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Busch, Jörg W., Vom Amtswalten zum Königsdienst. Beobachtungen zur ,Staatssprache’ des Frühmittelalters am Beispiel des Wortes administratio (= Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte 42). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2007. XXX, 156 S. Besprochen von Gerhard Köbler., ZRG GA 127 (2010)

Busch, Jörg W., Vom Amtswalten zum Königsdienst. Beobachtungen zur ,Staatssprache’ des Frühmittelalters am Beispiel des Wortes administratio (= Monumenta Germaniae Historica, Studien und Texte 42). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2007. XXX, 156 S. Besprochen von Gerhard Köbler.

 

Wie Karl der Große und Ludwig der Fromme das riesige Reich der Franken eigentlich verwalteten, sieht der Verfasser zu Recht als wichtige und interessante Frage an. Aus diesem Grunde sammelte er die Belege für das lateinische Gegenstück zu unserem heutigen Wort Verwaltung in den frühmittelalterlichen - und auch in hochmittelalterlichen - Quellen. Daraus entstanden zwischen 1996 und 2006 Überlegungen über das Verständnis von administratio vor 1200 Jahren..

 

Die Einleitung spannt den Rahmen zwischen Spätantike und Moderne. Ausgangspunkt sind dabei der Codex Theodosianus von 438/439 und das hieraus übernommene Wissen des Bischofs Remigius von Reims, der 481/482 mit administratio die künftige Tätigkeit König Chlodwigs bezeichnete. Allerdings fristete administratio unter den merowingischen Königen trotz der tatsächlich für den König verwaltenden Hausmeier ein Schattendasein und lässt sich nur ein dünnes Rinnsal der Vermittlung nördlich der Alpen in Gestalt des Breviarium Alarici und seiner Epitome erkennen.

 

Im Gegensatz hierzu taucht administratio 814 mit dem Herrschaftsantritt Ludwigs des Frommen wieder auf. Daraus entwickelt sich in Aquitanien ein neues Verständnis delegierter Amtswaltung der die res publica administrantes.. Christlich überhöht wird aus der administratio regni eine administratio ministerii.

 

Bei den Franken erkennt der Verfasser aber dafür nur eigentliches Unverständnis Von der intellektuellen aquitanischen Vorstellung der administratio ministerii kehrt man sich unter dem Einfluss Einhards ab. Trotz vielfacher Verwendung der res publica herrscht das Bild anschaulichen Dienens vor, nach dem die Gewalthaber handeln, richten und herrschen, nicht aber eines Amtes walten.

 

In einer weitgehenden ländlichen Umwelt stand das unmittelbare Verhältnis eher vor Augen als eine allgemeine Denkfigur. Demnach lehnt der Verfasser überzeugend eine ungebrochene Kontinuität einer antiken Denkfigur ab und sieht in den zwischenzeitlichen Belegen nur ein Beispiel für Aneignen und Vergessen auf dem schmalen Fluss spätantiker Textüberlieferung. Erst als der im Frühmittelalter höchstens unterirdische Fluss der spätantiken Rechtsüberlieferung am Ende des 11. Jahrhunderts etwa bei Wibald von Stablo wieder zu Tage tritt, kann der ursprüngliche gelehrte Sinngehalt von administratio dauerhaft zurückgewonnen werden, in dem man die abgeleitete und nachgeordnete Amtswaltung im Auftrag eines Höherrangigen zu begreifen beginnt.

 

Im Anhang fügt der Verfasser erfreulicherweise noch eine überzeugende Abhandlung über das Verschwinden des einfachen Wortes publicus bei. Allerdings beschränkt er die Beobachtung, dass publicus in der Mitte des 9. Jahrhunderts aus der weltlichen Sphäre verschwindet, auf den karolinigischen Herrschaftsbereich nördlich der Alpen. Wenn demgegenüber unter dem westfränkischen Nachfolger Ludwigs des Frommen res publica geradezu inflationär in Gebrauch komme, sei damit keineswegs die Vorstellung von einem Gemeinwesen und seinen Institutionen jenseits personaler Bindungen erwiesen, weil die bloße formale Verwendung lateinischen Vokabulars in jedem Einzelfall sorgfältig auf ihren wirklichen Inhalt überprüft werden muss.

 

Innsbruck                                            Gerhard Köbler