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Röwekamp, Marion, Juristinnen – Lexikon zu Leben und Werk, hg. v. Deutscher Juristinnenbund e. V. Nomos, Baden-Baden 2005. 466 S. Besprochen von Andrea J. Czelk. ZRG GA 126 (2009) 00 Internetausgabe. ZRG GA 126 (2009)

Röwekamp, Marion, Juristinnen – Lexikon zu Leben und Werk, hg. v. Deutscher Juristinnenbund e. V. Nomos, Baden-Baden 2005. 466 S. Besprochen von Andrea J. Czelk.

 

Marion Röwekamp legt in ihrem 2005 erschienenen Lexikon die Lebensgeschichten von 150 „Juristinnen“ vor. Der Deutsche Juristinnenbund hat das Projekt zu Recht gefördert. Nach mittlerweile über zehn Jahren rechtshistorischer Frauenforschung war es an der Zeit, einmal die Biographien der Protagonistinnen weitgehend losgelöst von konkreten rechtlichen Reformforderungen in den Blickpunkt zu rücken. In den juristischen Arbeiten zu den Rechtskämpfen der deutschen Frauenbewegung mussten bisher allzu oft die menschlichen Aspekte des Lebensweges bekannter Frauenrechtlerinnen hinter die dogmatisch-inhaltliche Aufarbeitung der Quellentexte zurücktreten. Insofern bietet das Buch viel Erfreuliches: Neben herausragenden Persönlichkeiten der älteren bürgerlichen Frauenbewegung (Augspurg, Kempin, Jellinek), von denen jede einzelne auf ihre Art Pionierarbeit für eine gerechtere Stellung der Frau in den Gesetzen geleistet hat, werden eine Vielzahl weniger bekannte, dafür aber in der Justiz praktisch tätige Frauen (z.B. Friedemann, Schücking) vorgestellt, deren Lebenswege wie Facetten eines Kaleidoskops ein buntes Gesamtbild typischer Werdegänge ergeben. Dabei zeigt sich oft genug, dass auch Juristinnen des 20. Jahrhunderts noch „Pionierarbeit“ leisten mussten, wenn sie mit ihrer Leistung dieselbe Anerkennung wie die männlichen Kollegen erfahren wollten. Beeindruckend sind außerdem die Schicksale der in der früheren DDR tätigen Juristinnen, allen voran Liselotte Kottler: Zu den bekannten Schwierigkeiten mit verdeckt patriarchalischem Denken in Berufshierarchien gesellte sich hier die Abgrenzung zum Regime als weitere Herausforderung.

 

Das angenehm zu lesende Buch soll „Leben und Werk“ der porträtierten Juristinnen festhalten. Dabei tritt das „Werk“ allerdings häufig in den Hintergrund oder bleibt auf einzelne Aspekte beschränkt. Andererseits liegt es in der Natur eines biographischen Kompendiums, den persönlichen Werdegang zu illustrieren. Vertiefende Aspekte des Werkes können und sollten allenfalls angerissen werden. Tatsächlich bleibt die Darstellung immer wieder auf die Literaturzusammenstellung am Ende der einzelnen Artikel beschränkt. Dies schmälert aber nicht den Wert des vorliegenden Lexikons. Denn jede Monographie, die sich ausschließlich einer der vorgestellten Protagonistinnen widmet, kann und muss ungleich mehr Tiefe leisten, als es in den kurzen Lebensbeschreibungen möglich wäre. Gerade hinsichtlich des „Werkes“ werden sich zudem viele rechtshistorisch-dogmatisch ausgerichtete Arbeiten finden (so etwa Baumgarten, Die Entstehung des Unehelichenrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch, 2006, oder Lehmann, Die Ehefrau und ihr Vermögen, 2004), die sich inhaltlich mit den Quellen näher befassen. Genau diese vertiefte inhaltliche Auseinandersetzung führt oft genug zu der eingangs konstatierten Vernachlässigung der hinter den Schriften stehenden Persönlichkeiten.

