen den Betrachter erahnen, mit welchem Glanz Hof und Residenz einst im spätmittelalterlichen Reich verbunden waren. Wer immer sich für die Vielfalt deutscher Geschichte interessiert, wird mit diesem begrüßenswerten Standardwerk in allen Fragen sehr gut bedient sein.

 

Innsbruck                                                                               Gerhard Köbler