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Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg. v. Schmidt-Aßmann, Eberhard/Sellner, Dieter/Hirsch, Günter/Kemper, Gerd-Heinrich/Lehmann-Grube, Hinrich. Heymanns, Köln 2003. 1198 S. Besprochen von Gerhard Köbler., ZRG GA 127 (2010)

Festgabe 50 Jahre Bundesverwaltungsgericht, hg. v. Schmidt-Aßmann, Eberhard/Sellner, Dieter/Hirsch, Günter/Kemper, Gerd-Heinrich/Lehmann-Grube, Hinrich. Heymanns, Köln 2003. 1198 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Am 8. Juni 1953 wurde das Bundesverwaltungsgericht Deutschlands in Berlin eröffnet. Sein erster Präsident Ludwig Frege sah es als Grundaufgabe der Verwaltungsgerichtsbarkeit an, die gemeinschaftlichen Pflichten und Rechte der Gesamtheit, in deren Auftrag die Verwaltung tätig wird, mit den Freiheiten des einzelnen von der Verwaltung Betroffenen in Einklang zu bringen. Das bedeutet die Entscheidung zwischen den Lebensmöglichkeiten des Bürgers und ihrer von Menschen gehandhabten Einschränkung zu Gunsten vieler oder einzelner anderer oder gar der Einrichtung Staat als solcher.

 

Am Ende der ersten fünfzig Jahre der Tätigkeit des Gerichts wird ein Rückblick versucht. 50 Jahre praktischer Arbeit am Recht sollen Veranlassung sein, Erreichtes vorzustellen, offene Fragen anzusprechen, Neues vorzuschlagen. Deshalb haben sich Vertreter unterschiedlicher Fachrichtungen der praktischen und akademischen Rechtswissenschaft, die in besonderer Weise an dem Verwaltungsrecht interessiert sind, zur Herausgabe eines Rechtsgesprächs zusammengefunden, in das sie auch die gemeinschaftsrechtliche Perspektive der Europäischen Union aufgenommen haben.

 

Das dafür erarbeitete Konzept sah vor, in einer zu treffenden Auswahl Gebiete, die sich seit langem als prägend für die Verwaltungsrechtsordnung erwiesen haben, ebenso zu berücksichtigen wie Problemkreise, die vielleicht nur für eine bestimmte geschichtliche Lage wichtig waren. Dabei sollte es vor allem darum gehen, über den Gehalt der einzelnen Rechtsprobleme und der einzelnen gerichtlichen Entscheidungen hinaus Kennzeichnendes aufzuzeigen und über Entwicklungsrichtungen nachzudenken. Besonders notwendig erschien die immer wieder neu aufgegebene Bestimmung der Position und des Kurses.

 

Unter diesen Zielsetzungen haben insgesamt 55 Beiträge Aufnahme gefunden. Sie sind in sechs Abschnitten zusammengefasst. Am Beginn wird dabei das Bundesverwaltungsgericht in den Kreis oberster europäischer und deutscher Gerichte gerückt.

 

Deswegen stellt Günter Hirsch als erstes Bundesverwaltungsgericht und Europäischen Gerichtshof gegenüber, während Bertold Sommer an Hand von Richtervorlagen und Verfassungsbeschwerden zwischen 1953 und 2000 Bundesverwaltungsgericht und Bundesverfassungsgericht verbindet. Michael Quaas untersucht ausgewählte Berührungspunkte und Überschneidungen mit dem Bundesgerichtshof, Hermann Plagemann Fragen des Verfahrensrecht im Meinungsstreit mit dem Bundessozialgericht, Hellmut Wissmann den Vertrauensvorschuss für öffentliche Arbeitgeber und Rüdiger von Groll Gedanken zur Rechtsprechung im Abgabenrecht. Die europarechtliche Dimension nehmen nach diesen innerstaatlichen Verbindungen Michel Fromont hinsichtlich der Verwaltungsgerichtsbarkeiten in Europa und Gerd-Heinrich Kemper bezüglich des Dialogs mit den obersten Verwaltungsgerichten der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und internationaler Kolloquien nochmals auf.

 

Bei den Akteuren des bundesverwaltungsgerichtlichen Verfahrens geht es im zweiten Abschnitt um Richterpersönlichkeiten (Konrad Redeker), die Wahl der Bundesrichter (Rupert Scholz), Rechtsanwälte (Klaus Finkelnburg) und den Oberbundesanwalt (Klaus-Dieter Schnappauf). Im dritten Abschnitt wird die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Grundfragen von Verfassung und Gesellschaft wie Menschenwürde (Horst Dreier), Rechtsstaats- und Demokratiegebot (Rüdiger Breuer), kontinuierliche Erneuerung des Rechts (Paul Kirchhof), Wesentlichkeitslehre (Dieter Hömig), allgemeine Rechts- und Verwaltungsgrundsätze (Fritz Osssenbühl), Eigentumsdogmatik (Klaus-Peter Dolde), Verhältnismäßigkeitsprinzip (Michael Kloepfer), religiöse und weltanschauliche Freiheit (Karl-Hermann Kästner), offene Vermögensfragen (Rainer Robra), Wiedervereinigung (Winfried Kluth), Ehe und Familie im Ausländerrecht (Klaus Rennert) und politisch brisante Bereiche (Matthias Schmidt-Preuß) erörtert. Der vierte Abschnitt nimmt Entwicklungen des Verwaltungsverfahrensrechts und des Verwaltungsprozessrechts in den Blick (Europäisierung, Gleichheitssatz, Verwaltungsakt, Verwaltungsvorschrift, maßgeblicher Zeitpunkt, Rechtsmittelreform, Auslegung behördlicher Willenserklärungen, erstinstanzliche Tätigkeit im Verkehrswegerecht, moderne Informationstechniken, Rechtsschutz durch nachvollziehende Kontrolle, Einfluss der Mediation).

 

Der fünfte Abschnitt bündelt ausgewählte Themen des besonderen Verwaltungsrechts (Atom- und Strahlenschutzrecht, Beamtenrecht, Berufsrecht, Städtebau- und Umweltrecht, kommunale Selbstverwaltung, Rundfunkrecht, Telekommunikationsrecht, Umweltrecht, Staatsangehörigkeitsrecht, Immissionsschutzrecht und Abfallrecht). Am Ende finden sich dann noch Varia. Sie betreffen zum einen die Meinungsfreiheit (Peter Lerche), die Kunst (Hermann Weber), die Ökologie (Gerd Winter), die Fachliteratur (Helmuth Schulze-Fielitz) und die Folgenberücksichtigung (Heribert Johlen), zum anderen den Umzug des Gerichts von Berlin in das vom Bundesgerichtshof abgelehnte Reichsgerichtsgebäude nach Leipzig (Hinrich Lehmann-Grube, Peter Gielen), der durch eine Reihe von Abbildungen veranschaulicht wird.

 

Ganz zum Schluss werden statistische Übersichten über die Präsidenten (Ludwig Frege, Hans Egidi, Fritz Werner, Wolfgang Zeidler, Walther Fürst, Horst Sendler, Everhardt Franßen, Eckart Hien) und 231 Richter geboten. Das Autorenverzeichnis rundet den gewichtigen Band ab. Ein den reichen, interessanten Inhalt der vielfältigen Bilanz von fünfzig Jahren Verwaltungsrechtsprechungsgeschichte aufschließendes Sachregister fehlt leider.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler