Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 4 Reichsversammlungen 1491-1493, hg.. v. Seyboth, Reinhard, 2 Teilbände.. Oldenbourg, München 2008. 1-842, 842-1402 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg., ZRG GA 127 (2010)
Deutsche Reichstagsakten. Mittlere Reihe Deutsche Reichstagsakten unter Maximilian I. Band 4 Reichsversammlungen 1491-1493, hg.. v. Seyboth, Reinhard, 2 Teilbände.. Oldenbourg, München 2008. 1-842, 842-1402 S. Besprochen von J. Friedrich Battenberg.
Der gleiche Bearbeiter hatte zuletzt die Edition der Reichstagsakten des Nürnberger Reichstags von 1487 vorgelegt (Rezension ZRG GA 119, 2002, S. 560-563). Ein weiterer Doppelband der „Mittleren Reihe“, also der der Regierungszeit Maximilians gewidmeten Reichstagsaktenedition, der des Kölner Tags von 1505, ist fast gleichzeitig erschienen (Rezension ZRG GA 126, 2009). Für die ersten zwanzig Jahre der Königszeit Maximilians (1486 bis 1505) steht damit nur noch Band VII für den Zeitraum von 1500 bis 1503 aus.
Der Band widmet sich dem in der Forschung bisher weniger beachteten Nürnberger Reichstag von 1491 und den in den Folgejahren gescheiterten Versuchen von Versammlungen in Metz, Koblenz, Frankfurt am Main und Kolmar. Der Pressburger Frieden um die ungarische Thronfolge und der Frieden von Senlis mit König Karl VIII. von Frankreich bildet gleichsam die äußeren Rahmendaten, in denen auch die Kollisionen zwischen den Interessen des Reichs und denen der habsburgischen Hausmacht sowie zwischen den älteren Reichstraditionen und der neuzeitlichen Staatenpolitik sichtbar wurden. Es ist aber zugleich der Zeitraum, in dem der alte Kaiser, Maximilians Großvater Kaiser Friedrich III., noch lebte und in die Regierungsgeschäfte aktiv eingriff – erkennbar etwa in der gemeinsamen Ausschreibung von Reichstagen, auch in gegensätzlichen Entscheidungen – so etwa, als Friedrich den von seinem Enkel im November 1491 für Frankfurt geplanten Reichstag untersagte. Außenpolitische Ereignisse ebenso wie die Situation im Reich bestimmten die Agenda – so etwa, als auf den für Juni 1493 in Straßburg geplanten Reichstag verzichtet wurde, weil inzwischen der Frieden mit dem französischen König geschlossen war. Die Entscheidung, auch die gescheiterten oder schlecht besuchten Versammlungen einzubeziehen, erscheint auch im Rahmen einer Edition von Akten der Reichstage richtig, denn auch Vorverhandlungen und die begleitende Politik geben Aufschluss über die Kommunikationsformen und Netzwerke des Kaiserhauses und der maßgebenden Reichsstände im Reich – und auf deren Funktionieren oder Scheitern kommt es an, um die Strukturen und die Verfassung des Reiches aus dieser Zeit verstehen zu können.
Nicht alles, was in den beiden hier vorgelegten Bänden ediert wurde, ist für den Rechts- und Verfassungshistoriker gleichermaßen interessant. Doch auch er wird die wie gewohnt ausführliche Einleitung vor einem Detailstudium der Quellen mit Gewinn lesen. Er erfährt dort nicht nur etwas über die Konzeption der Bände, über die zugrunde gelegten Quellen und die editorischen Prinzipien. Er bekommt darüber hinaus unter jeweils passender Bezugnahme auf die edierten Quellen einen präzisen und komprimierten Überblick über die inneren und äußeren Rahmenbedingungen der angesprochenen Tage und Versammlungen, über deren Verlauf und Ergebnisse, über weitere Beratungen und Verhandlungen nach Abschluss der Tage, über Planungen und Ursachen von gescheiterten Versammlungen im Spannungsfeld königlicher und kaiserlicher Politik, zwischen Reich und Hausmacht, in Auseinandersetzung zu den Reichsständen, aber auch zum französischen Königtum. Das verbindende Element der Reichs- und Königstage im Zeitraum zwischen 1491 und 1493, zugleich den letzten Jahren des alten Kaisers, waren die ehrgeizigen Pläne König Maximilians seit Beginn der neunziger Jahre, die auf den gleichzeitigen Erwerb Ungarns und der Bretagne hinzielten. Daraus ergaben sich, da die Eigenmittel des habsburgischen Hauses nicht ausreichten, die Forderungen an die Reichsstände nach Unterstützung – ein wesentliches Motiv für die Einberufung der Versammlungen, zugleich aber auch mit Ursache für deren teilweises Scheitern. Der Nürnberger Tag von 1491 entsprach dabei ganz dem herkömmlichen Muster, wie es auf den verfassungsgeschichtlich freilich wichtigeren Versammlungen der Jahre 1486, 1487 und 1489 schon vorgelebt wurde. Zwar waren da noch keine förmliche Propositionen, wie wir sie von den späteren Reichstagen gewohnt sind; wohl aber gab es Ladungsfristen, einen förmlichen Eröffnungsvortrag des Königs, Schiedsverhandlungen und Einsetzung von interständischen Vermittlungsausschüssen – wiewohl die förmliche Kurienbildung noch in den Anfängen steckte. Während der Nürnberger Tag gut besucht war, waren die späteren Versammlungen der Zeit bis 1493 nur schwach besucht. Die Tagungsorte (außer Frankfurt) entsprachen nicht dem Üblichen, und auch Förmlichkeiten wurden weniger beachtet. Sie waren eher in eine bisweilen sprunghafte königliche Politik eingebunden als das Ergebnis systematischer Vorbereitung und logistischer Betreuung. Aber gerade in ihnen ließen sich auch die Unterschiede zwischen der Politik des erfahrenen und den Traditionen des Heiligen Römischen Reichs verpflichteten alten Kaisers Friedrich III. und dem einer neuen Konzeption von Staatlichkeit und Hausmachtpolitik anhängenden jungen Königs Maximilian erkennen. Obwohl beide nicht offen gegeneinander agierten, waren die unterschiedlichen Sichtweisen doch deutlich, konnten aber auch einer gemeinsamen Politik zusammengeführt werden. Die eigentliche Zäsur in der Reichsgeschichte bildete erst der Tod Friedrichs im August 1493.