 

Fragwürdig ist dagegen der erklärte Wunsch der Autorin, die Beiträge „aus der Perspektive der betreffenden Person“ (S. 9) zu schreiben. Wo die Quellenlage dies ermöglicht, kann der Leser einen fast vertraulichen Einblick in die Gefühle der Juristinnen nehmen, der das Buch durch die damit schnell geschaffene Identifikation auch für den Nichtjuristen interessant macht. Die Personen fungieren dann als Leitbilder des Gleichberechtigungsstrebens. Doch auch wo die Quellenlage weniger dicht ist, behält die Autorin ihren Erzählstil bei: „(…) erfüllte [sie] mit Hoffnung“, „erschüttert musste sie miterleben“ (S. 330) sind Formulierungen, die sich selbst dort finden, wo im Abschluss keine Quellen zitiert werden, also allein die Sekundärliteratur zu Wort kommt. Das macht es dem Leser schwer, historisch Verbürgtes und schriftstellerisch aus der Literatur Ergänztes zu unterscheiden. Ergänzungen historischen Geschehens unterliegen der Freiheit des Schriftstellers – als Grundlage wissenschaftlicher Dokumentationen kann es aber gerade bei Schilderungen des persönlichen Lebens die Legendenbildung fördern, und solche Verklärungen sind stets – und in der Genderforschung vielleicht erst recht – mit Vorsicht zu genießen. So sympathisch die tapferen Vorkämpferinnen der Gleichberechtigung gewesen sein mögen; etwas mehr kritische Distanz an der einen oder anderen Stelle wäre vielleicht vorzugswürdig gewesen. Dennoch ist auch dieser kritische Aspekt zu relativieren. Das biographische Lexikon erfüllt bereits eine wichtige Funktion als Überblick, als Einblick in die menschlichen Dimensionen der Rechtskämpfe und der schwierigen Lebenswege der frühen Juristinnen. Deren Schicksale dem Leser näherzubringen, rechtfertigt auch die bisweilen emotional gefärbte Erzählweise. Streng Analytisches oder geschichtlich Verbürgtes werden die zu erwartenden Monographien über Leben und Werk der meisten hier behandelten Juristinnen noch leisten. Die Stärke des Lexikons liegt in seiner Vielfalt und seiner Lebendigkeit; höhere Erwartungen würden das Verdienst Röwekamps zu Unrecht schmälern.

 

Da sich das vorliegende Buch als „work in progress“ (S. 9) versteht, noch abschließend eine Anregung: Die Auswahlkriterien für die „Juristinnen“ der früheren Zeit wären zu überdenken. Bisher wurden nur solche Rechtskämpferinnen der älteren (bürgerlichen) Frauenbewegung aufgenommen, die entweder Jura studiert hatten (Augspurg, Kempin) oder denen später die Ehrendoktorwürde (Jellinek, Weber) verliehen wurde. Diese rein formalistische Abgrenzung von „Juristinnen“ und „Nicht-Juristinnen“ dürfte allerdings für die Zeit, in denen Frauen noch nicht ohne weiteres an Bildung und Studium teilhaben konnten, zu kurz greifen, zumal gerade die Verleihung der Ehrendoktorwürde innerhalb des Heidelberger Kreises von Gustav Radbruch an Marianne Weber und Camilla Jellinek einen Sonderfall darstellt. So hat etwa Marie Stritt, die in Dresden den ersten deutschen Rechtsschutzverein für Frauen gründete und in ihren Schriften triftige Argumente gegen das Familienrecht der BGB-Entwürfe geliefert hat, niemals eine juristische Ausbildung genossen. Sie fehlt daher im Lexikon „Juristinnen“. Trotzdem war ihr Engagement besonders in der praktischen Rechtsberatung hilfesuchender Frauen für die spätere Entwicklung prägend. Solche Persönlichkeiten sollten in einer zweiten Auflage – aller schematischen Abgrenzungen zum Trotz – vielleicht Erwähnung finden, wie auch Gertrud Bäumer oder Lilly Braun als Vorkämpferin für Mutterschutz und Arbeitsrecht.

 

Dank der Beharrlichkeit, mit der Marion Röwekamp das umfangreiche Material recherchiert und literarisch ausgestaltet hat, existiert nun eine Sammlung von Biographien bedeutender Juristinnen. Das Werk schließt eine Lücke, die in der rechtshistorischen Genderforschung allzu lange bestanden hat.

 

Hannover                                                                                                       Andrea J. Czelk