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Zwicker, Stefan, „Nationale Märtyrer“- Albert Leo Schlageter und Julius Fučík. Heldenkult, Propaganda und Erinnerungskultur (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2006, 369 S., 32 Abb. Besprochen von Adolf Laufs. ZRG GA 126 (2009)

Zwicker, Stefan, „Nationale Märtyrer“- Albert Leo Schlageter und Julius Fučík. Heldenkult, Propaganda und Erinnerungskultur (= Sammlung Schöningh zur Geschichte und Gegenwart). Schöningh, Paderborn 2006, 369 S., 32 Abb. Besprochen von Adolf Laufs.

 

Albert Leo Schlageter, 1894 als Sohn einer Bauernfamilie in der Schwarzwälder Kleinstadt Schönau im Wiesental geboren, nahm als Soldat am Ersten Weltkrieg teil und kämpfte danach als Freikorps-Offizier im Baltikum, beim Grenzschutz in Oberschlesien und an der Ruhr 1920, um sich 1923 dem aktiven Widerstand im Ruhrkampf von 1923 anzuschließen. Ein französisches Militärgericht verurteilte ihn in jenem Jahr zu Düsseldorf wegen Spionage und Sabotage zum Tode. Die Exekution durch Erschießen geschah in der Golzheimer Heide.

 

Julius Fučík, 1903 in der Prager Vorstadt Smíchov als Sohn eines Eisendrehers, Sängers und Schauspielers geboren, trat 1921 der jungen Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei bei und gewann bald durch seine journalistische und literarische Arbeit auch in deutscher Sprache Ansehen. Die Kommunisten forderten 1938, die von ihnen lange bekämpfte tschechoslowakische Republik gegen die deutsche Bedrohung zu verteidigen. Fučík beteiligte sich an der Widerstands- und Untergrundtätigkeit. Nach mehr als einjähriger Haft kam er 1943 unter der Anklage des Hochverrats vor den Volksgerichtshof unter Freisler, um danach in Plötzensee den Tod durch den Strang zu erleiden.

 

Die beiden Nationalhelden, deren Lebensläufe viele Legenden umranken, gelangten beide zu großem posthumem Ruhm: Schlageter in der Weimarer Republik und noch gesteigert in der Frühzeit des Nationalsozialismus, Fučík in der Tschechoslowakei nach Kriegsende, besonders unter der seit 1948 errichteten kommunistischen Herrschaft. Den Mechanismen dieser Stilisierung und Heroisierung gilt das Buch, eine von Erwin Oberländer geförderte Mainzer historische Dissertation. Sie will „einerseits einen Beitrag zur Kultur- und Propagandageschichte Deutschlands und der ehemaligen Tschechoslowakei liefern, andererseits aber auch etwas zur Frage der Entstehung und Kultivierung von Heldenbildern und nationaler Identität beisteuern“. Das Werk darf also durchaus auch das Interesse von Rechts- und Verfassungshistorikern beanspruchen.

 

Fučík, der „sozialistische Held“, hat als Todgeweihter mit der oft aufgelegten und übersetzten „Reportage, unter dem Strang geschrieben“, sein eigenes Heldenepos verfasst. Schlageter erfuhr als Toter alsbald in breiten Schichten über Parteigrenzen hinweg Verehrung. Um 1933 feierten die Nationalsozialisten ihn immer nachdrücklicher als einen der Ihren. Die Hagiographien beider „Blutzeugen“ ähneln sich, und nach dem Zusammenbruch der sie feiernden Systeme 1945 und 1989 erfuhren sie gleichermaßen Geringschätzung und Nichtbeachtung. Die Mechanismen und Muster bei der Etablierung und Kanonisierung der beiden durch die Umstände ihres Todes erhöhten nationalen Kultfiguren werfen ein bezeichnendes Licht auf die Diktaturen jener Zeit.

 

Das durch viele Quellenbelege wohlbegründete und reich bebilderte Buch liefert die Biographien der beiden zuerst verklärten, dann verdrängten Gestalten, wobei es, durchaus kritisch, Nichterweisliches wie die NSDAP-Mitgliedschaft Schlageters offen lässt. Es zeigt eindrucksvoll: „Beider Ruhm entwickelte sich nicht nur, weil er von interessierten Kräften, die sich davon einen Gewinn versprachen, propagiert wurde, sondern auch, weil er weitverbreiteten Bedürfnissen entgegenkam“. Beide erschienen „als Opferhelden, die in Erfüllung einer Mission den Tod gefunden hatten“. Verehrung, Kult und Propaganda ließen christliche Märtyrer-Motive anklingen. Beide Idole wiesen ihr Publikum in eine bessere Zukunft. Mit der gebotenen Zurückhaltung schreibt der Autor „von einem Mythos, der um sie entstand“. Er konstatiert einen „ausgesprochenen Mangel an Sachlichkeit“ in den Publikationen zu beiden Persönlichkeiten. Nach dem Ende des nationalsozialistischen und des kommunistischen Regimes wurden aus Schlageter und Fučík „Unpersonen“ – bei einem Mangel an unvoreingenommenen Darstellungen und gerechten Würdigungen der Hingerichteten.

 

Der Autor hat als Kenner der deutschen wie der tschechischen Sprache und Geschichte mit seinen nüchternen und umfassenden historischen Aufschlüssen zur emotionsbeladenen Erinnerungskultur zweier Nachbarländer ein Werk geschaffen, dem Aufmerksamkeit auch über den Kreis der Fachleute hinaus zu wünschen bleibt.

 

Adolf Laufs                                                                                                              Heidelberg