In fünf Abteilungen (Abschnitte A bis E) werden, verteilt auf zwei Teilbände, die Quellen des königlichen Tags in Nürnberg (15. März bis 4. Juli 1491), des geplanten kaiserlich-königlichen Tags in Metz (2. bis 15. August 1492), des königlichen Tags in Koblenz (21. September bis 8. Oktober 1492), des geplanten königlichen Tags in Frankfurt am Main (13. Dezember 1492) und des königlichen Tags in Kolmar (14. Februar bis 25. März 1493) dargeboten. Am ausführlichsten wird naturgemäß der Nürnberger Reichstag behandelt. Hier wird differenziert nach Quellen zu den außenpolitischen Rahmenbedingungen, zu den innerreichischen Problemen im Umfeld des königlichen Tages und den eigentlichen Vorverhandlungen, Verhandlungen und Nachverhandlungen der Versammlung. Gesondert werden ausgeworfen Akten zu den Finanzaktionen König Maximilians vor, während und nach den Reichstagsverhandlungen, zu Instruktionen und Berichten sowie zu Fragen der Organisation und des Zeremoniells und schließlich Verzeichnisse der Versammlungsteilnehmer. Im Hinblick auf den Metzer Tag werden Akten zum Schwäbischen Bund und zum allgemeinen Städtetag in Speyer einbezogen. Der Koblenzer Tag wird wieder nach Vorverhandlungen, Verhandlungen, Instruktionen und Berichten sowie Nachakten abgehandelt, während die beiden letzten Tage zu Frankfurt und Kolmar nur fragmentarisch mit Akten beleuchtet werden können.
Eigentliche normative Ergebnisse der Reichstage in Form von Abschieden und sonstigen Beschlüssen gab es nur ansatzweise. Ein am 28. Juni 1491 zum Abschluss des Nürnberger Tages gefundener Abschied (Nr. 366), der sich im Wesentlichen mit der Reichshilfe beschäftigte, enthält immerhin den Beschluss, dass das Kammergericht gemäß der ständischen Gerichtsordnung aufgerichtet werden solle. Verfassungsrechtlich noch bedeutsamer ist der Reichsordnungsplan König Maximilians (sog. Reformprojekt), der zu Kammergericht, zum Ablauf der Reichsversammlungen und zur Außenpolitik des Reiches Stellung bezieht (Nr. 367 – 369). Verfassungsgeschichtlich Bedeutsames ist darüber hinaus auch den Instruktionen und Berichten zu entnehmen, die allerdings noch nicht in der Systematik überliefert sind, wie dies bei frühneuzeitlichen Reichstagen der Fall ist. Die Akten zu Organisation und Zeremoniell hingegen lassen zwar keine normativen Bestimmungen erkennen; sie geben aber detailliert Auskunft über logistische Probleme und Lösungen – so, wenn etwa der Nürnberger Stadtrat befiehlt, zur Vorbereitung des Tages „das pettgewand und [den] hausrat durch die juden uf das sloß zu schaffen“. Die dem Schutz des Stadtrats unterstehenden, übrigens wenige Jahre später ganz aus der Stadt vertriebenen Juden wurden offenbar zu wohlfeilen organisatorischen Hilfsdiensten herangezogen (Nr. 511).
Die ausgewählten Quellen, aus 58 Archiven zusammengestellt, sind wieder zuverlässig, zumeist im Volltext, ediert (bei weniger wichtigen Textpassagen wurden in Kursivdruck inhaltliche Zusammenfassungen eingestreut) und mit sehr informativen, bisweilen recht ausführlich gehaltenen Kopfregesten versehen. Das Register der Personen-.und Ortsnamen am Ende des zweiten Bandes bezieht erfreulicherweise auch Sachbegriffe mit ein, und zwar soweit als möglich jeweils als Unterstichpunkte unter den Personen- oder Ortsbetreffen. Kammergericht und Kammergerichtsprokuratorfiskal werden als Hauptstichworte ebenso wie wichtige Gesamtheiten wie die Judenschaft aufgeführt. Auch der Begriff „Reich“ taucht als Stichwort mit zahlreichen Untergliederungen und Verweisen auf. Damit ist der Index auch für den Rechtshistoriker gut benutzbar.
Darmstadt J. Friedrich Battenberg