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Strauch, Dieter, Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten. Die Entwicklung der ordentlichen Gerichtsbarkeit in der Rheinprovinz und ihren Nachfolgestaaten von 1798-2005 mit vier Karten (= Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 76). Droste, Düsseldorf 2007. 573 S. Besprochen von Werner Schubert. ZRG GA 126 (2009)

Strauch, Dieter, Rheinische Gerichte in zwei Jahrhunderten. Die Entwicklung der ordentlichen Gerichtsbarkeit in der Rheinprovinz und ihren Nachfolgestaaten von 1798-2005 mit vier Karten (= Publikationen der Gesellschaft für rheinische Geschichtskunde 76). Droste, Düsseldorf 2007. 573 S. Besprochen von Werner Schubert.

 

Das vorliegende Werk über die Gerichte und die Gerichtsverfassung in den Gebieten der ehemaligen preußischen Rheinprovinz gliedert sich in eine systematische Darstellung der Gerichtsverfassung und in ein alphabetisches Verzeichnis der seit 1798 errichteten Gerichte mit einem Abriss ihrer jeweiligen Geschichte. Strauch behandelt zunächst die verwirrende Fülle der Gerichte in den rheinischen Territorien bis zur Einführung der französischen Gerichtsverfassung; so hatte Köln bis 1794 etwa 60 verschiedene Gerichte. Die Neugestaltung der ordentlichen Gerichtsbarkeit richtete sich zunächst nach den Verordnungen des Regierungskommissars Rudler von 1798 und folgte seit 1801 der innerfranzösischen Gesetzgebung. Oberste Gerichtshöfe für die rheinischen Gebiete waren zuletzt die Cour d’appelle in Trier und die Cour d’appelle in Lüttich (seit 1810 Cour impérial; S. 54ff.). Ausführlich beschreibt Strauch dann die Reorganisation der Gerichtsverfassung durch Preußen mit Verordnungen von 1819 bis 1821 (S. 74ff.). Berücksichtigt werden auch die Gerichte im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld, das seit 1879 mit Preußen eine Gerichtsgemeinschaft bildete, in dem an Preußen von Sachsen-Coburg abgetretenen Fürstentum Lichtenberg, im Oberamt Meisenheim (Hessen-Homburg) und im Bezirk des Justizsenats Ehrenbreitstein sowie in den standesherrlichen Gebieten. Den nächsten größeren Einschnitt brachte das Gerichtsverfassungsgesetz von 1877, das vor allem durch die Emmingersche Justizreform von 1924 geändert wurde. Die NS-Zeit brachte im Wesentlichen die Verreichlichung der Justizverwaltung mit Eingriffen in die Selbstverwaltung der Gerichte. Erörtert werden auch die kriegsbedingten Änderungen und die Pläne des Reichsjustizministeriums, die Amts- mit den Landgerichten zu vereinigen und Friedensrichter einzuführen (S. 167ff.; hierzu auch W. Schubert, Akademie für Deutsches Recht 1933-1945. Protokolle der Ausschüsse, Bd. VI, Frankfurt am Main 1997, S. 79ff., 527ff.). Die Entwicklung seit 1945 wurde zunächst durch die Besatzungsmächte bestimmt (S. 191ff.). Auch nach der Aufteilung der Gebiete der preußischen Rheinprovinz auf Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und das Saarland blieb die überkommene Gerichtsstruktur im Wesentlichen bestehen. Erst mit den Gebietsreformen von 1965 bis 1978 kam es in den drei Ländern, verbunden mit den Änderungen des Gerichtsverfassungsrechts und der Prozessordnungen (insbesondere neue Zuständigkeiten bei den Amtsgerichten; Bündelung von Zuständigkeiten bei einzelnen Amts- und Landgerichten; Erweiterung der Zuständigkeit des Einzelrichters) zu eingreifenden Strukturveränderungen insbesondere durch Verringerung der Zahl der Amtsgerichte (von 153 Gerichten im Jahre 1879 auf 93 im Jahre 2002; S. 248). Der „Ausblick“ (S. 245ff.) befasst sich kritisch mit den neuesten Entwicklungen. Ob allerdings die justizpolitischen Maßnahmen der Bundesländer das Reformvorhaben der Dreistufigkeit überflüssig gemacht haben (S. 248), dürfte zweifelhaft sein. Nicht näher behandelt hat Strauch von der Zielsetzung seines Werkes aus das Recht der Anwaltschaft und deren Organisation sowie das Notariatsrecht. Im zweiten Teil des Werkes „Verzeichnis der rheinischen Gerichtsorte 1798-2005“ (S. 245-450) sind 229 Gerichtsorte verzeichnet. Dagegen sind die jeweiligen Grundlagen des Prozesses mitberücksichtigt worden (insbesondere die französischen Prozessordnungen und die Reichsjustizgesetze). Umfangreiche Eintragungen finden sich etwa zu den Gerichten in Koblenz (S. 341ff.), in Köln (S. 349ff.) und in Saarbrücken (S. 402ff.). Das Werk wird abgeschlossen mit einem ausführlichen Quellen- und Literaturverzeichnis, einem Ortsverzeichnis und einem sehr differenzierten Sachregister sowie mit Karten über die ordentlichen Gerichte in den drei später zu Rheinpreußen gekommenen rheinischen Departements um 1803, über die Gerichtsverfassung im Jahre 1821, über die ordentlichen Gerichte der Rheinprovinz 1906 und über die ordentlichen Gerichte der früheren Rheinprovinz im Jahre 2005. Das Werk erschließt erstmals umfassend die Gerichtsverfassung einer Kernregion Deutschlands und stellt somit ein Grundlagenwerk zur rheinischen und für die Zeit ab 1879 auch für die deutsche Justizgeschichte dar. Das außerordentlich sorgfältig erarbeitete Überblicks- und Nachschlagewerk dürfte für vergleichbare Arbeiten über weitere Gerichtsregionen Deutschlands Vorbildcharakter haben.

 

Kiel

Werner Schubert